Lade Inhalt...

Kreditrisikosteuerung mit Portfoliomodellen: Funktionsweise der Modelle und Risikoanalyse eines Beispielportfolios

©2009 Bachelorarbeit 73 Seiten

Zusammenfassung

In den deutschen Kreditinstituten setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Kreditrisikosteuerung einen wesentlichen Bestandteil des Bankcontrollings darstellt. Bevor Steuerungsmaßnahmen ergriffen werden können, muss zuerst die Höhe des Kreditrisikos quantifiziert werden. Zusätzlich zur Betrachtung des Risikos auf Einzelgeschäftsebene ist dabei vor allem die Risikoquantifizierung auf Gesamtportfolioebene in den Vordergrund gerückt, da zwischen den Kreditnehmern eines Portfolios Risikozusammenhänge bestehen. Aufgrund dieser Anforderungen hat die Praxis eine Reihe von Kreditportfoliomodellen mit dem Zweck entwickelt, die tatsächliche Risikosituation des Portfolios möglichst gut abbilden zu können. Leider werden diese Modelle in der Praxis jedoch oft ohne das notwendige Hintergrundwissen angewendet, sodass Ergebnisse teilweise fehlerhaft interpretiert werden. Dies kann zu falschen Steuerungsmaßnahmen und damit zur Verschlechterung des Rendite-/Risikoverhältnisses eines Kreditinstitutes führen. Aus diesem Grund ist es die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, die Funktionsweise von Kreditportfoliomodellen näher zu erklären. Neben einer detaillierten Darstellung von kommerziellen Kreditportfoliomodellen wird anhand daraus abgeleiteter Modelle die Simulation von Kreditrisiken eines Beispielportfolios durchgeführt. Die Arbeit zeigt, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Inputparametern wie Ausfallwahrscheinlichkeit, Ratingklasse und Vertrauensbereich und den daraus resultierenden Ergebnissen besteht. Allerdings ist die alleinige Betrachtung des in der Praxis weit verbreiteten Value at Risk nicht immer ausreichend, sondern es ist oft zusätzlich der gesamte oder erwartete Verlust hinzuzuziehen. Außerdem wird gezeigt, inwieweit Modellannahmen zu Verfälschungen in den Ergebnissen führen können. Zuletzt werden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modellkategorien zusammengefasst.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Symbol- und Abkürzungsverzeichnis
b
Ratingklasse in CreditMetrics
B
Anzahl der Ratingklassen in CreditMetrics
B
Basiseinheit in CreditRisk+
CF
Cash-Flow
eines
Finanzinstruments
Corr
Korrelation
Cov
Kovarianz
e Euler'sche Zahl bzw. 2,718281828...
E
Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens
exp
Exponentialfunktion
F
Marktwert des Fremdkapitals eines Unternehmens
fz Forward-Nullkuponzinssatz
G(x)
Wahrscheinlichkeitserzeugende
Funktion
G`(x)
Ableitung der Funktion G nach x
h Anzahl
an
Ausfällen
k
Risikohorizont in CreditMetrics
k Exposure-Band-Multiplikator
in
CreditRisk+
log
Logarithmus
Max
Maximum
Min
Minimum
MW
Marktwert eines Finanzinstruments
N
Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
IN
Menge der natürlichen Zahlen
III

N Poisson-Prozess
zum
Zeitpunkt
t
n! Fakultät
von
n
P Put-Option
bzw.
Verkaufsoption im Firmenwertmodell
P Wahrscheinlichkeit
P Zufallsvariable
für
die
Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers i
p
Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers i
p
Ausfallwahrscheinlichkeit bis zum Zeitpunkt t
r Stetiger
Zinssatz
R
Rückzahlungsbetrag einer Verbindlichkeit im Firmenwertmodell
R Renditegrenze
der
Standardnormalverteilung in CreditMetrics
r
Die Ratingklasse AA auslösende Unternehmensaktivarendite
r
Unternehmensaktivarendite des Kreditnehmers i
RP
Risikoprämie
RR
Recovery
Rate
S Sektor
j
t Zeitpunkt
T
Restlaufzeit einer Option
ü Überlebenswahrscheinlichkeit bis zum Zeitpunkt t
V
Marktwert der Aktiva eines Unternehmens
V
Bereinigtes Exposure des Kreditnehmers i
V
Wert eines risikobehafteten Kredittitels
Var
Varianz
X
Systematischer Faktor im Asset-Value-Modell
X Zufallsvariable
für
den Verlust in CreditRisk+
IV

Z Zufallsvariable
für
die
erwartete
Anzahl an Ausfällen in Sektor j
Intensitätsparameter des Poisson-Prozesses
(c)
Gammafunktion
Unsystematischer Faktor im Asset-Value-Modell
Erwarteter Verlust je Exposure-Band k
Erwartungswert
Kreiszahl
Pi
Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Ausprägung des Portfolioverlustes
Paarweiser
Korrelationskoeffizient
Volatilität bzw. Standardabweichung
Ausfallzeitpunkt
im
Poisson-Prozess
Gewichtungsfaktor
Definitionsgemäß
gleich
Element
von
Für
alle
Integral
Produkt
Schnittmenge
Summe
Unendlich
~ Ungefähr
Ungleich
Vereinigungsmenge
V

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Renditeintervalle der Standardnormalverteilung
Tabelle 1:
1-Jahres-Migrationsmatrix
Tabelle 2:
Ratingklassenspezifische Forwardzinssätze
Tabelle 3:
Recovery Rates
Tabelle 4:
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Marktwerte
Tabelle 5:
Kreditdaten des Ausgangsbeispiels
Tabelle 6:
Korrelationen aus Aktienkurszeitreihen
Tabelle 7:
Value at Risk im Ausgangsbeispiel
Tabelle 8:
Value at Risk bei Korrelation von null in den Simulationsmodellen
Tabelle 9:
Value at Risk bei Neuberechnung der Zufallszahlen
Tabelle 10: Value at Risk bei Ratingänderungen
Tabelle 11: Gesamtverluste bei Ratingänderungen
Tabelle 12: Erwartete Verluste in B und CCC
Tabelle 13: Gesamtverluste in B und CCC
Tabelle 14: Erwartete Verluste bei verschiedenen Zinssätzen
Tabelle 15: Value at Risk bei Zinssatzvariation
Tabelle 16: Gesamtverluste bei Zinssatzvariation
Tabelle 17: Erwartete Verluste bei Zinssatzvariation
Tabelle 18: Alternative Zinsstruktur
Tabelle 19: Value at Risk bei verschiedenen Zinskurven
Tabelle 20: Value at Risk bei Veränderung der Rangstellung von Krediten
VI

Tabelle 21: Alternative Recovery Rates
Tabelle 22: Value at Risk bei Variation der Recovery Rates
Tabelle 23: Migrationsmatrix mit erhöhtem Risiko
Tabelle 24: Value at Risk bei veränderter Migrationsmatrix
Tabelle 25: Gesamte und erwartete Verluste bei veränderter Migrationsmatrix
Tabelle 26: Value at Risk bei Änderung der Basiseinheit B
Tabelle 27: Value at Risk in Abhängigkeit vom Kreditvolumen
Tabelle 28: Verhalten der Value at Risk-Werte bei Variation von Parametern
VII

1 Einleitung
Der Ausfall von Kreditnehmern stellt derzeit das größte Risiko für die meisten
Kreditinstitute dar.
1
Zusätzlich birgt die aktuell einsetzende Rezession in der
Weltwirtschaft, verursacht durch die im Jahre 2008 beginnende Finanzmarktkrise, die
große Gefahr steigender Unternehmens- und Privatinsolvenzen und folglich weiter
steigender Risiken im Kreditgeschäft in sich. Auf der anderen Seite sind auch die
Zinskonditionsbeiträge im Kreditgeschäft aufgrund der veränderten
Wettbewerbsbedingungen
2
in den letzten Jahren größtenteils rückläufig. Während
auf der Nachfrageseite eine steigende Markttransparenz der Kunden und eine
Aufweichung des Hausbankprinzips zu beobachten sind, kommt es auf der
Angebotsseite zum Eintritt neuer Marktteilnehmer, zu einer zunehmenden
Marktverteilung und letztendlich zum Verdrängungswettbewerb. Um weiterhin
rentabel wirtschaften zu können, verfolgen die meisten Banken sogenannte
Spezialisierungsstrategien. Durch die Fokussierung auf bestimmte Regionen und
Branchen lassen sich Ertragssteigerungen aufgrund komparativer Konkurrenzvorteile
erzielen. Dadurch entstehen jedoch wiederum Konzentrationsrisiken, welche das
Kreditrisiko im Bankportfolio weiter erhöhen.
3
Somit besteht im Kreditgeschäft eine
Gratwanderung zwischen hohen Erträgen und niedrigem Risiko
4
, weshalb ein
effizientes Kreditportfoliomanagement für jedes Kreditinstitut unabdingbar ist. Da das
vorhandene Eigenkapital einer Bank in der Regel knapp und kurzfristig nicht
veränderbar ist, müssen die Kreditengagements mit der höchsten risikoadjustierten
Rendite eingegangen werden. Den Ausgangspunkt für die Kreditrisikosteuerung
bildet die Quantifizierung des Kreditrisikos. Zunächst wird dabei die
Einzelgeschäftsebene mit der Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung betrachtet.
Anschließend muss sich die Risikoquantifizierung jedoch auch auf die
Gesamtportfolioebene ausdehnen, da Ausfallkorrelationen einen wesentlichen
Einfluss auf die Risikohöhe des Kreditportfolios haben.
5
Zu diesem Zweck wurden
verschiedene Kreditportfoliomodelle entwickelt, wobei in dieser Arbeit die weit
verbreiteten Modelle CreditRisk+TM und CreditMetricsTM behandelt werden.
1
Vgl. Bröker/Lehrbass (2001), S. 3.
2
Vgl. Dunemann (2001), S. 2.
3
Vgl. Rinker/Schweizer (2007), S. 232.
4
Vgl. Schmoll (1995), S. 865.
5
Vgl. Klement (2007), S. 128.
1

In der Praxis werden diese Modelle jedoch oft ohne ausreichende Kenntnisse der
Funktionsweise und Zusammenhänge angewendet. Daher ist es Zielsetzung dieser
Arbeit, die Methodik und Ergebnisinterpretation von Kreditrisikomodellen näher zu
erläutern und für Wissenschaft und Praxis greifbar darzustellen. Als Instrument wird
hierfür neben einer detaillierten theoretischen Darstellung der beiden kommerziellen
Modelle vor allem die praktische Simulation von Kreditrisiken eines Beispielportfolios
eingesetzt.
Dafür werden im zweiten Kapitel zunächst die grundlegenden Unterschiede zwischen
CreditRisk+TM und CreditMetricsTM, im Folgenden CreditRisk+ und CreditMetrics
genannt, dargestellt. Bereits hier kann man erkennen, dass die Modelle zwei
unterschiedlichen Basiskategorien, den Firmenwertmodellen und den
intensitätsbasierten Modellen, zuzuordnen sind. Die Kenntnis dieser
Modellkategorien ist für das Verständnis der Kreditportfoliomodelle zwingend
erforderlich, weshalb sie im dritten Kapitel erläutert werden. Schließlich erfolgt im
vierten Kapitel eine ausführliche Darstellung der Kreditportfoliomodelle. Zur
Erklärung der Berechnungsmethodik von derartigen Modellen wurden vom Verfasser
dieser Arbeit vereinfachte und Excel-basierte Modelle abgeleitet, welche im fünften
Kapitel genau spezifiziert werden. Anhand dieser vereinfachten Modelle erfolgt in
diesem Kapitel die Simulation von Kreditrisiken eines Beispielportfolios. Die
Simulationsergebnisse werden dabei analysiert und bewertet. Den Abschluss dieser
Arbeit bildet das sechste Kapitel mit der Zusammenfassung der Ergebnisse und
einem Ausblick.
2

2
Unterscheidungsmerkmale von CreditMetrics und CreditRisk+
Die Kreditrisikomodelle CreditMetrics und CreditRisk+ haben das gemeinsame Ziel,
eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Portfoliowerte bzw. die Portfolioverluste zu
einem festgelegten Risikohorizont zu bestimmen. Meist wird einheitlich ein 1-Jahres-
Risikohorizont definiert. Der Grund liegt darin, dass die meisten relevanten Daten wie
Ausfallraten oder Ratingänderungen auf Jahresbasis erhoben werden und dies auch
als der Zeitraum angesehen wird, in dem risikoreduzierende Maßnahmen ergriffen
werden können.
6
Allerdings ergeben sich im Weiteren deutliche Unterschiede
hinsichtlich der Wege, dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Ein wichtiger Aspekt ist
die Definition des Risikobegriffes in den beiden Modellen. CreditRisk+ stellt hierbei
auf das Ausfallparadigma ab. Es werden lediglich Wertverluste in Form von
Ausfallereignissen berücksichtigt, sodass am Risikohorizont für einen Kredittitel
lediglich zwei Zustände möglich sind. Falls der Kredit bis zum Risikohorizont nicht
ausgefallen ist, entspricht der Wert des Kredites seinem Buchwert. Wenn hingegen
bis zu diesem Zeitpunkt ein Ausfallereignis eingetreten ist, ergibt sich der Kreditwert
aus der Multiplikation der ausstehenden Forderung bei Ausfall mit der Recovery
Rate. Demgegenüber baut CreditMetrics auf dem Marktwertparadigma auf. Dabei
werden alle Wertveränderungen eines Kredites berücksichtigt, die durch eine
Bonitätsveränderung des Schuldners verursacht worden sind. Die Bonität des
Schuldners am Risikohorizont wird dabei durch sein Rating gemessen, in dessen
Abhängigkeit eine barwertorientierte Neubewertung seiner Kredittitel vorgenommen
wird.
7
Das Ausfallrisiko ist durch die Wanderung des Kreditnehmers in die niedrigste
Ratingkategorie im Bonitätsrisiko inbegriffen.
8
Beiden Modellen ist jedoch
gemeinsam, dass das Credit-Spread-Risiko nicht berücksichtigt wird, da die
risikoadjustierten Zinszuschläge bis zum Risikohorizont in CreditMetrics als
deterministisch unterstellt werden.
9
Hinsichtlich der Berechnungsmethodik wird die
Wahrscheinlichkeitsverteilung im Modell CreditRisk+ analytisch hergeleitet, während
bei CreditMetrics eine Monte-Carlo-Simulation zum Einsatz kommt. Die Modellierung
von Korrelationen zwischen den Ausfallwahrscheinlichkeiten wird bei CreditRisk+
durch die gemeinsame Abhängigkeit der Schuldner von makroökonomischen
Hintergrundfaktoren vorgenommen. CreditMetrics nutzt eine mikroökonomische
Betrachtungsweise, indem die Korrelationen zwischen den
6
Vgl. Hartmann-Wendels, Pfingsten, Weber (2007), S. 480-481.
7
Vgl. Grundke (2003), S. 265-266.
8
Vgl. Daldrup (2003), S. 3.
9
Vgl. Hartmann-Wendels, Pfingsten, Weber (2007), S. 483.
3

Bonitätszustandsprozessen aus den Korrelationen der Unternehmenswerte bzw.
approximativ aus den Aktienkurskorrelationen abgeleitet werden.
10
Außerdem ist die
Recovery Rate im Modell CreditRisk+ eine ex ante bekannte Größe, wohingegen
CreditMetrics eine stochastische Wiedergewinnungsrate simuliert.
11
Ein weiterer
gravierender Unterschied ergibt sich in der jeweiligen Modellbasis. Während
CreditRisk+ ein Vertreter der intensitätsbasierten Modelle ist, gehört CreditMetrics
der Klasse der Firmenwertmodelle an.
12
Da Kenntnisse über diese Modellkategorien
für das Verständnis der unterschiedlichen Kreditrisikomodelle zwingend notwendig
sind, werden sie im nächsten Kapitel behandelt.
3 Grundlegende
Modellkategorien
3.1 Firmenwertmodelle
Die Firmenwertmodelle werden auch als Strukturmodelle bezeichnet, da ein
ökonomischer Zusammenhang zwischen Firmenwert und Insolvenz geschaffen
wird.
13
Diese Beziehung wird im Firmenwertmodell von Merton (1974) konkretisiert,
das auf den Erkenntnissen der Optionspreistheorie von Black/Scholes (1973)
basiert.
14
Den Ausgangspunkt bildet ein Unternehmen mit beschränkter Haftung,
dessen Fremdfinanzierung lediglich auf einem einzigen Zerobond basiert.
Zusammen mit dem Aktienkapital des Unternehmens bildet dieser Zerobond die
Passivseite des Unternehmens ab. Aufgrund der Bilanzgleichung und der Annahme
des vollkommenen Kapitalmarktes lässt sich der Marktwert des Unternehmens daher
im Zeitpunkt t = 0 als Summe der Marktwerte des Eigen- und Fremdkapitals
darstellen:
15
=
+
(1)
Im Zeitpunkt T erhalten die Gläubiger grundsätzlich den vereinbarten
Rückzahlungsbetrag R aus dem Zerobond. Das Risiko der Fremdkapitalgeber liegt
nun darin, dass der Unternehmenswert
im Rückzahlungszeitpunkt des Zerobonds
T unter dem Betrag R liegt und die Unternehmenseigner damit ihre Verbindlichkeiten
nicht begleichen können. Stattdessen übertragen sie das Unternehmen an die
10
Vgl. Grundke (2003), S. 268.
11
Vgl. Schwarz (2004), S. 14.
12
Vgl. Hegemann (2003), S. 43-44.
13
Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 506.
14
Vgl. Rudolph/Hofmann/Schaber/Schäfer (2007), S. 113.
15
Vgl. Rudolph (1995), S. 898.
4

Gläubiger, die nun einen Verlust in Höhe von
-
erleiden. Die Recovery Rate
wird somit als Anteil des Unternehmenswertes in Bezug auf den Rückzahlungsbetrag
modellendogen ermittelt. Liegt der Wert des Unternehmens im Zeitpunkt T dagegen
über dem Rückzahlungsbetrag, so erhalten die Fremdkapitalgeber von den
Eigenkapitalgebern den Betrag R. Damit determiniert also die Entwicklung des
Unternehmenswertes die Ausfallwahrscheinlichkeit.
Das Auszahlungsprofil der Fremdkapitalgeber und der Eigenkapitalgeber stellt sich
demgemäß folgendermaßen dar:
=
[ ; ] (2)
Dies lässt sich auch schreiben als:
= -
[ -
; 0] (3)
Da:
> -
[ -
; 0] = - 0 = (4)
< -
[ -
; 0] = - ( -
) = (5)
Und:
=
[
- ; 0] (6)
Somit entspricht der zweite Summand im Auszahlungsprofil der Fremdkapitalposition
dem Pay-off einer verkauften europäischen Verkaufsoption, während das
Auszahlungsprofil der Eigenkapitalgeber gleich dem Pay-off einer gekauften
europäischen Kaufoption ist. Anhand der Darstellung als Optionen lassen sich nun
Optionswerte berechnen, aus denen Risikoprämien für das Ausfallrisiko abgeleitet
werden können.
16
Im Folgenden wird dabei von der Bestimmung des Wertes der
Fremdkapitalposition ausgegangen, wobei aufgrund der Put-Call-Parität auch die
Bestimmung der Eigenkapitalposition als Ausgangspunkt dienen kann.
17
Weiterhin gelten folgende Modellannahmen
18
:
- Es liegt ein vollkommener und vollständiger Kapitalmarkt vor.
- Das Modigliani-Miller-Theorem besitzt Gültigkeit.
16
Vgl. Daldrup (2003), S. 13-15 und S.18.
17
Vgl. Rudolph (1995), S. 900.
18
Vgl. Klement (2007), S. 117 und Rudolph/Hofmann/Schaber/Schäfer (2007), S. 113.
5

- Es liegt eine flache und konstante Zinsstruktur vor.
- Aktien und Optionen werden kontinuierlich gehandelt.
- Der Unternehmenswert folgt einer geometrischen Brownschen Bewegung.
- Dividendenzahlungen
fallen
nicht
an.
- Es
liegt
eine
Option
europäischen Typs vor.
- Ein Kreditausfall kann nur zum Fälligkeitszeitpunkt T eintreten.
Damit lässt sich der Wert einer risikobehafteten Fremdkapitalposition an ihrem
Fälligkeitstag darstellen als eine risikolose Fremdkapitalposition abzüglich einer
europäischen Verkaufsoption mit Basispreis R und dem Unternehmenswert als
Underlying:
19
=
-
(7)
Es wird also davon ausgegangen, dass die Fremdkapitalgeber eine risikolose
Anleihe erwerben und gleichzeitig eine europäische Verkaufsoption an die
Eigenkapitalgeber verkaufen, die diesen die Möglichkeit bietet, entweder den
Nominalbetrag zurückzuzahlen oder den Gläubigern das Unternehmen
anzudienen.
20
Mit anderen Worten resultiert die Verkaufsoption aus der Annahme
der beschränkten Eigentümerhaftung, was dazu führt, dass die Gläubiger die
Position des Stillhalters in der Option einnehmen.
21
Dafür erhalten die Gläubiger eine
Optionsprämie, die als Risikoprämie für das Ausfallrisiko definiert wird.
22
Um zur Risikoprämie zu gelangen, muss der Marktwert des Fremdkapitals im
Zeitpunkt t = 0 bei stetiger Verzinsung mit r bestimmt werden als:
23
=
-
( , , ) (8)
Der Wert der Verkaufsoption in t=0 ist somit eine Funktion des Unternehmenswertes,
des Rückzahlungsbetrages und der Zeit T bis zum Verfall der Option.
24
Da die
Wertdifferenz zwischen dem Marktwert des Fremdkapitals und dem Marktwert der
risikolosen Anleihe genau durch den Wert der Verkaufsoption im Zeitpunkt t=0
determiniert wird, kann dieser als Ausfallrisikoprämie interpretiert werden:
19
Vgl. Daldrup (2003), S. 19.
20
Vgl. Klement (2007), S. 118.
21
Vgl. Rudolph (1995), S. 899.
22
Vgl. Klement (2007), S. 118.
23
Vgl. Daldrup (2003), S. 19-20.
24
Vgl. Rudolph (1995), S. 900.
6

= ( , , ) (9)
Nun kann die Risikoprämie mittels Optionsbewertung nach Black/Scholes bestimmt
werden:
25
=
(- ) -
(- ) (10)
Der erste Summand kann dabei als diskontierter Erwartungswert des Totalverlustes
interpretiert werden, der um den Erwartungswert des Rückflusses aus dem
Unternehmensvermögen vermindert wird.
26
Wobei:
=
+
+
1
2
(11)
=
- (12)
Die Variable r bezeichnet den risikolosen und stetigen Zinssatz, T die Restlaufzeit
der Option,
die Volatilität des Unternehmenswertes und N bezeichnet die
Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung.
27
Der Unternehmenswert bezieht
sich auf den Zeitpunkt t=0, da dieser in einer risikoneutralen Welt, wie sie im Modell
unterstellt wird, dem diskontierten, zukünftig erwarteten Unternehmenswert
entspricht. Annahmegemäß unterliegt der Unternehmenswert im Optionspreismodell
einem kontinuierlichen und stationären Zufallsprozess, wobei eine logarithmische
Normalverteilung der Unternehmenswertrenditen vorliegt. Dieser Zufallsprozess wird
durch eine geometrische Brownsche Bewegung beschrieben.
28
Nunmehr kann weitergehend eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der
Ausfallrisikoprämien zum Zeitpunkt T bestimmt werden. Da die Parameter
Rückzahlungsbetrag, Volatilität und risikoloser Zinssatz im Zeitablauf konstant sind,
besteht ein deterministischer Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und
Ausfallprämie. Da das Black-Scholes-Modell, wie oben geschildert, die Entwicklung
des Unternehmenswertes modelliert, liegt im Zeitpunkt T eine
Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Unternehmenswert vor. Somit können den zu
den jeweiligen Unternehmenswerten dazugehörigen Ausfallrisikoprämien die
25
Vgl. Daldrup (2003), S.20.
26
Vgl. Hartmann-Wendels, Pfingsten, Weber (2007), S. 507.
27
Vgl. Daldrup (2003), S. 16.
28
Vgl. Rudolph (1995), S. 901.
7

Wahrscheinlichkeiten aus der Unternehmenswertverteilung zugeordnet werden. Die
resultierende Wahrscheinlichkeitsverteilung stellt folglich eine Verlustverteilung mit
dem aufgezinsten Wert der Verkaufsoption als Erwartungswert dar.
29
3.2 Intensitätsbasierte
Modelle
Im Gegensatz zu den Firmenwertmodellen wird hier auf die Herleitung eines
Zusammenhangs zwischen der Ausfallwahrscheinlichkeit und dem
Unternehmenswert als endogene Größe verzichtet, weshalb diese Modelle auch
Reduktionsmodelle genannt werden.
30
Vielmehr erfolgt die Spezifikation der
Ausfallwahrscheinlichkeit anhand eines exogenen Prozesses.
31
Modellvariablen sind
damit nicht mehr Unternehmenswerte, sondern Unternehmensratings, Anleihepreise
oder Credit Spreads.
32
Daher muss auch die Recovery Rate exogen vorgegeben
werden.
33
Zuerst muss ein Prozess definiert werden, der die Eigenschaften von
Ausfallereignissen möglichst gut darstellt. Dabei ist zu bedenken, dass Ausfälle
seltene und unerwartete Ereignisse sind, die jedoch zu großen und sprunghaften
Preisveränderungen führen.
34
Diese Eigenschaften können durch einen Poisson-
Prozess modelliert werden. Die folgenden Darstellungen beziehen sich dabei auf
einen zeithomogenen Poisson-Prozess, der wie folgt definiert ist:
= 0 (13)
Dies bedeutet, dass der Prozess zum Zeitpunkt t=0 mit 0 beginnt. Die Zuwächse von
N sind im Zeitablauf unabhängig und stationär, d. h. nicht abhängig von der Zeit.
ü
0
:
-
= 1
-
= 0 (14)
Der Poisson-Prozess springt also zu jedem nachfolgenden Zeitpunkt t entweder um
eins oder er bleibt konstant.
35
Die Sprungzeitpunkte werden hierbei mit
T , T ,..., T
bezeichnet. Sobald ein Sprung eintritt, gilt der Kreditnehmer als ausgefallen.
36
Die
Abstände zwischen zwei Sprüngen sind unabhängig und identisch exponentialverteilt
mit dem Intensitätsparameter
,
37
der als momentane Ausfallrate interpretiert werden
29
Vgl. Hegemann (2003), S. 30-31.
30
Vgl. Hartmann-Wendels, Pfingsten, Weber (2007), S. 516-517.
31
Vgl. Läger (2002), S. 223.
32
Vgl. Daldrup (2003), S. 25.
33
Vgl. Klement (2007), S. 120.
34
Vgl. Rudolph/Hofmann/Schaber/Schäfer (2007), S. 121-122.
35
Vgl. Läger (2002), S. 225-226.
36
Vgl. Rudolph/Hofmann/Schaber/Schäfer (2007), S. 122.
37
Vgl. Läger (2002), S. 226.
8

kann
38
. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Abstand zwischen zwei Sprüngen größer
als t ist, beträgt:
(
-
> ) =
(15)
Weiterhin gilt:
= (16)
Im Normalfall wird also der Zeitpunkt des ersten Sprunges, der ebenfalls dieser
Exponentialverteilung folgt, als Ausfallzeitpunkt definiert. Damit kann die
Wahrscheinlichkeit, dass der erste Sprung erst nach dem Zeitpunkt t eintritt,
geschrieben werden als:
39
( > ) =
(17)
Dies entspricht der Überlebenswahrscheinlichkeit
ü bis zum Zeitpunkt t, die definiert
ist als Differenz zwischen eins und der Ausfallwahrscheinlichkeit
p bis zum Zeitpunkt
t:
= ü = 1 - (18)
Die Ausfallwahrscheinlichkeit
p bis zum Zeitpunkt t ergibt sich folglich aus:
40
( ) = 1 -
(19)
Die Verteilung des Poisson-Prozesses wird also alleine durch den
Intensitätsparameter bestimmt.
41
Durch die Kenntnis des Ausfallprozesses und
durch Annahmen über die Wiedergewinnungsrate kann nun der Wert eines
risikobehafteten Titels bestimmt werden durch:
=
+ (1 - )
(20)
Wenn nun die Recovery Rate RR als bestimmter Anteil des Wertes des
risikobehafteten Titels bei Nichtausfall definiert wird, kann die Gleichung
umgeschrieben werden zu:
= (1 -
)
+
(21)
38
Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2007), S. 519.
39
Vgl. Läger (2002), S. 226.
40
Vgl. Rudolph/Hofmann/Schaber/Schäfer (2007), S. 122.
41
Vgl. Läger (2002), S. 226.
9

Wobei:
=
(22)
Dieser Prozess ist zeithomogen, da die Intensitätsrate im Zeitablauf konstant bleibt.
42
In der Realität schwanken jedoch die Ausfallwahrscheinlichkeiten im Zeitablauf,
sodass in weiterführenden Modellen die Intensitätsraten als deterministische
Funktion der Zeit oder stochastisch dargestellt werden.
43
Hier lässt sich also eine
bedingte Ausfallwahrscheinlichkeit für bestimmte ökonomische Zustände ableiten.
Durch Aggregation der bedingten Ausfallwahrscheinlichkeiten eines Kreditnehmers
über alle möglichen Zustände erhält man die unbedingte Verteilung der
Ausfallwahrscheinlichkeiten und darauf aufbauend die Verlustverteilung des
einzelnen Kreditnehmers.
44
Die vorgestellten Modelle bilden somit die theoretische Grundlage der diskutierten
Kreditportfoliomodelle, die nicht nur den einzelnen Kredit, sondern durch die
Berücksichtigung von Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern
zusätzlich das gesamte Kreditportfolio betrachten. Diese Portfoliomodelle werden im
nächsten Kapitel nun eingehend erläutert.
4 Kreditportfoliomodelle
4.1 CreditMetrics
Dieses Kreditportfoliomodell wurde 1997 von J.P. Morgan entwickelt
45
und gehört
grundsätzlich der Klasse der Firmenwertmodelle an.
46
Diese Zuordnung resultiert aus
der Korrelationsermittlung, welche später noch eingehend erläutert wird.
Andererseits werden die Ausfall- bzw. Migrationswahrscheinlichkeiten nicht aus
Unternehmenswertänderungen, sondern aus historischen Daten abgeleitet, weshalb
CreditMetrics teilweise auch in die Klasse der intensitätsbasierten Modelle
einzuordnen ist.
47
Das Ziel ist die Bestimmung des aus kreditbezogenen Ereignissen
herrührenden Portfoliorisikos. Anders ausgedrückt soll die Unsicherheit über den
zukünftigen Portfoliowert zu einem vorab definierten Risikohorizont gemessen
42
Vgl. Rudolph/Hofmann/Schaber/Schäfer (2007), S. 122.
43
Zu deterministischen und stochastischen Poisson-Prozessen vgl. Läger (2002), S. 227 ff.
44
Vgl. Daldrup (2003), S. 28.
45
Vgl. Jeffrey/Heidemann (2007), S. 110.
46
Vgl. Schiller/Tytko (2001), S. 267.
47
Vgl. Daldrup (2003), S. 32.
10

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2009
ISBN (PDF)
9783863416058
ISBN (Paperback)
9783863411053
Dateigröße
708 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe Bonn
Erscheinungsdatum
2012 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Kreditrisikosteuerung Portfoliomodell Funktionsweise Risikoanalyse Portfolio
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Johannes Merkl, gelernter Bankkaufmann, begann 2006 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe in Bonn, das er 2009 mit dem Bachelor of Science abschloss. Ebenfalls seit 2006 arbeitet er als studentischer Mitarbeiter einer bayrischen Sparkasse. 2010 begann er den Masterstudiengang Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth.
Zurück

Titel: Kreditrisikosteuerung mit Portfoliomodellen: Funktionsweise der Modelle und Risikoanalyse eines Beispielportfolios
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
73 Seiten
Cookie-Einstellungen