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Magnetorientierung bei Pferden: Ausrichtung unter dem Einfluss des magnetischen Feldes von Hochspannungsleitungen

©2009 Examensarbeit 60 Seiten

Zusammenfassung

Noch immer ist nicht geklärt, ob Pferde einen Magnetkompass besitzen. Die Ergebnisse der Studie zur Magnetorientierung bei Rindern, Rehen und Rotwild sprechen für einen Magnetsinn bei Wiederkäuern und legen die Vermutung nahe, dass auch Pferde über einen Magnetsinn verfügen.
Die vergleichenden Studien zu Wiederkäuern haben ergeben, dass Hochspannungsleitungen einen Einfluss auf die Ausrichtung der Tiere haben. Die Nord-Süd (N-S) Präferenz hebt sich in der Nähe von Hochspannungsleitungen auf, es liegt eine randomisierte Verteilung vor, die als Hinweis auf die Desorientierung im Zusammenhang mit den Leitungen gesehen werden kann.
Ein gleiches oder ähnliches Ergebnis wurde auch für die Studie bei Pferden erwartet. Demnach müssten Pferde in der Nähe von Hochspannungsleitungen desorientiert sein und keine eindeutige Präferenz im Hinblick auf ihre Ausrichtung zeigen.
Dieses Buch soll einen wesentlichen Beitrag zur Klärung der Frage leisten, ob Pferde von dem magnetischen Feld einer Hochspannungsleitung abgelenkt werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Orientierung
1.1.1 Zeitliche Orientierung
1.1.2 Räumliche Orientierung
1.2 Navigation
1.2.1 Kompass Systeme
1.2.2 Magnetorientierung
1.2.3 Magnetic Alignment
1.3 Aufbau und Funktionsweise von Freileitungen
1.4 Pferde (Equidae)
1.4.1 Soziale Organisation und Rangordnung
1.4.2 Das Pferd als Nutztier
1.4.3 Magnetorientierung bei Pferden
1.5 Fragestellung und Zielsetzung

2 Material und Methoden
2.1 Material
2.2 Methode
2.2.1 Google Earth
2.2.2 Identifizierung der Pferde
2.2.3 Auswahl der Lokalitäten
2.2.4 Bearbeitung
2.2.5 Statistik

3 Ergebnisse
3.1 Kopfrichtung von Pferden in der Nähe von Hochspannungsleitungen (<200m)
3.2 Körperrichtung von Pferden in der Nähe von Hochspannungsleitungen (<200m)
3.3 Ausrichtung der Pferde unter Hochspannungsleitungen (0-5m)
3.4 Ergebnis unter Berücksichtigung der Leitungsrichtungen
3.5 Ergebnisse der N-S und O-W ausgerichteten Hochspannungsleitungen unter Berücksichtigung der Abstände
3.6 Korrelation mit dem Sonnenstand
3.7 Verteilung der Pferde in Bezug auf die Entfernung von den Hochspannungsleitungen

4 Diskussion
4.1 Stärken und Schwächen der Methode
4.2 Zusammenhang zwischen Kopfrichtung und Körperrichtung
4.3 Vergleich der Ausrichtung von Pferden und Wiederkäuern
4.4 Erklärungsansätze zur Ausrichtung der Pferde
4.5 Fazit

5 Verzeichnisse
5.1 Literaturverzeichnis
5.2 Abbildungsverzeichnis
5.3 Tabellenverzeichnis

6 Danksagung

1 Einleitung

1.1 Orientierung

Tiere haben im Gegensatz zu Pflanzen die Möglichkeit, sich aktiv in ihrem Lebensraum zu bewegen, um für sie nutzbare Ressourcen zu finden und sich an wechselnde soziale und ökologische Bedingungen anzupassen (Kappeler, 2006). Damit sie sich in ihrer Umgebung zurechtfinden können, gibt es verschiedene Mechanismen zur Orientierung in Raum und Zeit.

1.1.1 Zeitliche Orientierung

Die meisten Tiere sind zeitlichen Schwankungen in ihrer Umwelt ausgesetzt, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen. Diese beinhalten beispielsweise den Wechsel zwischen Tag und Nacht und den einzelnen Jahreszeiten (Kappeler, 2006). Die Reaktion auf diese exogenen geophysikalischen Reize kann direkt erfolgen, oder durch einen endogenen Rhythmus, der das Verhalten des jeweiligen Tieres mit den äußeren Zeitgebern synchronisiert (McFarland, 1999). Dabei unterscheidet man u.a. circadiane (24-Stunden Periodik) und circannuale (365-Tage Periodik) Rhythmen.

Mithilfe der periodischen Veränderung des Sonnenstandes und der Sonneinstrahlung durch die Erddrehung, können die Tiere ihren endogenen Rhythmus kalibrieren. Demnach gibt es tag- oder nachtaktive Tiere, die ihre Verhaltensweisen wie Nahrungssuche und –aufnahme an die äußeren Bedingungen angepasst haben (Kappeler, 2006). Auch auf jahreszeitliche Schwankungen haben sich die inneren Uhren mancher Tiere eingestellt: Einige Tiere suchen Schutzräume auf, andere legen Nahrungsvorräte an, wohingegen Zugvögel und Wanderheuschrecken große Wanderungen antreten, um den lokalen Bedingungen zu entgehen.

1.1.2 Räumliche Orientierung

Die einfachsten Formen der räumlichen Orientierung sind die der Kinese und der Taxis. Die Kinese ist eine Änderung der Aktivitäts- oder Umsatzrate als Reaktion auf einen Reiz und unter dem Begriff Taxis versteht man die gerichtete Orientierung in Bezug auf einen Reiz (Kappeler, 2006; Campbell, 2003). Die Larven der Großen Stubenfliege bewegen sich beispielsweise nach erfolgreicher Nahrungsaufnahme durch Wahrnehmung der Lichtintensität automatisch an einen dunklen Ort um sich zu verpuppen (McFarland, 1999).

Die beiden Oberbegriffe lassen sich weiter spezifizieren, so gibt es beispielsweise die Orthokinese, bei der der Reiz die Bewegungsgeschwindigkeit beeinflusst und bei der Klinokinese werden die Stärke und Wendungen der Bewegung durch den Reiz gesteuert. Der Begriff Tropotaxis beschreibt die Bewegung geradlinig in Bezug auf einen Reiz unter Beibehaltung eines Erregungsgleichgewichts paariger Sinnesorgane (z.B. Richtungshören bei Laubheuschrecken) (Merkel, 1980). Richtet sich der Körper entlang der Achse aus unter Beibehaltung des Reizgleichgewichts, führt dies zu einer Zuwendung der Reizquelle (Kappeler, 2006).

Bei einer weiteren Methode der Orientierung finden sich die Tiere anhand von Landmarken in ihrer Umgebung zurecht, indem sie optische Marker wie zum Beispiel Kiefernzapfen, Blüten, etc. als Orientierungshilfe nutzen.

1.2 Navigation

Unter Navigation versteht man eine spezielle Form räumlicher Orientierung, bei der die eigene Position in Bezug zu einem Zielpunkt mithilfe unterschiedlicher Reize bestimmt wird und dieses Ziel von überall angesteuert werden kann (Kappeler, 2006). Es gibt interne und externe Mechanismen, die zur Navigation genutzt werden können. Eine Form der Navigation, bei der innere Reize benutzt werden, wird als Wegintegration (path integration) bezeichnet. Die Tiere navigieren demnach ohne Hilfe von äußeren Landmarken. Dabei wird die aktuelle Position aus den vorangegangenen Bewegungen bestimmt, um so zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Externe Mechanismen funktionieren auf Basis äußerer Reize (z.B. Sonne, Sterne, Landmarken) (Rozhok, 2008).

Die echte Navigation setzt einen inneren Kompass voraus und die kognitive Fähigkeit, den aktuellen Standpunkt in Relation zum Ziel zu bestimmen (Murray, 2006). Dazu wird eine innere Karte benötigt, das heißt die mentale Repräsentation von räumlichen oder zeitlichen Beziehungen zwischen verschiedenen Objekten in einer bestimmten Umgebung (Rozhok, 2008).

Es ist anzunehmen, dass Vögel wichtige Aspekte einer inneren Karte erst erlernen müssen, um erfolgreich zu navigieren. Bei einem Versuch von Perdeck (Rabøl, 2003) im Jahre 1958, bei dem er juvenile und adulte Stare einfing und abseits ihrer normalen Flugroute aussetzte, resultierte darin, dass die juvenilen Stare nicht in der Lage waren die örtliche Verschiebung zu kompensieren, wohingegen die adulten Tiere ihr Ziel trotzdem finden konnten. Mouritsen und Larsen (1998) erhielten gleiche Ergebnisse bei einem Versuch mit Trauerschnäppern: Auch hier waren juvenile Tiere nicht in der Lage, eine innere Karte zum Navigieren zu benutzen. Bei Brieftauben werden die Mechanismen zur Navigation kontrovers diskutiert: Während Wiltschko et al. (2003) der Ansicht sind, dass die Tiere einen Magnetkompass besitzen, vermuten Gagliardo et al. (2001) möglicherweise eine olfaktorische Karte, welche in den ersten 3 Monaten der Individualentwicklung erlernt wird und ihnen eine erfolgreiche Navigation durch Orientierung an Gerüchen in ihrer Umgebung ermöglicht. Alle Ergebnisse zeigen, dass Jungtiere lediglich mit einem inneren Kompass navigieren aufgrund angeborener Informationen. Sie sind jedoch nicht in der Lage eine örtliche Verschiebung zu korrigieren, da ihnen die kognitiven Fähigkeiten einer inneren Karte fehlen.

Die genaue Funktionsweise der Orientierungs- und Navigationsmechanismen ist bisher noch nicht geklärt. Dazu gehört unter anderem die Frage, welche Faktoren von den Tieren primär zur Orientierung genutzt werden (z.B. olfaktorische oder visuelle Hinweise).

Als sicher gilt, dass es zwei verschiedene Mechanismen gibt, nach denen Tiere navigieren. Bei der Verwendung der inneren Reize (path integration) gibt es eine innere mentale Repräsentation des Weges und bei der Verwendung äußerer Reize werden externe Hinweise zur Navigation genutzt (Rozhok, 2008).

1.2.1 Kompass Systeme

Mit einem Kompass ist es den Tieren möglich unabhängig von ihrem Standort eine bestimmte Richtung zu wählen, ohne dabei Bezug auf Landmarken zu nehmen. Dabei stehen den Tieren verschiedene Kompasse zur Verfügung.

Der Sonnenkompass ist der am weitesten verbreitete und findet sich bei Fischen (z.B. Loyacano, 1977), Insekten (z.B. Srygley, 2001) und Vögeln (z.B. Wiltschko, 2000), aber auch bei manchen Reptilien (z.B. Foà, 2009) und Säugetieren (z.B. Kimchi, 2003). Die Tiere orientieren sich dabei an der senkrechten Projektion der Sonne auf den Horizont (Azimutstand), welche die Richtungsinformation vorgibt. Die innere Uhr gibt die korrespondierende Zeitangabe, damit die Tiere zu einer bestimmten Tageszeit einen entsprechenden Winkel einschlagen können (Kappeler, 2006).

Nachtziehende Vögel und andere nachtaktive Tiere besitzen einen Sternenkompass (Wiltschko, 1996), bei dem der Polarstern den Fixpunkt darstellt an dem sie sich orientieren.

Manche Insekten (z.B. Homberg, 2004) können auch das Polarisationsmuster des Sonnenlichts zur Orientierung nutzen.

Ein Mondkompass wurde bisher nur bei Strandflohkrebsen nachgewiesen (Kappeler, 2006, Waterman 1990). Sie nutzen den Mond als Kompass, um auch nachts optimale Feuchtigkeitsbedingungen finden zu können.

Die genauen Eigenschaften und Nutzungsweisen eines Magnetkompass werden im nächsten Kapitel ausführlich besprochen.

1.2.2 Magnetorientierung

Das Magnetfeld der Erde wird von vielen Tieren als Informationsquelle zum Navigieren benutzt und ist deswegen von großer Bedeutung für die Orientierung. Es handelt sich dabei um ein Dipol-Feld, dessen Ursprung sich im äußeren flüssigen Eisenkern der Erde befindet (Stapput, 2006). Die magnetischen Pole fallen mit den geographischen Polen nicht zusammen, sondern sind um ca. 11° gegenüber der Rotationsachse geneigt (Abb. 1.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.1: Schematische Darstellung des Erdmagnetfeldes. Die Richtung der Inklination wird durch die schwarzen Pfeile angegeben, ihre Länge symbolisiert die Totalintensität. Die beiden magnetischen Pole und der magnetische Äquator sind mit roten Pfeilen gekennzeichnet (Quelle: Wiltschko, 1995).

Diese Abweichung des magnetischen Nordpols vom geographischen Nordpol nennt man Deklination. Abhängig vom Standort kann sie schwächer oder stärker sein und sie verändert sich mit der Zeit, da sich der Magnetpol der Erde verschiebt. Die Feldlinien treten auf der Südhalbkugel aus der Erdoberfläche aus, verlaufen um die Erde herum und treten in der Nordhämisphäre wieder ein. Die Feldlinien der südlichen Halbkugel zeigen daher nach oben, am magnetischen Äquator verlaufen sie parallel und in der nördlichen Halbkugel verlaufen sie nach unten (Abb. 1.1).

Als Inklination bezeichnet man den Winkel, den die vertikal aus- und eintretenden Feldlinien mit der Horizontalen der Erdoberfläche bilden. Die Abwärtsneigung auf der Nordhalbkugel wird dabei als positiv definiert (Wiltschko, 1995). Der Winkel der Linien zur Horizontalen beträgt dabei am Äquator 0°, während er an den Polen bei 90° liegt.

Die Totalintensität des Magnetfeldes variiert zwischen 60.000 nT (Nanotesla/ Tesla = Einheit zur Beschreibung der magnetischen Flussdichte) an den magnetischen Polen und 30.000 nT am magnetischen Äquator (Abb. 1.2). An der Ostküste Südamerikas liegen die Werte mit einem Minimum unter 26.000 nT (Wiltschko, 1995).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.2: Weltkarte der geomagnetischen Stärke. Durch die Anomalien in der Intensität ergibt sich ein komplexes wellenförmiges Muster, mit ost-westlich verlaufenden Feldlinien (Quelle: Waterman, 1990).

Die Intensität ist abhängig vom Stand der Sonne und unterliegt außerdem tagesperiodischen und jahreszeitlichen Schwankungen von bis zu 30 nT. Das Erdmagnetfeld wird durch lokal auftretende Anomalien (z.B. magnetische Stürme) graduell abgestuft, so dass es nirgendwo vollständig regulär verläuft.

Die Tiere können sowohl regelmäßige als auch graduell verlaufende magnetische Parameter zur Orientierung nutzen. Dazu liefert der magnetische Vektor Richtungsinformationen, die für einen endogenen Kompass genutzt werden können, während die Intensität und die Inklination Informationen liefern, die zur Positionsbestimmung auf einer magnetischen Karte dienen (Stapput, 2006). Um das Erdmagnetfeld zur Orientierung nutzen zu können, benötigen die Tiere einen Magnetrezeptor in ihrem Organismus, der die Informationen aufnimmt und entsprechend an das Nervensystem weiterleitet.

Es gibt 2 maßgeblich diskutierte Hypothesen zur sensorischen Basis der Magnetfeldwahrnehmung: lichtabhängige Magnettransduktion, die von angeregten Photopigmenten in der Retina gesteuert wird und lichtunabhängige Magnettransduktion, die von magnetischen Partikeln aus biogenem Magnetit abhängt (Möller, 2006).

Die erste Hypothese beruht auf dem Vorhandensein eines Radikal-Paar-Mechanismus. Demnach erfolgt die Magnetperzeption über biochemische Prozesse, bei denen Makromoleküle im visuellen System in einem angeregten Triplett-Zustand reagieren (Möller, 2006, Ritz et al., 2000). Dies geschieht in Abhängigkeit von ihrer relativen Lage zur Magnetfeldrichtung. Dadurch werden spezifische Rezeptorstrukturen auf der Retina gereizt. Versuche mit Tauben und Zugvögeln unterstützen die Annahme, dass der Prozess der Magnetperzeption im Auge stattfindet (Wiltschko et al., 2004; Mouritsen et al., 2004; Beason, 2002). Die Hypothese geht davon aus, dass ein Photopigment durch Aufnahme eines Photons in einen angeregten Zustand versetzt wird, womit die Lichtabhängigkeit des Vorgangs begründet wird.

Die zweite Hypothese beruht auf der Existenz kleinster Magnetitkristalle (~0,05μm-0,5μm) (Abb. 1.3), einer biogenen Form von Fe3O4 (Kirschvink & Gould, 1981). Dabei vermutet man, dass sich die einzelnen Magnetpartikel wie eine Kompassnadel am Magnetfeld ausrichten. Die aufgenommenen Informationen werden dann auf den Wahrnehmungsapparat übertragen (Möller, 2006). Bei Vögeln wurde Magnetit bereits im Bereich der Oberschnabelhaut und des Siebbeines im Kopf nachgewiesen (Wiltschko et al., 2006; Wiltschko et al., 2002; Hanzlik et al., 2000; Edwards et al., 1992). Bei Forellen konnten ebenfalls Magnetit Partikel nachgewiesen werden, die sich in der olfaktorischen Region des Kopfes befinden (Walker et al., 1997). Elektrophysiologische Untersuchungen an Zugvögeln und Forellen lassen darauf schließen, dass die Tiere auf Magnetit basierende Rezeptoren besitzen, die Informationen über die Intensität des Magnetfeldes liefern. Damit ist es den Tieren möglich eine innere Karte zu erstellen, mit deren Hilfe sie ihre Position bestimmen können und in der Lage sind, bekannte Orte erneut aufzusuchen (Möller, 2006).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.3: a) Dreidimensionale Rekonstruktion eines Magnetitrezeptors der Forelle

b) Magnetitkette von Bakterien (Quelle: Kirschvink et al., 2001).

Bei einigen Vögeln (z.B. Graumantelbrillenvogel, Taube) und Amphibien (z.B. Salamander, Wassermolch) scheint es laut Ergebnissen zahlreicher Studien Hinweise dafür zu geben, dass sie sowohl die lichtabhängige als auch lichtunabhängige Methode zur Orientierung nutzen (Deutschlander et al., 1999; Phillips, 1986; Phillips et al., 2002; Munro et al., 1997).

Die Nutzung des Erdmagnetfeldes zur Orientierung und Navigation im Tierreich ist weit verbreitet. Dazu zählen neben den Vögeln und Amphibien auch Mollusken, Fische, Insekten, Reptilien und auch einige Säugetiere (Burda et al., 2009; Wiltschko & Wiltschko, 1995).

Unter den Säugetieren gibt es bisher nur 2 taxonomische Gruppen, bei denen eine Magnetorientierung nachgewiesen werden konnte: bei den Nagetieren (Rodentia) und Fledermäusen (Microchiroptera). Erste Versuche mit Graumullen der Gattung Fukomys lieferten bereits aussagekräftige Ergebnisse in Bezug auf die Nutzung des Erdmagnetfeldes (Burda et al., 1990). Demzufolge zeigten die Tiere bei Nestbauversuchen in Rundarenen eine signifikante süd-östliche Präferenz, die sich entsprechend mit einer Verschiebung des Magnetfeldes um 120° und 180° änderte. Während Vögel mittels eines Inklinationskompass navigieren, wurde in späteren Versuchen mit Fukomys herausgefunden, dass sie einen Polaritätskompass besitzen (Marhold et al., 1997). Gleiches wurde auch für die Blindmaus Spalax ehrenbergi festgestellt (Kimchi et al., 2001).

Versuche an der Großen Braunen Fledermaus Eptesicus fuscus zeigen, dass auch diese das Erdmagnetfeld zur Orientierung nutzt (Holland et al., 2006; Holland et al., 2008). Die Tiere wurden magnetischen Impulsen ausgesetzt, die entweder parallel oder antiparallel zum magnetischen Feld der Erde gepolt waren. Das Ergebnis zeigt, dass nur die Tiere, die dem parallel gepolten Magnetfeld ausgesetzt waren, ihren Weg finden konnten. Weitere Versuche an Abendseglern der Gattung Nyctalus wiesen auch bei Fledermäusen die Nutzung eines Polaritätskompass nach (Wang et al., 2007).

1.2.3 Magnetic Alignment

In Anlehnung an Wiltschko (1995) definieren Begall et al. (2008) magnetic alignment wie folgt: “Magnetic alignment is a spontaneous behavioral expression of magnetoreception that appears particularly in resting animals when body orientation is not controlled by other factors”.

Magnetic alignment erfordert keine bewusste Wahrnehmung des geomagnetischen Feldes und setzt auch keinen Magnetkompass zum Orientieren und Navigieren über längere Strecken voraus.

Die Ausrichtung an den magnetischen Feldlinien erfolgt symmetrisch zum Stimulus (parallel/ antiparallel/ senkrecht). Diese Ausrichtung wird als einfachste Reaktion auf das magnetische Feld verstanden und kann mit einer Tropotaxis verglichen werden (vgl. Abschnitt 1.1.2). Auf einer horizontalen Ebene erfolgt die Ausrichtung hauptsächlich entlang der magnetischen Nord-Süd (N-S) Achse bzw. der Ost-West (O-W) Achse. Ausrichtungen entlang der Zwischenrichtungen (z.B. Nord-Ost, Süd-Ost) kommen vor, stellen aber die Ausnahme dar.

Eine Präferenz bei der Ausrichtung an den magnetischen Feldlinien konnte bei der Gruppe der Insekten bereits bei Bienen, Fliegen und Termiten bestätigt werden (Wiltschko, 1995). Unter den Vertebraten wurde eine Richtungspräferenz bei einigen Fischen (Becker, 1974; Wiltschko, 1995) und Tauben (Dennis, 2007) nachgewiesen. Neueste Studien zum magnetic alignment bei Rindern, Rotwild und Rehen ergaben, dass sich wahrscheinlich auch Wiederkäuer am Magnetfeld orientieren. Dazu wurden über 8000 Rinder und 3000 Rehe über Satellitenaufnahmen von Google Earth beobachtet und deren Richtungspräferenz ausgewertet. Das Gesamtergebnis zeigt, dass die Tiere eine Nord-Süd (N-S) Präferenz aufweisen, was auf eine Ausrichtung am Erdmagnetfeld schließen lässt (Begall et al., 2008).

In einer weiteren Studie wurde untersucht, ob sich die Tiere durch das magnetische Feld von Hochspannungsleitungen von ihrer ursprünglichen Richtungspräferenz ablenken lassen (Burda et al., 2009). Die Ergebnisse bestätigen, dass Tiere in unmittelbarer Nähe (<5m) der Leitungen eine randomisierte Verteilung zeigen, die mit zunehmender Entfernung zu den Hochspannungsleitungen abnimmt: Bei einer Entfernung von 100-150m zeigen sie wieder eine signifikante N-S Präferenz.

Desweiteren lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass Rinder einen auf Intensität basierenden Mechanismus besitzen. Zu dieser Annahme kamen Burda et al., nachdem sie die Körperrichtungen der Tiere südlich und nördlich von ost-westlich (O-W) ausgerichteten Hochspannungsleitungen untersucht hatten. Der Vektor des magnetischen Feldes der Leitungen ist parallel (magnetisch Süd) und antiparallel (magnetisch Nord) zu dem Vektor des Erdmagnetfeldes, wodurch sich unterschiedliche Eigenschaften auf beiden Seiten ergeben. Auf der nördlichen Seite (magnetisch Süd) addieren sich die Vektoren des Leiters und der Hochspannungsleitung miteinander und ergeben eine größere Intensität. Die Inklination des Magnetfeldes bleibt dabei unverändert. Auf der südlichen Seite (magnetisch Nord) hingegen verändert sich die Inklination und die Intensität bleibt gleich. Würden Rinder über einen Inklinationskompass verfügen, hätten sie sich auf der magnetischen Nordseite von ihrer ursprünglichen Ausrichtung ablenken lassen. Da dies nicht zutraf, kann ein Inklinationskompass ausgeschlossen werden. Auf der magnetischen Südseite, wo sich die Vektoren addieren, wurde die Ausrichtung der Tiere jedoch gestört, weswegen ein Intensitätskompass vermutet wird.

In Anlehnung an die Studie von Begall et al. (2008) wurden unter Anwendung der gleichen Methode Pferde auf eine mögliche Richtungspräferenz untersucht (Hardes, 2009), um festzustellen, ob diese ebenfalls einen Magnetsinn besitzen. Das Ergebnis zeigt eine signifikante Nord östlich Süd westliche (NO-SW) Richtungspräferenz (vgl. Abschnitt 1.4.3).

In Anlehnung an die Studie von Burda et al. (2009) sollen in dieser Examensarbeit Pferde unter dem Einfluss von Hochspannungsleitungen thematisiert werden. Die Intention dieser Arbeit besteht darin, zu überprüfen, ob Pferde sich durch das magnetische Feld der Hochspannungsleitungen von ihrer Richtungspräferenz ablenken lassen (eine ausführliche Auflistung der Hypothesen und Ziele ist in Abschnitt 1.5 zu finden). In den folgenden Kapiteln werden der Aufbau und die Funktionsweise von Freileitungen und die Lebens- und Verhaltensweisen von Pferden thematisiert, um wichtige grundlagentheoretische Elemente dieser Arbeit zu erklären.

1.3 Aufbau und Funktionsweise von Freileitungen

Freileitungen sind überirdisch verlaufende Hochspannungsleitungen (Abb 1.4), die zur Übertragung und Verteilung elektrischer Energie dienen (Oeding, 2004). Dabei handelt es sich um Wechselstrom, der im Kraftwerk durch ein Magnetfeld erzeugt wird. Die dadurch entstehende Wechselspannung hat in Westeuropa eine Frequenz von 50 Hz (Hertz ist die Einheit der Frequenz; der Strom ändert dabei 50 Mal in der Sekunde seine Richtung). In anderen Ländern, wie beispielsweise den USA oder Japan, liegt eine Frequenz von 60 Hz vor.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.4: Aufbau einer Freileitung (Donaumasten mit einseitiger Belegung) (Quelle: Oeding, 2004).

Die Spannung bei normal gebräuchlichen Freileitungen beträgt immer zwischen 110 kV und 380 kV (Volt ist die Einheit der elektrischen Spannung) (Abb. 1.5), wobei letztere die höchste in Europa verwendete Übertragungsspannung ist (Kießling, 2001). Die wichtigsten Elemente einer Freileitung stellen die Masten und die Leiterseile dar. Die einzelnen Leiter (Abb. 1.4) werden als Leitersystem bezeichnet. In Deutschland hat sich das Donaumastbild durchgesetzt, da es eine sehr schmale Bauform aufweist und mit mehr als zwei Drehstromsystemen gebaut werden kann (Abb. 1.5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.5: verschiedene Mastarten: die Bauformen d) und e) werden am meisten verwendet. a) und b) dienen meist nur zur örtlichen Versorgung kleinerer Gemeinden, c) wird nur bei besonderen Umständen verwendet (z.B Flughafen) und f) nur bei besonderen mechanischen Fremdlasten (z.B. starke Eisbildung) (Quelle: Oeding, 2004).

Die magnetische Feldstärke, die von Freileitungen ausgeht, hat die Form eines elliptischen Drehfeldes. Sie tritt abhängig von der Anordnung der Leiterseile in Trassenmitte oder an den äußeren Leitern auf. Eine maximale magnetische Feldstärke von 55 µT (Mikrotesla) (Abb. 1.6) kann sich nur bei Freileitungen ergeben, die parallel zu den Feldlinien des Erdmagnetfeldes ausgerichtet sind (O-W), da sich die magnetischen Felder dort addieren. Burda et al. (2009) geben folgende Richtwerte unter Berücksichtigung der Spannungsstärke der jeweiligen Leitung an: 15 µT/ 380 kV, 8 µT/ 220 kV und 5 µT/ 110 kV. Zur Veranschaulichung der elektrischen und magnetischen Feldstärke unter einer 380kV Leitung kann Abbildung 1.7 herangezogen werden.

Das magnetische Feld nimmt mit der Entfernung von den Leiterseilen bzw. dem jeweiligen Mast ab und hat bei einer Entfernung von 70m nur noch eine Stärke von 1 µT (380 kV).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.6: Maximale Feldstärken am Erdboden unmittelbar unter Freileitungen (Quelle: Oeding, 2004).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2009
ISBN (PDF)
9783863415044
ISBN (Paperback)
9783863410049
Dateigröße
5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Magnetic Alignment Magnetorientierung Erdmagnetfeld Magnetkompass Orientierung Magnetfeld Hochspannungsleitung

Autor

Andreas Klein, Jahrgang 1983, wurde in Recklinghausen geboren und hat 2009 seinen Abschluss erfolgreich mit dem 1. Staatsexamen in Biologie und Englisch an der Universität Essen absolviert. Bereits während des Studiums sammelte der Autor erste Erfahrungen zu verhaltensbiologischen Aspekten vieler Tiere, da er unter anderem im Zoo arbeitete und an unterschiedlichen Forschungsprojekten der Universität teilnahm. Seine Ambition zu dem im Buch behandelten Thema ergab sich schon sehr früh, da er Seminare und Vorlesungen mit dem Schwerpunkt Verhaltensbiologie und den Orientierungsmechanismen im Tierreich besuchte. Schließlich nahm er an einem Großpraktikum teil, bei dem sich das Thema seiner 1. Staatsexamensarbeit ergab. Einige Forschungskräfte der Universität haben das Arbeitsverfahren mit Google Earth neu entdeckt, was Herr Klein faszinierte und dazu motivierte, seine Arbeit ebenfalls in diesem Themengebiet zu verfassen und somit neue Erkenntnisse zur aktuellen Thematik zu gewinnen.
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