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Doppelte Parlamentarisierung der EU: Ein Garant für Demokratie?

©2010 Bachelorarbeit 60 Seiten

Zusammenfassung

Im Zuge der zahlreichen "Verfassungen" der Europäischen Union kam es innerhalb der EU in den letzten Jahren zu einem institutionellen Wandel. Mit der Etablierung der EU-Verfassung sollte die Stärkung des Europäischen Parlaments erreicht werden, um einen Kompetenztransfer von der nationalen auf die europäische Ebene zu ermöglichen. In Folge sollte die sukzessive "Entmachtung" der nationalen Parlamente durch die EU-Verfassungen die demokratische Legitimation der EU und ihre Institutionen in Frage stellen. Erstmalig mit dem Vertrag von Maastricht (1992) wurden die nationalen Parlamente gleichzeitig mit dem Europäischen Parlament wieder gestärkt. Explizit vor dem Hintergrund der Etablierung des Vertrages von Lissabon (2008) wird in der vorliegenden Publikation die Frage diskutiert, inwieweit die gleichzeitige Aufwertung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente kompatibel ist. Des Weiteren wirft Tatjana Fabricius die Frage auf, ob eine gleichzeitige Aufwertung der Parlamente die wesentlichen Demokratiedefizite der Europäischen Union eliminieren kann. Zur Beantwortung der Fragen wird zuerst die Geschichte der europäischen Union expliziert, um das demokratische Defizit der EU und das Misstrauen der Bürger in dieser herauszustellen. Mit der Beleuchtung des Europäischen Parlaments, explizit deren Funktionen und Kompetenzen, wird die Entwicklung dieser Institution von einem "Alibi-Parlament" zum dynamischen Politikgestalter nachgezeichnet. Es ist aber evident, dass die erhöhte Kompetenzerweiterung des EP keine erhöhte Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit der EU nach sich zog. Dementsprechend wurde die gleichzeitige Aufwertung der nationalen Parlamente von den "Vätern der Verträge" fokussiert. Mit der Betrachtung der nationalen Parlamente im europäischen Integrationsprozess von der De- zur Reparlamentarisierung, wird deutlich, dass sich parallel zwei Demokratiestrategien gebildet haben. Doch explizit vor dem Hintergrund des Lissabon-Vertrages, implizit nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe zum Lissabon-Vertrag, wird trotz des dynamischen Charakters des europäischen Integrationsprozesses sukzessiv nach der Finalität der EU gefragt. Wurde mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Exempel in Richtung einer erneuten Stärkung der nationalen Institutionen und Staaten statuiert, in Richtung eines wiedererwachenden Nationalismus? Oder sollte der vom BVerfG präferierte Mehrebenenparlamentarismus die demokratischen Defizite […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Parlamente, die unzureichende Machtausstattung der europäischen
Institutionen sowie die mangelnde Wahrnehmung und Akzeptanz der
Bürger in die EU im Verlauf des Integrationsprozesses aufgezeigt
werden sollen. Die europapolitischen Akteure wollten schon in den
Anfangsjahren des europäischen Integrationsprozesses die genann-
ten Defizite der EU mit der Etablierung eines handlungsfähigen su-
pranationalen Organs kompensieren. Bereits mit der Einrichtung des
Europäischen Parlaments
4
(1952) wurde den Bürgern der EG ein
supranationales Organ präsentiert, welches ihnen ein hohes Maß an
Demokratie suggerieren sollte. Aber explizit das Europäische Parla-
ment steht seit seiner Gründung bis dato massiv in der Kritik, sodass
eine weitreichende Ausstattung des EP mit Entscheidungs- und
Handlungskompetenzen über die Verträge der EU notwendig wurde.
Der politische ,,Aufstieg" des EP und dessen Weg vom ,,Alibi-Parla-
ment" zum dynamischen Gestalter der EU wird im dritten Kapitel der
vorliegenden Arbeit herausgearbeitet (3.). Der von den europapoliti-
schen Akteuren intendierte und von dem Organ Europäisches Par-
lament gewollte ,,erkämpfte" Machtaufstieg wird im ersten Schritt die-
ses Kapitels untersucht (3.1). Die Europäische Gemeinschaft legiti-
mierte sich selbst bis zur Einführung der einheitlichen Europäischen
Akte (1986/1987) über die ,,doppelte Demokratie". Doch die Strategie
der Legitimierung über den mittelbar gewählten Rat und das unmit-
telbar gewählte EP sollte nicht in ein demokratisches Fundament
münden. Zum besseren Verständnis des Entscheidungs- und Gestal-
tungsablaufs des EP werden anhand der Gesetzgebungs-, Wahl-,
Kontroll- und Systemgestaltungsfunktion die Funktionen und Kompe-
tenzen des EP herausgearbeitet (3.2, ..., 3.2.3), um anschließend vor
dem Hintergrund des Lissabon-Vertrages die Kompetenzerweiterung
in den Bereichen Kontrolle, Gesetzgebung und Haushaltbefugnisse
zu skizzieren, die für einen Strategiewechsel hin zur verstärkten
Parlamentarisierung stehen (3.3, ..., 3.3.3). Doch augenscheinlich
soll die Demokratiestrategie der Aufwertung des Europäischen Par-
laments nicht für sich allein stehen, vielmehr werden nach der Etab-
4
Das EP hieß zu diesem Zeitpunkt noch ,,Parlamentarische Versammlung" und
bestand aus den Vertretern der nationalen Parlamente.
3

lierung des Vertrages von Maastricht auch die nationalen Parlamente
von einem Strategiewandel tangiert. Infolgedessen wird im vierten
Kapitel der vorliegenden Arbeit die Entwicklung der nationalen Par-
lamente im europäischen Integrationsprozess expliziert. Dieses Kapi-
tel impliziert die ,,schleichende" Deparlamentarisierung der nationalen
Parlamente bis zur Etablierung des Vertrages von Maastricht (4.1).
Des Weiteren wird die Dilemma-Situation (4.2) der nationalen Parla-
mente dargestellt, die mit dem theoretischen Analyserahmen des
Multi-Level-Governance-Ansatzes (4.2.1) diskutiert wird, um eine
Antwort auf die Frage zu finden, inwieweit die nationalen Parlamente
ihre Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von den europapoliti-
schen Akteuren zurückerhalten können, ohne dass diese eine Stag-
nation des europäischen Integrationsprozesses riskieren. Infolge-
dessen wird in der vorliegenden Studie die sogenannte Reparlamen-
tarisierung, die im Zuge der sukzessiven Kompetenz- und Funktions-
erweiterung der nationalen Parlamente seit der Etablierung des
Maastrichter Vertrages (4.3) und explizit vor dem Hintergrund des
Vertrages von Lissabon erfolgte (4.3.1), betrachtet. Im anschließen-
den Schritt (4.3.2) wird das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts diskutiert. Der Fokus liegt hier auf der (vermeintlichen) Di-
vergenz in der Karlsruher Aussage, dass auf der einen Seite der Ver-
trag von Lissabon als verfassungskonform eingestuft wird und auf
der anderen Seite das BVerfG die nationalen Organe im europäi-
schen Entscheidungs- und Gestaltungsprozess stärkt. Infolgedessen
wird im fünften Kapitel der vorliegenden Arbeit die Richtung, in die
sich der europäische Integrationsprozess bewegt, diskutiert. Zur Be-
antwortung dieser Frage wird der vom Bundesverfassungsgericht
präferierte Mehrebenenparlamentarismus betrachtet (5.1), wobei hier
der Fokus auf der Haltung des Bundesverfassungsgerichts gegen-
über dem europäischen Integrationsprozess liegt (5.1.1). Und auf der
anderen Seite wird der Frage nachgegangen, inwieweit das Bundes-
verfassungsgericht mit seinem Lissabon-Urteil die Zeichen für einen
,,Roll-back" zugunsten eines Nationalismus gesetzt hat (5.2). Im
sechsten Kapitel werden die herausgearbeiteten Punkte zusammen-
gefasst und im Kontext zu der Fragestellung resümiert und evaluiert.
4

Zur Bearbeitung der vorliegenden Arbeit wird die Methode der Aus-
wertung von Sekundärmaterial von verschiedenen Autoren in Form
von Büchern, Zeitungen, Zeitschriftenartikeln sowie Texten im Inter-
net angewendet.
2.
Geschichte der Europäischen Integration
2.1 Historie der EU-Verträge
Die verheerenden Folgen des Zweiten Weltkrieges sollten der Idee
der freiwilligen politischen Vereinigung Europas Taten folgen lassen.
Die Gemeinschaft, bestehend aus den sechs Gründungsmitgliedern
í Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxem-
burg und die Niederlande í präsentierte sich zu Beginn primär als
Friedensmacht. ,,Mit der Methode der Integration sollte die Grundlage
geschaffen werden, dass sich Krieg und Völkermord auf dem euro-
päischen Kontinent nicht wiederholen."
1
Zu diesem Zweck wurde der
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und
Stahl (EGKS) (1951/1952) unterzeichnet. Primär wurde von den
,,Gründungsvätern" die Intention verfolgt, die französisch-deutsche
Kohle- und Stahlproduktion unter eine Aufsichtsbehörde zu stellen,
um einen zukünftigen Krieg der beiden Länder zu verhindern. Die
Verfahrensgrundlage der EGKS war auf wenige Politikfelder be-
grenzt und sollte der dominanten Stellung der Hohen Behörde unter-
stellt sein.
2
Die EGKS ist die Keimzelle der heutigen EU und bestand
von 1952 bis 2002. Mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge
3
(1957/1958) sollte ein weiterer Schritt Richtung europäische Einigung
unternommen werden. Es wurden die Europäische
1
Vgl. Knelangen, Wilhelm/Varwick, Johannes: Einführung: Neues Europaí
alte EU? Fragen an den europäischen Integrationsprozess. Leske + Budrich,
Opladen: 2004, S. 13.
2
Vgl. Maurer, Andreas: Parlamentarische Demokratie in der Europäischen
Union. Der Beitrag des Europäischen Parlaments und der nationalen Parla-
mente. Nomos Verlag, Baden-Baden: 2002, S. 74.
3
Die sechs Länder, die den EGKS-Vertrag unterzeichnet haben.
5

Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemein-
schaft (EAG) etabliert, die für eine Ausweitung der Politikfelder und
eine Ausdifferenzierung in der Verfahrensart stehen. Die EG wandel-
te sich von einer Wirtschaftsgemeinschaft zu einem dynamischen
politischen System ,,sui generis", welches durch seine ,,Einzigartig-
keit" im Gefüge der internationalen Organisationen hervorsticht. Um
die Dynamik dieses Systems zu unterstreichen, wurde durch den
französischen Planungskommissar Jean Monnet
8
bewusst keine Fi-
nalität vorgegeben. Zu einer ersten Bewährungsprobe und Stagnati-
on der europäischen Integration sollte es durch die ,,Politik des lee-
ren Stuhls"
9
des französischen Staatschefs de Gaulle 1965 kommen.
Infolgedessen wurde der ,,Luxemburger Kompromiss" als ein Instru-
ment der Einigung am 29. Januar 1966 etabliert und sollte darüber
hinaus die Entscheidungsfindung der 6 EWG-Mitgliedstaaten positiv
beeinflussen. Doch erwies sich dieses Instrument eher als ,,Bremser"
der EG, da bis 1982 keine Mehrheitsabstimmung mehr durchgeführt
wurde.
10
Erst mit der Erweiterung der EG durch den Beitritt von
Großbritannien, Irland und Dänemark 1973, der Vertiefung durch die
Etablierung des halbjährlich tagenden Europäischen Rates 1974 so-
wie der Einführung eines Europäischen Währungssystems 1978 soll-
te erneut eine Dynamik entfacht werden, die sich explizit in den
1980er Jahren entfaltete. Die stete Erweiterung der EG und die weit-
reichenden Schritte der wirtschaftlichen und politischen Vertiefung
führten zur Etablierung der Einheitlichen Europäischen Akte (1986/
1987). Dieser Vertrag setzte sich primär als Ziel, einen Binnenmarkt
bis zum 31. Dezember 1992 zu schaffen. Mit der Etablierung der
EEA wurde erstmals eine vertragliche Grundlage geschaffen und da-
rüber hinaus stellte diese einen ,,substantiellen Integrationsfort-
8
,,Methode Monnet", siehe hierzu auch Wallace, Hellen 2003: Die Dynamik des
EU-Institutionengefüges. In: Jachtenfuchs, Markus/Kohler-Koch, Beate
(Hrsg.): Europäische Integration. Leske + Budrich, Opladen, S. 259 262.
9
General de Gaulle ließ es zur ersten großen Krise in der EWG kommen, in-
dem er den französischen Vertreter aus dem Ministerrat zurückzog, um eine
umstrittene Finanzierung der Agrarpolitik zu verhindern.
10
Siehe List, Martin: BAUSTELLE EUROPA. Einführung in die Analyse
europäischer Kooperation und Integration. Leske + Budrich, Opladen:1999,
S. 33.
6

schritt"
11
der Europäischen Gemeinschaft dar. Zu diesem Zeitpunkt
,,(...) wurden die hiermit deutlich werdenden Kompetenztransfers
durch eine wesentliche Anhebung der Mitwirkungsoptionen des EP
kompensiert".
12
Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges konnten die
oben benannten Verträge nur in Westeuropa etabliert werden, somit
wurde ,,die Hoffnung auf eine gesamteuropäische Zusammenarbeit,
die dem Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Europa dienen
würde, (...) mit der Eskalation der sowjetisch-westlichen Interessen-
divergenzen zum Kalten Krieg zu Grabe getragen".
13
Nach dem
Mauerfall (1989) und dem Zusammenbruch des Sozialismus wurde
mit dem Vertrag von Maastricht (1992/1993) eine ,,Europäische Uni-
on" geschaffen. Die EU dient als ,,Dach" für die drei Säulen der EG
14
,
der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie der
gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik (ZJI). Der Vertrag von
Maastricht erhöhte ,,die institutionelle und prozessuale Vielfalt der
EU"
15
, sodass es notwendig wurde, die EU durch die Verträge von
Amsterdam (1997/1999) und Nizza (2001/2003) erweiterungs- und
handlungsfähiger zu gestalten. Während der Vertrag von Amsterdam
die Säulen zwei und drei stärkt und die Sozialcharta einführt, sollte
der Vertrag von Nizza die Europäische Union auf die EU-Osterweite-
rung vorbereiten. Doch die von den europapolitischen Akteuren in-
tendierte Vereinfachung und Transparenz der europäischen Ent-
scheidungsabläufe, um diese handlungsfähiger und demokratischer
zu gestalten, sollten sich mit den genannten Verträgen nicht einstel-
len. Vielmehr mehrten sich die Stimmen derjenigen, die sich für die
Konstituierung einer EU-Verfassung aussprachen. Dem wurde ent-
11
Kleger, Heinz/Karolewski, Ireneusz Pawel/Munke, Mattias 2004: Europäische
Verfassung. Zum Stand der europäischen Demokratie im Zuge der Osterwei-
terung. Zum Verständnis der Europäischen Union. LIT Verlag Münster, S. 68.
12
Vgl. Maurer, Andreas 2002. Ebenda, S. 19.
13
Vgl. Kohler-Koch, Beate/Conzelmann, Thomas/Knodt, Michèle:
Europäische Integration Europäisches Regieren. FernUniversität in Hagen,
Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften, 2002, S. 32.
14
Bestehend aus den drei supranationalen Gemeinschaften EG, EGKS und
EAG.
15
Vgl. Immenfall, Stefan: Europa Politisches Einigungswerk und gesell-
schaftliche Entwicklung. Eine Einführung. VS Verlag Sozialwissenschaften/
GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden: 2006, S. 31.
7

sprochen und der 2-jährige Ratifikationsprozess
16
der europäischen
Verfassung sollte 2004 beginnen. Der Ratifikationsprozess kann von
den Mitgliedstaaten selbst gestaltet werden, indem sich die Mitglieds-
taaten für die Ratifizierung ausschließlich über die Parlamente, das
konsultative Referendum oder das ,,reine" Referendum entschieden.
Da die Referenden in Frankreich und in den Niederlanden 2005
scheiterten, konnte die Verfassung nicht in Kraft treten. Die Reform
des Verfassungsvertrages der EU mündete in den Vertrag von Lis-
sabon. Dieser besteht zu 90 % aus den Statuten des Vorgängerver-
trages. Erneut konnten die Mitgliedstaaten sich für die Art der Ratifi-
zierung des Vertrages entscheiden. Während die meisten Mitglieds-
taaten sich für eine parlamentarische Ratifizierung aussprachen, soll-
te Irland erneut die Ratifizierung über ein Referendum wählen. Die-
ses endete im ersten ,,Anlauf" mit einem ,,No". Erst vor dem Hinter-
grund der schwerwiegenden Folgen der globalen Finanz- und Wirt-
schaftskrise 2008 und nach erheblichen Zugeständnissen von der
EU sollte sich Irland im zweiten Referendum für den Vertrag von Lis-
sabon aussprechen. Polen, Tschechien und Großbritannien hielten
sich in puncto Ratifizierung noch bedeckt und orientierten sich an
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, welches
vom CSU-Politiker Peter Gauweiler angerufen wurde zwecks Über-
prüfung, ob der Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz kompati-
bel ist. Das Bundesverfassungsgericht urteilte am 30. Juni 2009,
dass der Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz konform geht,
doch wurde das zuvor verabschiedete Begleitgesetz wegen unzurei-
chender Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat gekippt.
Infolgedessen wurden vier neue Begleitgesetze von Bundestag und
Bundesrat ausgearbeitet, die die demokratischen Rechte der natio-
nalen Gesetzgebungsorgane höher bewerten. Der Vertrag von Lis-
sabon wurde letztendlich von den nun 27 Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union ratifiziert und trat mit dem 1.12.2009 in Kraft.
17
Es ist
evident, dass die zahlreichen EU-Verträge in den letzten fünfzig Jah-
16
Alle damaligen 25 Mitgliedstaaten hätten die Verfassung ratifizieren müssen,
damit die Verfassung hatte in Kraft treten können.
17
Wobei Polen, Tschechien und Irland einen Sonderstatus in Bezug auf die Sta-
tuten ihrer Verfassung einnehmen.
8

ren einen institutionellen Wandel innerhalb sowie außerhalb der EU
bewirkt haben. Infolgedessen wurde aber auch die mangelnde de-
mokratische Legitimation der Europäischen Gemeinschaft, implizit
deren institutionelle Ausgestaltung, sichtbar. Im nachfolgenden
Schritt werde ich mich aufgrund der Komplexität der 6 Organe der
EU explizit auf das ,,institutionelle Dreieck"
18
konzentrieren.
2.2 Institutionelle Ausgestaltung der Europäischen Union
Jean Monnet`s Zitat ,,Nothing is possible without individuals, nothing
is durable without institutions"
19
steht für die Funktionsweise der Eu-
ropäischen Union. Institutionen stehen für Regelhaftigkeit und Erwar-
tungssicherheit und sind auf Dauer angelegt. ,,Sie stehen über den
individuellen Akteuren und geben Normen, Rollen und soziale Re-
geln vor, nach denen die Akteure ihr Handeln organisieren."
20
Ihre
Funktion ist handlungsorientiert, aber sie selbst sind nicht handlungs-
fähig. Handlungsfähig werden sie erst durch ihre Organe. In der vor-
liegenden Arbeit wird sich vorzugsweise mit der Institution ,,Parla-
ment" beschäftigt, doch wäre es aus politikwissenschaftlicher Sicht
fahrlässig, ausschließlich dieses zu beleuchten, da die Gründe für
das Demokratiedefizit in mehreren Ursachen zu finden sind sowie
mehrere Ebenen und Institutionen tangieren. Die europapolitischen
Akteure intendierten mit der Schaffung der Gründungsverträge, eine
institutionelle Balance zwischen den Gemeinschaftsinteressen und
den nationalen Interessen der Mitgliedstaaten zu schaffen, wobei die
Gemeinschaftsinteressen von der Europäischen Kommission und die
nationalen Eigeninteressen vom Rat der EU getragen werden. Die
beiden Organe wurden bewusst so ausgerichtet, dass sie einander
bedingen müssen, um eine gemeinschaftliche Handlungsfähigkeit
der Europäischen Gemeinschaft herzustellen, die auf Dauer angelegt
ist und darüber hinaus auch noch befriedigende Politikentscheidun-
gen produzieren soll. In der politikwissenschaftlichen Analyse steht
18
Involviert Rat, Kommission und Europäisches Parlament.
19
Vgl. Monnet, Jean 1976: Memoires, Paris: Farad.
20
Siehe Kohler-Koch, Beate/Conzelmann, Thomas/Knodt, Michèle
(2002): Ebenda, S. 93.
9

der Vergleich des ,,Tandem" stellvertretend für die bedingende
Konstellation von Rat und Kommission.
21
Die Europäische Kommis-
sion wurde als supranationales Organ der EG etabliert, welche in vol-
ler Unabhängigkeit von den Partikularinteressen der Mitgliedstaaten
zum Gemeinwohl der Gemeinschaft agieren soll. Sie wurde mit ei-
nem exklusiven Initiativrecht für europäische Rechtsakte ausgestat-
tet, sodass diese im Rahmen der Verträge die notwendigen Gesetz-
gebungsmaßnahmen in Gang setzen kann. Mit diesem Machtmono-
pol inne avancierte die Europäische Kommission zur ,,Hüterin der
Verträge" und zum ,,Motor der Integration". Doch die Europäische
Kommission muss sich erstens im Rahmen der Verträge bewegen
und sie ist zweitens auf die Mehrheit im Rat bzw. bei der Anwendung
des Mitentscheidungsverfahrens
22
auf die Mehrheit im Europäischen
Parlament angewiesen. Der Rat
23
, der 70 bis 80 Mal jährlich in Brüs-
sel tagt, übt in der EU die Legislativfunktion aus. Dieses Organ wird
mittelbar gewählt und ist nach wie vor eine Schlüsselinstanz in der
europäischen Gesetzgebung. De facto stellt der Rat eine Versamm-
lung von den national gewählten Ministern der Mitgliedstaaten dar,
die je nach Thema in 9 unterschiedlichen fachlichen Zusammenset-
zungen zusammentreten. Der wichtigste Rat ist der ,,Rat für Allge-
meine Angelegenheiten", der einem Außenminister gleichkommt. Der
Vorsitz Ratspräsidentschaft rotiert -jährlich und hat die Kompe-
tenz der Rechtsetzung und der Be- und Ernennungsrechte für die
Kommission, die Generalsekretäre des Rates und die Vertreter für
die GASP inne. Darüber hinaus ist der Rat unter anderem für den
Entwurf des Haushaltsplanes und die Festlegung der Reihenfolge
der Ratspräsidentschaft zuständig. Der Rat war in den Anfängen der
Europäischen Integration der alleinige Gesetzgeber. Aber durch die
zahlreichen Verträge der Europäischen Union wurde das Europäi-
sche Parlament
24
in den letzten Jahren sukzessiv mit einem größe-
21
Ebenda, S. 98.
22
Auf die Verfahrensarten wird im Kapitel ,,3." näher eingegangen.
23
Nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat, der zweimal jährlich zusam-
menkommenden Versammlung der Staats- und Regierungschefs.
24
Ursprünglich geht das Europäische Parlament aus einer Versammlung von
Delegierten der nationalen Parlamente hervor.
10

ren Mitspracherecht ausgestattet, sodass der Rat in Zukunft nur mit
diesem zusammen ein zentrales Entscheidungsorgan der Europäi-
schen Union sein kann. Mit dem Europäischen Parlament sollte 1952
ein supranationales Organ der EG etabliert werden, welches primär
als Kontrollorgan gegenüber der ,,Hohen Behörde" dienen sollte.
Während das EP in den 1960/70er Jahren noch keine nennenswerte
Rolle spielte, sollte ab 1979 die Direktwahl des EP durch die EU-
Bürger für demokratische Legitimation, Transparenz und Effizienz
stehen. ,,Es ist das einzige direkt gewählte und somit unmittelbar legi-
timierte Organ der Europäischen Union (EU)."
25
Aber auch die
schrittweise ausgedehnten Rechte und Kompetenzen des EP im Zu-
ge der Vertragsänderungen bringen dieses nicht in die Nähe eines
nationalen Parlaments, vielmehr wird die ,,(...) Klage über das Demo-
kratie-, Parlaments- oder Kommunikationsdefizit der EU (...)"
26
neu
entfacht, sodass im nächsten Abschnitt das demokratische Defizit
der EU näher beleuchtet wird.
2.3 Das demokratische Defizit der Europäischen Union
Ein Demokratiedefizit in der EU ist zu konstatieren, wenn in die Frei-
heit des Einzelnen eingegriffen wird ohne dieses ausreichend demo-
kratisch zu legitimieren. Wenn die EU immer mehr in das tägliche
Leben der Bürger eingreift und die Trennung zwischen nationaler
und europäischer Politik verwischt, dann müssen dem Bürger mehr
Transparenz und Mitspracherecht geboten werden. Des Weiteren
muss sich die Europäische Union, anders als andere Staatenge-
meinschaften, den Demokratiemaßstab
27
gefallen lassen, weil sie
unmittelbare hoheitliche Gewalt
28
ausübt. Die zahlreichen Entschei-
25
Maurer, Andreas/Wessels, Wolfgang: Das Europäische Parlament nach
Amsterdam und Nizza: Akteure, Arena oder Alibi? Nomos Verlag, Ba-
den-Baden: 2003, S. 13.
26
Ebenda, S. 14.
27
Dieser definiert sich ,,(...) als Summe der formalen und sozialen Rückbildungen
von institutionellen Konfigurationen und Handlungen der beteiligten Akteure
(...)". Vgl. Maurer, Andreas: Die Demokratisierung der Europäischen Union.
Perspektiven für das Europäische Parlament. In Maurer, Andreas/Thile,
Burkard (Hrsg.): Legitimationsprobleme und Demokratisierung der Europä-
ischen Union. Schüren, Marburg: 1996, S. 17.
28
Recht setzend und Recht durchsetzend.
11

dungsverfahren und Verfahrensarten
29
der EU sind für den Bürger
nicht zu durchblicken, da diese auch noch abhängig von den jeweili-
gen Kompetenzen sind und davon, inwieweit das Europäische Par-
lament involviert ist. Des Weiteren findet der Entscheidungsprozess
unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einer sogenannten ,,Hinterzim-
mer-Atmosphäre" statt. Die Ratssitzung für Legislativentscheidungen
wird ohne Diskussion und zum größten Teil in Abwesenheit zahlrei-
cher Minister abgehalten. Es fehlt den Sitzungen an jeglicher Tran-
sparenz, da die Dokumente unter Verschluss gehalten werden. Des
Weiteren fehlt es der EU an einem homogenen Willensbildungspro-
zess sowie an einer transnationalen politischen Infrastruktur.
30
Auf
der europäischen Ebene werden die Interessen der EU-Bürger von
stark fragmentierten und überparteilich agierenden Fraktionen artiku-
liert. Die Fraktionen intendieren primär die Stärkung des Europäi-
schen Parlaments gegenüber den anderen Organen der EU. Genau-
er: Es gibt keine europäische Parteienlandschaft
31
, die konkurrieren-
de europapolitische Themen artikuliert, diskutiert und entscheidet,
sodass keine europapolitische Steuerung über Wahlen möglich ist. In
der politikwissenschaftlichen Debatte sowie in der vorliegenden Ar-
beit steht die mangelnde demokratische Legitimation des ,,institutio-
nellen Dreiecks" im Fokus. Explizit über den ,,gewählten" Rat wird
den EU-Bürgern eine demokratische Legitimation suggeriert. Doch
dieser steht in puncto abnehmende Proportionalität in der Kritik. Hier
geht es primär um eine Vertretung des Mitgliedstaates und weniger
um die des Bürgers. Der Rat verfügt nur über eine mittelbare Legiti-
mation, da er nicht direkt gewählt wird. Diese mittelbare Legitimation
ist kein Ausdruck einer europapolitischer Willensäußerung der Bür-
ger, zumal bei nationalen Wahlentscheidungen keine europäischen
29
Siehe hierzu die Übersicht in Kohler-Koch, Beate/Conzelmann, Thomas/Knodt,
Michéle (2002): Ebenda, S. 114 117.
30
,,Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Inte-
gration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein her-
auszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck
zu bringen." (Artikel 138a EGW).
31
Siehe hierzu Hix, Simone: Parteien, Wahlen und Demokratie in der EU. In:
Jachtenfuchs, Markus/Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Europäische Integration
(2003), Leske + Budrich, Opladen, S. 151ff.
12

Themen artikuliert werden. Kontrolle durch die Bürger über die natio-
nalen Parlamente ist nur bedingt möglich, da die Vertreter der eige-
nen Regierung dem Rat angehören. Angemessene und durchsetzba-
re Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem wichtigsten Rechtset-
zungsorgan sind nicht vorhanden. Die Gewaltenteilung beim Rat ist
nicht gegeben, da die nationale Exekutive auf der europäischen E-
bene zur Legislative wird. Die Europäische Kommission, die zum
Gemeinwohl der Gemeinschaft agiert, offenbart ein demokratisches
Defizit, indem ihr Präsident nicht vom Volk gewählt wird. Des Weite-
ren kann die Regierung sich nicht auf die Mehrheit im Parlament
stützen. Darüber hinaus besitzt die Kommission die Möglichkeit, von
der Exekutive zur Legislative beim Rat zu werden, indem sie ihre
Vorschläge wieder zurückzieht. Es ist evident, dass die ,,Väter der
Verträge" mit der sukzessiven Stärkung des EP den Machtverlust der
nationalen Parlamente, der durch den Kompetenztransfer auf die eu-
ropäische Ebene bedingt ist, durch ein ,,starkes" EP kompensieren
wollten. Maurer konstatiert: ,,The process of ,EU-parliamentarisation`
is impressive in its continuity"
32
, doch die Beständigkeit der sukzessi-
ven Stärkung des Europäischen Parlaments reicht nicht aus, um das
Demokratiedefizit auszumerzen. Vielmehr zeichnet sich das instituti-
onelle-parlamentarische Demokratiedefizit dadurch aus, dass ,,(...)
legislative Zuständigkeiten auf den Ministerrat übertragen werden,
ohne dass das EP gleichberechtigt an der Rechtsetzung im Rahmen
der sich durch Kompetenztransfer ergebenden Handlungsfelder be-
teiligt ist".
33
Des Weiteren hat das Europäische Parlament keine aus-
reichende demokratische Legitimation, da die Gleichheit des Einflus-
ses eines jeden Bürgers bei den Wahlen nicht gegeben ist.
34
Somit
wird das demokratische Prinzip ,,one men, one vote" verletzt. Hier ist
eine fehlende Proportionalität zu konstatieren, da ,,kleinere" Mit-
gliedstaaten im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Abgeordnete in
32
Siehe Maurer, Andreas/Wessels, Wolfgang (eds.): National Parliaments on
their Ways to Europe: Losers or Latecomers? Nomos Verlag, Baden-Baden:
2001, S. 75.
33
Vgl. Maurer, Andreas (2002): Ebenda, S. 435.
34
Als Beispiel: Ein Vertreter Deutschlands involviert 800.000 Bürger, wo-
hingegen ein Vertreter Luxemburgs nur 65.000 Bürger vertritt.
13

das EP senden können als die ,,großen" Mitgliedstaaten. Es ist evi-
dent, dass das Europäische Parlament von dem Legitimitätsvor-
schuss der nationalen Parlamente profitiert, es besitzt aber im Ver-
gleich zu den nationalen Parlamenten kein Initiativrecht für Legislati-
vakte. Das Europäische Parlament hat nur in begrenzten Politikbe-
reichen bei absoluter Mehrheit ein Veto- und Kontrollrecht. Der EU-
Bürger wählt zwar das EP seit 1979 direkt, doch kann man hier nicht
von einer Legitimationskette sprechen, wo die politischen Handlun-
gen der EU unter der Kontrolle der Bürger stehen und auf deren Wil-
len zurückzuführen sind. Vielmehr werden Fraktionen auf der Basis
nationaler Wahlsysteme gewählt. Diese intendieren primär die Stär-
kung des EP und kooperieren auf europäischer Ebene über Partei-
grenzen hinweg. Es fehlt den ,,Europa-Wahlkämpfen" jeglicher Bezug
zu europäischen Themen, vielmehr mutieren diese immer mehr zu
nationalen Wahlkämpfen. Aber auch die EU-Bürger sehen in der Eu-
ropawahl eher die Möglichkeit, ihrer eigenen Regierung einen
,,Denkzettel zu verpassen", anstatt sich mit ,,Europa-Themen" ausei-
nanderzusetzen. ,,Viele Bürger gingen an die Urnen, um ihre nationa-
len Regierungen abzustrafen."
35
Fakt ist, dass die EU Recht setzen
kann, welches für die Mitgliedstaaten verbindlich ist. Diese Hoheits-
gewalt muss aber über den Volkswillen und deren Kontrolle legiti-
miert werden, um den Minimalansprüchen einer Demokratie zu ent-
sprechen. Die Europäische Union kann den Minimalansprüchen der
Demokratie nicht gerecht werden, sodass das sukzessiv zunehmen-
de Misstrauen der Bürger in die EU nur eine Frage der Zeit war.
2.4. Misstrauen der Bürger in die EU
Mit der Etablierung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA 1986/
1987) ist das Misstrauen der Bürger in die Gemeinschaft erwacht
und mit dem Vertrag von Maastricht (1992/1993) sollte der bisherige
,,permissive Konsens"
36
der europäischen Bürger sein Ende erfahren.
35
Siehe: Wenige Wähler und nationaler Protest. EU-MITGLIEDSTAATEN. In
Europa entscheiden nach der Wahl immer häufiger politische Randgruppen
bei der EU-Politik mit. Das Parlament Nr. 25 15. Juni 2009, S. 5.
36
Der ,,permissive Konsens" steht für eine stillschweigende Zustimmung der
europäischen Bevölkerung zur europäischen Integration.
14

Ausgangspunkt war das Referendum zum Vertrag von Maastricht in
Dänemark, welches letztendlich nur denkbar knapp sich gegen den
Vertrag aussprach, doch sollte es genügen, um den europäischen
Integrationsprozess in einen Schockzustand zu versetzen. Zu die-
sem Zeitpunkt wurden zum ersten Mal die Leistungs- und Problemlö-
sungsfähigkeit sowie die Legitimation der Organe der Europäischen
Union von den EU-Bürgern hinterfragt.
,,Der zu immer komplizierter werdenden Verflechtungssystemen führende Integrati-
onsprozess wurde im Zuge der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages zum wie-
derholten Male, aber in eindeutig schärferer und grundsätzlicherer Weise als zuvor
unter dem Stichwort des Demokratiedefizits als undemokratisch, entparlamentari-
siert, intransparent, bürgerfern, kompliziert und ineffizient kritisiert. Dreh- und Angel-
punkt der seit Maastricht nicht abschwellenden EU-Kritik ist dabei die Einschätzung,
daß innerhalb der EU durch das Setzen allgemein verbindlicher Entscheidungen, die
unmittelbar in die Gestaltungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, öffentli-
che Herrschaft ausgeübt wird, die nicht den Maßstäben demokratischen Regierens
entspricht."
37
Die folgenden europäischen Referenden über einen Verfassungsver-
trag zeigen, dass die mangelnde Akzeptanz der europäischen Bürger
in die supranationale institutionelle Konfiguration der EU sukzessiv
zunimmt. Die Referenden der EU-Verträge von Nizza (2001/2003),
der EU-Verfassung (2004) und von Lissabon (2008/2009) offenba-
ren, dass eine Ratifizierung über die nationalen Parlamente in den
wenigsten Fällen mit der Meinung der Bürger kompatibel ist. Explizit
anhand der konsultativen Referenden
38
wird sichtbar, dass die Mei-
nung der Bürger zu einer europäischen Verfassung stark mit der
Meinung ihrer nationalen Parlamente divergiert. Die Gründe für das
Scheitern der Referenden und die sich sukzessive einstellende Eu-
ropa-Skepsis sind in dem Fehlen einer interessierten europäischen
Öffentlichkeit sowie in einem wachsenden Misstrauen der EU-Bürger
gegenüber der Supranationalität einer vertiefenden Europäischen
Union zu sehen. Die Vertiefung der EU wird mit tiefgreifenden Eingrif-
fen in die nationale Souveränität verbunden. Die generellen Belange,
die alle Bürger der EU tangieren, sind explizit die Angst vor Autono-
mie- und Kompetenzverlust und der Fakt, dass Entscheidungen an-
37
Vgl. Maurer, Andreas/Wessels, Wolfgang (2003): Ebenda, S. 25.
38
Bei einem konsultativen Referendum haben die Bürger die Möglichkeit, sich zu
artikulieren, aber die Letztentscheidung obliegt dem nationalen Parlament.
15

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783863415525
ISBN (Paperback)
9783863410520
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen
Erscheinungsdatum
2011 (August)
Note
2,8
Schlagworte
Europäische Integration Demokratiedefizit Europäisches Parlament Parlamentarisierung Mehrebenensystem

Autor

Tatjana Fabricius, B.A., geb. 1967. Im Rahmen ihrer Tätigkeit in der politischen Bildung entschied sich die Autorin für ein politikwissenschaftliches Studium, wo sie auch fachliche Qualifikationen in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften erlangte. Den Bachelorstudiengang "Politik- und Verwaltungswissenschaften" schloss sie im Jahr 2010 erfolgreich ab. Im Rahmen ihres Studiums beschäftigte sich die Autorin intensiv mit der demokratischen Legitimation der Europäischen Union, sodass sie bewusst den Masterstudiengang "Governance" anschloss, um ihre Qualifikation auf diesem Forschungsgebiet weiter auszubauen. Bereits während des Studiums nahm die Autorin an zahlreichen europäischen Projekten teil, um ihre Qualifikation auch praktisch anzuwenden.
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Titel: Doppelte Parlamentarisierung der EU: Ein Garant für Demokratie?
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