Die Kosten ineffizienter Anlagestrategien am Beispiel deutscher Bundesschatzbriefe
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Bundesschatzbrief
3 Definition einer mangelnden Finanzbildung
4 Empirische Betrachtung von Bundesschatzbriefen
4.1 Annahmen und Restriktionen der Untersuchung
4.2 Gewinnung und Ausarbeitung des Datensatzes
4.3 Auswertung und Analyse der gewonnenen Ergebnisse
4.3.1 Renditeentwicklung des unerfahrenen Anlegers
4.3.2 Renditeentwicklung des erfahrenen Anlegers
4.4 Gegenüberstellung der Renditeentwicklungen
4.4.1 Ergebnis der Typ B-Simulation
4.4.2 Ergebnis der Typ A-Simulation
5 Vergleich zur Zinsstrukturkurve
6 Gegenüberstellung der Marktteilnehmer
7 Abschlussbetrachtung / Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Bundesschatzbriefemissionen seit 1988
Zinsstrukturkurvenberechnung nach Svensson
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 BSB-Handelstage / Verlauf des 1-Jahres BSB-Zins
Abbildung 2: Valutastruktur bei der act/act-Methode
Abbildung.3: Ertragsentwicklungen der Anlagen in den BSB Typ B
Abbildung 4: BSB-Einjahreszins vs. einjährige Staatsanleihe im Zeitverlauf
Abbildung 5: BSB-Zinsverlauf Typ B „Myope" gegen die Zinsstrukturkurven
Abbildung 6: BSB-Zinsverlauf Typ B „Sophisticate" gegen die Zinsstrukturkurven
Abbildung 7: BSB-Zinsverlauf Typ A „Myope" gegen die Zinsstrukturkurven
Abbildung 8: BSB-Zinsverlauf Typ A „Sophisticate" gegen die Zinsstrukturkurven
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich von Ertragsentwicklungen
Tabelle 2: Jährliche Ausschüttungen BSB Typ A
Tabelle 3: Empirischer Zinsstrukturvergleich
Tabelle 4: BSB Absatz- und Umlaufzahlen
Tabelle 5: BSB-Emissionen von 02/1988 bis 12/2007
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In der vorliegenden Thesis soll der Frage nachgegangen werden, welche Kosten für Investoren aufgrund mangelnder Finanzbildung entstehen können und dabei erläutert werden, worin die Ursachen dafür liegen. Der Begriff der „mangelnden Finanzbildung“ ist im Folgenden so zu verstehen, dass Investoren aufgrund unzureichenden Wissens, inflexiblen Verhaltens oder aus anderen ähnlichen Gründen nicht in der Lage sind, die optimal erzielbare Rendite aus, wie in dieser Untersuchung dargestellt, einem öffentlichen Schuldtitel zu erwirtschaften und in Folge dessen ein Minimum an Ertrag generieren. Als empirische Grundlage für diese Analyse soll der deutsche Bundesschatzbrief dienen: Dieser staatliche Schuldtitel ist ein weithin beliebtes Anlageprodukt, das in erster Linie zur Finanzbildung in der breiten Bevölkerungsschicht dienen soll. Der Bundesschatzbrief ist dabei mit einigen Ausstattungsmerkmalen versehen, die es uns ermöglichen zu zeigen, dass flexibel und clever agierende Anleger im Vergleich zu unerfahrenen Marktteilnehmern die besonderen Eigenschaften des betrachteten Schuldtitels zu ihrem Vorteil ausnutzen können und dementsprechend eine höhere Rendite erzielen können als ihre Mitstreiter. Ein weiterer Punkt, warum der Bundesschatzbrief sich für diese Analyse besonders gut eignet, ist die Tatsache, dass er nicht börsengehandelt ist und somit frei von externen Einflüssen, wie z.B. Kursänderungsrisiken ist. Zusätzlich bieten die charakteristischen Ausstattungsmerkmale dieses Schuldtitels einen Raum, der bei einem entsprechenden Zeithorizont für die möglichen Entwicklungen der jeweiligen Anlagestrategien eine signifikante Größe annimmt, um ein valides und aussagekräftiges Ergebnis zu liefern. Die nachfolgende Arbeit ist dabei so gestaltet, dass zunächst in Kapitel 2 ein genauerer Blick auf den deutschen Bundesschatzbrief geworfen werden soll. Dabei soll ein allgemeines, grundlegendes Bild vermittelt werden, dass uns Informationen zu der Historie, zu den geschäftlichen Konditionen und zu den besonderen Ausstattungsmerkmalen dieses Anlageprodukts liefert. In Kapitel 3 soll dann zunächst ein theoretisches Fundament gebildet werden, welches die eigentlichen Grundzüge der mangelnden Finanzbildung aufgreifen wird. Dabei soll auf einige wichtige wissenschaftliche Monographien eingegangen werden, die sich mit diesem Thema auf den unterschiedlichsten wirtschaftswissenschaftlichen Gebieten auseinandersetzen. Aus diesen Thesen soll anschließend ein Konstrukt erstellt werden, dass dabei helfen wird, die nachfolgende empirische Untersuchung der Bundesschatzbriefe hinsichtlich der Investitionsentscheidungen der Anleger genauer zu analysieren und zu verstehen. Zuvor werden aber in dem Unterkapitel 4.1 einige allgemeine und spezielle Restriktionen aufgestellt, die dazu dienen sollen, die nachfolgende Simulation in einem wohldefinierten Rahmen durchlaufen zu lassen. Dabei sollen zunächst Annahmen getroffen werden, die das allgemeine Umfeld der Untersuchung und die speziellen Entscheidungsprozesse der zu vergleichenden Akteure festlegen. Kapitel 4.2 erläutert, aufbauend auf den zuvor festgelegten Restriktionen, den Werdegang der Simulation. Dabei wird zuerst der Anlageprozess des unerfahrenen Akteurs anhand des Bundesschatzbriefes Typ B und dann des Typ A simuliert. Da der Anlageprozess des Bundesschatzbriefes vom Typ A komplexer verläuft, wird daher zuerst mit dem Typ B begonnen, um so einen leichteren Einstieg in die Simulationen zu finden. Nach Abschluss der beiden Simulationen werden diese dann in dem Unterkapitel 4.3.2 auf entsprechende Art und Weise für den erfahrenen Anleger durchgeführt und analysiert. Aus den Erkenntnissen der vier durchgeführten Simulationen sollen diese dann im Unterkapitel 4.4 miteinander verglichen werden, um erste Ergebnisse festhalten zu können. Dabei erfolgt die Gegenüberstellung nach den Bundesschatzbrieftypen, so dass die Ergebnisse der beiden Anleger getrennt nach den Anlageklassen miteinander verglichen werden können. Anschließend erfolgt in Kapitel 5 ein Vergleich der Bundesschatzbriefe zu den vorliegenden Zinsstrukturkurven, um die gewonnenen Erkenntnisse aus den Simulationen in einen direkten Bezug zum Markt setzen zu können. Dabei erfolgt neben der speziellen Betrachtung der Simulationen im Bezug zur Zinsstrukturkurve auch ein allgemeiner Vergleich aller Bundesschatzbriefe zum Markt, die in dem gewählten Betrachtungszeitraum von 1988 bis 2008 vom Bund ausgegeben worden sind. Dabei lassen sich schon erste Rückschlüsse in Bezug auf die Aussagen aus Kapitel 2 und 4 ziehen, die dann zusätzlich in Kapitel 6 unter Berücksichtigung der theoretischen Modelle aus Kapitel 3 weiter ausgearbeitet werden sollen. Kapitel 6 untersucht dabei zunächst die Rolle des Bunds als Emittenten, um dann aus diesen Erkenntnissen die in Kapitel 3 aufgestellten Thesen hinsichtlich ihres Aussagegehalts zu bestätigen bzw. zu verwerfen. Zum Ende sollen dann in einem Fazit nochmal alle gewonnenen Ergebnisse in einen direkten Bezug zueinander gesetzt werden, um abschließend eine Aussage darüber treffen zu können, ob es in einem Markt für Bundesschatzbriefe möglich ist, Kosten einer mangelnden Finanzbildung zu definieren und wenn ja, wie diese ausfallen, welche Vorteile der erfahrene Anleger gegenüber seinem unerfahrenen Mitstreiter erwirtschaften kann und welche Strategien im Hinblick auf die Zinsstruktur eines Bundesschatzbriefes zu welchem Zeitpunkt sich als die beste herausstellt um mögliche Kosten bei der Finanzbildung zu vermeiden.
2 Der Bundesschatzbrief
Der deutsche Bundesschatzbrief wurde vor 40 Jahren, im Jahre 1969[1], von der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der staatlichen Kreditaufnahme in Form einer Daueremission emittiert. Der allgemeine Grundgedanke, der auch heute noch hinter der Emission des Bundesschatzbriefes steht ist es, eine Anlageform anzubieten, die der Vermögensbildung der allgemeinen breiten Bevölkerungsschicht dienen soll[2] und dabei auch zeitweilen ein nicht unbedeutendes Instrument zur Finanzierung des Bundeshaushaltes darstellt[3]. Demzufolge dürfen auch nur natürliche Personen und gebietsansässige Organisationen mit gemeinnützigem, mildtätigem und/oder kirchlichem Hintergrund dieses Anlageprodukt erwerben. Die Stückelung beträgt seit dem Jahre 2002 0,01 Euro bei einem Mindestanlagebetrag von 50,00 Euro pro Person[4]. Zuvor lag die Stückelung bei 0,01 DM bei einem Mindestanlagebetrag von 100 DM[5]. Der Bundesschatzbrief wird in zwei Formen angeboten: Dem sogenannten Typ A- und dem Typ B-Bundesschatzbrief. Der Typ A hat eine Laufzeit von sechs Jahren, wobei die Ausschüttung zum jeweiligen Zinssatz nachschüssig am Ende eines Jahres an den Gläubiger erfolgt. Der Typ B besitzt eine Laufzeit von sieben Jahren und ist thesaurierend, so dass die anfallenden Zinszahlungen nicht ausgeschüttet sondern wieder angelegt werden und somit einen zusätzlichen Zinseszinseffekt bei Rückzahlung auf den Nennwert bewirken[6]. Die dabei seit Januar 1999 angewandte Zinsberechnung für den Bundesschatzbrief erfolgt nach der tagesgenauen Zinsberechnungsmethode (act/ act)[7]. Hierbei ist zu beachten, dass die zugrungegelegten Tage im Jahr den maximalen Stückzinstagen entsprechen müssen[8]. Eine der besonderen Merkmale ist die Zinsstruktur des Bundesschatzbriefes: Sie ist gestaffelt, was bedeutet, dass der zugrundeliegende Nominalzinssatz jährlich steigt und somit der Anleger mit fortlaufender Haltedauer eine höhere Rendite erwarten kann. Dieses charakteristische Ausstattungsmerkmal soll dazu dienen, dem Anleger einen Anreiz zu bieten, die gekaufte Emission möglichst lange zu halten um somit eine vergleichsweise hohe Endrendite zu erhalten[9]. Hinzu kommt, dass der Spread des Erstjahreszinses bei einem Bundesschatzbrief in der Regel zunächst unter und in den folgenden Jahren im Mittel über dem durchschnittlichen, risikofreien Marktzins liegt[10], wie wir im Folgenden aber noch genauer betrachten werden. Der Grund für den Erstjahreszins unter Marktniveau liegt besonders darin, dass der Bundesschatzbrief nicht wie etwa eine Bundesanleihe, am freien Markt gehandelt wird, sondern nur im Direkthandel bei der Deutschen Finanzagentur GmbH (DFA), als stellvertretender Emittent für den Bund, erworben werden kann[11]. Um trotzdem ein adäquates Zinsniveau bieten zu können, gibt die Deutsche Finanzagentur GmbH in unregelmäßigen Abständen neue Ausgaben des Bundesschatzbriefes heraus. Wie in Abbildung 1 dargestellt, beläuft sich dabei die durchschnittliche Verkaufsdauer auf ca. 55 Tage[12]. Dabei ist auffällig, dass besonders in den vergangenen fünf Jahren die Zeitabstände zwischen den jeweiligen Handelstagen sehr viel geringer geworden sind als z.B. am Ende der achtziger Jahre. Der zusätzlich abgebildete Verlauf des Einjahreszinses der Bundesschatzbriefe verdeutlicht zudem, dass in Zeiten, in denen das Zinsniveau sehr hoch war, die Abstände zwischen den Verkaufstagen ebenfalls sehr groß waren. Folglich wird hier ersichtlich, dass die Emissionen neuer Bundesschatzbriefe keinem festen Schema folgen, sondern diese folglich je nach Bedarf ausgegeben werden. Für den Gläubiger besteht dabei grundsätzlich immer die Möglichkeit, nach einer vorgeschriebenen Mindesthaltedauer von einem Jahr, innerhalb von 30 Zinstagen den Bundesschatzbrief bis zu einem Betrag von maximal 5.000 Euro pro Person zu pari vorzeitig zurückzugeben[13]. Bei Emissionen bis zum 31.12.2001 beläuft sich entsprechend der Rückgabebetrag auf höchstens 10.000 DM pro Person[14]. Dabei beziehen sich die 30 Zinstage lediglich auf den Rückgabetrag, so dass der Gläubiger bei einer Anlagesumme von über 5.000 Euro diese nicht gleichzeitig umtauschen oder zurückfordern kann, sondern dies in Intervallen von 30 Zinstagen schrittweise erfolgt[15]. Bei einer vorzeitigen Rückgabe wird dem Gläubiger bei einem Bundeschatzbrief vom Typ A der Nennwert unter Zurechnung der angefallenen Stückzinsen auf den zu dem Zeitpunkt geltenden Zinssatz zurückgezahlt. Bei einer Rücknahme eines Bundesschatzbriefes vom Typ B erhält der Gläubiger den angesammelten Rückzahlungsbetrag, welcher sich aus gesonderten Tabellen ergibt[16]. Wie schon erläutert, ist es für den Anleger unter normalen Umständen nicht möglich, eine Ausgabe vor Ablauf der einjährigen Frist zurückzugeben, jedoch besteht für ihn die Möglichkeit, vorzeitig ohne Berücksichtigung der Sperrfrist seine Ausgabe an Dritte zu übertragen, die zum Erwerb berechtigt sind. Eine Übertragung an das Kreditinstitut des Gläubigers ist ausnahmsweise möglich, wenn sich der Gläubiger in einer finanziellen Notlage befindet. Das Kreditinstitut darf jedoch in diesem Falle nicht als Zwischenhändler fungieren und dementsprechend die Bundesschatzbriefausgabe nicht an Dritte weiterveräußern[17]. Eine vorzeitige Kündigung seitens des Schuldners ist ausgeschlossen. Dieses sog. Gläubigerkündigungsrecht des Anlegers gegenüber dem Schuldner und der ausschließliche außerbörsliche Handel von Bundesschatzbriefen sind zwei wesentliche Charakteristika, die sich auch in dem Zinssatz niederschlagen[18]: Wie schon bereits angesprochen, liegt in der Regel der Erstjahreszins unter dem risikofreien Marktzins, was sich damit begründen lässt, dass eine Risikoprämie für etwaige Kursverluste für den Gläubiger entfällt[19]. Alternativ zu einer vorzeitigen Rückgabe besteht für den Gläubiger aber auch die Möglichkeit, kostenfrei in eine andere gehandelte Ausgabe des Bundesschatzbriefes oder in eine andere Anlageklasse des Bundes, wie z.B. in Finanzierungsschätze, Bundesobligationen[20] oder auch seit kurzem in Tagesanleihen des Bundes etc. zu wechseln. Für den Wechsel oder eine Wiederanlage in eines der genannten Anlageprodukte gelten die gleichen Emissionsbedingungen wie bei einem Neuerwerb. Erfolgt dabei der Wechsel aus einem vom Anleger gehaltenen Bundesschatzbrief in eine neu gehandelte Ausgabe, so geschieht dies unter der Berücksichtigung der jeweils angefallenen Stückzinsen. Da der Bundesschatzbrief nicht an der Börse, sondern nur über den Direkthandel (OTC) erworben werden kann, gibt es folglich auch keinen Sekundärmarkt für diesen Schuldtitel, und es können stets nur aktuell laufende Ausgaben zum Nennwert erworben werden, wobei anfallende Stückzinsen entsprechend verrechnet werden. Über den Direkthandel kann der Anleger den Bundesschatzbrief entweder über Banken, Sparkassen oder Kreditgenossenschaften erwerben[21]. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, direkt bei der Bundesrepublik Deutschland, stellvertretend durch die Deutsche Finanzagentur GmbH, den Bundesschatzbrief zu kaufen. Die zulässigen Zahlungsverfahren sind das Lastschrift-, das Überweisungsverfahren und der Kaufauftrag via Internetbanking: Im Überweisungsverfahren überweist der Anleger eine Betrag auf ein Konto bei der Deutschen Bundesbank, aus dem dann der maximal mögliche Nennwert bei entsprechender Stückzinsberücksichtigung erworben wird. Bei dem Lastschriftverfahren gibt der Anleger den gewünschten Nennwert an, der dann, wieder unter Berücksichtigung von Stückzinsen, von der Deutschen Finanzagentur von dem zu belastenden Konto eingezogen wird. Bei einer Direktanlage bei der Deutschen Finanzagentur beträgt der Mindestanlagebetrag 52,00 Euro bei einer Stückelung von 0,01 Euro[22]. Zusätzlich ist der Besitz eines Schuldbuchkontos voraussetzend erforderlich, um die erworbenen Bundesschatzbriefe darin zu dokumentieren[23]. Ein interessanter Aspekt ist, dass der Erwerb und die Veräußerung bzw. die Rückgabe prinzipiell gebühren- und spesenfrei sind, was den Bundesschatzbrief neben den oben genannten Eigenschaften wie den Gläubigerkündigungsschutz und den Schutz vor Kursrisiken hinsichtlich der Nebenkosten für kostenbewusste und risikoaverse Gläubiger zu einem interessanten Anlageprodukt macht. Auch die Verwaltung durch die Deutsche Finanzagentur ist kostenfrei, wobei bei einer Depotführung der Vermögenswerte durch ein nichtstaatliches Kreditinstitut entsprechende Gebühren anfallen können, falls der Anleger bei Erwerb der Bundesschatzbriefe keinen Auftrag zur Eintragung in das Bundesschuldbuch bei seinem depotführenden Kreditinstitut erteilt[24]. Unter rechtlichen Gesichtspunkten erhält der Gläubiger für den Erwerb von Bundesschatzbriefen keine Wettpapierurkunde o.ä., sondern kann sich wahlweise als Miteigentümer in einer Sammelbuchforderung oder in einer Einzelbuchforderung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eintragen lassen. Die Sammelbuchforderung für die Bundesschatzbriefe im Bundesschuldbuch wird dabei bei der Clearstream Banking AG Frankfurt geführt[25].
3 Definition einer mangelnden Finanzbildung
Um das Ziel der nachfolgenden empirischen Untersuchung, nämlich die Bestimmung der Kosten einer mangelnden Finanzbildung für einen Investor genauer verstehen zu können, muss zunächst einmal ein theoretisches Fundament geschaffen werden, dass die charakteristischen Ausprägungen der Marktteilnehmer festlegt. Allgemein gesprochen bezieht sich diese Analyse auf das Zusammenspiel zweier Marktteilnehmer, die sich unterschiedlich schlau, flexibel und /oder ambitioniert in verschiedenen Situationen verhalten und letztendlich aufgrund ihrer angelernten oder gesellschaftlich geprägten Fertigkeiten unterschiedlich hohe Kosten tragen bzw. Erträge generieren können. Dieses Verhaltensanalyse soll zeigen, dass z.B. „gut informierte und flexibel reagierende Anleger“[26] gegenüber unerfahrenen Marktteilnehmern in einer gleichen Ausgangssituation in der Lage sind, ein besseres Ergebnis zu erzielen als ihre kurzsichtigen Mitstreiter und sich dadurch einen gewissen Vorteil erarbeiten können. Wie wir im Folgenden anhand verschiedener wissenschaftlicher Monographien feststellen werden, ist der Anwendungsbereich dieses Themas sehr weit gefächert, wobei jedoch das Ergebnis bei einer allgemeinen Betrachtung immer auf ein ähnliches Resümee hinauslaufen wird. Daher ist es für unsere Ausarbeitung in der Hinsicht interessant, ob sich die nachfolgend dargestellten wissenschaftlichen Monographien auch auf die Analyse der Finanzbildung mithilfe von Bundesschatzbriefen transferieren lassen und dabei helfen werden, die Ergebnisse der Auswertung in einen plausiblen Zusammenhang zu setzen. Eine wichtige Monographie in diesem Zusammenhang ist z.B. John Campbells Aufsatz „Household Finance“ (August 2006): Er untersucht darin das Anlageverhalten im Bereich der Hauskreditfinanzierung von verschiedenen privaten Haushalten hinsichtlich ihrer Effizienz und versucht dabei die Fehlerquellen zu bestimmen, die die Ursachen für einen ineffektiven und fehlerhaften Entscheidungsprozess bezüglich der Finanzierungen darstellen. Er differenziert die Anleger dabei nicht unbedingt nur nach dem Bildungsstand des Einzelnen, sondern sieht die Diskrepanzen zwischen den Subjekten neben dem Wissen an sich, in weiteren Kriterien wie Einkommen, Alter, ethnischen Abstammung, gesellschaftliches Umfeld und das eigene Risikobewusstsein[27]. Dies bedeutet z.B., dass jüngere Anleger aus einer wohlhabenden, gebildeten Gesellschaftsschicht tendenziell erfolgreichere Anlageentscheidungen treffen als Menschen, die nicht aus diesen Kreisen stammen. Der Aspekt des Risikobewusstseins und des Verständnisses über die zugrundeliegenden Entscheidungssituationen wird dabei auch speziell von Heath und Tversky (1991) aufgegriffen: In ihrem Aufsatz untersuchen sie die Beziehung zwischen der Häufigkeit von Wetten und dem subjektiven Wissen der einzelnen Akteure im Zusammenhang mit der Bereitschaft, auf bestimmte Wettmodelle aufgrund ihrer Selbstsicherheit einzugehen oder es andernfalls zu unterlassen. Nach der Untersuchung von Wetten in verschiedenen Umweltsituationen halten sie als Ergebnis fest, dass Akteure, die sich ihrer Sache sicher sind, eine höhere Handlungs- bzw. Wettfrequenz aufweisen als unsichere Teilnehmer[28]. John Graham greift diese Beobachtung von Heath und Tversky in seinem Aufsatz „Investors Competence, Trading Frequency, and Home Bias“ (2005) auf, transferiert diese auf den Anlagemarkt und erweitert sie noch um die Feststellung, dass neben der höheren Zahl an Handlungen auch das Umfeld der Anlagemöglichkeiten, sprich internationale versus nationale Märkte zunimmt, je sicherer und erfahrener die Akteure sich in ihrem Metier fühlen[29]. Bezogen auf die nachfolgende Untersuchung würde diese These z.B. das Verhaltensmuster des erfahrenen Anlegers dahingehend bestätigen, dass er die Möglichkeit des vorzeitigen Wechsels zwischen den Ausgaben des Bundesschatzbriefes auf die Weise auszunutzen weiß, dass er mit den richtigen Wechselentscheidungen sich die Ausgabe heraussucht, die zu dem Zeitpunkt für ihn das höchste Renditeniveau verspricht. Folglich wird der fachkundige Investor auch eine weitaus höhere Handelsfrequenz aufweisen als sein unerfahrener Mitstreiter. Desweiteren stellt Campbell noch fest, dass Anleger ohne entsprechende Erfahrungen am Markt dazu tendieren, jene Produkte zu wählen, die in ihrem Umfeld, wie etwa in ihrem Familienkreis oder in der Nachbarschaft, als standardmäßig gelten[30]. Laurent Calvet hält zusätzlich in seiner Ausarbeitung „Down or Out“ fest, dass Haushalte mit einem fundierten Fachwissen bzw. mit einer gewissen Selbstsicherheit in ihrem Anlageverhalten dazu tendieren, aggressiver und effizienter zu investieren[31]. Diese Feststellung und die vorherige führen zu dem Rückschluss, dass der erfahrene Anleger aufgrund seines de facto effizienteren, aggressiveren und selbstbewussteren Verhaltens einen höheren Ertrag erzielen muss als seine unerfahrenen und unsicheren Mitstreiter. Ein weiterer Punkt, den Calvet in seiner Monographie herausgearbeitet hat, ist, dass er ähnlich wie Campbell die Feststellung gemacht hat, dass ein Engagement am Markt durch einen privaten Haushalt eher dann wahrscheinlich ist, wenn dieser über ein höheres Einkommen, im Besitz von entsprechenden Finanz- und Immobilienanlagen ist oder über einen höheren Bildungsgrad verfügt[32]. Im Anschluss schreibt Calvet jedoch noch, dass risikoreiche Investments zusätzlich hohe Lern- und Einstiegskosten aufweisen, die für erfahrene und gebildete Marktteilnehmer erst dann lohnenswert ausfallen, wenn die Anlagesummen entsprechend groß sind bzw. aufgrund des vorliegenden Bildungsniveaus diese Kosten für sie geringer ausfallen als für andere[33]. Da der Bundesschatzbrief bekanntlich nur außerbörslich gehandelt wird, einen geringen Mindestanlagebetrag aufweist und ohne direkte zusätzlichen Kosten verbunden ist, kann man folglich annehmen, dass hier ein ausgewogenes Verhältnis von erfahrenen und unerfahrenen Marktteilnehmern zu erwarten sein sollte, da neben dem Image als Vermögensanlage für die breite Bevölkerungsmasse hier besonders nach Calvets Annahme auch die hohen Einstiegskosten entfallen und somit keine nennenswerten Eintrittsbarrieren bestehen, die weder die erfahrenen noch die unerfahrenen Anleger von einer Investition in den Bundesschatzbrief abschrecken lassen sollten. Ein weiterer Punkt, der die Annahme stützt, dass der Bundesschatzbrief auch für unerfahrene Anleger besonders geeignet sein sollte, ist die zuvor genannte Erkenntnis von Campbell, dass unerfahrene Anleger in ihren Anlageentscheidungen tendenziell auf den Rat von Verwandtschaft und Nachbarschaft vertrauen und folglich nach Calvets Theorie nicht selbstbewusst und dementsprechend weniger aggressiv und effizient handeln. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Bundesschatzbrief für den unerfahrenen Anleger ein gutes Anlageinstrument, da aufgrund seiner hohen Sicherheit ein passives und ineffizientes Verhalten nicht mit möglichen negativen Anlageergebnissen bestraft werden kann, wie es z.B. bei einem Investment in Aktien der Fall sein kann. Welcher Anreiz besteht aber für den erfahrenen Investor, dass er in eine Anlageklasse investiert, die für ihn ein vergleichsweise niedriges Renditeniveau mit sich bringt und zusätzlich eine Risikoklasse darstellt, die nach den oben gewonnen Erkenntnissen nicht sonderlich typisch für ihn ist? Neben den beiden bis dato untersuchten Akteuren mit ihren gegensätzlichen Eigenschaften gibt es noch eine weitere Partei, die in der Analyse der Kosten der mangelnden Finanzbildung nicht unbeachtet bleiben darf und die auch eine mögliche Erklärung für das Engagement des erfahrenen Anlegers in ein Anlageprodukt wie dem Bundesschatzbrief liefern kann: Der Anbieter von Produkten. Ein interessanter Aufsatz zu diesem Thema stammt von Xavier Gabaix mit dem Titel „Shrouded Attributes“ (2005): Er beschreibt darin den Zusammenhang zwischen den beiden unterschiedlichen Marktteilnehmern und dem Anbieter von Produkten anhand von versteckten Kosten. Er stellt unmittelbar die These auf, dass versteckte Kosten nur in den Wirtschaftsbereichen auftauchen können, in denen auch unerfahrene Konsumenten auftreten[34]. Der Zusammenhang, der sich aus den von Gabaix genannten Beispielen ergibt[35], ist im Ergebnis stets der gleiche: Das Vorhandensein von unerfahrenen Marktteilnehmern ermöglicht es dem Anbieter, zusätzliche Einnahmen durch versteckte Kosten zu erwirtschaften, da unerfahrene Konsumenten in ihren Entscheidungen Fehler machen und die zusätzlichen Kosten nicht erkennen[36]. Gelockt werden die Konsumenten dabei mit vermeintlich günstigen Angeboten, die aber aufgrund der versteckten Nebenkosten zu letztendlich höheren Ausgaben führen können als zuvor angenommen. Erfahrene und rational handelnde Konsumenten hingegen antizipieren die versteckten Zusatzkosten und vermeiden diese, um folglich ein Gut zu konsumieren, was gegebenenfalls aufgrund der versteckten Nebenkosten für sich allein unter den üblichen Marktkosten liegt[37]. Würden alle Marktteilnehmer sich entsprechend rational verhalten, würde dies dem Anbieter letztendlich schaden, da er ohne die versteckten Zusatzkosten folglich einen Verlust erleiden würde. Dies hätte zur Folge, dass es zukünftig keine versteckten Kosten mehr geben würde. Das mögliche Eintreten einer solchen Situation führt zu dem Ergebnis, dass sowohl die erfahrenen Konsumenten als auch der Anbieter von Produkten mit versteckten Kosten keinen Anreiz haben, die unerfahrenen Marktteilnehmer entsprechend zu belehren, da beide sich in einer Welt ohne versteckte Kosten schlechter stellen würden als zuvor[38]. Es entsteht eine Dreiecksbeziehung: Der Anbieter profitiert von dem unerfahrenen Kunden, und der erfahrene Kunde profitiert von dem Anbieter. Sind die Erträge aus den unerfahrenen Konsumenten so hoch, dass sie die Verluste durch den erfahrenen Konsumenten hinreichend kompensieren können, hat der Anbieter keine andere Wahl, als diese Mindereinnahmen zu akzeptieren[39]. Gabaix betont zudem, dass es sich auf der anderen Seite nicht für ein Unternehmen lohnen kann, die unerfahrenen Konsumenten über ihre Situation zu belehren, da diese dann, wenn sie das System verstanden haben, zu einem konkurrierenden Unternehmen mit hohen versteckten Kosten wechseln, um dieses in der Hinsicht auszunutzen, dass sie dessen Güter konsumieren, aber die versteckten Nebenkosten vermeiden[40]. Bezogen auf unsere Untersuchung würde dies bedeuten, dass der Bund als Emittent möglicherweise einen gewissen Vorteil aus der Emission von Bundesschatzbriefen ziehen muss, bzw. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den beiden Konsumenten steht. Eine Antwort, die diese Rückschlüsse und auch die zuvor genannten Thesen in Hinblick auf den Bundesschatzbrief unterstützt oder widerlegt soll, jedoch im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung gefunden und bewertet werden.
4 Empirische Betrachtung von Bundesschatzbriefen
4.1 Annahmen und Restriktionen der Untersuchung
Die in dem vorherigen Kapitel erarbeiteten theoretischen Annahmen sollen nun anhand von historischen Daten des Bundesschatzbriefes getestet und gegebenenfalls bestätigt werden. Wie auch in den unterschiedlichen theoretischen Ausarbeitungen sollen hierbei zunächst zwei Investoren-Typen verglichen werden, die wie in unserem Falle beide ihr Vermögen über einen Zeitraum von 20 Jahren in den Bundesschatzbrief anlegen wollen. Der Betrachtungszeitraum beginnt dabei am 01.02.1988 und endet zum 01.01.2008. Die in Kapitel 3 angesprochene gesonderte Funktion des Bundes sei jedoch in der nachfolgenden Untersuchung zunächst ohne weitere Beachtung und soll in der anschließenden Auswertung erst wieder entsprechend berücksichtigt werden. Wie schon Dickertmann in seinem Artikel festgehalten hat, ist der Bundesschatzbrief aufgrund seiner gestaffelten Verzinsung und seiner restriktiven Mindesthaltedauer von einem Jahr nach Erwerb ein nicht unkomplizierter Schuldtitel[41], was ihn daher für die Untersuchung interessant macht. Doch um ein sinnvolles Ergebnis erzielen zu können, müssen zunächst einige Restriktionen und Annahmen getroffen werden, die für den Verlauf und für das Ergebnis der Untersuchung von entsprechender Bedeutung sind. Allgemein gehen wir davon aus, dass beide Investoren ihre Bundesschatzbriefe bei der Deutschen Finanzagentur GmbH erwerben und diese auch dort verwalten lassen, so dass eine Berücksichtigung von möglichen Depotführungsgebühren oder sonstigen Nebenkosten nicht erforderlich ist. Außerdem werden in der nachfolgenden Untersuchung die Entwicklungen der Bundschatzbriefe vom Typ A und vom Typ B gesondert von einander untersucht. Es ist daher ausgeschlossen, dass der Anleger während seiner Anlageperiode zwischen den beiden Typen hin und herwechselt, sondern sich über die betrachteten 20 Jahre ausschließlich für einen Anlagetyp entscheidet. Eine Wechselentscheidung zu anderen, vom Bund emittierten Wertpapieren sei zudem auch ausgeschlossen, da hier speziell die Auswirkung der wahrgenommenen Wechseloptionen der Bundesschatzbriefe hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit untersucht werden soll. Dabei liegt der Anlagebetrag pro Investor bei 1.000 Euro, so dass wir bei einem Wechsel zwischen den Ausgaben der Bundesschatzbriefe oder bei einer Wiederanlage nach Fälligkeit eine Berücksichtigung der 30-Zinstage-Regel[42] nicht erforderlich ist. Ein Anlagebetrag von 5.000 Euro würde die nachfolgende Untersuchung unnötig verkomplizieren, da nach Ablauf der ersten sieben Anlagejahre im Typ B der Investor inzwischen über einen Wiederanlagebetrag verfügt, der über dieser Grenze liegt. Dies hätte zur Folge, dass sämtliche nachfolgenden Wechselentscheidungen nicht mehr en bloc durchgeführt werden können, sondern über die folgenden Ausgaben verteilt werden müssen, um die Vorgaben des Bundes nicht zu verletzen. Diese schrittweisen Wechselentscheidungen könnten das Endergebnis jedoch in der Hinsicht verzerren, dass wir in dieser Untersuchung die Renditeentwicklung der jeweiligen Anleger so darstellen wollen, dass das Ergebnis auf die Auswahl einzelner Ausgaben zurückzuführen ist. Generell sind dabei alle nachfolgenden Angaben in Euro gemacht; DM-Werte werden mit dem vom Bundesministerium für Finanzen 1998 festgelegten Umrechnungskurs von 1,95583[43] in Euro umgerechnet. Desweiteren soll angenommen werden, dass wir die Betrachtung in einer Welt ohne Steuern durchführen, so dass bei den erzielbaren Erträgen und Ausschüttungen keine steuerliche Behandlungen oder eine mögliche Berücksichtigung von Freistellungen oder Freibeträgen gemacht werden muss[44]. Als weiterer Punkt sei anzunehmen, dass es keine Arbitragemöglichkeiten jeglicher Art für die Investoren gibt. Ein Annahmepunkt, der bei einem direktgehandelten kursrisikofreien Schuldtitel ohne Währungsunterschiede als de facto gegeben erscheinen mag, aber aus Gründen der Vollständigkeit trotzdem genannt werden sollte. Eine weitere allgemeine Restriktion soll sein, dass es für die beiden Investoren seitens des Schuldners keine Informationsasymmetrien gibt, so dass generell beide Investoren die gleichen Chance haben, auf die von ihnen benötigten Informationen zuzugreifen, ohne dabei vom Bund bzw. dem Schuldner auf irgendeine Weise bevorzugt oder benachteiligt zu werden. Diese Annahme soll letztendlich dazu dienen, dass das spätere Ergebnis der Untersuchung ausschließlich auf die Entscheidungen der Investoren zurückzuführen ist und dabei nicht durch eine mögliche Informationspolitik seitens des Schuldners beeinflusst worden sein könnte. Doch kommen wir nun zu den Investoren-Typen: Wie schon angesprochen, sollen zwei Investoren untersucht werden, die sich hinsichtlich ihres Intellektes, ihrer Flexibilität und ihrem Engagement in der Finanzwelt unterscheiden sollen. Zurückgreifend auf die rein englischsprachigen Monographien, die im vorherigen Kapitel als Grundlage für das theoretische Gerüst unserer Untersuchung gedient haben, sollen die Investoren entsprechend „Myope“ und „Sophisticate“ genannt werden. Der Investor „Myope“ verkörpert dabei den Anleger, der nicht aktiv zu seiner Finanzbildung durch die Bundesschatzbriefe beiträgt und auch keine entsprechenden Erfahrungen auf diesem Gebiet aufweist. Die Gründe hierfür können dabei, wie schon im theoretischen Teil herausgearbeitet, vielschichtig sein. Wichtig für die nachfolgende Untersuchung sei dabei nur, dass der Anleger „Myope“ die Option des vorzeitigen Wechsels zwischen den Ausgaben niemals wahrnehmen und folglich seinen Bundesschatzbrief jedes Mal bis zur Endfälligkeit halten wird. Da ein Anlagezeitraum von 20 Jahren betrachtet werden soll, bedeutet dies, dass der Investor „Myope“ insgesamt zweimal eine Ausgabe des Bundesschatzbriefes bis zur Endfälligkeit halten wird, um dann in die nächste Emission zu wechseln, die zu jenem Zeitpunkt gehandelt wird. Mögliche Unterschiede in dem Zinsniveau der nachfolgenden Ausgaben spielen dabei für den Investor „Myope“ in keinster Weise eine Rolle. Ein wichtiger Aspekt, der in der folgenden Untersuchung angenommen werden soll ist, dass beide Investoren darauf bedacht sind ihr investiertes Vermögen im Januar 2008 zurückerhalten können. Diese Annahme ist daher wichtig, da der Erwerb des Bundesschatzbriefes bekanntlich mit der Verpflichtung verbunden ist, dass dieser nach einem Neuerwerb oder nach einem Wechsel in eine neue Ausgabe mindestens für ein Jahr gehalten werden muss bevor er täglich liquidiert oder gewechselt werden darf[45]. Für den Investor „Myope“ ist diese Restriktion eher irrelevant, da bei einem Anlagehorizont von 20 Jahren die Restriktion weder durch den Bundesschatzbrief Typ A, noch durch den Typ B verletzt werden könnte[46]. Anders sieht dies für den Investor „Sophisticate“ aus: Der Investor „Sophisticate“ verkörpert schließlich in der nachfolgenden Untersuchung den Anleger, der flexibel auf mögliche Änderungen im Markt reagieren kann und weiß, wie er im Rahmen der mit dem Erwerb von Bundesschatzbriefen verbundenen Restriktionen optimal die Renditeentwicklung seines Portfolios beeinflussen kann. Für ihn ist die Verpflichtung, einen Bundesschatzbrief nach Erwerb oder Tausch für mindestens ein Jahr zu halten, von besonderer Bedeutung, da er spätestens ab dem Jahr 2007 nicht mehr in das Geschehen eingreifen darf, damit er im folgenden Jahr zum Ende des Betrachtungszeitraumes auf sein Vermögen zugreifen kann. Eine letzte Hypothese die getroffen werden soll, betrifft wieder fast ausschließlich den Anleger „Sophisticate“: Es soll angenommen werden, dass der Anleger nicht „in die Zukunft schauen“ kann bzw. mögliche Zinsbewegungen antizipieren und vorhersagen kann, die für seine Anlageentscheidungen von Bedeutung sein könnten. Da durchschnittlich alle 55 Tage[47] eine neue Ausgabe des Bundesschatzbriefes angeboten wird, kann der Anleger „Sophisticate“ nur seine Ausgabe mit der nächstfolgend emittierten vergleichen. Es ist für ihn jedoch unmöglich ex ante zu sagen, wann genau eine übernächste Emission kommt und mit welcher Zinsstruktur diese ausgestattet sein wird, um daraus Rückschlüsse für die erzielbare Rendite zu ziehen bzw. zu entscheiden, ob er jetzt schon in die bessere Ausgabe wechseln oder noch warten soll. Demzufolge bedeutet dies, dass der Investor „Sophisticate“ genau dann zu wechseln hat, wenn die erzielbare Rendite der zu dem Zeitpunkt handelbaren Ausgabe höher ist als seine derzeitige und nicht abwarten wird, ob gegebenenfalls die nachfolgende Emission vielleicht ein noch höheres Zinsniveau aufweisen könnte. Desweiteren soll es ausgeschlossen sein, dass der Anleger „Sophisticate“ vorzeitig in eine schlechtere Ausgabe wechselt, um sich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt auf einem höheren Zinsniveau zu befinden. Diese Situation könnte sich teilweise anbieten, so dass der Investor „Sophisticate“, statt eine hochverzinste Ausgabe bis zur Fälligkeit zu halten, vorzeitig in eine schlechtere Ausgabe wechselt, um die darauffolgenden Ausgaben mit einem extrem niedrigen Zinsniveau zu umgehen, in die er nach der Fälligkeit seiner hochverzinsten Ausgabe zwangsweise wechseln müsste. Da wir aber annehmen, dass der Anleger „Sophisticate“ nicht vorhersagen kann, in welche Richtung sich das Zinsniveau langfristig bewegen wird, muss er die Gegebenheiten ausnutzen und seinen Fokus auf die kurzfristigen Renditebewegungen beschränken.
4.2 Gewinnung und Ausarbeitung des Datensatzes
Die Generierung der notwendigen Daten zu den benötigten Bundesschatzbriefen erwies sich als umständlicher als zunächst angenommen: Wie schon in Kapitel 2 angesprochen, sind Bundesschatzbriefe Schuldtitel, die nicht am öffentlichen Markt gehandelt werden und dementsprechend ist auch das Informationsangebot der gängigen privaten Datenanbieter zu diesen Schuldtiteln nur begrenzt bzw. nicht vorhanden. Lediglich die Deutsche Finanzagentur GmbH und das Bundesministerium für Finanzen bieten ein entsprechendes Spektrum an Informationen zu den Emissionsdaten, den zugehörigen Zinssätzen, den Preisentwicklungen und den daraus resultierenden Renditen an. Diese sind jedoch auf der Homepage der Deutschen Finanzagentur GmbH nur ab dem Jahre 2001 verfügbar, was für die Untersuchung hinsichtlich der unterschiedlichen Entwicklungen der Finanzbildung einen zu kurzen Zeithorizont darstellt, um eine adäquate Aussage über die unterschiedlichen Ertragsentwicklungen der beiden Investoren treffen zu können[48]. Über eine telefonische Anfrage bei der Deutschen Finanzagentur GmbH war es möglich, zumindest die Papierversion einer Zeitreihe über die vergangenen 20 Jahre zu erhalten, die für die nachfolgende Untersuchung einen hinreichend langen Zeithorizont bietet. Dabei enthalten die standardisierten Datenblätter zu jeder Bundesschatzbriefausgabe Angaben zur Zinstabelle der Typen A und B, zur Renditeentwicklung der jeweiligen Bundesschatzbrieftypen und eine gesonderte Tabelle mit den Rückzahlungswerten auf Monatsbasis für die Bundesschatzbriefe vom Typ B. Für die Ausgaben ab dem Jahre 2001 werden zusätzlich gesonderte Tabellen ausgegeben, die zur Bestimmung der Tagespreise auf Basis der Zinsvaluta für Bundesschatzbriefe vom Typ B herangezogen werden sollen. Betrachtet man diese jedoch genauer, stellt sich heraus, dass hier implizit alle Tage zur Zinsberechnung herangezogen werden und es keine Berücksichtigung von Zinszahlungssprüngen aufgrund von Wochenends- und Feiertagen erfolgt[49]. Um jedoch eine möglichst realitätsnahe Simulation durchführen zu können, müssen Wochenends- und Feiertage dahingehend berücksichtigt werden, dass an diesen Tagen keine Zinszahlung erfolgt, sondern sich diese auf die nachfolgenden Handelstage verschieben. Wie schon in Kapitel 2 erwähnt, wird für die Stückzinsberechnung in Deutschland seit 1999 die sogenannte act/act-Methode angewendet. Interessant ist, dass für die Tage Montag, Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Valutastruktur bei der act/act-Methode
Quelle: Hamke 2006, S.47
Dienstag und Mittwoch die Zinsvaluta und die Geldvaluta direkt auf den Schlusstag folgen. An den Tagen Donnerstag und Freitag liegen zwischen dem Schlusstag und der Zinsvaluta immer zwei freie Tage, so dass die Geldvaluta immer auf einen Handels- und nicht auf einen Samstag oder Sonntag fällt, wie in Abbildung 2 dargestellt wird[50]. Unter der Zinsvaluta hat man dabei den Tag zu verstehen, an dem der Käufer zum letzten Mal Stückzinsen zu zahlen hat. Die Geldvaluta entspricht folglich dem Tag, an dem das Geschäft bzw. die Zinszahlung zu erfüllen ist[51]. Für die deutschen Börsengeschäfte besteht eine zweitägige Erfüllungs- bzw. Valutapflicht. Für außerbörsliche Zinsgeschäfte besteht jedoch die Möglichkeit, dass eine Erfüllungsfrist auf Basis von festgelegten Vereinbarungen bestimmt werden kann[52]. Im Nachfolgenden soll jedoch auf eine zweitägige Erfüllungsfrist zurückgegriffen werden. Für die Ausarbeitung der Preis- und Renditeentwicklung bedeutet dies, dass aufgrund der Zinssprünge zum Wochenanfang höhere Tageszinssätze anfallen werden als im restlichen Wochenverlauf. Ein weiterer Punkt, der in der Datenauswertung berücksichtigt werden muss, ist die Tatsache, dass bei einer Neuausgabe die Termine des Verkaufsstarts und des Zinslaufbeginns in der Regel nicht auf den gleichen Tag fallen. Oft liegt die Situation vor, dass der Termin des Verkaufsbeginns ca. zwei bis drei Tage vom Zinslaufbeginn abweicht oder in Extremfällen eine zwischenzeitliche Spanne von bis zu einem halben Monat auftreten kann[53]. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten der Stückzinsberechnung und anhand der einzelnen Emissionsdaten der insgesamt 286 Bundesschatzbriefausgaben in dem Zeitraum von 1988 bis Anfang 2008 war es dann möglich, die taggenauen Preisentwicklungen zu berechnen. Dabei wird beim Typ B der Zinseszinseffekt über die gesamte Preisentwicklung berücksichtigt, während bei Typ A die angesammelten täglichen Zinszahlungen nach Ablauf eines Jahres vollständig ausgeschüttet werden. Aus den Daten der täglichen Preisentwicklung konnten dann die täglichen Renditen berechnet werden. Hierzu wurde die stetige Renditeberechnung angewendet, sprich, es wurde der natürliche Logarithmus aus der Differenz des Tages- und des Vortageswertes gezogen. Der Vorteil, der sich aus den stetigen Renditeberechnungen ergibt, ist, dass sie über längere Betrachtungszeiträume eher normalverteilt sind als die Berechnungen der arithmetischen Rendite[54]. Ein weiterer Punkt, der für die Verwendung der stetigen Rendite spricht, ist die Tatsache, dass diese bei kleineren relativen Kursänderungen eine genauere Rendite ausweist als die arithmetische Methode[55]. Es muss jedoch beachtet werden, dass nach der stetigen Renditeberechnung die ausgewiesene Rendite leicht niedriger ausfallen kann als nach der arithmetischen Rechenmethode. Aus diesen gewonnenen Tagesrenditen aller Ausgaben seit 1988 kann nun die gewünschte Analyse durchgeführt werden. Die Untersuchung der Renditeentwicklung des Anlegers „Myope“ ist anhand des vorliegenden Datensatzes schnell und einfach durchzuführen. Da er jede Ausgabe über sechs bzw. sieben Jahre bis zur Endfälligkeit hält, muss hier nur die entsprechende Folgeausgabe nach
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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[1] Wilkens, Baule und Entrop 2003, S. 906
[2] BMF 2006, S. 1
[3] Dickertmann 1980, S.147 f.
[4] DFA März 2009, S. 4
[5] Wilkens, Baule und Entrop 2003, S. 926
[6] BMF 2006, S.3
[7] DFA März 2009, S.6
[8] Hamke 2006, S. 46
[9] Dickertmann 1980, S.147
[10] Wilkens, Baule und Entrop 2003, S. 907
[11] BMF 2006, S.1
[12] Eigene Berechnung anhand von Emissionsdaten, zur Verfügung gestellt von der DFA
[13] Wilkens, Baule und Entrop 2003, S. 905
[14] Dickertmann 1980, S.147
[15] Diese Aussage wurde auf telefonischer Nachfrage von der DFA bestätigt.
[16] BMF 2006, S.4
[17] DFA Oktober 2009 b, Seite 1
[18] Dickertmann 1980, S.148
[19] Dickertmann 1980, S.148
[20] DFA März 2009, S.13
[21] DFA März 2009, S.6
[22] BMF 2006, S.2
[23] BMF 2006, S.2
[24] DFA März 2009, S.6
[25] DFA März 2009, S.5
[26] Dickertmann 1980, S.149
[27] Campbell 2006, S.1566
[28] Heath und Tversky 1991, S.7
[29] Graham, Harvey und Huang 2009, S.3
[30] Campbell 2006, S.1586
[31] Calvet, Campbell und Sodini 2006, S.4
[32] Calvet, Campbell und Sodini 2006, S.4
[33] Calvet, Campbell und Sodini 2006, S.12
[34] Gabaix und Laibson 2005, S.1
[35] Gabaix und Laibson 2005, S.2 f.
[36] Gabaix und Laibson 2005, S.1
[37] Gabaix und Laibson 2005, S.5
[38] Gabaix und Laibson 2005, S.4
[39] Gabaix und Laibson 2005, S.5
[40] Gabaix und Laibson 2005, S.4
[41] Dickertmann 1980, S.147
[42] Vgl. Kapitel 2 „Der Bundesschatzbrief“ Seite 5
[43] 1 Euro = 1,95583 DM gem. der EG-Verordnung Nr. 2866/98 des Rates vom 31.12.1998
[44] DFA März 2009, S.4
[45] DFA März 2009, S.2
[46] Bei Laufzeiten von 7 bzw. 6 Jahren fällt das Laufzeitjahr 19 nicht unter die Sperrfrist.
[47] Vgl. Abbildung 1 in Kapitel 2
[48] DFA Oktober 2009 a, S. 1
[49] DFA Oktober 2009 a, S. 2
[50] Hamke 2006, S.51
[51] Hamke 2006, S.8
[52] Hamke 2006, S.8
[53] Vgl. Anhang: WKN 113 925
[54] Steiner und Bruhns 1999, S. 52 f.
[55] Loistl 1994, S. 202
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2009
- ISBN (PDF)
- 9783863415242
- ISBN (Paperback)
- 9783863410247
- Dateigröße
- 616 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
- Erscheinungsdatum
- 2011 (Juli)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Bundesschatzbrief Behavioral Finance Zinsstrukturkurve Svensson-Methode Valuta-Bestimmung Finanzbildung Anlagestrategie