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Latente Steuern nach dem BilMoG

Das neue HGB im Vergleich zum HGB a.F. und den IFRS

©2010 Bachelorarbeit 56 Seiten

Zusammenfassung

Das HGB hat sich durch das BilMoG spürbar an die internationalen Rechnungslegungsstandards angenähert. Die mittelständischen Unternehmen wurden generell von dem Ansatz latenter Steuern befreit, können diese aber freiwillig ohne größeren Aufwand bilanzieren. Große Unternehmen haben durch die neuen Anhangsangabepflichten hingegen einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Hier hat somit eine Deregulierung kleiner Unternehmen stattgefunden.

Die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit trug einen erheblichen Teil dazu bei, die Bedeutung latenter Steuern zu erhöhen. Die Einheitsbilanz ist ein rein theoretisches Konstrukt geworden. Das neu angewandte Temporary-Konzept schafft eine sehr viel umfangreichere Steuerabgrenzung im Vergleich zu den Zeiten, in denen das Timing-Konzept galt, da nun auch quasi-permanente und erfolgsneutrale Sachverhalte bei der Ermittlung latenter Steuern eine Rolle spielen. Die Vorgehensweise der Ermittlung hat sich ebenfalls geändert, da nicht mehr nur ein Vergleich der Wertansätze aus Handels- und Steuerbilanz vorgenommen wird. Die Anpassung an die internationale Rechnungslegung, das Hauptziel des BilMoG, ist durch die Umstellung von der Abgrenzungsmethode ("deferred method") hin zur Verbindlichkeitsmethode ("liability method") gelungen.

Problematisch zu betrachten sind die unterschiedlichen Herangehensweisen an Einzel- und Konzernabschluss. Ein Grund für die Ansatzpflicht aktiver latenter Steuern im Konzernabschluss oder die unterschiedliche Behandlung von einem erstmaligen Ansatz eines Geschäfts- oder Firmenwerts ist nicht erkennbar. Hier ist als Gegenbeispiel der IAS 12 zu nennen, der nicht zwischen der Steuerabgrenzung im Einzel- und Konzernabschluss unterscheidet.

Insgesamt gewinnen die latenten Steuern in praktischer Hinsicht erheblich an Bedeutung.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Vorgehensweise und Zielsetzung
Die Bilanzierung latenter Steuern ist durch das Gesetz zur Modernisierung
des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz; kurz: BilMoG)
grundlegend geändert worden. Schwerpunkt dieser Arbeit ist einerseits die
Darstellung der Änderungen, welche latente Steuern unmittelbar durch
das BilMoG erfahren haben, und andererseits der Vergleich dieser
Änderungen des HGB n.F. zu den Regelungen des HGB a.F. und den
IFRS.
Zu Beginn wird das BilMoG in Kapitel 2 präsentiert und der Begriff der
latenten Steuern in Kapitel 3 definiert. Kapitel 4 stellt mit der Darstellung
der konkreten Änderungen des BilMoG in Hinsicht auf die latenten
Steuern den größten Teil der Arbeit dar, während in Kapitel 5 diese
Änderungen mit den entsprechenden Regelungen im HGB a.F. und den
IFRS verglichen wird. Ein Fazit rundet diese Arbeit mit
zusammenfassenden und kritischen Aspekten in Kapitel 6 ab.
Bei dem Vergleich der IFRS mit den Neuerungen des HGB in Kapitel 5.2
wird auf den neu erschienenen IFRS-Entwurf ED/2009/2 ,,Income Tax" nur
in den wichtigsten Punkten eingegangen, da dieser Entwurf noch nicht in
die IAS integriert ist.
Die umfassende und informative Auseinandersetzung mit latenten Steuern
im Rahmen des BilMoG und einem anschließenden Vergleich mit den
Regelungen in der alten Fassung des HGB und den ,,International
Financial Reporting Standards" sind Ziel dieser Arbeit. Bei diesem
Vergleich soll der tatsächliche Umfang der Änderungen und die damit
verbundene Zielsetzung der Annäherung an die internationalen
Rechnungslegungsstandards dargestellt werden.
1

2. Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)
2.1. Hintergrund und Ziele des BilMoG
Mit der Verabschiedung des BilMoG durch den Bundesrat am 03. April
2009 und der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 29. Mai 2009 ist
die tiefgreifendste Änderung des deutschen Bilanzrechts seit dem
Bilanzrichtliniengesetz aus dem Jahre 1985 in Kraft getreten.
1
Offizielles Ziel dieses Gesetzesentwurfs war es, ,,das bewährte HGB-
Bilanzrecht zu einer dauerhaften und im Verhältnis zu den internationalen
Rechnungslegungsstandards vollwertigen, aber kostengünstigeren und
einfacheren Alternative weiter zu entwickeln, ohne die Eckpunkte des
HGB-Bilanzrechts und das bisherige System der Grundsätze
ordnungsgemäßer Buchführung aufzugeben. Darüber hinaus sollen die
Unternehmen von unnötigen Kosten entlastet werden."
2
Das Grundkonzept des BilMoG wird geprägt durch die Deregulierung, die
Internationalisierung, die Harmonisierung zum EU-Recht und die
Erhöhung des Informationsgehalts des HGB-Abschlusses, ohne dabei auf
bewährte Systeme zu verzichten.
Die Deregulierung soll die Unternehmen durch Erleichterungen bei der
Rechnungslegung entlasten. Vor allem kleine und mittelständische
Unternehmen sollen von vermeidbarem Bilanzierungsaufwand entlastet
werden.
3
Dadurch wird eine Kosteneinsparung für Unternehmen in Höhe
von etwa 1,3 Mrd. Euro prognostiziert. Laut Berechnungen des
statistischen Bundesamtes ergibt sich durch Buchführungs- und Inventur-
erleichterungen sogar eine mögliche Einsparung in Höhe von etwa 2,5
Mrd. Euro pro Jahr.
4
Ursächlich dafür ist hauptsächlich die Anhebung der
1
Vgl. Der Betrieb, Beilage Nr. 5/2009 zu Heft Nr. 23 vom 5.6.2009, S. 4.
2
Begr. RegE BilMoG, Drucksache 17/10067, S.1.
3
Vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, BilMoG ­ Die neue Handelsbilanz, S. 29.
4
Vgl. BMJ, Wesentliche Änderungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes im
Überblick, Stand März 2009, S. 1.
2

Schwellenwerte für die Abgrenzung zwischen kleinen, mittelständischen
und großen Kapitalgesellschaften.
5
Mit Internationalisierung ist die Schaffung einer gleichwertigen und
kostengünstigeren Alternative zu den IFRS gemeint. Die IFRS sind in
Deutschland nur für kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen im
Konzernabschluss verbindlich. Um eine bessere internationale
Vergleichbarkeit und somit mehr Transparenz zu schaffen, wurden
zahlreiche HGB-Vorschriften abgeschafft, welche Wahlrechte, wie das
Bilden von Rechnungsabgrenzungsposten oder Bilanzierungshilfen für
Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen, boten.
6
Zudem sind
beispielsweise in den Bereichen des Geschäfts- und Firmenwerts sowie
für latente Steuern Ansatzgebote anstatt der entsprechenden Wahlrechte
vorgesehen.
7
Die Harmonisierung zum EU-Recht wurde nach dem Trittbrettfahrer-
Prinzip in das BilMoG mit einbezogen. Richtlinien zur Rechnungslegung
und Abschlussprüfung wurden umgesetzt. Für die Rechnungslegung
ergeben sich verschiedene Ergänzungen und Erläuterungen in Anhang
und Lagebericht. Ziel dieser zusätzlichen Angabe- und
Erläuterungspflichten ist es, ,,die Spuren zu beseitigen, die die
Bilanzierungsskandale der vergangenen Jahre [...] auf dem Kapitalmarkt
hinterlassen haben".
8
Die Änderungen anhand der Abschlussprüferrichtli-
nie bleiben überschaubar, da viele Regelungen der Richtlinie vom
17.05.2006 im Bilanzrechtsreform-gesetz vom 10.12.2004 und im
Abschlussprüferaufsichtsgesetz vom 27.12.2004
9
vorweggenommen
wurden.
10
5
Vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, BilMoG ­ Die neue Handelsbilanz, S. 29.
6
Vgl. §§ 269, 250 Abs. 1 Satz 2 HGB a.F..
7
Vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, BilMoG ­ Die neue Handelsbilanz, S. 30.
8
Begr. RegE BilMoG, Drucksache 17/10067, III. Umsetzung von EU-Rechtsakten, 1.
Abänderungsrichtlinie, S. 39.
9
Vgl. BGBl. I S. 3166 und S. 3846.
10
Vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, BilMoG ­ Die neue Handelsbilanz, S. 33.
3

Die Erhöhung des Informationsgehalts des HGB-Abschlusses soll erreicht
werden, ohne beispielsweise auf die Grundsätze ordnungsgemäßer
Buchführung zu verzichten. Insbesondere mittelständische Unternehmen,
die sonst komplexe, zeit- und kostenaufwändige Abschlüsse nach
internationalem Rechnungslegungsstandard erstellen müssten, sollen
durch die erhöhte Aussagekraft des HGB-Abschlusses entlastet werden.
11
An der materiellen Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche
Gewinnermittlung wird festgehalten, wobei die Neuerungen von der
Einheitsbilanz weg zu zwei inhaltlich getrennten Bilanzen führen. Die
Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit ist die für das Steuerrecht
erhebliche Änderung. Steuerrechtliche Abschreibungen und unversteuerte
Rücklagen sind in der handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht mehr zu
finden.
Zur Beibehaltung der steuerlichen Wahlrechte muss nun zwingend ein
ergänzendes Verzeichnis in der Steuerbilanz aufgestellt werden, in
welchem alle Wirtschaftsgüter aufgeführt werden, die anders als in der
Handelsbilanz behandelt werden.
12
Das BilMoG ist also nicht als ,,Neubau", sondern als ,,Kernsanierung" zu
verstehen.
13
Der Umfang dieser Kernsanierung ist erheblich und verändert
die Bilanzanalyse und die Bilanzpolitik grundlegend. In ihrer Gänze
betrachtet stellen die Neuerungen des BilMoG damit einen Kompromiss
aus der verbesserten Informationsfunktion zur internationalen
Harmonisierung und der Beibehaltung der Bemessungsfunktion dar.
11
Vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, BilMoG ­ Die neue Handelsbilanz, S. 33.
12
Vgl. Padberg/Padberg/Werner, Das neue HGB, S. 13.
13
Vgl. Der Betrieb, Beilage Nr. 5/2009 zu Heft Nr. 23 vom 5.6.2009, S. 12.
4

2.2. Gründe für das BilMoG
Der deutsche Gesetzgeber erkannte, dass die Unternehmen in
Deutschland eine moderne Rechnungslegungsgrundlage benötigen. Aus
diesem Grund wurde mit dem BilMoG eine Erneuerung des HGB
geschaffen, welche sich langfristig und vollwertig mit den IFRS messen
können soll. Hierbei sollte eine gleichwertige, aber einfachere und
kostengünstigere Alternative zu den IFRS geschaffen werden
14
, der das
HGB weiterhin als Grundlage der Ausschüttungsbemessung und der
steuerlichen Gewinnermittlung erhalten bleibt.
15
In der Begründung zum BilMoG und im Referentenentwurf hingegen
wurde an vielen Stellen direkt auf die IFRS verwiesen. Dieser Sachverhalt
verdeutlicht den starken Zusammenhang zwischen den IFRS und dem
neuen HGB, obwohl diese Textverweise im Regierungsentwurf nicht mehr
aufgeführt wurden.
16
Dies lässt die Interpretation zu, dass die IFRS dort annähernd
übernommen wurden, wo sie gegenüber dem alten HGB als besser
angesehen werden konnten. Die als überlegen angesehenen Stellen des
alten HGB sollten unabhängig von Regelungen aus den IFRS erhalten
bleiben. Als Beispiele dafür dienen das Vorsichtsprinzip und der
Gläubigerschutz. Diese sollten, auch wenn an einzelnen Stellen
aufgeweicht, im Grundgedanken erhalten bleiben sollten.
17
Der Grund für die vorsichtige Bewertung liegt in der Vermeidung einer
unrealistischen, übertrieben positiven Darstellung der Unternehmen. Im
Gegensatz dazu soll der ausgewiesene Gewinn eher geringer sein, um
durch eine niedrig bemessene Ausschüttung möglichst viel Haftungs-
masse im Unternehmen zu behalten. Diese soll für die eventuelle
Befriedigung von Gläubigern vorhanden sein.
14
Vgl. Padberg/Padberg/Werner, Das neue HGB, S. 11.
15
Vgl. Petersen/Zwirner/Künkele, Bilanzanalyse und Bilanzpolitik nach dem BilMoG, S. 1.
16
Vgl. Padberg/Padberg/Werner, Das neue HGB, S. 11.
17
Vgl. Petersen/Zwirner/Künkele, Bilanzanalyse und Bilanzpolitik nach dem BilMoG, S. 2.
5

2.3. Verfahrensverlauf zur Einführung des BilMoG
Durch die Veröffentlichung des Referentenentwurfs zum BilMoG im
November 2007 entstanden umfangreiche Diskussionen in der
Fachliteratur, welche direkten Einfluss auf die endgültige Version des
Gesetzesentwurfs nahmen.
Der Referentenentwurf zum BilMoG lag der Regierung seit dem 21. Mai
2008 vor. Im endgültigen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts
vom 26.03.2009 wurden die vielfältigen Diskussionen um den
Referentenentwurf gebündelt aufgenommen.
Die Zustimmung durch den Bundesrat erfolgte am 03.04.2009 und nach
der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten am 28.05.2009 und der
Verkündung im Bundesgesetzblatt trat das BilMoG am 29.05.2009 in
Kraft.
18
3. Latente Steuern
3.1. Definition
Latente Steuern entstehen bei Abweichungen zwischen Handels- und
Steuerbilanz. Würden nur die tatsächlich anfallenden Steuern
ausgewiesen werden, würde dies handelsrechtlich zu Fehlbeurteilungen
führen.
Bei Passivierung sind latente Steuern somit ein dem Geschäftsjahr
zuzuordnender handelsrechtlicher Steueraufwand aus Ertragsteuern,
welcher keinen tatsächlichen Aufwand, sondern eine Rückstellung für
einen zukünftigen Steueraufwand darstellt. Eine Aktivierung latenter
Steuern gibt einen zukünftigen Steueranspruch wieder. Die Zielsetzung
besteht aus der möglichst realitätsnahen Darstellung des
handelsrechtlichen Abschlusses. Er soll also den tatsächlichen
Verhältnissen entsprechen.
18
Vgl. Der Betrieb, Beilage Nr. 5/2009 zu Heft Nr. 23 vom 5.6.2009, S. 4.
6

Der zu hohe bzw. zu niedrige Steueraufwand des Geschäftsjahres muss
sich in späteren Geschäftsjahren wieder ausgleichen, darf also nicht
permanent sein. Permanente Differenzen zwischen Handels- und
Steuerbilanz treten beispielsweise auf, wenn steuerlich nicht abziehbare
Aufwendungen in der Handelsbilanz berücksichtigt werden.
19
Dies kann zu vier verschiedenen Fälle von Differenzen führen, die
zwischen Handels- und Steuerbilanz auftreten können:
1. Der Bilanzwert eines Vermögensgegenstandes ist höher als der
entsprechende Wert in der Steuerbilanz, was zu passiven latenten
Steuern führt.
2. Der Bilanzwert einer Schuld ist geringer als der entsprechende Wert in
der Steuerbilanz, was ebenfalls zu passiven latenten Steuern führt.
3. Der Bilanzwert eines Vermögensgegenstandes ist niedriger als der
entsprechende Wert in der Steuerbilanz, was zu aktiven latenten Steuern
führt.
4. Der Bilanzwert einer Schuld ist höher als der entsprechende Wert in der
Steuerbilanz, was ebenfalls zu aktiven latenten Steuern führt.
20
Die Aktivierung und die Passivierung latenter Steuern ist grundsätzlich
erfolgswirksam, wobei es sachgerecht ist, wenn bei Einbuchung
erfolgsneutraler Vorgänge auch die latenten Steuern erfolgsneutral
eingebucht werden. Anpassungen erfolgsneutral erfasster latenter
Steuern, beispielsweise aufgrund von Gesetzesänderungen, sind
hingegen erfolgswirksam zu behandeln.
21
19
Vgl. Steuerkompendium, NWB-Verlag, 11. Auflage, S. 285, Tz. 69.
20
Vgl. Der Betrieb, Beilage Nr. 5/2009 zu Heft Nr. 23 vom 5.6.2009, S. 66.
21
Vgl. IDW ERS HFA 27, IDW Stellungnahme, Stand 29.05.2009, S. 9, Tz. 33.
passive latente Steuern
aktive latente Steuern
Vermögensgegenstand
HB > StB
HB < StB
Schulden
HB < StB
HB > StB
Abb.1: Einordnung aktiver und passiver Steuern
7

3.1.1. Passive latente Steuern
Ist das Handelsbilanzergebnis höher als das Ergebnis der Steuerbilanz,
muss für diesen voraussichtlichen Steueraufwand eine Rückstellung
gebildet werden.
22
Hier gilt das Passivierungsgebot, man spricht von
passiven latenten Steuern. Zur Darstellung der latenten Steuern werden
Rückstellungen in Höhe der voraussichtlichen Ertragsteuerbelastung der
nachfolgenden Geschäftsjahre gebildet. Zu einer Passivierung latenter
Steuern kommt es beispielsweise, wenn ein Gebäude handelsrechtlich
über eine längere Nutzungsdauer als die festgelegte steuerliche
Nutzungsdauer abgeschrieben wird.
23
3.1.2. Aktive latente Steuern
Bei zu hohem tatsächlichem Steueraufwand kann in Höhe der
voraussichtlichen Steuerentlastung für die folgenden Jahre ein
Abgrenzungsposten auf der Aktivseite der Bilanz gebildet werden. Hier gilt
also ein Aktivierungswahlrecht.
24
Latente Steuern werden üblicherweise
aktiviert, wenn in der Handelsbilanz kürzere Abschreibungsdauern
angesetzt werden als in der Steuerbilanz. Zudem gibt es nach
Handelsrecht ein Abzinsungsgebot bei Rückstellungen.
25
Grundsätzlich
werden Aufwände wie latente Steuern nach Möglichkeit zurückgestellt, um
einen möglichst niedrigen Handelsbilanzgewinn auszuweisen. Eine
Aktivierung widerspräche diesem grundsätzlichen Ziel.
Nach dem HGB a.F. lagen die Voraussetzungen für die Aktivierung von
latenten Steuern viel häufiger vor als für die Bildung von Rückstellungen
für latente Steuern, weswegen den latenten Steuern keine große Rolle in
der Bilanzpolitik zukam.
26
22
Vgl. Steuerkompendium, NWB-Verlag, 11. Auflage, S. 285, Tz. 69.
23
Vgl. Der Betrieb, Beilage Nr. 5/2009 zu Heft Nr. 23 vom 5.6.2009, S. 65.
24
Vgl. Steuerkompendium, NWB-Verlag, 11. Auflage, S. 287, Tz. 69.
25
Vgl. Der Betrieb, Beilage Nr. 5/2009 zu Heft Nr. 23 vom 5.6.2009, S. 65.
26
Vgl. Steuerkompendium, NWB-Verlag, 11. Auflage, S. 287, Tz. 69.
8

3.2. Berechnung latenter Steuern
Die tatsächliche Belastung in den nachfolgenden Geschäftsjahren ist
ungewiss, weshalb grundsätzlich vorgeschlagen wird, diese mit 30%, also
15% Körperschaftssteuer (nur bei Kapitalgesellschaften) und 15%
Gewerbesteuer, der Differenz zwischen steuerrechtlichem und
handelsrechtlichem Ergebnis anzunehmen.
27
Zur Vereinfachung wurde
der Solidaritätszuschlag bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt.
Folgend soll ein Beispiel Aufschluss über die Bildung und die Auflösung
einer Rückstellung für passive latente Steuern geben.
28
Eine GmbH aktiviert in ihrer Handelsbilanz im Jahr Kosten in Höhe von
1.200.000 , die in der Steuerbilanz nicht angesetzt werden dürfen. Der
ausgewiesene Betrag wird in den Jahren
mit jährlich 300.000
abgeschrieben. Die Ertragsteuerbelastung wird, wie oben genannt, in
Höhe von 30% angenommen.
1. Bildung der Rückstellung im Jahr
Zuführung zur Rückstellung für latente Steuern in Höhe von 360.000
(30% von 1.200.000 )
Es ist zu buchen:
Steueraufwand an Rückstellung für latente Steuern 360.000
2. Auflösung der Rückstellung in dem Jahr
Ertrag aus der Auflösung von Rückstellungen für latente Steuern in Höhe
von jährlich 90.000 .
Es ist für die Jahre
jeweils zu buchen:
Rückstellung für latente Steuern an Sonstige Erträge 90.000
27
Vgl. Steuerkompendium, NWB-Verlag, 11. Auflage, S. 286, Tz. 69.
28
Aktualisierte Variation des Beispiels aus dem Steuerkompendium, NWB-Verlag,
11. Auflage, S. 286-287, Tz. 69.
9

4. Latente Steuern nach dem HGB n.F.
4.1. Grundlegende Änderungen durch das BilMoG
Die Bilanzierung latenter Steuern ist durch das BilMoG grundlegend
geändert worden. Bisher war die Bedeutung latenter Steuern in
Deutschland aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips gering, doch mit dem
BilMoG ist die Bilanzierung latenter Steuern durch handelsrechtliche
Vorschriften im Einzel- und Konzernabschluss wesentlich erneuert
worden.
Aufgrund der Erhöhung des Informationsgehaltes und der damit erhöhten
Bedeutung für die Darstellung von Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage
sowie von der Abschätzung zukünftiger Cash Flows eines Unternehmens,
haben die latenten Steuern stark an Bedeutung gewonnen.
Als eine wichtige Ursache dieser erhöhten Bedeutung ist die Abschaffung
der umgekehrten Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 S. 2 EStG zu nennen.
Hierdurch wird es viel häufiger zu Abweichungen zwischen Handels- und
Steuerbilanz kommen.
Zusätzlich erneuert das BilMoG mit einer neuen Konzeption die Ermittlung
latenter Steuern. Das bisherige Timing-Konzept wird von dem in den IFRS
üblichen Temporary-Konzept abgelöst.
29
Im Rahmen der Deregulierung wird ein Aktivierungs- und
Saldierungswahlrecht für die latenten Steuern eingeführt, welches
Aktivierung und Passivierung aneinander koppelt. Es ist also nicht
möglich, nur passive latente Steuern auszuweisen und das Wahlrecht für
die aktiven latenten Steuern nicht auszuüben.
30
29
Vgl. Braun, Latente Steuern ­ nach dem BilMoG, S. 18.
30
Vgl. Braun, Latente Steuern ­ nach dem BilMoG, S. 33.
10

Hinzu kommen einerseits Änderungen für die Ausschüttungssperre und
andererseits zusätzliche Anhangangaben. Zudem werden Verlustvorträge
neuerdings in die latenten Steuern mit einberechnet.
31
Schließlich wurde die Bildung von Sonderposten mit Rücklageanteil zur
Vereinfachung und Anhebung der Informationsfunktion aus dem
handelsrechtlichen Jahresabschluss durch das BilMoG aufgehoben.
4.1.1. Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit
Die Umkehrung der Maßgeblichkeit besagte, dass bestimmte
Zielsetzungen für die Steuerbilanz nur erreichbar waren, wenn diese in der
gleichen Weise auch in der Handelsbilanz zu finden waren. Steuerliche
Wahlrechte mussten somit übereinstimmend in die Handelsbilanz
übernommen werden, was die ursprüngliche Maßgeblichkeit der
Handelsbilanz für die Steuerbilanz umkehrte.
Die Anwendung steuerlicher Wahlrechte erfolgt jetzt unabhängig von der
Bilanzierung in der Handelsbilanz, denn durch die Streichung von § 5 Abs.
1 S. 2 EStG a.F. (,,umgekehrte Maßgeblichkeit") und der §§ 247 Abs. 3,
254, 273, 279 Abs. 2 und 281 HGB a.F. (,,Öffnungsklauseln") kann die
Handelsbilanz nun frei von steuerlichen Zielsetzungen erstellt werden.
32
Die ursprüngliche materielle Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die
Steuerbilanz bleibt bestehen, wodurch die handelsrechtlichen Grundsätze
ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) für das Steuerrecht analog
anzuwenden sind. Geregelt wird dieses Prinzip durch § 5 Abs. 1 S. 1 HS 1
EStG, der Gewerbetreibenden vorschreibt, ihren Gewinn durch einen
Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln und für den Schluss des
Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, welches nach den
GoB auszuweisen ist.
31
Vgl. Braun, Latente Steuern ­ nach dem BilMoG, S. 12.
32
Vgl. Braun, Latente Steuern ­ nach dem BilMoG, S. 39.
11

Für Gewerbetreibende, die aufgrund handels- und steuerrechtlicher
Vorschriften buchführungspflichtig sind bzw. sich freiwillig zur Buchführung
verpflichtet haben, stellt die Handelsbilanz somit die Grundlage für die
steuerliche Gewinnermittlung dar.
33
Die Eigenschaft als Grundlage bezieht
sich nicht mehr auf den konkreten Wertansatz, sondern auf die GoB,
wodurch Handels- und Steuerbilanz nunmehr übereinstimmen können, es
aber nicht mehr müssen.
Die Einheitsbilanz, in der Handels- und Steuerbilanz vollständig
übereinstimmen, bleibt im Prinzip also erhalten, wird in Zukunft aber sehr
viel seltener zu finden sein. Die Bedeutung passiver latenter Steuern wird
deutlich zunehmen.
34
4.1.2. Temporary-Konzept löst Timing-Konzept ab
Bei der Abgrenzung latenter Steuern erfolgt durch das BilMoG eine
Umstellung vom bisher in Deutschland anzuwendenden und GuV-
orientierten Timing-Konzept hin zum nach den IAS üblichen und
bilanzorientierten Temporary-Konzept.
35
Nach Ansicht des IDW, dem Institut der Wirtschaftsprüfer, sollten von der
Anwendung latenter Steuern laut § 274 HGB befreite Unternehmen
gegebenenfalls Rückstellungen nach dem bisher gültigen Timing-Konzept
bilden, da § 274 HGB lediglich für Kapitalgesellschaften verpflichtend
anzuwenden ist. Unternehmen, die keine Kapitalgesellschaften sind,
stehen daher vor einer Rechtsunsicherheit bezüglich der Anwendbarkeit
des § 274 HGB. Nach § 274a Nr. 5 HGB sind auch kleine
Kapitalgesellschaften durch die Abgrenzung des Anwendungsbereichs
von der Anwendung des § 274 HGB befreit.
36
33
Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz, StuB 2009, S. 836.
34
Braun, Latente Steuern ­ nach dem BilMoG, S. 40.
35
Petersen/Zwirner, Abgrenzung und Erläuterung latenter Steuern, StuB 2010, Seite 216.
36
Fink/Mannsperger, StuB 2010, S. 380.
12

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2010
ISBN (PDF)
9783863415471
ISBN (Paperback)
9783863410476
Dateigröße
300 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen
Erscheinungsdatum
2011 (Juli)
Note
1,7
Schlagworte
Latente Steuern Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BilMoG IFRS HGB
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Jens Michael Neumann, geboren am 08.12.1983 in Dortmund, NRW, absolvierte nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Im Anschluss an seine Ausbildung absolvierte der Autor ein 3-monatigen Praktikum bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Bloemfontein, Südafrika. Im September 2007 begann sein Studium des Wirtschaftsrechts, in welchem er sich auf die Bereiche Finanzen und Steuern spezialisierte. Während seines Studiums arbeitete er als Werkstudent bei einem Fachverlag für Wirtschafts- und Steuerrecht in Herne, NRW. Er beendete sein Studium 2 Monate vor Regelstudienzeit und setzt sein Studium derzeit in den USA fort.
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Titel: Latente Steuern nach dem BilMoG
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