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Die virtuellen Facetten des Krieges: Zur Berichterstattung des Irakkriegs 2003 auf CNN

©2009 Bachelorarbeit 41 Seiten

Zusammenfassung

Der Irakkrieg 2003 war wie kein anderer Krieg zuvor ein Krieg der Medien. Livebilder wurden direkt vom Schlachtfeld in die Wohnzimmer in aller Welt gesendet. Doch der uns so gezeigte Krieg ist nur eine virtuelle Konstruktion der Wirklichkeit. Inszenierung und (Militär-) Zensur bestimmen das Bild, das uns vom Krieg gezeigt werden durfte.
Um zu verstehen, wie Krieg sich in den Medien niederschlägt, muss zunächst die Geschichte des Krieges beleuchtet werden. Von den ersten Kriegsreportern bis hin zur medialen Inszenierung von Schlachten gibt die Geschichte der Kriegsberichterstattung alles wieder. In einem weiteren Kapitel werden der Medienkomplex der Kriegscomputerspiele und die Geschichte der Kriegscomputerspiele betrachtet. Von den Anfängen der für unser heutiges Auge primitiven Ballistik-Simulationen bis hin zu hochkomplexen, von der US Armee zu Trainings- und Propagandazwecken entwickelten, Ego-Shootern werden viele Computerspiele, die sich mit dem Thema Krieg auseinandersetzen, etwas genauer betrachtet. Untersucht wird, wie Computerspiele Krieg inszenieren und in wie weit sich diese Inszenierung mit der Berichterstattung auf CNN gleicht.
In einem Exkurs wird das vermeintliche Bindeglied zwischen Computerspiele-Industrie und televisueller Kriegsberichterstattung herauskristallisiert: Das US Militär. Es wird aufgezeigt, in wie weit das US Militär vorgibt, was die Fernsehanstalten und deren Reporter zeigen dürfen und in wie weit sich das US Militär in die Entwicklung von Computerspielen mit kriegerischen Inhalten einmischt.
In einer abschließenden Analyse wird die Berichterstattung der ersten Kriegstage 2003 auf CNN genauer untersucht. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die visuelle Inszenierung des Kriegs gelegt. Die virtuellen, also auf CGI basierenden Animationen, werden mit Darstellungen in modernen Computerspielen verglichen.
Zudem wird der Inszenierungscharakter der im Irakkrieg erstmals eingesetzten "embedded reporters", also in die kämpfenden Truppen eingebetteten Reporter, genauer untersucht. Auch hier lässt sich eine Virtualität des Krieges nicht leugnen.
Unter rhetorischen Aspekten wird versucht, die Wirkungsabsichten des Militärs und des Nachrichtensenders CNN herauszustellen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entwicklung der Kriegsberichterstattung
2.1 Von den ersten Kriegsberichterstattern zum Propagandainstrument
2.2 Golfkrieg 1991 – Ein technischer, sauberer Krieg
2.3 Irakkrieg 2003 - Re-Humanisierung des Krieges

3. Krieg und Computerspiele
3.1 Thematiken der „modernen“ Kriegscomputerspiele

4. Exkurs: „Militainment“ - Militär als Bindeglied zwischen den Medien

5. Analyse
5.1 Die digitalen/animierten Elemente
5.1.1 Der Opener
5.1.2 Die „enzyklopädische Animation“
5.1.3 Das „visualisierte Schlachtfeldszenario“
5.2 Die „nicht-digitale“ Berichterstattung
5.2.1 Die „embedded journalists“
5.3 Analyseergebnis

6. Der virtuelle Krieg

7. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Irakkrieg 2003 wurde wie noch kein Krieg in der Geschichte der Kriegsführung zuvor als Medienkrieg vorbereitet. Kein Krieg stand so lange vor Kriegsbeginn fest und war so unausweichlich wie dieser. Aus diesem Grund hatten die Medien, allen voran die TV-Medien, genügend Zeit, sich Konzepte und Strategien zu überlegen, um diesen Krieg den Zuschauern zu präsentieren. So auch der amerikanische Fernsehsender CNN, der während des Golfkrieges 1991 eine gewisse Monopolstellung einnahm und diese nun verteidigen konnte.

Die folgende Arbeit untersucht die Berichterstattung des Senders CNN auf computerspielästhetische Mittel. Die Fragen danach, welche Strategien hinter der Verwendung von computergenerierten Animationen und computerspielähnlichen Inhalten in der übrigen Berichterstattung stecken, welche Absichten der Sender dabei verfolgt und welche Wirkungen diese Art der Berichterstattung auf den Adressaten haben, stehen dabei im Vordergrund.

Zunächst wird durch einen geschichtlichen Abriss gezeigt, inwieweit die Medien von Beginn der Kriegsberichterstattung an mit dem Militär zusammenarbeiten mussten und wie sich das Militär die Medien spätestens seit dem Ersten Weltkrieg zunutze machen weiß.

Danach zeigt ein Einblick in die Computerspielgeschichte, dass Krieg schon immer ein wesentliches Element von sehr vielen Computerspielen war. Der Fokus liegt dabei auf dem „Genre“ der Kriegscomputerspiele. Auch hier wird verdeutlicht, dass das Militär großen Einfluss auf die gesamte Softwareindustrie hat.

Dieser Einfluss wird in einem Exkurs zum Militainment genauer unter die Lupe genommen. Es wird gezeigt, dass das Militär als ein Bindeglied zwischen den Medien angesehen werden kann und eine Hybridisierung der visuellen Mittel, vor allem in den TV-Medien, bedingt.

Die darauffolgende Analyse der digital/animierten Elemente und der „nicht-digitalen“ Berichterstattung auf CNN während der ersten fünf Kriegstage wird zeigen, das gezielt computerspielästhetische Mittel zur Konstruktion einer technoid-körperlosen, aber dabei menschlich-emotionalen Kriegswirklichkeit eingesetzt wurden. Mit Hilfe der von Knape entwickelten sieben Orientierungsaspekte[1] werden dabei die Strategien und Absichten CNNs und des Militärs verdeutlicht.

In einem letzten Schritt wird auf die duale bzw. tertiäre Verwendung des Begriffs eines „virtuellen Krieges“ eingegangen. Es wird gezeigt, wie der Begriff sowohl für eine digitale Berichterstattung, für die Konstruktion einer Wirklichkeit des Krieges, als auch für die Durchführung und Erfahrung eines modernen Krieges durch Soldaten gelten kann.

2. Die Entwicklung der Kriegsberichterstattung

War. War never changes.

The Romans waged war to gather slaves and wealth. Spain built an empire from its lust for gold and territory. Hitler shaped a battered Germany into an economic superpower.

But war never changes. […][2]

In seinem Wesen verändert sich Krieg nur wenig. Ob nun zu Zeiten des Römischen Weltreichs, im Mittelalter oder aber in der Neuzeit, Krieg brachte und bringt immer dasselbe mit sich: Leid, Elend, Tod. Geändert haben sich lediglich die Techniken, die Werkzeuge und die Strategien, mit denen Krieg geführt wird. Wo in der Frühzeit Steine und Knochen, im Mittelalter Schwerter und Bögen waren, lassen sich heute automatische Waffen und Panzer, Drohnen und „intelligente“ Raketen finden. Das daraus resultierende Ergebnis jedoch bleibt das Gleiche: Zerstörung von Eigentum und Menschenleben.

Dennoch gibt es einen Aspekt des Krieges, der sich stärker als alle anderen verändert hat: die Möglichkeiten, wie Informationen über einen Krieg an jene gelangen, die nicht unmittelbar von der kriegerischen Auseinandersetzung betroffen sind. Während früher die Bevölkerung noch durch heimkehrende Soldaten oder durch Presseberichte des Militärs über einen Konflikt unterrichtet wurde, können wir heute zwischen unzähligen internationalen TV-Nachrichtensendern, Zeitungen oder Webseiten wählen, um mehr über einen Konflikt zu erfahren. Informationen können so, rein theoretisch, aus unterschiedlichen Blickwinkeln stammen. Eine Betrachtung der Entwicklung der Kriegsberichterstattung zeigt aber, dass dies nicht unbedingt der Fall ist.

2.1 Von den ersten Kriegsberichterstattern zum Propagandainstrument

Die erste offizielle Berichterstattung über einen Krieg durch einen Journalisten fand während des Krimkrieges von 1853 bis 1856 statt. Im Krieg zwischen Großbritannien und Russland war es der 33-Jährige William Howard Russel, welcher für die britische Tagezeitung Londoner Times als erster Reporter überhaupt Berichte von der Front lieferte und als erster professioneller Kriegsberichterstatter in die Geschichte einging.[3] Kurz nachdem Russel in das Kriegsgebiet entsandt wurde, folgte ihm ein Reporter des Konkurrenzblatts London Daily News. Der erste Wettlauf um die aktuellsten Kriegsinformationen war entstanden. Die Nachrichten der beiden Reporter wurden in den heimischen Redaktionen unter anderem von harscher politischer Kritik begleitet. Dies führte schließlich zu der noch heute währenden Mesalliance zwischen Militär und Medien.[4]

Mit der Ausweitung des Zeitungswesens und der Erfindung des Telegrafen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch die Nachfrage nach Kriegsnachrichten stark erhöht. So waren während des amerikanischen Bürgerkrieges allein auf Seiten der Nordstaaten 500 Kriegsreporter im Einsatz. Der Krieg gehörte mittlerweile zum Liebling der Redakteure.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren es [v]or allem die Konflikte an den Rändern Europas und in den europäischen Kolonien […, die] sowohl von den Kriegsberichterstattern als auch vom heimischen Publikum mit Spannung begleitet und mit einer Aura von Abenteuerromantik umgeben [wurden].[5]

Auf diese besondere Art von Abenteuer(romantik) wird in der Analyse der CNN Berichterstattung noch genauer eingegangen werden.

Eine technische Weiterentwicklung führte zu einer neuen Möglichkeit, das Kriegsgeschehen authentischer darzulegen: Die Fotographie.

Das Foto wurde zum ultimativen Beweis . Relativ schnell wurde erkannt, dass das Bild aber noch viel mehr kann, als Sachverhalte zu belegen. Es wurde nur wenig zur journalistisch-politischen Aufklärung genutzt, sondern vielmehr zur gezielten „Emotionalisierung und Mythologisierung von Kriegen“[6] eingesetzt. Dies ist ein Trend, der sich auch heute noch in der Kriegsberichterstattung finden lässt. Das Bild und später auch die Weiterentwicklung des Einzelbildes, der Film, wurden daher auch vom Militär selbst als Propagandamittel verwendet.

Mit dem Ersten Weltkrieg vollzog sich eine Neuerung in der Kriegsberichterstattung. Alle beteiligten Staaten erschufen Systeme zur strengsten Lenkung und Kontrolle der Presse. In Deutschland wurde beispielsweise die seit 1874 geltende Pressefreiheit aufgehoben. In der Presse erschien nur das, was von Seiten des Militärs genehmigt wurde. Eine neutrale und sachliche Berichterstattung über den Krieg war somit nicht mehr möglich.

Das NS-Regime verfeinerte diese Kontroll- und Lenkungssysteme der Presse und erschuf einen noch nie zuvor dagewesenen Propagandaapparat. Zum Hauptelement dieses Instruments gehörten die relativ neuen Medien Rundfunk und Film. Um immer die seitens der Regierung gewünschten Nachrichten und Bilder von der Front zu bieten, wurden eigene Propagandakompanien erschaffen, deren einzige Aufgaben war, die deutschen Truppen zu begleiten und über deren Aktivitäten zu berichten.[7] Die Pressearbeit wurde so nur von regierungs- und militärfreundlichen Institutionen geleistet. Kritische Stimmen wurden unterdrückt. Das besondere am Medieneinsatz während des Zweiten Weltkriegs war die Tatsache, dass die Medien wie noch in keinem Krieg zuvor zur strategischen Waffe im Krieg selbst geworden waren. Und obwohl dies im Sinne von Propaganda geschah, lies sich daraus ableiten, welche Macht die Medien besitzen und inwieweit die Berichterstattung in den Medien kriegsentscheidenden Einfluss besitzen kann.

Am deutlichsten wurde dies während des Vietnamkriegs. So sei der Krieg nicht auf dem Schlachtfeld sondern durch die öffentliche Meinung verloren worden. Und diese Meinung wurde vorallem durch Berichte aus dem Kriegsgebiet gebildet. „Schuld“ daran war die neue Politik der militärischen Führung der USA, die auf eine offizielle Zensur verzichtete und es den Reportern ermöglichte, mehr oder weniger frei berichten zu können.[8] Der Vietnamkrieg gilt als erster Fernsehkrieg, in welchem zum ersten Mal die Bilder des Krieges im eigenen Wohnzimmer zu sehen waren. Eine breite Masse konnte sich so ihr eigenes Bild vom Krieg machen. Obwohl Umfragen „aus den Jahren 1967 und 1972 belegen, dass das Fernsehen weder eine Anti-Kriegsstimmung noch einen Meinungswandel bewirken konnten“[9], hatte der Mythos vom durch die Presse verlorenen Krieg weitreichende Folgen für die zukünftige amerikanische Pressepolitik in Zusammenhang mit militärischen Konflikten.

2.2 Golfkrieg 1991 – Ein technischer, sauberer Krieg

Am deutlichsten wurden diese Folgen während des zweiten Golfkriegs 1991. Einige wenige, ausgewählte Journalisten wurden in Pools zusammengefasst, die Zugang zu den Informationen bekamen, die das US-Militär freigab. Das Schlachtfeld selbst war zur Sperrzone für die Medien erklärt worden. Die Bilder über den Golfkrieg stammten hauptsächlich vom Militär selbst. Gezeigt wurde ein technischer Krieg, ein sauberer Krieg ohne menschliche Verluste. Die überlegene Technik des US-Militärs dominierte die Berichterstattung. Über die Soldaten wurde nur sehr wenig preisgegeben. Die amerikanische Regierung betrieb eine Strategie der Informationsverknappung bei gleichzeitiger Überthematisierung der gegebenen Informationen. Gleichzeitig wurde eine gezielte Offensivpropaganda durch Des- und Falschinformation betrieben. Dies diente letztendlich auch dazu, die Kräfte des Feindes an falsche Orte zu binden.[10] Neu war, dass zum ersten Mal in der Geschichte 24-Stunden am Tag über den Krieg berichtet werden konnte und zwar in Echtzeit. Auch hierfür war eine technische Errungenschaft ausschlaggebend: die Satellitentechnologie. Der Sender CNN nahm eine Monopolstellung ein und belieferte die ganze Welt rund um die Uhr mit Bildern und Berichten aus dem Golf. Der Krieg bekam durch diese Art der Fernsehberichterstattung ein neues Image. Man spricht heute in diesem Zusammenhang auch von der „CNNization“ und einer damit verbundenen „24-hour news culture“.[11] Die mangelnde Versorgung durch Informationen führte in der Berichterstattung zu ausschweifenden Talkshows und inflationärem Gebrauch von Infografiken. Die kalten, technoid-körperlosen Bilder erinnerten an Videospiele und lösten dadurch angeblich weniger negative Empfindungen aus.[12]

2.3 Irakkrieg 2003 - Re-Humanisierung des Krieges

Mit dem Irakkrieg 2003 veränderte sich die Presse- und Informationspolitik der US-Administration ein weiteres Mal. Der Krieg wurde regelrecht als Medien- und Bilderkrieg geplant. Alle Medien wurden ausnahmslos mit Informationen gefüttert. Vor allem die Bildmedien wurden aktiv eingebunden. Ziel war eine Entertainisierung und Re-Humanisierung des Krieges. Dem Krieg sollte nach der Technikvorstellung 1991 wieder ein Gesicht verliehen werden. Die Menschen, die diesen Krieg führten, sollten wieder mehr in den Fokus der Medien gerückt werden.

Um dies zu erreichen, bettete das Militär ausgewählte Journalisten in die Truppenverbände ein. Diese „embedded journalists“ begleiteten die Truppen bei deren Einsätzen und waren befugt, live während den Kampfhandlungen zu berichten. Zu ihrer Ausstattung gehörte die neueste Videotechnik, um den Soldaten über die Schulter zu schauen und die Bilder in Echtzeit in die heimische Redaktion oder direkt in die Wohnzimmer in allen Teilen der Welt zu senden. Sie sollten den Rückhalt an der Heimatfront sichern und lieferten Identifikationsmöglichkeiten mit der Truppe. Dafür sendeten sie „’human touch stories’ über den blutjungen Soldaten A aus dem Ort B bis zur erfahrenen Hubschrauberpilotin Y vom Stützpunkt Z.“[13] Eine Zensur gab es nicht. Diese war auch nicht nötig, da die „embedded journalists“ im Vorfeld ihr Einverständnis zu den „Ground Rules“ geben mussten. Dieser Regelkatalog war für die Journalisten bindend und regelte alle Dinge, vom Transport in Militärfahrzeugen, dem Gebrauch von Kommunikationsmitteln, der zu erwartenden Unterstützung seitens der Truppe, in welche sie eingebettet wurden und den Dingen, die sie senden oder auch nicht senden durften.[14] Mit den „embedded journalists“ wurde erreicht, dass ausschließlich aus einer erwünschten Perspektive berichtet wurde. Journalisten, die sich nicht einbetten wollten, waren „illegal“ im Kriegsgebiet unterwegs und durften auf keine Hilfe seitens der Alliierten hoffen.[15]

Neben den „embedded journalists“ griff die US-Armee auf eigene Soldaten zurück, die als sogenannte Combat-Camera-Units (COMCAM) und „soldier artists“ offiziell von der Seite der Armee berichteten. Ausgerüstet mit „hochmodernen Gun-Kameras, Nachtsichtgeräten sowie modernster digitaler Foto- und Videotechnik [hielten diese] den Krieg in der Luft, zu See und auf dem Boden fest […]“[16]. Neben der Primäraufgabe, die Armeeführung mit aktuellen Bildern zu versorgen, dokumentierten diese Soldaten das militärische Geschehen auch für die Medien. Die „soldier artist“ wiederum waren Zeichner und Maler, deren vorrangiges Ziel es war, in ihren Zeichnungen und Gemälden „das menschliche Antlitz des Krieges, den Alltag der Soldaten und die Gesichter des Krieges festzuhalten“[17]. Wie schon oben erwähnt, sollte auch dadurch das Menschliche wieder Einzug in den Krieg halten.

Die Betrachtung der Geschichte der Kriegsberichterstattung soll verdeutlichen, dass Medien und Militär bzw. kriegführende Regierungen in einer nicht trennbaren Beziehung zueinander stehen. Während eines militärischen Konflikts sind beide Systeme aufeinander angewiesen. Es „zeigt sich, dass Medien durch das Zusammenwirken von Inhalt, Struktur und Funktion eben nicht nur Berichterstatter über Kriege sind, vielmehr sind sie als Technologien und Produzenten oder Vermittler von Informationen gleichzeitig auch Teil von Kriegen“[18]. Den Informationen wird dabei eine große Macht zugeschrieben und wer die Informationsmacht besitzt, bestimmt zugleich die Vorstellungen der Rezipienten über einen Krieg und bedient den Krieg in deren Köpfe.[19] Er kann so eine eigene Wirklichkeit von Krieg konstruieren.

3. Krieg und Computerspiele

Wie das Eingangszitat aus dem Rollenspiel Fallout von 1997 in Kapitel 2 deutlich macht, ist der Krieg ein häufig vorkommendes Thema bei Computerspielen. Die Verbindung von Computer und Krieg begann schon sehr früh. So wurden Analogcomputer während des Zweiten Weltkrieges enorm weiterentwickelt, da man mit ihnen die Artillerie abhängig von Wind, Wetter und Entfernung auf Ziele einstellen konnte.[20] Ebenso wurden elektronische Rechner dazu verwendet, die komplizierten Flugbahnen von Geschützen und Raketen zu vereinfachen und vor allem zu verkürzen. Daher erscheint das Computerkriegsspiel nur als logische Folge der Computerentwicklung.[21]

Unter den ersten kommerziellen Computerspielen befanden sich daher auch Spiele wie Space Invader, in welchem man von einer Grundlinie heraus herannahende Raumschiffe abschießen musste. Die rasante Entwicklung der Computerspiele löste den am Boden befestigten Spieler und erlaubte es ihm, sich frei durch den Raum zu bewegen. Nach und nach entstanden so Spiele wie Zaxxon, in denen man mit einem Raumschiff durch ein dreidimensionales All fliegen konnte.[22] Die Umgebung konnte aufgrund der Digitalität schnell umgewandelt werden und so kamen schließlich auch Spiele auf den Markt, die in keiner Phantasiewelt mehr stattfanden, sondern sich in einem Abbild unserer realen Welt bewegten. Die schier unzählbare Masse von Computerspielen, die seit Ende der 80er Jahre erschienen sind, kann und soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Viel wichtiger ist festzuhalten, dass sich durch technische Möglichkeiten die Grafik, die Akustik und sogar die Haptik sehr stark an die Realität angenährt haben. Das Bild, das von vielen aktuellen Computerspielen erzeugt wird, ist nahezu fotorealistisch. Mehrkanal-Ton lässt ein reales akustisches Raumerlebnis zu und die Steuergeräte, mit welchen die Spiele bedient werden, besitzen kleine Motoren, die Widerstände und Rütteleffekte erzeugen. Diese Darstellungsmöglichkeiten erfordern im Vergleich zu früher nur noch wenig Abstraktionsvermögen des Spielers.[23] Der Spieler kann sich so viel intensiver auf die Inhalte der Spiele sowie auf sein Handeln und seine Reaktionen konzentrieren.

[...]


[1] Vgl. Knape, Joachim: Rhetorik der Künste. In: Ulla Fix/ Andreas Gardt/ Joachim Knape: Rhetorik und Stilistik: Ein internationales Handbuch historischer und Systematischer Forschung. 1. Halbband Berlin. 2008. S. 917ff.

[2] Intro-Text aus dem 1997 erschienenen Computerspiel Fallout, von Interplay.

[3] Vgl. Beham, Miriam: Kriegsberichterstattung – Vom Telegrafen zum Echtzeitkrieg und Internet. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hg.): Gute Medien – Böser Krieg?. Wien. 2007. S. 40.

[4] Vgl. ebd. S. 40.

[5] Ebd. S. 43.

[6] Ebd. S. 43.

[7] Vgl. Beham, Miriam: Kriegsberichterstattung – Vom Telegrafen zum Echtzeitkrieg und Internet. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hg.): Gute Medien – Böser Krieg?. Wien. 2007. S. 47.

[8] Vgl. ebd. S. 48.

[9] Vgl. Beham, Miriam: Kriegsberichterstattung – Vom Telegrafen zum Echtzeitkrieg und Internet. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hg.): Gute Medien – Böser Krieg?. Wien. 2007. 49.

[10] Vgl.: Paul, Gerhard: Der „Pictorial Turn“ des Krieges. In: Korte, Barbara/Tonn, Horst (Hrsg.): Kriegskorrespondenten: Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft. Wiesbaden. 2007. S. 115.

[11] Vgl. ebd. S. 116.

[12] Vgl. ebd. S. 118.

[13] Paul, Gerhard: Der Bilderkrieg: Inszenierungen, Bilder und Perspektiven der „Operation Irakische Freiheit“. Göttingen. 2005. S. 83.

[14] Vgl. PUBLIC AFFAIRS GUIDANCE (PAG) ON EMBEDDING MEDIA DURING POSSIBLE FUTURE OPERATIONS/DEPLOYMENTS IN THE U.S. CENTRAL COMMANDS (CENTCOM) AREA OF RESPONSIBILITY (AOR) unter http://www.defenselink.mil/news/Feb2003/d20030228pag.pdf

[15] Paul, Gerhard: Der Bilderkrieg: Inszenierungen, Bilder und Perspektiven der „Operation Irakische Freiheit“. Göttingen. 2005. S. 78.

[16] Ebd. S. 74.

[17] Ebd. S. 74.

[18] Beham, Miriam: Kriegsberichterstattung – Vom Telegrafen zum Echtzeitkrieg und Internet. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hg.): Gute Medien – Böser Krieg?. Wien. 2007. S. 39.

[19] Vgl. ebd. S. 39.

[20] Vgl. Lischka, Konrad: Spielplatz Computer. Kultur, Geschichte und Ästhetik des Computerspiels. Hannover. 2002. S. 20.

[21] Vgl. Birkholz, Christian/Geisler, Eberhard: Kriegsszenarien im Computerspiel. In: Fritz, Jürgen (Hg.): Programmiert zum Kriegspielen. Weltbilder und Bilderwelten im Videospiel. Frankfurt/Main. 1988. S. 123.

[22] Vgl. ebd. S. 123.

[23] Vgl. Birkholz, Christian/Geisler, Eberhard: Kriegsszenarien im Computerspiel. In: Fritz, Jürgen (Hg.): Programmiert zum Kriegspielen. Weltbilder und Bilderwelten im Videospiel. Frankfurt/Main. 1988. S. 124.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2009
ISBN (PDF)
9783863415112
ISBN (Paperback)
9783863410117
Dateigröße
891 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Erscheinungsdatum
2011 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
Irakkrieg 2003 Virtualität Kriegsberichterstattung Computerspiel Computerspielästhetik US-Militär Inszenierung

Autor

Marc Sehr wurde 1984 in Hechingen geboren. Sein Studium der Rhetorik und der Medienwissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen schloss der Autor im Jahr 2009 mit dem akademischen Grad des Bachelors of Arts erfolgreich ab. In seinem Studium setzte er sich mehrfach mit der Berichterstattung des jüngsten Irakkriegs auseinander. Zudem beschäftigte er sich in seiner Freizeit wie auch im Studium mit virtuellen Systemen und Konzepten der Virtualität in Film, Fernsehen und Literatur.
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