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Betriebliche Versicherungen als Teil des Risikomanagementprozesses in Unternehmen

©2010 Bachelorarbeit 63 Seiten

Zusammenfassung

Für Unternehmen jeder Größenordnung spielen Versicherungen eine zunehmend wichtigere Rolle. Damit sich alle Kräfte auf das Kerngeschäft des Unternehmens konzentrieren können, ist ein Transfer von Risiken auf Versicherungsunternehmen als neue Risikoträger sinnvoll. Dieses Werk untersucht, welche Risiken sich grundsätzlich versichern lassen. Dargestellt werden dazu Kriterien und Grenzen der Versicherbarkeit.
Gerade im Hinblick auf die jüngste Wirtschaftskrise werden die Existenz und die vollständige Implementierung eines Risikomanagementprozesses insbesondere für Großunternehmen überlebensnotwendig. Welchen Stellenwert Versicherungen als Risikotransfermaßnahme und Versicherungsmanagement innerhalb des Risikomanagementprozesses haben, zeigt die Auswertung von drei Studien, die diese Fragestellung näher untersucht haben. Der Abschluss von Versicherungen sollte im Hinblick auf Kosteneffizienz systematisch erfolgen. Mithilfe einer optimalen Versicherungsstrategie kann die Entscheidung zwischen dem Risikotransfer und der Risikoselbsttragung auf eine fundierte Basis stellen. Gleichfalls wird in dieser Publikation der Einordnung des betrieblichen Versicherungsmanagements in Unternehmen nachgegangen sowie dem Aufbau von nationalen und internationalen Versicherungsprogrammen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1
Einleitung
Es gibt eine Vielzahl von Risiken, die auf Unternehmen als Marktteilnehmer einwirken
können. Risiken entstehen nicht nur aus Managementfehlern. Die wirtschaftliche Exis-
tenz eines Unternehmens wird vielmehr von Natur- und/oder Umwelteinflüssen be-
droht. Die Umwelteinflüsse werden zudem ständig dynamischer und globaler, so dass
eine präzise mittel- oder langfristige Unternehmensplanung so gut wie unmöglich
scheint. Die Wirkung eingetretener Risiken wird immer im Jahresabschluss sichtbar
sein und damit in den Finanzkennzahlen, die das Rating der Banken und Versiche-
rungsunternehmen beeinflussen. Risiken gleich welcher Art rücken deshalb mehr und
mehr in den Blickpunkt unternehmerischer Überlegungen. Ein gut implementiertes Ri-
sikomanagement wird deshalb für Unternehmen als Sicherungsinstrument der Überle-
bensfähigkeit am Markt essentiell. Es leistet einen Beitrag, damit unternehmerische
Entscheidungen unter Unsicherheit an Qualität gewinnen.
1
Versicherungslösungen haben schon immer ihren Platz in den Unternehmen. Erhalten
sie auch die entsprechende Beachtung? Bisher wurden Versicherungsmanagement und
Risikomanagement eher isoliert betrachtet. Zunehmend aber wird von den Unternehmen
erkannt, dass Versicherungen und Risikomanagement einander bedingen. Eine verant-
wortungsbewusste Unternehmensleitung muss sich daher mit dem Thema Versicherun-
gen zwingend befassen.
2
Welchen Beitrag aber können Versicherungen im Risikomanagementprozess einneh-
men? Wann ist es empfehlenswert ein Risiko zu versichern oder es selbst zu tragen? Der
Grundsatz, wer einen Schaden erleidet, soll auch dessen Verlust tragen, kann für die
Wirtschaft nicht zweckmäßig sein und sie ausbremsen. Das Ziel dieser Arbeit ist es,
mögliche Risiken für Unternehmen und deren Möglichkeit zur Übertragung auf Versi-
cherungsunternehmen zu beschreiben. Das vielfältige Angebot an Versicherungslösun-
gen lässt es nicht sinnvoll erscheinen, jeden am Versicherungsmarkt angebotenen Typus
zu erwähnen. Für Unternehmen wichtige Versicherungssparten werden auszugsweise
1
Vgl. Romeike, F./Löffler H., Risiko- und Versicherungsmanagement, 2007, S. 402.
2
Vgl. Fischer, S./Timm, F./Wolter, S., Potenzial des Versicherungsmanagements, 2006, S. 552.
1

charakterisiert und den Unternehmensrisiken zugeordnet. Weiterhin wird anhand von
empirischen Untersuchungen belegt, welche Bedeutung das Versicherungsmanagement
in Unternehmen genießt. In dem Zusammenhang wird auch analysiert werden, in wel-
cher organisatorischen Form das Versicherungsmanagement vom kleinen Ein-Mann-
Unternehmen bis zum global agierenden Konzern integriert werden kann.
2

2
Risikomanagement
2.1
Definition des Risikobegriffs
Der Risikobegriff wird in der Theorie und Praxis je nach betrachtetem Aspekt unter-
schiedlich definiert. Aufgrund der Vielzahl an Begriffsbestimmungen, die sich im Laufe
der Jahrzehnte entwickelt hat, gibt es daher keine einheitliche Definition.
Eine im weiteren Sinne gefasste Definition beschreibt Risiko als ,,die aus der Unvorher-
sehbarkeit der Zukunft resultierende, durch ,,zufällige" Störungen verursachte Möglich-
keit, von geplanten Zielen abzuweichen."
3
Risiko wird hier als die Nichterreichung ei-
nes Ziels umschrieben. Der Risikobegriff umfasst demnach sowohl negative als auch
positive Abweichungen von erwarteten Zielen.
Risiken entstehen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht durch unternehmerische Ent-
scheidungen und deren Auswirkungen. Risiko umschreibt Gefahren, aber auch die da-
mit verbundenen Chancen. Im Allgemeinen wird Risiko jedoch in negativen Zusam-
menhang gebracht. Bei einem Risiko sind Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlich-
keit bekannt. In Abgrenzung zum Begriff der Unsicherheit, ist dort auch die Schaden-
höhe, aber nicht die Eintrittswahrscheinlichkeit bekannt.
4
2.2
Notwendigkeit und Nutzen des Risikomanagements
Aufgrund der steigenden Zahl von Insolvenzen in den 90-er Jahren wurden in dem 1998
erlassenen Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)
die Vorstände deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften verpflichtet, ein Überwa-
chungssystem zum frühzeitigen Erkennen von Risiken einzurichten. Gesetzliche Veran-
kerung des KonTraG findet in den §§ 289, 317 HGB und § 91 Abs. 2 AktG statt. In
diesen Paragraphen ist festgelegt, dass ein Risikomanagementsystem im Unternehmen
zu implementieren ist und Chancen und Risiken im Lagebericht zu dokumentieren sind.
Im KonTraG werden keine Details zum Inhalt eines Risikomanagementsystems festge-
legt, sondern lediglich eine angemessene Gestaltung vorgeschrieben.
3
Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 9.
4
Vgl. Diederichs, M., Risikocontrolling, 2010, S. 8 f.; auch Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, 2006,
S. 17 ff.
3

Die Aufgabe des ,,Risikomanagement[s] ist das systematische Denken und Handeln im
Umgang mit Risiken."
5
Risikomanagement darf dabei keinesfalls nur als bürokratische Pflichtübung gesehen
werden.
6
Die Implementierung eines wirkungsvollen Risikomanagementsystems hat
eine hohe Relevanz für die Exkulpation der Unternehmensleitung bei eintretenden
Schadensereignissen.
7
Die Geschäftsleitung bzw. der Vorstand müssen aufgrund dieser
Haftungspflicht bei der Festlegung der Risiko-Management-Ziele die oberste Instanz
sein und die Risiko-Politik sollte zudem für ein risikobewusstes Handeln in die Unter-
nehmensstrategie integriert sein.
Spätestens seit der Finanzmarktkrise 2008 befassen sich damit nicht nur börsennotierte
Aktiengesellschaften, sondern es haben auch mittelständige und nicht-börsennotierte
Unternehmen die Notwendigkeit zur Implementierung eines Risikomanagementsystems
erkannt. Dabei sollte Risikomanagement als Grundlage einer wertorientierten Unter-
nehmenssteuerung gesehen werden mit dem Hauptziel der Existenzsicherung des Un-
ternehmens.
8
Weitere Ziele, die mit der Einführung eines Risikomanagementsystems
verfolgt werden, können sein:
x Sicherung der Unternehmensziele,
x Sicherung des zukünftigen Erfolges,
x Reduktion der Insolvenzwahrscheinlichkeit,
x Optimierung der Risikokosten,
x Planungssicherheit,
x Fundierte Entscheidungsgrundlagen,
x Selektion des optimalen Risikoportfolios,
x Marktwertsteigerung des Unternehmens,
x Bessere Finanzierungs- und Risikotransferoptionen.
9
5
Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 10.
6
Vgl. Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 20.; siehe auch Wolke, Th., Risikoma-
nagement, 2008, S. 2 f.
7
Vgl. Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 21.
8
Vgl. Gleißner, W./Romeike, F., Risikomanagementversagen , 2009, S. 12.
9
Vgl. Romeike, F., Risiko-Management, 2002, S. 14.; siehe auch Diederichs, M., Risikocontrolling,
2010, S. 13.; ebenso Mayr, R./Sierpinski, C., Risikomanagement, 2009, S. 12.; auch Rudolph,
B./Seidenspinner, St., Risikomanagement, 2004, S. 536.
4

Insbesondere bessere Finanzierungsoptionen und Risikotransferoptionen nehmen einen
immer größeren Stellenwert ein. Das Angebot an Kapital bei Banken und die Risiko-
tragfähigkeit von Versicherungsunternehmen ist global gesehen begrenzt. Vor der Ver-
gabe von Krediten durch Banken und Versicherungslösungen von Versicherungsunter-
nehmen werden die potenziellen Kredit- bzw. Versicherungsnehmer einer sorgfältigen
Bonitätsprüfung in Form eines spezifischen Ratings unterzogen. Wichtiger Bestandteil
für ein positives Rating ist das Vorhandensein eines transparenten und funktionierenden
Risikomanagementsystems. Je schlechter das Rating der Ratingagentur ausfällt, desto
schlechter sind die Zins- und Tilgungskonditionen und desto höher sind die zu erbrin-
genden Sicherheiten sowie die zu zahlende Versicherungsprämie. Dies sind Vorsorge-
maßnahmen der Banken und Versicherungsunternehmen, die den Eigenkapitalvorschrif-
ten nach Basel II bzw. Solvency II gerecht werden müssen. Banken und Versicherungs-
unternehmen sind demnach verpflichtet mehr Eigenkapital als Sicherheitsreserve für
Kredit- und Versicherungsnehmer mit niedriger Bonität vorzuhalten.
10
2.3
Der Risikomanagementprozess
Der Risikomanagementprozess dient als Basis für die Integration des Risikomanage-
ments in die Organisationsstruktur. Risikomanagement ist keine einmalige Aktion und
kein isoliert ablaufender Prozess. Vielmehr muss es auf allen Managementebenen etab-
liert werden und als ein dauerhaft ablaufender Risikomanagementprozess in der unter-
nehmerischen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, um sich an stetig ändernde
interne und externe Gegebenheiten anzupassen.
11
Abbildung 1: Der Risikomanagementprozess
10
Vgl. Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 25 ff.; ebenso Ehrmann, H., Risikoma-
nagement, 2005, S. 176 ff., S. 217 ff.
11
Vgl. Diederichs, M., Risikocontrolling, 2010, S. 15.
Risikoidentifikation
Risikobewertung
Risikosteuerung
Risikokontrolle
5

Die Ablaufphasen des Risikomanagementprozesses werden in der Fachliteratur unter-
schiedlich bezeichnet und dargestellt. Jedoch herrscht Einigkeit über deren Kernaussa-
gen.
12
Im Folgenden werden die einzelnen Phasen näher erläutert.
2.3.1
Risikoidentifikation
Die erste und zugleich auch wichtigste Phase im Risikomanagementprozess ist die Iden-
tifikation aller unternehmensbezogenen Risiken in Form einer Risikoinventur. Die Risi-
koinventur ,,umfasst die möglichst vollständige Erfassung und Dokumentation aller
Gefahrquellen und Störpotentiale des Unternehmens zum Inventurzeitpunkt und in
prospektiver Betrachtung."
13
Ausgangspunkt zum Erkennen möglicher Risiken können folgende interne und externe
Quellen sein:
Abbildung 2: Quellen für die Risikoidentifikation
(Quelle: In Anlehnung an Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 35.)
Für international tätige Unternehmen kann die Risikoidentifikation allerdings einen er-
heblichen Mehraufwand bedeuten im Gegensatz zu Unternehmen, die nur innerhalb
12
Vgl. Ehrmann, H., Risikomanagement, 2005, S. 37.; ebenso Diederichs, M., Risikocontrolling, 2010, S.
93 ff.; auch Wolke, Th., Risikomanagement, 2008, S. 4.
13
Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 34.
Interne Quellen
· Finanzbuchhaltung
· Kostenrechnungssystem
· Warenwirtschaftssystem
· Aufsichtsrat
· Beirat
· Jahresabschlussprüfer
· Investitionspläne
· Finanzplanung
· Schadenstatistiken
· alle Unternehmensbereiche
Externe Quellen
· gesellschaftliche Entwicklung
· Marktgeschehen
· Gesetzgebung
· Rating-Agenturen
· Kammerveröffentlichungen
· Geschäftsberichte
· Kunden und Lieferanten
· Finanzanalysten
· Gewerkschaften
· Kreditgeber, Kreditversicherer
· Presse
6

ihrer Landesgrenzen agieren. Die Beschaffung von Informationen über Risiken in frem-
den Ländern und Märkten kann sich schwieriger als im Heimatland herausstellen, da
Länderrisiken durch ausländische Regierungen und vor allem durch sozio-kulturelle
Unterschiede gekennzeichnet sind und sich dadurch von den im Inland bekannten Ge-
gebenheiten erheblich unterscheiden können.
14
Aufbauend auf den nutzbaren Quellen können für die Risikoidentifikation verschiede-
nen Methoden angewandt werden. Beispiel dafür sind die Umweltanalyse, die
Konkurrentenanalyse, die Marktanalyse, die Delphi-Methode, die Branchenanalyse, die
Stärken-/Schwächenanalyse, die Portfolioanalyse, die Szenario-Technik sowie die
GAP-Analyse.
15
Speziell in dieser ersten Phase ist entscheidend, dass die Risikoidentifikation und der
Risikomanagementprozess im Allgemeinen ein permanent ablaufender Prozess sein
sollte. Denn es können sich nicht nur bereits bestehende Risiken ändern, verständli-
cherweise können sich ständig neue Risiken aufgrund interner und externer Verände-
rungen ergeben. Des Weiteren ist durch die Kontinuität eine hohe Aktualität des Risiko-
inventars gegeben, welche unerlässlich ist, um frühzeitig Maßnahmen zur Risikosteue-
rung einleiten zu können.
16
Die identifizierten Risiken können zur besseren Veranschaulichung in Risikokategorien
und -felder klassifiziert werden und parallel dazu deren mögliche gegenseitige Beein-
flussung überprüft werden.
17
2.3.2
Risikobewertung
In der Phase der Risikobewertung werden die quantitativen Auswirkungen der identifi-
zierten Risiken auf das Unternehmen ermittelt. Ein wichtiger Grundsatz im Risikoma-
nagement lautet: ,,If you can´t measure it, you can´t manage it."
18
Eine monetäre Bewertung eines identifizierten Risikos ist unabdingbare Voraussetzung
für die Bestimmung von Maßnahmen zur Steuerung des Risikos in der nächsten Phase.
14
Vgl. Haas, H.-D., Länderrisiko, 2004, S. 153 f.
15
Exemplarisch Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 53 ff.
16
Vgl. Ehrmann, H., Risikomanagement, 2005, S. 43 f.
17
Vgl. hierzu Kapitel 2.3.3 Risikosteuerung
18
Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 102.
7

Als Anhaltspunkt zur Bewertung können statistische Erhebungen oder Daten der Versi-
cherungsunternehmen dienen in Verbindung mit einer subjektiven Beurteilung zur Be-
rücksichtigung der Besonderheiten des Unternehmens und der Branche. Die Messung
von unternehmensbezogenen Risiken kann sich jedoch als problematisch herausstellen,
da in der Regel keine oder nur unzureichende historischen Daten zur Verfügung stehen.
Abhilfe kann geschaffen werden, indem Vergleiche zu Unternehmen der gleichen Bran-
che gezogen werden, aber auch hier besteht die Schwierigkeit der Verfügbarkeit der
Daten.
19
Das Ergebnis der Risikobewertung stellt den Erwartungswert dar. Der Erwartungswert
ergibt sich aus dem Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenausmaß. Je
höher der Erwartungswert für das Risiko ist, desto schwerwiegender können die Folgen
für das Unternehmen ausfallen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadenausmaß
sind zugleich Grundlage zur Erstellung einer Schadenmatrix, in der das unternehmens-
eigene Risikoportfolio visualisiert werden kann.
20
Abbildung 3: Schadenmatrix
(Quelle: In Anlehnung an Weißensteiner, C./Zunk, M., Risikomanagement, 2009, S. 24.)
19
Vgl. Wolke, Th., Risikomanagement, 2008, S. 203 f.; Weiterführend Gleißner, W., Risikomanagement,
2008, S. 102.
20
Vgl. Diederichs, M., Risikocontrolling, 2010, S. 140 ff.; ebenso Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risiko-
management, 2006, S. 81.
8

Die abgebildete Schadenmatrix visualisiert beispielhaft identifizierte Risiken. Anhand
der Farben kann der Betrachter auf schnelle Weise die Dringlichkeit des Handlungsbe-
darfes ablesen. Zudem beinhaltet die Schadenmatrix mit der Größe der Kreise den mög-
lichen Imageverlust als dritte Dimension.
Die Bewertung der Risiken ist wegweisend für die Risikosteuerung. Die Risiken müs-
sen so exakt wie möglich bewertet werden, denn bei einer zu vorsichtigen Bewertung
von Risiken, d. h. Risiken werden höher eingestuft als Chancen, können wichtige Ent-
scheidungen für das Unternehmen über zum Beispiel zukünftige Investitionen behindert
werden.
21
Auf der anderen Seite dürfen keine Risiken unterschlagen werden, da sie als
Ursachen für mögliche Planabweichungen verantwortlich sein können und die Toleranz
für Ergebnisabweichungen erhöhen. Werden demzufolge weniger Risiken angeben, so
wird eine Planungssicherheit vorgetäuscht, die nicht gewährleistet werden kann.
22
Nach der Bewertung aller Einzelrisiken umfasst die Phase der Risikobewertung auch
eine Aggregation aller Einzelrisiken zum Gesamtrisikoumfang für das Unternehmen.
Nur durch diese Berechnung kann der Bedarf an Eigenkapital bzw. die Eigenkapitalquo-
te als Indikator der Risikotragfähigkeit des Unternehmens ermittelt werden. Während
der Aggregation des Gesamtrisikoumfangs sollten auch doppelt gezählte Risiken er-
kannt werden sowie Abhängigkeiten zwischen Einzelrisiken berücksichtigt werden.
23
2.3.3
Risikosteuerung
Aus den Erkenntnissen der Risikobewertung über die Eintrittswahrscheinlichkeit und
das Schadenausmaß können im Rahmen der Risikosteuerung nun Maßnahmen abgelei-
tet werden. Die Risikostrategie bestimmt die zukünftige Risikopolitik und wird beein-
flusst durch die unternehmerische Vision, die Unternehmensphilosophie und durch die
Risikopräferenz der Unternehmensleitung.
24
21
Zustimmend Ehrmann, H., Risikomanagement, 2005, S. 18.
22
Vgl. Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 5.
23
Vgl. Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 224.
24
Vgl. Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 30.
9

Bei der Wahl der richtigen Strategie sollten folgende Grundsätze beachtet werden:
1.
Ohne Risiken lassen sich kaum Erfolge erzielen.
2.
Risiken müssen grundsätzlich gesteuert werden.
3.
Entscheidungen dürfen nicht zu existenzgefährdenden Risiken führen.
4.
Gegen unvermeidliche Risiken sind rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen.
5.
Unterschiedliche Risiken erfordern auch unterschiedliche Bewältigungen.
25
Abbildung 4: Risikosteuerungsmaßnahmen
(Quelle: In Anlehnung an Romeike, F., Risiko-Management, 2002, S. 17.)
Mit den Risikosteuerungsmaßnahmen kann der Gesamtrisikoumfang des Unternehmens
stufenweise verringert werden. Das nach Durchführung aller Maßnahmen übrige Restri-
25
Vgl. Ehrmann, H., Risikomanagement, 2005, S. 39.
10

siko muss zwangsläufig akzeptiert und selbst getragen werden. In der Abbildung ist
auch ersichtlich, dass das Restrisiko verständlicherweise auch noch nicht identifizierte
Risiken enthält.
Risikovermeidung stellt den vollständigen Verzicht auf ein risikobehaftetes Geschäft
dar. Bei dieser Strategie wird zwangsläufig auch auf (Gewinn-)Chancen verzichtet und
sie ist deshalb nicht mit dem Grundgedanken der unternehmerischen Tätigkeit verein-
bar. Risikovermeidung sollte nur für Existenz gefährdende Risiken bzw. bei geringer
Risikotragfähigkeit des Unternehmens als eine Option gewählt werden.
26
Die Strategie der Risikoverminderung wirkt aktiv auf die Risikoursache bzw. die Risi-
kowirkung ein und hat das Ziel die Eintrittswahrscheinlichkeit oder das Schadenausmaß
auf ein akzeptables Maß zu senken. Diese Maßnahme sollte grundsätzlich gegen alle
Risikokategorien angewandt werden.
27
Der Risikotransfer als eine passive Form der Risikosteuerung umfasst den teilweisen
oder vollständigen Transfer des Risikos auf Dritte. Unterschieden werden Dritte in Ver-
tragspartner und Versicherungsunternehmen.
Risikotransfer auf Vertragspartner kann Risiken durch spezielle Vertragsbedingungen
beispielsweise Transport- oder Beschaffungsrisiken auf Kunden und Lieferanten über-
tragen. Ebenso können mit Factoring, Leasing oder Franchising Risiken auf Vertrags-
partner abgewälzt werden.
Risikotransfer auf Versicherungsunternehmen setzt grundsätzlich ein versicherbares
Risiko voraus. Nicht versicherbar sind vor allem Kernrisiken der unternehmerischen
Tätigkeit, die mit den Erfolgspotenzialen der Unternehmung in Zusammenhang stehen.
Vielmehr stehen extern verursachte Randrisiken wie zum Beispiel Erdbeben, Feuer,
Wasser oder Sturm aber auch Haftpflichtansprüche oder sonstige rechtliche Ansprüche
im Blickpunkt der Versicherungsunternehmen.
28
Als Gegenleistung für die Übernahme
des Risikos muss eine Versicherungsprämie im Voraus gezahlt werden, die sich in ers-
26
Vgl. Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanagement, 2006, S. 95.; ebenso Diederichs, M., Risikocon-
trolling, 2010, S. 189 f.
27
Vgl. Ehrmann, H., Risikomanagement, 2005, S. 88.; auch Schmitz, Th./Wehrheim, M., Risikomanage-
ment, 2006, S. 96.
28
Siehe dazu Kapitel 4.2 Kriterien der Versicherbarkeit
11

ter Linie nach dem potentiellen Schadenausmaß und der Selbstbeteiligung im Schaden-
fall richtet. Bei Schadeneintritt ist das Versicherungsunternehmen verpflichtet einen
vorher festgelegten Geldbetrag zu zahlen.
29
Durch Wahl dieser Risikostrategie für Einzelrisiken können insgesamt mehr Risiken
beim Aufbau von Erfolgspotenzialen eingegangen werden, ohne die unternehmenseige-
ne Risikotragfähigkeit zu überlasten und dadurch ein schlechteres Rating einer Rating-
Agentur zu erhalten.
30
Der Risikotransfer durch Versicherungen als Teil des Risikomanagementprozesses dient
so als verbindendes Element zwischen den Risiko schaffenden Industrieunternehmen
und den Risiko übernehmenden Versicherungsunternehmen.
Für Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. geringem Schadenausmaß
stellt die Risikoübernahme eine sinnvolle Option dar. Das bewusste Selbsttragen von
Risiken sollte auch dann erfolgen, wenn alle anderen Maßnahmen einen unverhältnis-
mäßig hohen Aufwand für das Unternehmen bedeuten. Erforderlich für die Wahl der
Risikoübernahme ist die Bereitschaft dafür und die Risikoneigung der Unternehmenslei-
tung sowie das Vorhandensein von Risikodeckungsmassen wie beispielsweise Eigenka-
pital durch Rücklagen, Rückstellungen oder stille Reserven.
31
Durch eine Kombination aller genannten Strategien kann jedes Risiko gesteuert werden.
Der sogenannte Risikostrategiemix sollte so gewählt werden, dass sich die Wirkungen
der Maßnahmen gegenseitig ergänzen und nicht entgegenwirken, um die Gesamtrisiko-
lage des Unternehmens beherrschbar zu machen. Eine fehlende Definition des akzeptab-
len Restrisikos und eine fehlende Abgrenzung von Kern- und Randrisiken können zur
Ableitung eines nicht optimalen Risikostrategiemix führen. Die Folge daraus könnte
eine ausschließliche Betrachtung von Versicherungslösungen als Risikostrategie sein.
32
29
Vgl. Diederichs, M., Risikocontrolling, 2010, S. 192 f.
30
Vgl. Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 40.
31
Vgl. Diederichs, M., Risikocontrolling, 2010, S. 193 f.; ebenso Ehrmann, H., Risikomanagement, 2005,
S. 101 ff.
32
Vgl. Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 225.
12

2.3.4
Risikokontrolle
Die Risikokontrolle darf nicht nur am Ende des Prozesses stattfinden, sondern sollte als
eine fortlaufende Kontrolle verstanden werden. Die Überprüfung hinsichtlich des Ein-
tritts der Risiken sowie die Überprüfung der Wirkung der vorgesehenen Maßnahmen
gehören zu den Aufgaben der Risikokontrolle. Intern mithilfe von Fragebögen, Gesprä-
chen, Workshops oder Beurteilung durch Externe können diese Aufgaben wahrgenom-
men werden. Eine ausschließlich vergangenheitsorientierte Kontrolle sollte jedoch ver-
mieden werden. Die Risikokontrolle sollte daher als ein Instrument zur Frühwarnung
über zukünftige Chancen und Risiken Auskunft geben und zur stetigen Verbesserung
des Risikomanagementprozesses eingesetzt werden.
33
Ein wichtiger Baustein zur Ver-
besserung des gesamten Risikomanagementsystems ist die Integration in die Geschäfts-
prozesse, das Einbeziehen und Mitwirken aller Mitarbeiter des Unternehmens, eine kla-
re Aufgaben- und Verantwortungszuordnung sowie eine vollständige Dokumentation
der Risiken.
34
33
Vgl. Ehrmann, H., Risikomanagement, 2005, S. 157 ff.
34
Vgl. Gleißner, W., Risikomanagement, 2008, S. 225 f.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2010
ISBN (PDF)
9783863415396
ISBN (Paperback)
9783863410391
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
BA Hessische Berufsakademie
Erscheinungsdatum
2011 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
Risikomanagement Versicherungsmanagement Risikotransfer Industrieversicherung Versicherung Betrieb
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Patrick Adler, Jahrgang 1981, absolvierte eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei einem Pharma- und Medizinprodukte herstellenden Unternehmen. Parallel zu der Ausbildung studierte er Business Administration an der Hessischen Berufsakademie in Kassel und schloss mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts ab. Bereits während des dualen Studiums sammelte der Autor erste praktische Erfahrung im Bereich der betrieblichen Versicherungen in der Zusammenarbeit mit dem zum Unternehmen gehörenden firmenverbundenen Versicherungsmakler. Im Rahmen der Abschlussarbeit für das Bachelorstudium untersuchte der Autor mit dem Werk die generelle Bedeutung von Industrieversicherungen für ein Unternehmen als ein Teil des Risikomanagements.
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