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Strategische Beschaffung in kleinen und mittleren Unternehmen: Theroetische Erkenntnisse und empirische Befunde

©2010 Diplomarbeit 226 Seiten

Zusammenfassung

In Zeiten der Globalisierung und einer sich verstärkenden Wettbewerbsintensität rückt der Aufgabenbereich der Beschaffung mehr und mehr in den Vordergrund. Es stellt sich die Frage, inwieweit eine strategisch ausgestaltete Beschaffung einen Beitrag zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg leisten kann. Abgeleitet aus den generischen Strategien der Kostenführerschaft und der Differenzierung ergeben sich für die Versorgungsfunktion verschiedene Aufgabenbereiche.
Bei einer Strategie der Kostenführerschaft orientiert sich das Versorgungsmanagement am Ziel der Kostenreduzierung. Neue Herausforderungen, insbesondere für KMU, ergeben sich durch die Entwicklung neuer Kommunikationsmedien sowie des Global Sourcings, dass durch eine zunehmende Öffnung der Märkte und eine Entwicklung des freien Welthandels immer bedeutender wird. Aufgrund dieser sich abzeichnenden Entwicklung ist auch für KMU eine globale Beschaffung machbar und unverzichtbar.
Bei einer Strategie der Differenzierung steht vor allem das Ziel der Leistungsverbesserung im Vordergrund. Ohne eine intensive und langfristige Zusammenarbeit mit den Lieferanten wird ein erfolgreiches Bestehen am Markt nicht möglich sein. Eine zunehmende Konzentration auf Kernkompetenzen und ein immer geringerer Anteil eigenproduzierter Leistungen bedingen ein immer größer werdendes Beschaffungsvolumen und lassen somit auch eine strategische Ausrichtung der Beschaffung immer wichtiger werden.
Diese Studie stellt die derzeitige Bedeutung und Ausgestaltung der strategischen Beschaffung in kleinen und mittleren Unternehmen dar und arbeitet unternehmensgrößenbedingte Unterschiede heraus. Sie untersucht, inwieweit die strategische Beschaffungsaufgabe bereits im Unternehmen verankert ist und welche Bedeutung dieser zugesprochen wird. Des Weiteren wird die konkrete Ausgestaltung der strategischen Beschaffung in KMU durch die Darstellung der verschiedenen möglichen strategischen Stoßrichtungen, d. h. der Sourcing-Strategien, dargestellt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
etc.
et cetera
d.h.
das
heißt
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
i.e.S.
im engeren Sinne
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
Mio.
Million
S.
Seite
SGE
Strategische Geschäftseinheit
u.a.
unter anderem
v.a.
vor
allem
v.s.
versus
Vol.
Volume
WWW
World Wide Web
z.B.
zum Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
Zfbf
Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
ZFO
Zeitschrift Führung und Organisation
zugl.
zugleich
8

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 3-1: Wirkung einer Materialkostenreduzierung...
21
Abbildung 3-2: Umfang des Beschaffungsbegriffs ...
27
Abbildung 3-3: Gestaltungsbereiche der strategischen Beschaffung ...
29
Abbildung 3-4: Ziele und Aufgaben der Beschaffung...
31
Abbildung 4-1: Qualitative Merkmale kleiner und mittlerer Unternehmen ...
36
Abbildung 4-2: Die Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen in der
Volkswirtschaft...
40
Abbildung 5-1: Zentraler vs. dezentraler Einkauf ...
45
Abbildung 5-2: Variantenvielfalt als Kostentreiber...
53
Abbildung 5-3: Funktionseinteilung nach ihrer Bedeutung ...
56
Abbildung 5-4: Professionalisierungsstufen der Beschaffungsmarktforschung...
59
Abbildung 5-5: Potenzialanalyseprozess in der Beschaffung...
61
Abbildung 5-6: SWOT-Analyse ...
63
Abbildung 5-7: Kriterien der Zielformulierung...
65
Abbildung 5-8: Outsourcing der Beschaffungsabteilung ...
71
Abbildung 5-9: Entscheidungsmatrix zur Festlegung der Sourcing-Strategien ...
73
Abbildung 5-10: Zwei Dimensionen von Globalisierung in der Beschaffung ...
78
Abbildung 5-11: Chancen und Problemfelder des Global Sourcing für KMU ...
81
Abbildung 5-12: Dimensionen der Partnerwahl ...
84
Abbildung 6-1: Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter ...
95
Abbildung 6-2: Umsatz in Mio. Euro ...
95
Abbildung 6-3: Branchenzugehörigkeit...
96
Abbildung 6-4: Schlüsselinformanten ...
97
Abbildung 6-5: Zuständigkeit Einkauf ...
98
Abbildung 6-6: Mittelwerte der Dimensionen der Zielformulierung ...
114
Abbildung 6-7: Verteilung der Unternehmen auf die Cluster ...
118
9

Tabellenverzeichnis
Tabelle 3-1: Vergleich der Gewinnsteigerung/Umsatzrentabilität bei Unternehmen
mit unterschiedlicher Wertschöpfungstiefe ...
21
Tabelle 4-1: Quantitative Merkmale kleiner und mittlerer Unternehmen ...
34
Tabelle 5-1: Unternehmenssituation und Führungsprioritäten ...
48
Tabelle 5-2: Kombinierte ABC-XYZ-Analyse im Materialbereich ...
51
Tabelle 5-3: Wertanalyse nach DIN 69910 ...
55
Tabelle 5-4: Übersicht strategische und taktisch­operative Beschaffungsziele ...
67
Tabelle 6-1: Einsatz von Tools und Methoden...
94
Tabelle 6-2: Aufgaben der Beschaffung in KMU ...
101
Tabelle 6-3: Kreuztabelle Materialklassifizierung/Materialgruppenbildung ...
104
Tabelle 6-4: Kreuztabelle Materialklassifizierung/Portfolioanalyse ...
106
Tabelle 6-5: Kreuztabelle Einkaufsorganisation/Instrumente der Beschaffung ...
107
Tabelle 6-6: Kreuztabelle Anzahl der Mitarbeiter/Instrumente der Beschaffung ...
109
Tabelle 6-7: Kreuztabelle Branchenzugehörigkeit/Instrumente der Beschaffung...
111
Tabelle 6-8: Kreuztabelle: Anzahl der Mitarbeiter/Beschaffungsmarktforschung...
112
Tabelle 6-9: Beschaffungsziele von KMU ...
115
Tabelle 6-10: F- und t-Werte der Clusteranalyse...
119
Tabelle 6-11: Kreuztabelle Mitarbeiterzahl/Wertschöpfungstiefe ...
121
Tabelle 6-12: Modular Sourcing in KMU ...
123
Tabelle 6-13: Mittelwerte der Einschätzung der Ressourcen ...
124
Tabelle 6-14: Mittelwerte der Problemfelder im Bereich des Global Sourcings ...
125
Tabelle 6-15: Mittelwerte der Einstellungen zu horizontalen Kooperationen...
126
Tabelle 6-16: Mittelwerte der Einschätzungen bezüglich der Risiken und der
Merkmale bei der Wahl eines Kooperationspartners ...
128
10

Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Fragebogen...
133
Anhang 2: Statistiken Fragebogen...
138
Anhang 3: Mitarbeiterzahl und Umsatz...
...141
Anhang 4: Branchenzugehörigkeit, Rechtsform und Schlüsselinformanten ...
...143
Anhang 5: Organisation der Beschaffung in KMU ...
143
Anhang 6: Binäre logistische Regressionsanalyse...
...146
Anhang 7: Aufgabenbereiche der Beschaffung in KMU...
...149
Anhang 8: Einfluss der Unternehmensgröße auf die Bedeutung der
Beschaffungsaufgaben...
...152
Anhang 9: Materialgruppenbildung und Materialklassifizierung...
...157
Anhang 10: Einfluss Materialgruppenbildung auf Portfolioanalyse ...
...158
Anhang 11: Einfluss der Organisation der Beschaffungsabteilung auf den
Aufgabenbereich des Variantenmanagements...
...159
Anhang 12: Einfluss der Organisation der Beschaffungsabteilung auf den
Aufgabenbereich der Wertanalyse...
...162
Anhang 13: Einfluss der Existenz einer eigenständigen Einkaufsabteilung
auf den Aufgabenbereich der Wertanalyse...
.164
Anhang 14: Einfluss der Mitarbeiterzahl auf die Aufgabenbereiche des
Variantenmanagements ...
.. 1 65
Anhang 15: Einfluss der Mitarbeiterzahl auf die Aufgabenbereiche der
Wertanalyse ...
.. 167
Anhang 16: Einfluss der Branchenzugehörigkeit auf die Aufgabenbereiche des
Variantenmanagements ...
... 168
Anhang 17: Einfluss der Branchenzugehörigkeit auf die Aufgabenbereiche der
Wertanalyse ...
... 169
Anhang 18: Einfluss der Mitarbeiterzahl auf das Aufgabenfeld der
Beschaffungsmarktforschung ...
... 171
Anhang 19: Einfluss operative Beschaffungsmarktforschung auf strategische
Beschaffungsmarktforschung ...
174
Anhang 20: Zielformulierung in KMU...
175
Anhang 21: Strategische vs. operative Zielsetzungen in KMU...
178
Anhang 22: Clusteranalyse ...
... 180
11

Anhang 23: Diskriminanzanalyse ...
.. 185
Anhang 24: Ergebnisse der Clusteranalyse ...
... 195
Anhang 25: Wertschöpfungstiefe von KMU ...
... 200
Anhang 26: Modular Sourcing in KMU ...
... 202
Anhang 27: Weitere Erkenntnisobjekte der Sourcing-Konzepte...
... 203
Anhang 28: Erfahrung mit horizontalen Kooperationen ...
... 205
12

1
Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
In Zeiten der Globalisierung und einer sich verstärkenden Wettbewerbsintensität rückt der
Aufgabenbereich der Beschaffung mehr und mehr in den Vordergrund. Es stellt sich die
Frage, inwieweit eine strategisch ausgestaltete Beschaffung einen Beitrag zu einem nach-
haltigen Unternehmenserfolg leisten kann. Abgeleitet aus den generischen Strategien der
Kostenführerschaft und der Differenzierung ergeben sich für die Versorgungsfunktion ver-
schiedene Aufgabenbereiche. Bei einer Strategie der Kostenführerschaft orientiert sich das
Versorgungsmanagement am Ziel der Kostenreduzierung.
1
Neue Herausforderungen, ins-
besondere für KMU ergeben sich durch die Entwicklung neuer Kommunikationsmedien
sowie des Global Sourcings, dass durch eine zunehmende Öffnung der Märkte und eine Ent-
wicklung des freien Welthandels immer bedeutender wird
2
. Bis 2009 wird die Anzahl der
Unternehmen, die China, Indien und Osteuropa als Beschaffungsmärkte nutzen, von 30 % auf
72 % steigen. Aufgrund dieser sich abzeichnenden Entwicklung ist auch für KMU eine
globale Beschaffung machbar und unverzichtbar.
3
Bei einer Strategie der Differenzierung
steht vor allem das Ziel der Leistungsverbesserung im Vordergrund.
4
Auch hier lässt sich die
zunehmende Bedeutung der strategischen Beschaffung erkennen. Ohne eine intensive und
langfristige Zusammenarbeit mit den Lieferanten wird ein erfolgreiches Bestehen am Markt
nicht möglich sein. Die Tatsache, ,,dass der Anteil der eigenproduzierten Leistungen
abnimmt"
5
, und der Trend zur zunehmenden Konzentration auf Kernkompetenzen bedingen
ein immer größer werdendes Beschaffungsvolumen und lassen somit auch eine strategische
Ausrichtung der Beschaffung immer wichtiger werden. Ziel der Arbeit ist es, die derzeitige
Bedeutung und Ausgestaltung der strategischen Beschaffung in kleinen und mittleren
Unternehmen darzustellen und unternehmensgrößenbedingte Unterschiede herauszuarbeiten.
Es soll herausgestellt werden, inwieweit die strategisch Beschaffungsaufgabe bereits im
Unternehmen verankert ist und welche Bedeutung dieser zugesprochen wird. Des Weiteren
soll die konkrete Ausgestaltung der strategischen Beschaffung in KMU durch die Darstellung
der verschiedenen möglichen strategischen Stoßrichtungen, d. h. der Sourcing-Strategien
dargestellt werden.
1
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 11.
2
Vgl. Eichler (Strategische Beschaffung 2009), S. 1.
3
Vgl. A.T. Kearny (Beschaffungsmanagement 2005), S. 3.
4
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 11.
5
Vgl. Kerkhoff (Milliardengrab Einkauf 2008), S. 40.
13

1.2 Aufbau der Arbeit
Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit enthält die zentralen Begriffsdefinitionen der strategischen
Beschaffung sowie der kleinen und mittleren Unternehmen. Hier werden die Begriffe
definiert und es findet eine Abgrenzung zu verwandten Begriffen statt. Im Bereich der
strategischen Beschaffung findet insbesondere eine Abgrenzung zum Begriff der Logistik und
der Materialwirtschaft statt. Des Weiteren wird der Zusammenhang der Begriffe der Be-
schaffung und des Einkaufs näher erläutert. Die Begrifflichkeiten der KMU und des Mittel-
stands werden näher erläutert.
In Kapitel 3 werden die theoretischen Grundlagen der strategischen Beschaffung dargestellt.
Hier wird die Bedeutung der Beschaffung im Kontext der Fertigungstiefe für den Unter-
nehmenserfolg verdeutlicht und die Entwicklung einer rein operativ geprägten Beschaffung
hin zu einer strategisch ausgerichteten Beschaffung erläutert. Des Weiteren werden die
Objekte der Beschaffung definiert und in diesem Zusammenhang die gegensätzlichen
Positionen der objektumfassenden und der objektspezifischen Beschaffungslehre weiter er-
läutert. In einem weiteren Schritt werden die strategischen Aufgaben Ziele der Beschaffung
definiert.
Gegenstand von Kapitel 4 ist die Vermittlung grundlegender Informationen zum Thema
KMU. Diskutiert werden hierbei die verschiedenen Kriterien und Möglichkeiten der
Abgrenzung von KMU. Im nächsten Schritt wird auf die ökonomische und außerökonomische
Bedeutung von KMU eingegangen. Die Darstellung der außerordentlichen Bedeutung von
KMU in der Bundesrepublik Deutschland lässt die Beschäftigung mit dem Themengebiet der
strategischen Beschaffung im Rahmen von KMU noch wichtiger erscheinen.
Ausgehend von der Definition der Objekte der Beschaffung und der Aufgaben der
strategischen Beschaffung in Kapitel 3 werden in Kapitel 5 die verschiedenen Betätigungs-
felder der strategischen Beschaffung in Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen näher er-
läutert. Der erste Abschnitt befasst sich mit der Organisationsgestaltung der Beschaffung in
KMU. Hierzu werden zuerst die spezifischen Besonderheiten der organisatorischen
Strukturen in KMU herausgearbeitet und anschließend die verschiedenen Möglichkeiten der
Binnenorganisation der Beschaffung in KMU dargestellt. Anschließend werden die
möglichen Eingliederungen der Beschaffungsabteilung in die Unternehmenshierarchie dar-
gestellt. Im Rahmen der strategischen Beschaffungsplanung werden Instrumente der Be-
14

schaffungsprogrammpolitik und der Situationsanalyse aufgezeigt. Der Einsatz dieser
Instrumente kann als Voraussetzung angesehen werden, um sich in einem nächsten Schritt mit
weitergehenden strategischen Beschaffungsentscheidungen befassen zu können. Kern dieser
weitergehenden Beschaffungskonzepte sind die Sourcing-Strategien. Diese werden im letzten
Teil dieses Kapitels in Bezug auf KMU erläutert.
Gegenstand von Kapitel 6 ist die Auswertung der empirischen Studie, die im Rahmen des
Forschungsprojektes durchgeführt wurde. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels steht die
methodische Vorgehensweise im Vordergrund. Im Rahmen der Vorbereitung der Unter-
suchung werden die Methodik der Datenerhebung näher erläutert, die Untersuchungs-
einheiten näher charakterisiert, die Gestaltung des Fragebogens erklärt und das Ziel der Unter-
suchung dargestellt. Im nächsten Abschnitt werden die Vorgehensweise bei der Durchführung
sowie die Tools und Methoden beschrieben, die bei der Auswertung zur Anwendung kamen.
Der Abschnitt endet mit allgemeinen deskriptiven Statistiken zur Charakterisierung der
beteiligten Unternehmen. Darauf folgend finden eine Darstellung und Diskussion der aus der
Untersuchung gewonnenen Ergebnisse statt. Hierzu werden deskriptive Statistiken erstellt, die
die in der Theorie gewonnenen Erkenntnisse erweitern oder verdeutlichen sollen. Es werden
des Weiteren Hypothesen aus der Theorie abgeleitet und Analysen durchgeführt. Schließlich
wird eine Clusteranalyse in Bezug auf die Sourcing-Strategien durchgeführt, um so bislang
nicht bekannte Zusammenhänge aufzudecken.
15


2
Begriffsbestimmungen und Abgrenzung zu verwandten Begriffen
2.1 Strategische Beschaffung
Der Begriff der strategischen Beschaffung ist zusammengesetzt aus dem Adjektiv
,,strategisch" und dem Begriff der Beschaffung. Die Beschaffung umfasst ,,sämtliche
unternehmens- und/oder marktbezogenen Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem
Unternehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte verfügbar zu machen"
6
Als strategisch können Entscheidungen bezeichnet werden, ,,die aus einer übergeordneten
Perspektive die grundsätzliche Ausrichtung eines Unternehmens bestimmen"
7
. "Mit anderen
Worten kann die strategische Beschaffung als Schnittmenge der Handlungen des
Beschaffungsmanagements und des allgemeinen strategischen Managements betrachtet
werden"
8
. Abzugrenzen ist die strategische Beschaffung von der operativen Beschaffung, die
sich mit ,,kurzfristigen Entscheidungen im operativen Tagesgeschäft befasst"
9
. Folgt man dem
ressourcenorientierten Ansatz des strategischen Managements, gilt es die unternehmensintern
gebundenen Ressourcen, wie Sachmittel, Fähigkeiten, Organisationsprozesse, Verhaltens-
weisen, Informationen und Wissen, weiterzuentwickeln und für die Beschaffung einzusetzen.
10
Die im Unternehmen gebundenen Fähigkeiten stellen Erfolgspotenziale dar, die entfaltet
werden müssen, um sich somit Wettbewerbsvorteile im Beschaffungsprozess zu sichern.
Strategische Beschaffung bedeutet also, die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten des
Unternehmens einzusetzen, um sich somit dauerhaft Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Betrachtet man die Versorgungsfunktion als Subsystem eines Unternehmens, ist die Be-
schaffung lediglich ein Teilbereich dieser Funktion, der von den Begriffen der Material-
wirtschaft und der Logistik abzugrenzen sind.
11
Die Logistik kann als eine umfassende
Leistungskonzeption verstanden werden, die die ,,Flußorientierung des Gesamtunternehmens
bzw. der Versorgungskette in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt"
12
. Es wird erkennbar,
dass es Aufgabe der Logistik ist, den physischen Gütertransport zu optimieren und dabei
einen unternehmensübergreifenden Standpunkt einzunehmen. Auch Schulte, der die Logistik
kennzeichnet als ,,alle Managementaktivitäten in und zwischen Unternehmen, die sich auf die
Gestaltung des gesamten Material- und Informationsflusses von den Lieferanten in ein
6
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 3.
7
Vgl. Hungenberg (Strategisches Management 2006), S. 6.
8
Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 29.
9
Wannewetsch (Integrierte Materialwirtschaft und Logistik 2007), S. 105.
10
Vgl. Marquardt (Strategische Unternehmensentwicklung 2003), S. 21-27.
11
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 1-2.
12
Pfohl (Logistikmanagement 2004), S. 6.
17

Unternehmen hinein, innerhalb eines Unternehmens sowie vom Unternehmen zu den Ab-
nehmern beziehen"
13
, folgt dieser Sichtweise. Die in der Literatur verfolgte Sichtweise, die
Materialwirtschaft und die Beschaffung unter dem Begriff der Logistik als eine übergeordnete
Organisationseinheit zuzuordnen, wird hier nicht weiter verfolgt.
14
Die Materialwirtschaft hat
die Aufgabe, die Optimierung der Materialversorgung innerhalb eines Unternehmens zu ge-
währleisten. Das materialwirtschaftliche Optimum wird erreicht, wenn die erforderlichen
Mengen und Qualitäten des Materials zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Verbrauchs- oder
Lagerungsort zu den niedrigsten Kosten bereitgestellt werden.
15
Der Begriff der Material-
wirtschaft ist gekennzeichnet durch ein enges Objektverständnis, eine eher operative Sicht
und ein stark adaptives Verhalten.
16
Hier wird der Unterschied zum Begriff der Beschaffung
deutlich, der alle unternehmens- und marktbezogenen Aufgaben umfasst, um das Unter-
nehmen mit allen benötigten, aber nicht selbst hergestellten Gütern zu versorgen. Hiermit
wird dem Ansatz der integrierten Materialwirtschaft widersprochen, der die Material-
wirtschaft als eine ganzheitliche Versorgungs- und Entsorgungsfunktion versteht, unter der
die Material- und Erzeugnisbeschaffung, die Logistik sowie die Entsorgung zu subsumieren
sind.
17
Folglich würde hier die Beschaffung lediglich als eine Subfunktion der
Materialwirtschaft betrachtet werden. Häufig wird eine Unterscheidung in die Begriffe
Einkauf und Beschaffung vorgenommen. Hierbei wird der Einkauf traditionell als ein Teil-
bereich der Beschaffung angesehen, der die operativen Tätigkeiten in den Vordergrund stellt.
18
Der Begriff der Beschaffung als ein Teilbereich der Versorgungsfunktion eines Unternehmens
geht in seiner Definition weiter und bezieht neben diesen Tätigkeiten auch strategische
Aufgaben mit ein.
19
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit sollen, wie in der Theorie und Praxis
gefordert, die Begriffe Beschaffung, im Englischen procurement, und Einkauf, auf Englisch
purchasing, jedoch synonym verwendet werden.
20
Der Begriff des Beschaffungsmanagements
geht weiter und umfasst neben der Beschaffung auch den Bereich der Beschaffungslogistik,
der die Aufgabe hat, den Transport der Beschaffungsgüter vom Lieferanten zum Abnehmer
sicherzustellen, die Lagerhaltung zu organisieren sowie die benötigten Mengen an Materialien
zu ermitteln.
21
Die Beschaffungslogistik stellt wiederum einen Teilbereich der Logistik dar,
die in die Bereiche Beschaffungs-, der Fertigungs- und der Distributionslogistik unterteilt
13
Arnold u. a. (Handbuch Logistik 2008), S. 255.
14
Vgl. Wannewetsch (Integrierte Materialwirtschaft und Logistik 2007), S. 20.
15
Vgl. Grochla (Materialwirtschaft 1986), S. 19-23.
16
Vgl. Koppelmann (Beschaffungsmarketing 2000), S. 5.
17
Vgl. Bühner (Betriebswirtschaftliche Organisationslehre 2004), S. 318-319.
18
Vgl. Arnolds u. a. (Materialwirtschaft und Einkauf 1996), S. 22.
19
Vgl. Zagler (Einkaufssynergien 2003), S. 31-33.
20
Vgl Schulte (Logistik 1995), S. 127; vgl. Monczka (Purchasing Management 2005), S. 7-8.
21
Vgl. Schulte (Logistik 1995), S. 127.
18

werden kann.
22
Gleichgesetzt werden kann der Begriff des Beschaffungsmanagements mit der
englischen Bezeichnung des Supply Managements sowie dem Begriff des
Beschaffungsmarketings, der die Beschaffungsaufgabe als Führungskonzept sieht, das auf den
Versorgungsmarkt gerichtet ist.
23
2.2 Kleine und mittlere Unternehmen
Aufgrund der Vielfalt an Ausprägungen bereiten die Abgrenzung und Beschreibung der
kleinen und mittleren Unternehmen in der Wirtschaftsterminologie erhebliche Schwierig-
keiten.
24
Bereits Gantzel zeigte 1962 in einer Literaturanalyse 190 unterschiedliche
Definitionen von mittelständischen Unternehmen auf.
25
Es stellt sich die Frage, ob der Begriff
des Mittelstands synonym mit dem Begriff von KMU verwendet werden darf. Im Sprach-
gebrauch lassen sich zwei differierende Interpretationen des Begriffs unterscheiden. Ur-
sprünglich drückte der Begriff des Mittelstands eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozio-
ökonomischen Schicht aus, einer Personengruppe, deren gesellschaftliche Stellung zwischen
der Oberschicht, Adel und Geistlichkeit, einerseits sowie der Unterschicht, den Tagelöhnern,
Dienstboten usw., andererseits anzusetzen war. Der Begriff des Mittelstands stand früher also
vor allem für den gewerblichen Mittelstand der nicht adeligen, städtischen Bürger.
26
Nach dem
Verfall der Ständegesellschaft gab es jedoch keinen einheitlichen Gebrauch dieses Begriffs
mehr. Einerseits wurde der Begriff des ,,Mittelständischen" auf eine bestimmte
Personengruppe übertragen, der auch die Gruppe des neuen Mittelstands, das
,,außerordentlich heterogene Ensemble der Angestellten, Ingenieure, Techniker,
Subalternbeamten, Volksschullehrer"
27
, zugeordnet wurde, andererseits wird der Begriff auch
einem bestimmten Unternehmenstyp zugewiesen, unter dem hautsächlich kleine und mittlere
Unternehmen zu subsumieren sind.
28
Zur Beschreibung dieser Unternehmenstypen können
sowohl qualitative als auch quantitative Merkmale herangezogen werden, die aufgrund ihrer
Parallelität jedoch die Begriffsbildung noch erschweren.
29
Bereits Ludwig Erhard erkannte in
den 1950 er-Jahren, dass der Mittelstandsbegriff nicht allein durch materielle Größen zu
beschreiben ist, sondern dass auch die Einstellung des Mittelstands zu gesellschaftlichen und
politischen Prozessen einen wichtigen Einfluss auf das begriffliche Verständnis des
22
Vgl Friedl (Beschaffungscontrolling 1990), S. 65.
23
Vgl. Koppelmann (Beschaffungsmarketing 2000), S. 5.
24
Vgl Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 25.
25
Vgl. Gantzel (Wesen der mittelständischen Unternehmung 1962), S. 294-309.
26
Vgl. Hamer ( Mittelstand 1984), S. 9.
27
Wehler (Deutsche Gesellschaftsgeschichte 2008), S. 146.
28
Vgl. Moraw (Mittelständische Unternehmen 1990), S. 19.
29
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 25.
19

Mittelstands haben muss
30
. Die rein materielle, d. h. quantitative Beschreibung wird somit der
Bedeutung des Mittelstands nicht gerecht. Aufgrund der Definitionsvielfalt ist eine
allgemeingültige Eingrenzung von KMU sowohl in nationalen als auch internationalen
Statistiken nicht erkennbar
31
. Eine weitere Einordnung der KMU anhand der in Deutschland
gängigen Klassifizierungsmerkmale findet in Kapitel 4 statt.
30
Vgl. Rüstow (Der mittelständische Unternehmer 1956), S. 54.
31
Vgl. Griechnik (Finanzierungsverhalten mittelständischer Unternehmen 2003), S. 78-82.
20

3
Theoretische Grundlagen der strategischen Beschaffung
3.1 Bedeutung des Einkaufs für den Unternehmenserfolg
Traditionell konzentrieren sich die Vorstände und Geschäftsführer der Unternehmen eher auf
die Funktionsbereiche Entwicklung. Finanzierung, Controlling und Marketing.
32
Betrachtet
man jedoch die Bedeutung der Beschaffungsabteilung für den Unternehmenserfolg, wird
schnell deutlich, welchen Stellenwert die Beschaffung innerhalb des Unternehmens eigentlich
einnehmen müsste. Vergleicht man den Effekt einer Materialkostenreduzierung mit dem einer
Umsatzsteigerung, wird klar, welchen Effekt eine effiziente Beschaffung auf den
Unternehmenserfolg haben kann. ,,Eine Materialkostenreduzierung von 2 % hat bei einem
Materialkostenanteil am Umsatz von 40 % bei sonst gleich bleibenden Rahmenbedingungen
den gleichen Effekt wie eine Umsatzsteigerung von 16 %. Einsparungen von 1,5 % lassen
sich (...) bis auf ganz wenige Ausnahmen völlig problemlos realisieren."
33
Abbildung 3-1: Wirkung einer Materialkostenreduzierung
Quelle: In Anlehnung an Schulte (Materialwirtschaft 2001), S. 47
Es erscheint in diesem Kontext sinnvoll, sich zuerst mit den Einsparpotenzialen der
Beschaffung auseinanderzusetzen. Eine Umsatzsteigerung von 16 % erscheint vor allem in
32
Vgl. Kerkhoff (Milliardengrab Einkauf 2008), S. 20.
33
Kerkhoff (Milliardengrab Einkauf 2008), S. 40.
2-
6-
10-
14-
18-
-
-
-
-
-
-
10 20 30 40 50 60
Vergleichbare
Umsatzsteigerung
in %
Materialkostenanteil am
Umatz in %
Materialkostenreduzierung
um 2%
2-
6-
10-
14-
18-
-
-
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-
-
-
10 20 30 40 50 60
Vergleichbare
Umsatzsteigerung
in %
Materialkostenanteil am
Umatz in %
2-
6-
10-
14-
18-
-
-
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-
-
-
10 20 30 40 50 60
Vergleichbare
Umsatzsteigerung
in %
Materialkostenanteil am
Umatz in %
Materialkostenreduzierung
um 2%
21

Märkten mit hohem Konkurrenzdruck schwer und allenfalls mit hohen Marketing-
aufwendungen erreichbar zu sein. Wenn man den Trend, ,,dass der Anteil der eigen-
produzierten Leistung abnimmt"
34
, in Betracht zieht, wird deutlich dass die Beschaffungs-
funktion in diesem Kontext aufgrund des Hebeleffekts immer wichtiger wird.
35
Wirkungen
einer Materialkostensenkung auf den Gewinn erhöhen sich mit sinkender Fertigungstiefe und
einem dadurch verursachten höheren Einkaufsvolumen. Der Vergleich von Unternehmen mit
Fertigungstiefen von 40 % bzw. 50 % ergibt folgendes Bild. Bei dem Unternehmen mit der
geringeren Fertigungstiefe ergeben sich bei einer Einkaufskostenreduzierung von 5 % eine
Gewinnsteigerung von 60 % sowie eine Steigerung der Umsatzrentabilität von 7,6 % im
Vergleich zu 50 % Gewinnsteigerung und einer 7,1 %igen Steigerung der Umsatzrentabilität
bei dem Unternehmen mit einer höheren Fertigungstiefe.
Tabelle 3-1: Vergleich der Gewinnsteigerung/Umsatzrentabilität bei Unternehmen mit
unterschiedlicher Wertschöpfungstiefe
Quelle: Eigene Darstellung
Daraus kann man die Erkenntnis ziehen, dass der Trend zum Outsourcing und somit zu einer
geringeren Fertigungstiefe die Hebelwirkungen der Beschaffung noch verstärkt und somit der
Aufgabenbereich der Beschaffung noch mehr in den Fokus einer strategisch angelegten
34
Vgl. Kekhoff (Milliardengrab Einkauf 2008), S. 40.
35
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 15.
Fertigungstiefe 40%
Fertigungstiefe 50%
10,5%
7,6%
5,6%
4,8%
9,5%
7,1%
5,5%
4,8%
Umsatzrentabilität
120%
60%
18%
100%
50%
15%
Gewinnsteigerung
11
8
5,9
5
10
7,50
5,75
5
= Gewinn
-Gesamtkosten
105
105
105
105
105
105
105
105
Nettoumsatz
94
97
99,1
100
95
97,50
99,25
100
Gesamtkosten
20
20
20
20
25
25
25
25
Sonstige Kosten
54
57
59,1
60
45
47,50
49,25
50
Einkaufskosten
20
20
20
20
25
25
25
25
Personalkosten
10%
5%
1,5%
keine
10%
5%
1,5%
keine
Einkaufskosten-
reduzierung
Fertigungstiefe 40%
Fertigungstiefe 50%
10,5%
7,6%
5,6%
4,8%
9,5%
7,1%
5,5%
4,8%
Umsatzrentabilität
120%
60%
18%
100%
50%
15%
Gewinnsteigerung
11
8
5,9
5
10
7,50
5,75
5
= Gewinn
-Gesamtkosten
105
105
105
105
105
105
105
105
Nettoumsatz
94
97
99,1
100
95
97,50
99,25
100
Gesamtkosten
20
20
20
20
25
25
25
25
Sonstige Kosten
54
57
59,1
60
45
47,50
49,25
50
Einkaufskosten
20
20
20
20
25
25
25
25
Personalkosten
10%
5%
1,5%
keine
10%
5%
1,5%
keine
Einkaufskosten-
reduzierung
22

Unternehmensführung gelangen muss.
36
Eine große Bedeutung hat die Beschaffungsfunktion
auch im Kontext des Innovationsmanagements. Die ,,Präsenz in neuen Beschaffungsmärkten
ermöglicht es den Unternehmen Produkttrends und -entwicklungen frühzeitig zu erkennen,
die so als Innovationstreiber für die unternehmenseigenen Produkte und Lösungen wirken
können."
37
Eine gut organisierte und effiziente Einkaufsabteilung kann somit nicht nur
Kostensenkungspotenziale ausnutzen, sondern auch im Feld des Innovationsmanagements
aktiv zum Unternehmenserfolg beitragen. Die Erkenntnis des Einflusses der Beschaffungs-
funktion auf den Unternehmenserfolg mag dazu geführt haben, dass sich die Beschaffung im
Zeitablauf weg von einer rein operativen, ausführenden Funktion hin zu einer strategisch
bedeutsamen Unternehmenseinheit entwickelt hat, die einen wesentlichen Beitrag zur
Generierung strategischer, nachhaltiger Wettbewerbsvorteile leistet.
38
Der folgende Abschnitt
soll die Entwicklung des Verständnisses der Beschaffungsfunktion im Zeitablauf darstellen.
3.2 Entwicklung der Beschaffung
,,Jeder kann einkaufen." Diese Aussage prägte lange Zeit das Verständnis der Entwicklung
der Beschaffungsfunktion. Die ersten bekannten Arbeiten (Brauns 1927, Rahm 1923,
Berlitzer 1929) beschäftigten sich mit der Frage wie der Beschaffungsprozess zu organisieren
ist, sowie mit der Organisation der Beschaffungsabteilung. Sanding war der erste Autor, der
diese traditionellen Sichtweisen aufbrach und die Tätigkeiten in unternehmensinterne und
marktorientierte Tätigkeiten unterschied.
39
Diese beiden prinzipiellen Gestaltungs-
möglichkeiten beschreibt auch Arnold im Rahmen der strategischen Beschaffungsplanung.
40
Diese Unterscheidung lässt bereits einen strategischen Einfluss auf die Beschaffung erkennen,
da auch das strategische Management zwischen dem ressourcenorientierten und dem
marktorientierten Ansatz unterscheidet.
41
Erste strategische Ansätze lassen sich auch in
Thielens Erkenntnis der Wichtigkeit der Standardisierung von Beschaffungsgütern und der
Reduzierung der Materialvielfalt erkennen.
42
Die Jahre nach Beendigung des 2. Weltkriegs
waren geprägt durch Mangelwirtschaft. Dadurch entstand eine Notwendigkeit, sich auf
schwarzen und grauen Märkten zu bewegen. Aufgrund der Mangelwirtschaft war es somit
notwendig geworden, in internationalen Märkten einzukaufen, da weite Teile der inländischen
36
Vgl. Arnold (Strategische Lieferantenintegration 2004), S. 130.
37
Vgl. Kleemann (Global Sourcing im Mittelstand 2008), S. 12-13.
38
Vgl. Dillmann/Sioulvegas (Beschaffungsprozesse 2003), S. 31.
39
Vgl. Kaufmann (Purchasing and Supply Management 2002), S. 5-6.
40
Vgl. Arnold (Strategische Beschaffungspolitik 1982), S. 205-217.
41
Vgl. Hungenberg (Strategisches Management 2006), S. 61-64.
42
Vgl. Thielen (Beschaffungswirtschaft 1939), S. 31-42.
23

Wirtschaft zerstört waren.
43
In den späten Fünfzigerjahren war es Sundhoff, der erstmalig eine
Trennung zwischen kurzfristigen, d.h. operativen, und langfristigen Einkaufsstrategien
vornahm.
44
Mellerowicz hob 1963 drei wichtige Aspekte der Beschaffung hervor. Er betonte
die Beteiligung der Beschaffungsabteilung an unternehmensweiten Make-or-buy-Ent-
scheidungen, die aktive Gestaltung der Beziehungen zu Lieferanten und die Notwendigkeit
des Risikomanagements bei der internationalen Beschaffung.
45
Bis Ende der Sechzigerjahre
verlor die Beschaffung jedoch die Anerkennung, die sie während des 2. Weltkriegs erlangt
hatte, und andere Unternehmensfunktionen wurden wichtiger. Die Befriedigung der
Kundenbedürfnisse und somit die Funktion des Marketings standen im Vordergrund. Auch
wurden die in der Literatur angesprochenen neuen Forschungsergebnisse nicht in der Praxis
angewendet.
46
In der Zeit der späten Sechzigerjahre bis Anfang der Achtzigerjahre fand die
Theorie Einzug in die Managementforschung. Die Beschaffung wurde als umfassende
Funktion gesehen, die sowohl operative als auch strategische Aufgaben zu erfüllen hatte und
eine aktive Rolle im Unternehmen spielte.
47
Kraljic ermöglichte mit der Einführung des
Beschaffungsportfolios erstmals eine umfassende Entwicklung von Beschaffungsstrategien.
48
Gleichzeitig wuchs auch in der betrieblichen Praxis das Interesse am strategischen
Beschaffungsmanagement. Bereits Ende der Siebzigerjahre beschäftigte sich die Schmalen-
bachgesellschaft mit strategischen Aspekten der Beschaffung. In vielen Unternehmen
entstanden Unternehmenseinheiten, die die Bezeichnung ,,Strategischer Einkauf" trugen.
Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl der Seminare zu strategischen Fragestellungen sowie
zum Thema Beschaffungsstrategien.
49
Die Zeit von Ende der Achtzigerjahre bis Mitte der
Neunzigerjahre war gekennzeichnet durch eine zunehmende Konzentration auf Kern-
kompetenzen und einen steigenden internationalen Wettbewerb. Mit einem zunehmenden
internationalen Wettbewerb begannen Unternehmen mit der systematischen Suche nach neuen
Wettbewerbsvorteilen gegenüber ihren Konkurrenten. Der Erfolg von Lopez ist ein Beispiel
dafür, wie mit einer zunehmenden Fokusierung auf Kostensenkungen in der Beschaffung
versucht wurde, sich strategische Wettbewerbsvorteile zu sichern. Die stärkere Konzentration
auf Kernkompetenzen hatte zur Folge, dass die Beschaffungsvolumina stetig anstiegen.
Dieser Trend und die Entwicklung der Kommunikations- und Informationstechnologie
43
Vgl. Kaufmann (Purchasing and Supply Management 2002), S. 6.
44
Vgl. Sundhoff (Grundlagen und Technik der Beschaffung 1958), S. 55-56.
45
Vgl. Mellerowicz (Unternehmenspolitik 1963), S. 222-253.
46
Vgl. Kaufmann (Purchasing and Supply Management 2002), S. 7.
47
Vgl. Kaufmann (Purchasing and Supply Management 2002), S. 7.
48
Vgl. Kraljic (Neue Wege im Beschaffungsmarketing 1977), S. 72-80.
49
Vgl. Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 28.
24

rückten das Global Sourcing immer mehr in den Fokus von Beschaffungsaktivitäten.
50
In einer
1995 durchgeführten Befragung von 42 Führungskräften gaben 85 Prozent die Konzentration
auf Kernkompetenzen als Grund für die Reduzierung der Fertigungstiefe an.
51
Die Unter-
nehmensstrategie der Konzentration auf Kernkompetenzen mit dem dazugehörigen
Outsourcing von Unternehmensaktivitäten hat zu mehr und mehr internationalisierten Netz-
werkstrukturen geführt.
52
In einer Delphi-Studie aus dem Jahr 2005 nennen Odgen, Petersen,
Carter und Monczka die externe und interne Integration und Zusammenarbeit, die fort-
schreitende Globalisierung und den qualitativen und quantitativen Informationsaustausch als
wahrscheinliche Entwicklungen im Beschaffungsbereich, die eine hohe Bedeutung für das
Beschaffungsmanagement haben werden.
53
Diese Entwicklungen machen deutlich, dass die
strategische Ausrichtung der Beschaffungsfunktion einen immer höheren Stellenwert im Be-
schaffungsbereich einnehmen wird. Die Entwicklungen der Finanzkrise werden auch im
Bereich des Beschaffungsmanagements Auswirkungen haben. Insbesondere in mittel-
ständischen Unternehmen ist im Bereich des Beschaffungsmanagements noch ein großes
Einsparpotenzial vorhanden.
54
Die Entwicklungen könnten die Bedeutung der Beschaffungs-
funktion aufwerten, da Einsparungen, die in Zeiten der Krise häufig getätigt werden müssen,
im Beschaffungsbereich nicht zum Verlust zukünftiger Erfolgspotenziale führen, wie es zum
Beispiel bei Einsparungen im durch Fachkräfte- und Ingenieurmangel geprägten Personal-
bereich der Fall ist. Nachdem die Bedeutung der Beschaffung für den Unternehmenserfolg
aufgezeigt, und die Entwicklung der Beschaffung hin zu einer umfassenden strategischen
Unternehmensfunktion beschrieben wurde, stellt sich die Frage, welche Beschaffungsobjekte
zum Aufgabenumfang der Beschaffung gehören. Dies soll Inhalt des nächsten Kapitels sein.
3.3 Objekte der Beschaffung
Grundsätzlich umfassen die Objekte der Beschaffung alle Objekte, die vom Unternehmen
nachgefragt werden. Beschaffungsobjekte lassen sich in die Teilbereiche Sachgüter, Rechte,
Dienstleistungen, Arbeitskräfte, Information und Kapital untergliedern.
55
Daran schließt sich
eine Diskussion an, welche Objekte dem Beschaffungsbereich der industriellen Beschaffung
zuzuordnen sind, d.h. ob die ,,Beschaffungsprobleme in Forschung und Lehre im Rahmen
objektkategoriebezogener Teillehren oder im Rahmen einer alle Objekte umfassenden
50
Vgl. Kaufmann (Purchasing and Supply Management 2002), S. 8.
51
Vgl. Boutellier/Locker (Beschaffungslogistik 1998), S. 2.
52
Vgl. Kaufmann (Purchasing and Supply Management 2002), S. 8.
53
Vgl. Odgen u. a. (Supply Management Strategies 2005), S. 39-41.
54
Vgl. Laun (Der Betriebsleiter 2009), S. 3.
55
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 5.
25

Beschaffungslehre zu behandeln"
56
sind. Vertreter einer unfassenden Betrachtung der Be-
schaffung sind vor allen Schönbohm und seine Schüler. Diese führen an, dass bei der Be-
schaffung von Produktionsfaktoren teilweise die gleichen Probleme auftreten und bei der
Beschaffung Interdependenzen zu berücksichtigen sind.
57
Die gleichen Probleme treten bspw.
im Bereich der Make-or-buy-Entscheidungen auf. Bei der Materialbeschaffung ist eine
Entscheidung bezüglich der Eigenfertigung bzw. des Fremdbezugs zu treffen, aber auch im
Bereich der Personalabteilung ist zu berücksichtigen, ob bestimmte Leistungen selbst erstellt
oder von externen Beratern zugekauft werden können. Es treten hier bei der Beschaffungs-
aufgabe funktionale Gemeinsamkeiten auf, die auch gemeinsam behandelt werden sollten.
Eine Trennung der Beschaffungsobjekte in der Praxis, d.h. eine objektkategorienbezogene
Abteilungsgliederung , wird auch mit der Begründung abgelehnt, dass oftmals die Integration
aller dieser Abteilung zugeordneten Aufgaben, d.h. der Verwaltung und Bewirtschaftung im
Vordergrund stehe, und damit auf die Unterschiedlichkeit der Beschaffungsprobleme nicht
genügend reagiert werde.
58
Auch die Tatsache, dass z.B. die Beschaffung einer neuen Anlage
Auswirkungen auf die Personalbeschaffung hat, d. h. die Wechselwirkungen der einzelnen
Beschaffungsobjekte untereinander, wird angeführt, um eine alle Objekte umfassende Be-
handlung von Beschaffungsgütern zu fordern.
59
Das Ziel dieser umfassenden Beschaffungs-
lehre ist es, in der Forschung und Lehre die Funktion der Beschaffung zu zentralisieren und
somit in einer alle Objekte umfassenden Beschaffungslehre zu behandeln.
60
Vertreter der
objektspezifischen Beschaffungslehre verstehen unter diesem Begriff in seiner ,,engsten
Fassung lediglich die externe Bedarfsdeckung mit Material, also mit Roh-, Hilfs- und
Betriebsstoffen sowie mit Waren und Zulieferteilen"
61
. Gründe, die für eine objektspezifische
Betrachtungsweise und damit gegen eine objektumfassende Sichtweise sprechen, sind zum
einen, dass sich auch in den einzelnen Funktionsbereichen Interdependenzen herausbilden,
was die Argumentation der Interdependenzen zwischen den Beschaffungsobjekten als
Hauptargument für eine umfassende Sichtweise widerlegt.
62
Beispielsweise lassen sich in der
Personalabteilung wechselseitige Beziehungen bei der Personalbeschaffung und Personal-
förderung herstellen.
63
Des Weiteren erlauben die objektspezifischen Probleme der Güterarten
eine gemeinsame Behandlung im Sinne einer objektspezifischen Sichtweise nicht.
64
Es finden
56
Grochla/Schönbohm (Beschaffung in der Unternehmung 1980), S. 22.
57
Vgl. Hammann/Lohrberg (Beschaffungsmarketing 1986), S. 5-6.
58
Vgl. Grochla/Schönbohm (Beschaffung in der Unternehmung 1980), S. 19-20.
59
Vgl. Grochla/Schönbohm (Beschaffung in der Unternehmung 1980), S. 23-24.
60
Vgl. Grochla/Kubicek (Beschaffungslehre 1976), S. 260.
61
Vgl. Mai (Lieferantenwahl 1981), S. 7-8.
62
Vgl. Arnold (Strategisches Beschaffungsmanagement 1997), S. 5.
63
Vgl. Sattes u. a. (Erfolg in KMU 1998), S. 135-137.
64
Vgl. Mai (Lieferantenwahl 1981), S. 7-8.
26

sich in der Literatur auch Eingrenzungen, die zwar von einem objektspezifischen Verständnis
ausgehen, jedoch auch Dienstleistungen als Beschaffungsobjekte mit einbeziehen
65
. Möglich
ist auch die Ausgrenzung von Beschaffungsobjekten, ,,da sie im Mittelpunkt des Interesses
gesonderter Unternehmensbereiche stehen"
66
. Folker nennt hier die die Arbeitskräfte und das
Kapital, das den Unternehmensbereichen der Personal- und der Finanzwirtschaft zugeordnet
wird.
Abbildung 3-2: Umfang des Beschaffungsbegriffs
Quelle: In Anlehnung an Hammann (Beschaffungsmarketing 1986), S. 9
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll der objektspezifischen Perspektive von Beschaffungs-
objekten gefolgt werden. Damit soll der in der Praxis vorzufindenden institutionellen
Ausdifferenzierung, d.h. bspw. der Realisierung der Personalbeschaffung durch die
Beschaffungsabteilung und der bereits in der Praxis geschaffenen objektspezifischen
Spezialisierungen Rechnung getragen werden
67
. Auch Vertreter der objektumfassenden
Beschaffungslehre konstatieren, dass sich in der Praxis keine Unternehmung findet, ,,bei der
eine institutionalisierte Beschaffungsabteilung für die Beschaffung sämtlicher Güter und
Dienstleistungen verantwortlich wäre"
68
. Da diese wissenschaftliche Arbeit eine
Unternehmensbefragung zum Gegenstand der Untersuchung hat, erscheint es sinnvoll, sich an
der in der Praxis vorherrschenden Definition von Begrifflichkeiten zu orientieren. Aus diesen
65
Vgl. Hammann/Lohrberg (Beschaffungsmarketing 1986), S. 5-6.
66
Vgl. Folker (Beschaffungsstrategien 1993), S. 5.
67
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 5.
68
Grochla/Schönbohm (Beschaffung in der Unternehmung 1980), S. 18.
Rechte
Kapital
Informationen
Arbeitskräfte
Dienstleistungen
Sachgüter
Innerbetriebliche Behandlung
Erlangung der
Verfügungsgewalt
Phasen
Grochla/Schönbohm
Hamann/Lohberg
Arnold
Objekte
Rechte
Kapital
Informationen
Arbeitskräfte
Dienstleistungen
Sachgüter
Innerbetriebliche Behandlung
Erlangung der
Verfügungsgewalt
Phasen
Grochla/Schönbohm
Hamann/Lohberg
Arnold
Objekte
27

Gründen wird eine Eingrenzung des Objektumfangs auf Sachgüter bzw. Material i.e.S. vor-
genommen, wobei im Sinne einer strategischen Sichtweise die Interdependenzen zu anderen
Objekten und Funktionsbereichen nicht unberücksichtigt bleiben, sofern dies erforderlich ist.
69
In Anlehnung an die in Abschnitt zwei vorgenommene Differenzierung des Beschaffungs-
managements in Beschaffung und Beschaffungslogistik soll im weiteren Verlauf der Arbeit
unter dem Begriff der Beschaffung nur die die Erlangung der Verfügungsgewalt, nicht aber
die innerbetriebliche Behandlung der Güter verstanden werden. Die Aufgabenbereiche der
innerbetrieblichen Behandlung gleichen denen der Beschaffungslogistik und werden somit in
der Arbeit nicht weiter behandelt.
70
3.4 Strategische Aufgaben und Ziele der Beschaffung
Wie bereits erläutert, bildet das strategische Beschaffungsmanagement einen Teilbereich des
Beschaffungsmanagements. Die Erhaltung bzw. die Erschließung von Erfolgspotenzialen ist
der Aufgabenbereich, mit dem sich die strategische Beschaffung befasst.
71
,,Das Ziel der
strategischen Beschaffung besteht darin, durch Analyse und Gestaltung der relevanten
unternehmens- und umweltbezogenen Faktoren langfristige Beschaffungspotenziale zu ent-
decken, zu realisieren und zu sichern."
72
. Erfolgspotenziale sind also potenzielle Erfolge, die
durch Managementaktivitäten erst entwickelt werden müssen, um langfristig strategische
Wettbewerbsvorteile erreichen zu können. Zu klären ist allerdings, ob die Beschaffungs-
funktion auch in der Realität eine strategische, d. h die Entfaltung von Erfolgspotenzialen be-
treffende Dimension aufweist. Hinweise für einen positiven Zusammenhang finden sich bei
Carr und Smelzer, die in einer empirischen Studie einen positiven Zusammenhang zwischen
der strategischen Orientierung des Beschaffungsmanagements und dem Erfolg der be-
schaffenden Unternehmung herausfanden
73
.
Nach der Definition der strategischen Aufgaben der Beschaffung stellt sich die Frage, welche
Fähigkeiten in einer Unternehmung zu Erfolgspotenzialen führen
74
. Grundsätzlich lassen sich
die marktgerichtete Beschaffungspolitik und die betriebsgerichtete Beschaffungspolitik
unterscheiden
75
. Die betriebsgerichtete Beschaffungspolitik ist vor allem auf die ,,Gestaltung
69
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 5.
70
Vgl. Schulte (Logistik 1995), S. 127; vgl. Hammann/Lohrberg (Beschaffungsmarketing 1986), S. 5-9.
71
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 56.
72
Roland (Beschaffungsstrategien 1993), S. 13.
73
Vgl. Carr/Smeltzer (strategic purchasing 1997), S. 199-207.
74
Vgl. Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 35.
75
Vgl. Grochla/Schönbohm (Beschaffung in der Unternehmung 1980), S. 45-46.
28

leistungsfähiger Strukturen eines Beschaffungssystems gerichtet"
76
. Diese internen Erfolgs-
potenziale ergeben sich aus dem Mitarbeiterstamm, d.h. aus deren Qualifikation und
Motivation im Beschaffungsbereich. Die Erfolgspotenziale generieren sich aus dem Zu-
sammenwirken dieser Mitarbeiter in der bestehenden Aufbauorganisation und Ablauf-
organisation, d.h. der Organisation der im Unternehmen ablaufenden Prozesse.
77
Die
Organisationsgestaltung der Beschaffung wird in Kapitel 5.1 näher erläutert. Externe Erfolgs-
potenziale ergeben sich aus der Zusammenarbeit mit Partnern auf den Beschaffungsmärkten,
bei denen es sich prinzipiell um Anbieter oder Nachfrager handeln kann.
78
Abbildung 3-3: Gestaltungsbereiche der strategischen Beschaffung
Quelle: In Anlehnung an Thiell (Strategische Beschaffung 2006), S.60
Arnold unterscheidet prinzipiell im Rahmen der marktbezogenen Strategien den Aufbau und
die Verstärkung von Transaktionspotenzialen und die Sicherung von Transaktionssystemen.
79
Im Rahmen der Sicherung von Transaktionssystemen werden die langfristige Absicherung
bestehender Beschaffungsquellen und die Erschließung neuer Beschaffungsquellen genannt.
Unter dem Aufbau und der Verstärkung der eigenen Transaktionspotenziale versteht Arnold
vor allem die Stärkung der eigenen Marktposition gegenüber den Lieferanten durch
76
Arnold (Strategische Beschaffungspolitik 1982), S. 206-208.
77
Vgl. Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 36.
78
Vgl. Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 36.
79
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 72.
Strategische
Beschaffungs-
aufgaben
Interne
Erfolgspotenziale
Externe
Erfolgspotenziale
Unternehmens-
gerichtet
Markt-
gerichtet
Strategische
Beschaffungs-
aufgaben
Interne
Erfolgspotenziale
Externe
Erfolgspotenziale
Unternehmens-
gerichtet
Markt-
gerichtet
29

Gestaltung der vertikalen Marktbeziehungen. Der Aufbau kollektiver Transaktionspotenziale
dient letztendlich auch der Stärkung der eigenen Marktposition. Gestärkt werden soll diese
Position jedoch durch die horizontale Zusammenarbeit mit anderen beschaffenden Unter-
nehmen. Betrachtet man die prinzipielle Untergliederung der strategischen Stoßrichtungen in
marktbezogene und strukturbezogene Strategien, lässt ein Vergleich mit den Theorien des
strategischen Managements den Schluss zu ,dass die zwei grundsätzlichen Stoßrichtungen des
strategischen Managements in die Theorie des strategischen Beschaffungsmanagements
Einzug gehalten haben. Es lassen sich sowohl Ansätze des von Porter proklamierten
marktorientierten Ansatzes im Rahmen der marktbezogenen Strategien finden als auch
Ansätze des seit den Achtzigerjahren sich entwickelnden ressourcenorientierten Ansatzes im
Rahmen der strukturbezogenen Strategien.
80
Gedanklich lassen sich vier Teilbereiche unterscheiden, in denen sich externe Erfolgs-
potenziale entwickeln lassen, um so eine Sicherung oder Verbesserung der Wettbewerbs-
fähigkeit zu ermöglichen.
81
Die Integrationsfähigkeit beschreibt Aufgaben, deren Ziel es ist,
die von Lieferanten bezogenen Vorleistungen besser in den eigenen Wertschöpfungsprozess
zu integrieren. Ansatzpunkte für derartige Optimierungsbemühungen können bspw. die eigene
Variantenpolitik und somit die Gestaltung der eigenen Beschaffungssortimente sein. Die
Teilbereiche der Integrationsfähigkeit werden in Kapitel 5.2.1 näher behandelt. Hier werden
Instrumente aufgezeigt, die es den betreffenden Unternehmen ermöglichen die ,,technischen
Schnittstellen"
82
zu optimieren, und gleichzeitig die Voraussetzungen für weitere strategische
Aufgaben schaffen können. Der Teilbereich der Innovationsfähigkeit hat zum Ziel, die
Innovationspotenziale von Lieferanten zu erkennen und zu nutzen. Auf die spezifischen
Instrumente, die zur Erkennung des Innovationspotenzials der Lieferanten dienen, wird in
Kapitel 5.2.2 näher eingegangen. Insbesondere wird hier auf die Beschaffungsmarktforschung
eingegangen, die dazu dient, den Markt potenzieller Lieferanten umfassend beurteilen zu
können. Auch sollen hier Instrumente aufgezeigt werden, die sich systematisch mit der
Situation und der Zielsetzung des eigenen Unternehmens auseinandersetzen, ohne die das für
das eigene Unternehmen relevante Innovationspotenzial gar nicht erst erkannt werden könnte.
Die vertikalen Verbundeffekte beschreiben den Teilbereich der Lieferanten-Abnehmer-
Beziehungen. Aufgabe hierbei ist es, durch neue Formen der Aufgabenzuordnung in der
Organisation der Wertschöpfungsprozesse kostengünstigere oder qualitativ bessere
80
Vgl. Hungenberg (Strategisches Management), S. 61-64.
81
Vgl. Arnold (Ziele und Aufgaben des Materialmanagements 1989), S. 47-54.
82
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 65.
30

Ergebnisse für alle Beteiligten zu erzielen. Erreicht werden kann dies z.B. durch eine engere
Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Horizontale Verbundeffekte entstehen durch die
Zusammenarbeit von zwei oder mehr beschaffenden Unternehmen. Ziel dieser Maßnahme ist
es, durch eine Bündelung der Einkaufsmacht die Position am Beschaffungsmarkt zu ver-
bessern. Auf die horizontalen sowie vertikalen Verbundeffekte wird im Rahmen der in
Kapitel 5.3 dargestellten Sourcing-Konzepte näher eingegangen.
Abbildung 3-4: Ziele und Aufgaben der Beschaffung
Quelle: Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 66
Nach Darlegung der theoretischen Grundlagen der strategischen Beschaffung soll im nächsten
Kapitel eine theoretische Darstellung der Merkmale von KMU erfolgen sowie die Bedeutung
dieser Unternehmensgrößenklasse herausgearbeitet werden.
Wettbewerbsposition
sichern/ausbauen
-Kosten
-Differenzierung
-Zeit
Vertikale Verbundeffekte*
In
n
o
va
ti
o
n
sfä
hi
gk
ei
t*
In
te
gr
at
io
ns
hi
gk
ei
t*
Horizontale Verbundeffekte*
Richtige Zeit**
Richtiger Ort**
Richtige Qualität**
Richtige Menge**
· Strategische Ziele und Aufgaben
· Operative Ziele und Aufgaben (,,4R)
Wettbewerbsposition
sichern/ausbauen
-Kosten
-Differenzierung
-Zeit
Vertikale Verbundeffekte*
In
n
o
va
ti
o
n
sfä
hi
gk
ei
t*
In
te
gr
at
io
ns
hi
gk
ei
t*
Horizontale Verbundeffekte*
Richtige Zeit**
Richtiger Ort**
Richtige Qualität**
Richtige Menge**
· Strategische Ziele und Aufgaben
· Operative Ziele und Aufgaben (,,4R)
31

4
Definition und Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen
Die in Kapitel 1 erfolgte Einordnung der Begrifflichkeit von KMU soll in diesem Abschnitt
durch eine Abgrenzung anhand quantitativer sowie qualitativer Merkmale erweitert werden.
Die KMU werden zu anderen Unternehmensgrößenklassen quantitativ anhand der in
Deutschland am meisten verbreiteten Definitionen des Instituts für Mittelstandsforschung und
der Europäischen Kommission abgegrenzt, eine qualitative Abgrenzung findet anhand ein-
schlägiger Literatur statt. Nach Darstellung der Abgrenzungskriterien wird eine dem weiteren
Verlauf dieser Arbeit zugrunde liegende Definition ausgewählt. Im Anschluss wird die Be-
deutung der KMU herausgearbeitet.
4.1 Quantitative Merkmale
Hinsichtlich der Einordnung von KMU in quantitativer Hinsicht bietet sich eine Vielzahl
unterschiedlicher Klassifizierungskriterien an. Auswahlkriterien, die in der Literatur und der
öffentlichen Diskussion aufgrund ihrer guten Messbarkeit und der geringen Erfassungs-
probleme dominieren, sind erhebungsbezogene Auswahlkriterien wie bspw. die Be-
schäftigtenzahl, die Wertschöpfungsbeiträge (Umsatz, Bruttoproduktionswert, Bruttolohn und
Gehaltssumme)
83
und die Kapitalausstattung. Aufgrund von branchenspezifischen Be-
sonderheiten lassen sich in der Literatur auch Definitionen finden, die für verschiedene Unter-
nehmen aufgrund unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit jeweils eigene Größenkassen
festlegen.
84
Bspw. wird ein Großhändler bei einem vergleichbaren Umsatz weniger Mitarbeiter
beschäftigen als ein Einzelhändler, würde aber aufgrund des gleichen Umsatzes in die gleiche
Kategorie eingeordnet werden. Hieraus ergibt sich die Forderung nach einer unterschiedlichen
Behandlung verschiedener Branchen. Zu bemerken ist, dass eine empirische Untersuchung
nur dann ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, wenn ressourcenbedingte und
methodische Unzulänglichkeiten Berücksichtigung finden. Erhebungsbezogene Auswahl-
kriterien, die die Festlegung der Merkmale beeinflussen können, sind die Erhebungs-
möglichkeit, der Erhebungsaufwand und die Erhebungsgenauigkeit.
85
Unter dem Erhebungs-
aufwand wird der Aufwand der im befragten Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter ver-
standen, die gewünschten Daten bereitzustellen. Die Erhebungsmöglichkeit beschreibt die
Bereitschaft des Unternehmens, die erforderlichen Daten bereitzustellen, und die Erhebungs-
genauigkeit stellt darauf ab, ob unterschiedliche befragte Personen einen vorgegebenen
83
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 25.
84
Vgl. Pfohl/Kellerwessel (Abgrenzung von KMU 1990), S. 9-11.
85
Vgl. Pfohl/Kellerwessel (Abgrenzung von KMU 1990), S. 13.
32

Sachverhalt gleich beurteilen.
86
Eine zu weite Ausdifferenzierung der Merkmalskriterien von
KMU erscheint unter dieser Voraussetzung nicht sinnvoll. Folgerichtig sind die Mitarbeiter-
zahl als Messgröße für den arbeitsseitigen Input in Verbindung mit dem Umsatz als Messzahl
für den Output bei quantitativer Abgrenzung die in der Praxis meistverwendeten Messzahlen.
87
Dies liegt jedoch ,,weniger an ihrer besonders guten Eignung, als vielmehr an ihrer guten
statistischen Erfassbarkeit und Dokumentation"
88
. Das Institut für Mittelstandsforschung folgt
diesen Messgrößen und definiert Unternehmen mit bis zu 9 Mitarbeitern und einem Jahres-
umsatz von weniger als 1 Mio. Euro als kleine Unternehmen und solche mit 10 bis zu 499 Be-
schäftigten und einem Jahresumsatz von 1 Mio. Euro bis zu 50 Mio. Euro als mittlere Unter-
nehmen.
89
Eine weitere branchenspezifische Unterscheidung findet hier nicht statt. Eine
andere Klassifizierung ergibt sich, wenn man der Definition der Europäischen Kommission
folgt. Die Europäische Kommission definiert KMU als Unternehmen, ,,die weniger als 250
Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro er-
zielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Millionen Euro beläuft"
90
. Hier
wurden die finanziellen Schwellenwerte aufgrund der Preis- und Produktivitätsentwicklungen
im Vergleich zu der bereits seit 1996 bestehenden alten Empfehlung der Europäischen
Kommission angehoben, um es zahlreichen KMU zu ermöglichen, weiterhin Unterstützungs-
maßnahmen der EU zu erhalten. Auf eine Anhebung der Mitarbeiterzahl wurde verzichtet.
91
Auch wurde eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Einhalten des Schwellenwerts der Bilanz-
summe oder des Umsatzes eingeführt, um eine faire Behandlung von Unternehmen ver-
schiedenster Wirtschaftszweige zu gewährleisten.
92
Bspw. soll hier der Ungleichbehandlung
zwischen dem Handel, der naturgemäß einen höheren Umsatz hat als ein produzierendes
Gewerbe, Rechnung getragen werden. Die bereits angesprochene in der Literatur diskutierte
branchenspezifische Behandlung von Unternehmen hat somit zum Teil in die Praxis Einzug
gehalten. Innerhalb der Kategorie der KMU wird ein kleines Unternehmen als ein Unter-
nehmen definiert, das weniger als 50 Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw.
Jahresbilanz 10 Mio. Euro nicht übersteigt"
93
. Als Kleinstunternehmen innerhalb der KMU
werden Unternehmen bezeichnet, die weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen und deren
Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 2 Mio. Euro nicht übersteigt
94
. Die neue Definition von
86
Vgl. Pfohl/Kellerwessel (Abgrenzung von KMU 1990), S. 13-14.
87
Vgl. Elfgen (Organisationsberatung in KMU 1988), S. 20-21.
88
Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S.23.
89
Vgl. ifm Bonn (KMU ­ Definition 2009), S. 1-2.
90
Europäische Kommission (Definition KMU 2003), S. 35.
91
Vgl. Europäische Kommission (Die neue KMU-Definition 2006), S. 8-9.
92
Vgl. Europäische Kommission (Die neue KMU-Definition 2006), S. 13.
93
Europäische Kommission (Definition KMU 2003), S. 35.
94
Vgl. Europäische Kommission (Definition KMU 2003), S. 35.
33

Kleinstunternehmen soll Maßnahmenbeschlüsse erleichtern, die speziell auf Kleinst-
unternehmen ausgerichtet sind, und dem Trend der immer weiter steigenden Zahl von Neu-
gründungen im Bereich der Kleinstunternehmen Rechnung tragen.
95
Diese Abgrenzungs-
kriterien finden Anwendung, sofern die klassifizierten Unternehmen nicht mit mehr als 25 %
im Besitz eines anderen Unternehmens sind.
96
Anzumerken ist allerdings, dass dem Problem
des Kapitalzugangs von KMU dadurch begegnet wird, dass bspw. Regionalfonds oder
Business Angels von dieser Regelung ausgenommen sind. Unternehmen, die aufgrund ihrer
wirtschaftlichen Gesamtsituation nicht in der Lage sind, Zugang zu Kapital von traditionellen
Kreditgebern, z. B. Banken, aufgrund fehlender Garantien zu erhalten, sollen nicht der Gefahr
ausgesetzt werden, ihren KMU-Status nur deshalb zu verlieren, weil z. B. Business Angels
sich definitorisch nur in Form von Eigenkapital beteiligen, diese Unternehmen aber keine
andere Möglichkeit der Kapitalbeschaffung haben.
97
Tabelle 4-1: Quantitative Merkmale kleiner und mittlerer Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Institut für Mittelstandsforschung Bonn, S. 1;
Europäische Kommission; S. 1
95
Vgl. Europäische Kommision (Die neue KMU-Definition), S. 9.
96
Europäische Kommission (Definition KMU 2003), S. 35-36.
97
Europäische Kommission (Die neue KMU-Definition 2006), S. 9.
nicht
definiert
10 bis 43
Millionen
1 bis 50
Millionen
10 bis 50
Millionen
10 bis 499
50 bis 249
Mittleres
Unternehmen
nicht
definiert
2 bis 10
Millionen
bis unter 1
Million
2 bis 10
Millionen
Bis zu 9
10 bis 49
Kleinunternehmen
nicht
definiert
bis 2
Millionen
nicht
definiert
bis 2
Millionen
nicht
definiert
Bis zu 9
Kleinstunternehmen
Institut für
Mittel-
stands-
forschung
(ifM)
Europäische
Kommission
Institut für
Mittel-
stands-
forschung
(ifM)
Europäische
Kommission
Institut für
Mittel-
stands-
forschung
(ifM)
Europäische
Kommission
Unternehmensgröße
Bilanzsumme Euro/ Jahr
Umsatz Euro/ Jahr
Zahl der Beschäftigten
Klassifizierungs-
merkmal
nicht
definiert
10 bis 43
Millionen
1 bis 50
Millionen
10 bis 50
Millionen
10 bis 499
50 bis 249
Mittleres
Unternehmen
nicht
definiert
2 bis 10
Millionen
bis unter 1
Million
2 bis 10
Millionen
Bis zu 9
10 bis 49
Kleinunternehmen
nicht
definiert
bis 2
Millionen
nicht
definiert
bis 2
Millionen
nicht
definiert
Bis zu 9
Kleinstunternehmen
Institut für
Mittel-
stands-
forschung
(ifM)
Europäische
Kommission
Institut für
Mittel-
stands-
forschung
(ifM)
Europäische
Kommission
Institut für
Mittel-
stands-
forschung
(ifM)
Europäische
Kommission
Unternehmensgröße
Bilanzsumme Euro/ Jahr
Umsatz Euro/ Jahr
Zahl der Beschäftigten
Klassifizierungs-
merkmal
34

4.2 Qualitative Merkmale
Ein Vergleich von KMU zu Großbetrieben zeigt, dass sich in den verschiedenen Unter-
nehmensbereichen Unterschiede feststellen lassen, die durch eine rein quantitative Be-
schreibung nicht zu erfassen wären. Klein- und Mittelbetriebe zeichnen sich bspw. im Be-
schaffungsbereich durch eine schwache Position am Beschaffungsmarkt und eine häufig
auftragsbezogene Materialbeschaffung im Vergleich zu Großbetrieben mit einer starken
Beschaffungsmarktposition und einer überwiegend auftragsunabhängigen, durch langfristige
Verträge abgesicherte Materialbeschaffung aus.
98
Auch erscheint eine quantitative Ab-
grenzung von KMU nicht hinreichend. Problemlos ließe sich ein Großunternehmen in
mehrere kleinere, nur formal unabhängige Unternehmen zerlegen, die sich faktisch nicht von
den einzelnen Abteilungen eines Großunternehmens unterscheiden würden. Eine Be-
schreibung der Unternehmen nur mithilfe quantitativer Merkmale würde jetzt zu einer Ein-
ordnung der Unternehmen in die Größenklasse der KMU führen. Von dieser reinen Auf-
spaltung sind keine volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten, der Unterschied zum
konzernfreien Mittelständler wird immer noch erheblich sein.
99
In diesem Kontext erscheint
die Erweiterung der quantitativen Merkmale um die Dimension der Unabhängigkeit in der
Definition der Europäischen Kommission sinnvoll.
100
In der Literatur wird als zentrales
Element zur qualitativen Beschreibung von KMU der Begriff der Personenbezogenheit
genannt, der die Identität von Unternehmen und Unternehmer widerspiegelt.
101
Der
Unternehmer handelt selbstständig und hat dadurch einen wesentlichen Einfluss auf alle
bedeutenden strategisch ausgerichteten Entscheidungen.
102
Eine Studie in den USA mit 234
beteiligten Unternehmen konnte nachweisen, dass auch das Streben nach Autonomie und Un-
abhängigkeit der Unternehmer ein wesentliches Kennzeichen von KMU ist.
103
Durch diese
persönliche Involviertheit des Inhabers ist jedoch meist auch der Aktionsradius begrenzt und
somit ist auch das Größenwachstum von KMU begrenzt, was letztendlich in einer Über-
schaubarkeit der Betriebsgröße von KMU mündet.
104
Die Bedeutung der Unternehmer-
persönlichkeit in KMU ist höher anzusehen als die Bedeutung von unter Aufsicht stehenden
Managern in Großbetrieben, die aufgrund von Verträgen rationalökonomisch zu entscheiden
haben. Der Inhaber als ,,Souverän" einer Unternehmung ist bei der Verfolgung der Ziele frei
98
Vgl. Pfohl/Kellerwessel (Abgrenzung von KMU 1990), S. 17-20.
99
Vgl. Wolter/Hauser (Die quantitative und qualitative Dimension des Mittelstands 2001), S. 29-33.
100
Vgl. Europäische Kommission; S. 1.
101
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S.21-23, vgl. Günterberg/Kayser (SME´s in Germany 2004), S. 1-2.
102
Vgl. Meyer (Mittelstand in Deutschland 2005), S. 4.
103
Vgl. Kuratko u. a. (An Examination of Owner´s Goals 1997), S. 27-31.
104
Vgl. Pichler u. a. (Management in KMU 2000), S. 22-24.
35

und kann bspw. auch familiäre Ziele in seinem Unternehmen verwirklichen.
105
Darüber hinaus
wird der Unternehmenserfolg entscheidend durch die persönlichen Kontakte des Unter-
nehmers zu seinem Umfeld geprägt.
106
Die Personenbezogenheit wird auch durch die
Parallelität von wirtschaftlicher Existenz des Inhabers und der Existenz des Betriebes
deutlich, die Auswirkungen auf die Art der Finanzierung und Rechtsform haben.
107
Fasst man
all diese Merkmale zusammen, lassen sich drei grundsätzliche Merkmale herausarbeiten, an-
hand derer sich kleine und mittlere Unternehmen charakterisieren lassen. So muss die
,,wirtschaftliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit" des Unternehmens gewahrt sein, ,,die
Bedeutung und das persönliche Risiko des Unternehmers" muss erkennbar sein, und die
,,Überschaubarkeit des Betriebes" muss gewahrt sein.
108
Sind all diese Kriterien erfüllt, kann
man in qualitativer Hinsicht von der Existenz eines kleinen oder mittleren Unternehmens aus-
gehen.
Abbildung 4-1: Qualitative Merkmale kleiner und mittlerer Unternehmen
Quelle: Dürselen (Integrationspotenziale in KMU 1998), S. 26
Es hat sich gezeigt, dass die Literatur bei der Charakterisierung von kleinen und mittleren
Unternehmen zwei unterschiedliche Ansätze, den der qualitativen sowie den der quantitativen
105
Vgl. Kocian (Kooperationen im Mittelstand 1999), S. 17.
106
Vgl. Reuter (Die Koordinationsunternehmung 2004), S. 133.
107
Vgl. Scharpe (Strategisches Management im Mittelstand1 1992), S. 19-20.
108
Dürselen (Integrationspotenziale in KMU 1998), S. 26.
Die wirtschaftliche
Selbständigkeit von
Unternehmen
Die Überschaubarkeit
des Betriebes
Die Bedeutung
und das persönliche Risiko
des Unternehmers
Qualitative Merkmale
kleiner und mittlerer
Unternehmen
Die wirtschaftliche
Selbständigkeit von
Unternehmen
Die Überschaubarkeit
des Betriebes
Die Bedeutung
und das persönliche Risiko
des Unternehmers
Qualitative Merkmale
kleiner und mittlerer
Unternehmen
36

Einordnung, verfolgt. Bei der weiteren Betrachtung und Einteilung von KMU in dieser Arbeit
soll der Definition des Instituts für Mittelstandsforschung gefolgt werden. Anhand dieser
Definition lassen sich KMU sehr einfach und trennscharf einordnen. Die in Kapitel 4.2
angesprochenen ressourcenbedingten und methodischen Unzulänglichkeiten bei empirischen
Untersuchungen sind hier aufgrund der wenigen und einfach zu erfassenden
Charakterisierungsmerkmale am geringsten einzuschätzen. Da im Anschluss an den
theoretischen Teil dieser Arbeit eine empirische Auswertung der Unternehmensbefragung zur
Beschaffungssituation von KMU erfolgt, erscheint es sinnvoll, sich bezüglich der empirischen
Untersuchung auf die KMU-Definition des Instituts für Mittelstandsforschung festzulegen.
4.3 Die ökonomische und außerökonomische Bedeutung von kleinen und mittleren
Unternehmen
Zur Beschreibung der Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen ist es notwendig,
sowohl die qualitativen als auch die quantitative Dimension, die sich auch in den Definitions-
ansätzen wiederfinden, in die Betrachtung mit einzubeziehen, um so die Bedeutung des
Mittelstands im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft heraus-
arbeiten zu können.
109
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zu einer
freiheitlich demokratischen Grundordnung und ermöglicht damit das selbstverantwortliche
Handeln aller Bürger.
110
Eine große Anzahl an KMU und somit eine hohe Chance zu Selbst-
ständigkeit in einer Gesellschaft erhöht die Möglichkeiten eines jeden Einzelnen zur
individuellen Selbstentfaltung.
111
KMU erfüllen somit die Aufgabe einer gesellschaftlichen
Ordnungsfunktion, da erst ,,eine ausreichende Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen die
Erhaltung einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, und damit gleichzeitig auch eines der
wesentlichen Elemente einer freiheitlichen, demokratischen Staatsverfassung" garantieren.
KMU tragen wesentlich zum Erhalt und zur Stabilisierung der sozialen Marktwirtschaft bei
und haben somit eine wirtschaftliche Ordnungsfunktion inne. Wesentliche Elemente, die
das Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft erst lebensfähig machen, sind der stetige
Strukturwandel und der Wettbewerb, zu denen der Mittelstand in der Bundesrepublik
Deutschland einen entscheidenden Beitrag leistet.
112
Die Übernahme des Marktrisikos und die
Eigenverantwortung sind elementarer Bestandteil einer Wettbewerbsordnung. Große Unter-
nehmen arbeiten praktisch unter einer latenten Staatsgarantie, die es ihnen in Krisenzeiten
109
Vgl. Kayser (Struktur des Mittelstands 2006), S. 33.
110
Vgl. Bernhardt/Achterberg (Grundgesetz 1980), S. 87-88.
111
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 29.
112
Vgl. Oswalt (Die Ordnung der Freiheit 1993), S. 74-76
37

immer wieder ermöglicht, durch staatliche Interventionsmaßnahmen diese Bestandteile zu
umgehen.
113
In Zeiten von Krisen und notwendigen Umstrukturierungen wird die Forderung
nach staatlicher Unterstützung umso größer, je größer das Unternehmen und damit die Anzahl
potenziell bedrohter Arbeitsplätze ist
114
. Die aktuelle Debatte um die Staatshilfen für Opel und
andere Großkonzerne macht diese Tatsache noch einmal deutlich, und es mag nicht ver-
wundern, dass der Mittelstand, der ungleich weniger von solchen Staatshilfen profitiert, wenig
Verständnis für derartige Finanzspritzen hat
115
. Häufig ist zu beobachten, dass aus gesamt-
wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvolle Subventionen gewährt werden, die einen Strukturwandel
behindern oder gefährden. Wirtschaftlich gesehen sind hier KMU anpassungsfähiger, da sie
meist keinen oder nur einen schlechten Zugang zu Staatshilfen haben. Sie tragen somit zu
einem effektiveren und schnelleren Strukturwandel bei und haben somit eine entscheidende
Ordnungsfunktion inne. Die Bedeutung, die KMU in der Funktion als Anbieter ausfüllen
mit dem Ziel, ,,die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten"
116
lässt sich anhand von
quantitativen und qualitativen Merkmalen charakterisieren. Im Jahr 2007 zählten 99,7 % aller
umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen zu den KMU, die 37,5 % aller steuerbaren Umsätze
erwirtschafteten und an der Nettowertschöpfung einen Anteil von 47,3 %.halten
117
. Einige
wenige KMU sind in der Lage, eigene Dienstleistungen oder Produkte anzubieten und die
Marktführerschaft im jeweiligen Segment zu erringen
118
. Andere übernehmen komplementäre
oder ergänzende Funktionen, bspw. Wartungsleistungen für von Großbetrieben hergestellte
Produkte, und leisten einen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung vor allem in ländlichen
Gebieten
119
. In einer immer wohlhabender werdenden Gesellschaft und damit bei einem immer
stärker individualisierten Bedarf sind die größten Entwicklungschancen wohl in Marktnischen
zu sehen, die diesen speziellen Bedarf decken können
120
. Der Bund hat laut Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland die Aufgabe, für die ,,Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet"
121
Sorge zu tragen. Eine regional ausgewogene
Wirtschaftsstruktur durch die Existenz einer Vielzahl von KMU senkt potenzielle
Branchenrisiken, erleichtert den Einsatz zielgerichteter Beschäftigungsmaßnahmen und
schafft Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem in abgelegenen und strukturschwachen
113
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 31.
114
Vgl. Molitor (Staatsversagen 1991), S. 66.
115
Vgl. Bilan (Staatsbürgschaften 2009), S. 1-2.
116
Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 105.
117
Vgl. ifm Bonn (Schlüsselzahlen des Mittelstands 2007), S. 2.
118
Vgl. Simon
(Hidden Champions 1999), S. 4-19.
119
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 105-109.
120
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 33.
121
Vgl. Artikel 72 Abs. 2 Grundgesetz
38

Regionen
122
. KMU erfüllen somit eine wichtige Aufgabe im Hinblick auf die struktur-
politische Funktion in einer Volkswirtschaft. Bei der Betrachtung der Wirtschafts-
entwicklung in den neuen Bundesländern, ehemals geprägt durch Großkombinate und einen
nahezu bedeutungslosen Mittelstand wird die Bedeutung von KMU besonders deutlich.
123
KMU haben nach dem Zusammenbruch der DDR in erheblichem Maße zum Strukturwandel
und zur Verbesserung der Marktversorgung beigetragen.
124
Ein gutes Beispiel für einen ge-
lungenen Strukturwandel ist die Landwirtschaft, die sich wie ,,kaum ein Sektor in den neuen
Bundesländern (...) so schnell und so erfolgreich auf die Marktwirtschaft umgestellt"
125
hat.
Auch die notwendigen Veränderungsprozesse in den Transformationsländern werden durch
KMU maßgeblich unterstützt.
126
In Beschäftigungs- und konjunkturpolitischer Funktion
tragen KMU als prozentual größter Arbeitgeber sowie in stabilisierender Form bei
konjunkturellen Schwankungen bei. 65,8 % aller sozial-versicherungspflichtig Beschäftigten
waren Ende des Jahres 2008 in KMU tätig.
127
,,Sie stellen nur bei langfristig guter Geschäfts-
lage neue Arbeitskräfte ein und trennen sich nicht gleich vom Personal, falls die Auftragslage
schlechter ausfällt."
128
Damit erfüllen KMU in schwankenden konjunkturellen Phasen eine
dämpfende Wirkung, die auch Gruhler bereits im Jahr 1978 nachweisen konnte.
129
In Bezug
auf die Exporttätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen kann beobachtet werden, dass
ihnen indirekt ein großer Anteil an den Exporterfolgen zugeschrieben werden kann. Die
Individualisierungstendenz der Nachfrager sowie eine Verringerung der Fertigungstiefe bei
den Großbetrieben wird zu einer steigenden Zulieferintensität von KMU und damit noch zu
einer Bedeutungssteigerung führen.
130
Um die wachstumspolitische Funktion von KMU zu
erklären, muss vor allem auf deren Innovationsfähigkeit eingegangen werden. Das Wachstum
und damit die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft lassen sich nur durch ständig
verbesserte Produkte, Fertigungsverfahren und Dienstleistungen und erreichen und
aufrechterhalten.
131
KMU tragen mit drei Viertel aller Patente wesentlich dazu bei, die
Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu sichern.
132
Auch die Tatsache,
dass ,,42 % aller mittelständischen Unternehmen mindestens ein Innovationsprojekt
122
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 34
123
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 49.
124
Vgl. May-Strobl/Paulini (Gründungsreport 1995), S. 1-3.
125
Vgl. Stechow (Die Betriebsgrößen 2000), S. 4.
126
Vgl. Lagemann u. a. (Aufbau mittelständischer Strukturen 1994), S. 341-349.
127
Vgl. ifm Bonn (Schlüsselzahlen des Mittelstands 2007), S. 2.
128
o.V. (Beschäftigungsstand 2008), S. 54.
129
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 97.
130
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 36.
131
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 109.
132
Vgl. Ohoven (Innovation durch Umdenken 2006), S. 114.
39

erfolgreich durchgeführt"
133
haben, widerspricht Schumpeters These von der innovatorischen
Dominanz von Großunternehmen, die hauptsächlich für den technischen Fortschritt verant-
wortlich seien.
134
Die Stärke von KMU ist in der Verwertbarkeit der entwickelten Ideen zu
sehen, was sich in der schnelleren wirtschaftlichen Nutzung der Erfindungen im Vergleich zu
Großunternehmen manifestiert.
135
Die bildungspolitische Funktion im dualen Berufs-
ausbildungssystem erfüllen KMU durch die Ausbildung eines großteils der in Deutschland
benötigten Facharbeiter und durch die Tatsache, dass sie sogar über den eigenen Bedarf
hinaus ausbilden und diese ausgebildeten Arbeitskräfte somit der Großindustrie zur
Verfügung stehen.
136
Ihr Anteil an Auszubildenden beläuft sich auf 83,1 %.
137
Schließlich
leisten KMU durch den meist engeren Bezug zur erbrachten Leistung und die meist kürzeren
Instanzenwegen - ,,hier sind in der Regel die Hierarchien flacher"
138
- einen Beitrag zur
Humanisierung des Arbeitsplatzes.
139
Untersuchungen haben dies bestätigt und weisen
immer wieder auf ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheit in KMU hin.
140
Abbildung 4-2: Die Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Volkswirtschaft
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Zeitel (Bedeutung von Klein- und
Mittelbetrieben 1990), S. 29-40
133
o.V. (Innovation im Mittelstand 2006), S. 8.
134
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 110-111.
135
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 36.
136
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 36.
137
Vgl. ifm Bonn (Schlüsselzahlen des Mittelstands 2007), S. 2.
138
o.V. (Mittelstand 2001), S. 3.
139
Vgl. Zeitel (Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben 1990), S. 40.
140
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 110-111.
Die Bedeutung
kleiner und mittlerer
Unternehmen in der
Volkswirtschaft
Die Bedeutung
kleiner und mittlerer
Unternehmen in der
Volkswirtschaft
Gesellschaftliche
Ordnungsfunktion
Wirtschaftliche
Ordnungsfunktion
Strukturpolitische
Funktion
Beschäftigungs-
und konjunktur-
politische
Funktion
Beitrag zur
Humanisierung
des Arbeitsplatzes
Wachstums-
politische
Funktion
Angebotsfunktion
Exporttätigkeit
kleiner und
mittlerer
Unternehmen
Bildungspolitische
Funktion
Die Bedeutung
kleiner und mittlerer
Unternehmen in der
Volkswirtschaft
Die Bedeutung
kleiner und mittlerer
Unternehmen in der
Volkswirtschaft
Gesellschaftliche
Ordnungsfunktion
Wirtschaftliche
Ordnungsfunktion
Strukturpolitische
Funktion
Beschäftigungs-
und konjunktur-
politische
Funktion
Beitrag zur
Humanisierung
des Arbeitsplatzes
Wachstums-
politische
Funktion
Angebotsfunktion
Exporttätigkeit
kleiner und
mittlerer
Unternehmen
Bildungspolitische
Funktion
40

5
Die Bedeutung und Ausgestaltung der strategischen Beschaffung in kleinen und
mittleren Unternehmen
Nach Darstellung der theoretischen Grundlagen bezüglich der strategischen Beschaffung
sowie der KMU werden in diesem Kapitel diese Theorien zusammengeführt. Anhand der in
Kapitel 3.4 abgegrenzten strategischen Aufgaben wird die mögliche Ausgestaltung der
Beschaffungsorganisation in KMU, d.h. die mögliche Entwicklung interner Erfolgspotenziale
aufgezeigt. Weiterhin wird im Rahmen der strategischen Beschaffungsplanung und der
Sourcing-Konzepte auf die weiteren strategischen Aufgaben der Beschaffung eingegangen.
5.1 Organisationsgestaltung der Beschaffung in KMU
Um die internen Erfolgspotenziale in KMU erfolgreich nutzen zu können, ist es unerlässlich
sich zunächst mit den spezifischen Besonderheiten organisatorischer Strukturen in KMU aus-
einanderzusetzen, um sich anschließend mit der Binnenorganisation der Beschaffung sowie
der Eingliederung der Beschaffungsabteilung in die Unternehmenshierarchie auseinander-
setzen zu können. Dies soll Gegenstand dieses Kapitels sein.
5.1.1
Organisatorische Strukturen in kleinen und mittleren Unternehmen
Um Aussagen über eine sinnvolle Einbindung der Beschaffung von kleinen und mittleren
Unternehmen in die Unternehmensorganisation treffen zu können, stellt sich zunächst die
Frage, was unter dem Begriff der Organisation zu verstehen ist. Die Organisation ist ,,als
Summe aller Regelungen für einen sinnvollen Einsatz der Produktionsfaktoren zur rationellen
Erreichung wirtschaftlicher Ziele unter Berücksichtigung bestehender Umstände und (unver-
änderbarer) Umfeldbedingungen"
141
zu interpretieren. Der Begriff der Organisation kann
hierbei unterschiedliche Sachverhalte beschreiben. Der funktionale Organisationsbegriff
benennt die Gestaltungsaufgabe innerhalb des sozialen Systems, der instrumentale Orga-
nisationsbegriff bezeichnet vorhandene , erkennbare Strukturen eines Unternehmens, und der
institutionelle Organisationsbegriff kann als Begriff für ein bestimmtes soziales System
verstanden werden.
142
Ein soziales System kann bspw. ein Unternehmen, ein Krankenhaus
oder eine kulturelle Einrichtung darstellen. Das Ziel der Führungsaufgabe und daraus ab-
geleitet die Zielsetzung von betrieblicher Organisation ist im Erhalt und der Sicherung des
Unternehmens durch das Angebot einer markt- bzw. nachfragegerechten Leistung zu sehen.
141
Schnepper (Erfolgsfaktor Unternehmensorganisation 1991), S. 11.
142
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 201.
41

Innerhalb dieser Zielsetzung gibt es keine Unterschiede zwischen Großbetrieben und KMU.
143
Unterschiede lassen sich jedoch in der Art der Zielerreichung feststellen, die durchaus
Auswirkungen auf die Organisationsgestaltung haben kann.
Beschreibt man Organisationen anhand der von Kieser/Kubicek herausgearbeiteten
Organisationsmerkmale, lassen sich verschiedene Unterschiede herausstellen. Kieser/
Kubicek unterscheiden die Dimensionen der Spezialisierung, der Koordination, der Kon-
figuration, der Entscheidungsdelegation sowie der Formalisierung.
144
Angewendet auf die Be-
schaffung konzentriert sich die Dimension der Spezialisierung auf die Frage, welche Personen
oder Subsysteme Beschaffungsaufgaben arbeitsteilig oder zu zusammen wahrnehmen
145
.
Kleine und mittlere Unternehmen sind meist gekennzeichnet durch einfache Strukturen, die
weder durch eine stark ausgeprägte horizontale Gliederung, d.h. eine Spezialisierung nach
Abteilungen, zu charakterisieren sind noch in vertikaler Hinsicht tiefe Gliederungen bezüglich
der Unternehmensebenen, aufweisen
146
. Die Spezialisierung bzw. Arbeitsteilung ist in kleinen
und mittleren Unternehmen weniger stark ausgeprägt als in größeren Unternehmen.
147
Das
anfallende Arbeitsvolumen rechtfertigt keine durchgängige Spezialisierung Einzelner bzw.
von Gruppen auf bestimmte Aufgaben
148
. Folgt man dem ressourcenorientierten Ansatz des
strategischen Managements, zeigt sich, dass ,,personelle Ressourcen besonders gut zur Er-
zielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile geeignet sind"
149
. Es ist folglich in Erwägung zu
ziehen, ob eine interne Strukturierung der Beschaffungsabteilung anhand der Fähigkeiten und
Fertigkeiten der Mitarbeiter, d.h. ad personam, erfolgen soll
150
. Diese Form der Stellenbildung
bietet sich vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen mit kleineren Beschaffungs-
abteilungen an, die einen geringen Grad an Spezialisierung aufweisen.
151
In diesen Unter-
nehmen sind innere Strukturen wenig ausgeprägt und damit große Freiräume in der
Gestaltung der Arbeitsabläufe gegeben.
152
Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, die Stellen-
bildung anhand der Fähigkeiten der Mitarbeiter auszurichten und auf spezialisierte Ab-
teilungen zu verzichten, in denen die Fähigkeiten der Mitarbeiter nicht vollständig entfaltet
werden könnten. Koordinationsnotwendigkeiten entstehen bei einer arbeitsteiligen
Organisation des Beschaffungsmanagements. Es entstehen Schnittstellen mit anderen
143
Vgl. Gruhler (Wirtschaftsfaktor Mittelstand 1994), S. 170.
144
Vgl. Kieser (Organisation 1992), S. 74.
145
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 201.
146
Vgl. Kayser (Mittelstand und Mittelstandspolitik 1990), S. 83.
147
Vgl. Eckardstein (Die Qualifikation der Arbeitnehmer 1988), S. 59-64.
148
Vgl. Dürselen (Integrationspotenziale in KMU 1998), S. 174.
149
Vgl. Holtbrügge (Personalmanagement 2005), S. 26.
150
Vgl. Kosiol (Organisation 1962), S. 83-84.
151
Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 282.
152
Vgl. Dürselen (Integrationspotenziale in KMU 1998), S. 34.
42

Organisationseinheiten, die es zu koordinieren gilt.
153
Die Koordination kann mittels personen-
bezogener Instrumente sowie technokratischer Instrumente erfolgen. Personenbezogene
Instrumente beruhen auf einer persönlichen Einwirkung der beteiligten Personen. Hierbei
lassen sich die persönliche Weisung des Vorgesetzten und die Selbstkoordination von
Aufgabenträgern unterscheiden.
154
Da der Bedarf an Koordination grundsätzlich abhängig ist
vom Grad der Spezialisierung der Abteilungen und der Anzahl der Elemente, die koordiniert
werden müssen, besteht in kleinen und mittleren Unternehmen tendenziell ein geringerer Ko-
ordinationsbedarf.
155
Aufgrund dieser größenspezifischen Besonderheiten erfolgt die
Koordination innerhalb des Unternehmens und somit auch die Koordination mit der
Beschaffungsabteilung hauptsächlich durch den Einsatz personenbezogener Instrumente.
156
Die Konfiguration, d.h. das Leitungssystem, lässt sich in kleinen und mittleren Unternehmen
grundsätzlich als ein ,,auf den Unternehmer ausgerichtetes Einliniensystem"
157
darstellen, über
das der Unternehmer die vollständige Kontrolle besitzt. In mittleren Unternehmen sorgen
einige wenige Führungspersonen für einen reibungslosen Betriebsablauf, die Kompetenz der
Planungs- und Kontrollfunktion verbleibt jedoch beim Unternehmer.
158
Folglich ist auch die
Beschaffungsabteilung oder der mit der Beschaffung beauftragte Mitarbeiter unter der voll-
ständigen Kontrolle des Unternehmers. Die Entscheidungsdelegation, d.h. die Kompetenz-
verteilung, ist eher schwach ausgeprägt, da je nach Unternehmensgröße und ­struktur es
keinen Bedarf gibt, Kompetenzen zu verteilen, da die Überschaubarkeit des Betriebs eine
zentralisierte Leitung begünstigt. Auch ist aufgrund der eher geringen Spezialisierung und der
einfachen Ausgestaltung der Unternehmensorganisation nicht von einem hohen
Formalisierungsgrad auszugehen. Die größenbedingt engen Kommunikationsbeziehungen
zwischen den Mitarbeiter und dem Unternehmer machen eine schriftliche Fixierung von
Befugnissen und Zuständigkeiten überflüssig.
159
5.1.2
Binnenorganisation der Beschaffungsabteilung
Die Diskussion über die Organisationsgestaltung geht meist einher mit der Frage über die
Entscheidung über den Grad einer Zentralisierung oder Dezentralisierung der Beschaffungs-
abteilung. Beide dieser Organisationsformen bieten spezifische Vor- und Nachteile, wobei
jedes Unternehmen die aufgrund seiner individuellen Unternehmenssituation beste
153
Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 202.
154
Vgl. Kieser (Organisation 1992), S. 103-107.
155
Vgl. Pfohl/Kellerwessel ( Abgrenzung von KMU 1990), S. 19.
156
Vgl. Kayser (Mittelstand und Mittelstandspolitik 1990), S. 84-86.
157
Pfohl/Kellerwessel (Abgrenzung von KMU 1990), S. 19.
158
Vgl. Dürselen (Integrationspotenziale in KMU 1998), S. 33.
159
Vgl. Dürselen (Integrationspotenziale in KMU 1998), S. 33-34.
43

Organisationsform selbst gestalten sollte.
160
Grundsätzlich lassen sich Vor- und Nachteile einer
zentralen oder dezentralen Organisation herausarbeiten.
Eine zentrale Beschaffung, d.h. eine Organisationsform, bei der ,,alle Beschaffungsaufgaben
von einer Organisationseinheit"
161
erfüllt werden, hat eine grundsätzlich bessere Ver-
handlungsposition gegenüber seinen Lieferanten und damit eine höhere Verhandlungsmacht.
Dies führt zu besseren Konditionen und Preisen und gleichzeitig zu einer Vereinheitlichung
der Einkaufspreise in den verschiedenen Unternehmensbereichen. Eine zentralisierte Be-
schaffungsabteilung erleichtert gleichzeitig die Bestandsoptimierung, da der Verbrauch und
der Lagerbestand von Materialien effizienter kontrolliert werden können.
162
Eine höhere
Spezialisierung der Mitarbeiter und das damit verbundene höhere Einkaufs-Know-how führen
ebenso zu einer höheren Effektivität bei den Einkaufsaktivitäten wie einer höheren
Auslastung in der Einkaufsabteilung selbst.
163
In dezentral organisierten Beschaffungsabteilungen kann hingegen besser auf spezifische
Bedarfssituationen reagiert und der Koordinationsaufwand geringer gehalten werden, was
dazu führt, dass die Flexibilität und Schnelligkeit der Beschaffungsvorgänge gesteigert
werden, und die Ergebnisverantwortung in den einzelnen Bereichen erhöht wird.
164
Eine
höhere Problemorientierung resultiert aus der größeren Nähe der Einkäufer zu ihren internen
Abnehmern, bspw. der Produktionsabteilung, und dem damit verbundenen besseren
Verständnis der Bedürfnisse der internen Abnehmer.
165
Das technische Know-how spricht für
eine Dezentralisierung, da durch die Nähe der Beschaffungsabteilung zum Produkt die
Beschaffungsgüter leichter in der richtigen Menge und in der richtigen Spezifikation bestellt
werden können, was bei einer zentral organisierten Beschaffungsabteilung bei einem
mangelnden Know-how-Transfer unterbleiben kann.
166
Die reine Zentralisation bzw. Dezentralisation der Beschaffung stellen jedoch nur die
Extremformen der organisatorischen Beschaffung dar, neben denen es auch noch gemischte
Formen der Beschaffung, bei denen sowohl zentral als auch dezentral beschafft wird, zu
unterscheiden sind. Large unterscheidet hier Organisationsformen, bei denen ,,die
160
Vgl. Killen/Kamauff (Managing Purchasing 1995), S. 113-116.
161
Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 270.
162
Vgl. (Zagler (Einkaufssynergien 2003), S. 35.
163
Vgl. Killen/Kamauff (Managing Purchasing 1995), S. 117.
164
Vgl. Droege (Gewinne einkaufen 1998), S. 103.
165
Vgl. Killen/Kamauff (Managing Purchasing 1995), S. 118.
166
Vgl. Kerkhoff (Milliardengrab Einkauf 2008), S. 145.
44

Beschaffungsaufgaben zwischen einer Beschaffungsabteilung und mehreren Abteilungen, die
keine originären Beschaffungsorganisationseinheiten darstellen (z.B. die Produktions-
steuerung)"
167
, aufgeteilt werden, und einer Organisationsform, bei der die
Beschaffungsaufgabe von einer ,,Zentraleinheit und mehreren dezentralen Beschaffungs-
organisationseinheiten wahrgenommen wird".
168
Eine weitere Möglichkeit ist die
Ausgestaltung von dezentralen Beschaffungseinheiten mit einem Zentraleinkauf, der von
ausführenden Tätigkeiten entlastet wird. Eine solche Zentraleinheit dient als
Koordinationsinstrument gegenüber der Unternehmensleitung und hat in dieser Hinsicht den
typischen Charakter einer Stabsstelle
169
. Eine empirische Untersuchung von Large aus dem
Jahr 2000 zeigt, dass die hybride Form der Organisationsgestaltung in Beschaffungsabteilung
mit 50 % die am meisten verbreitete ist
170
.
Abbildung 5-1: Zentraler vs. dezentraler Einkauf
Quelle: Kalbfuß (Materialgruppenmanagement 2000), S. 15
Die Kombination von zentraler und dezentraler Organisationsgestaltung geht einher mit
Forderung nach der Trennung von strategischem und operativem Einkauf. Es wird empfohlen,
die strategischen Aufgaben, wie z.B. das aktive Lieferantenmanagement, mit kritischen
167
Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 271.
168
Large (Strategisches Beschaffungsmanagement 2006), S. 271.
169
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 207-208.
170
Vgl. Large (Zentralisation der Beschaffung 2000), S. 289-295.
+ Verhandlungsmacht -
+ Bestandsoptimierung -
+ Flexibilität +
+ Problemorientierung +
+ Schnelligkeit +
+ Einkaufs-Know-How
-
-
technisches Know-How
+
+ Auslastung -
Aufhebung der
Widersprüche
Kooperative, organisationsübergreifende Beschaffung
Zen
tr
aler Ei
n
k
a
u
f
Dez
e
n
tral
er Eink
a
u
f
Wertung
Merkmal
Wertung
+ Verhandlungsmacht -
+ Bestandsoptimierung -
+ Flexibilität +
+ Problemorientierung +
+ Schnelligkeit +
+ Einkaufs-Know-How
-
-
technisches Know-How
+
+ Auslastung -
Aufhebung der
Widersprüche
Kooperative, organisationsübergreifende Beschaffung
Zen
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Wertung
Merkmal
Wertung
45

Lieferanten zentral auszuführen und die operativen Tätigkeiten eher dezentral zu
organisieren.
171
Die ,,kooperative, organisationsübergreifende Beschaffung (...) setzt auf die
Synergien von strategischer und operativer Beschaffung"
172
. Die Vorteile beider
Organisationsformen sollen ausgenutzt werden, um somit im Sinne einer effektiven und
effizienten Unternehmensorganisation einen möglichst hohen Beitrag zum Unternehmens-
erfolg leisten zu können. Allerdings muss angemerkt werden, dass eine derart differenzierte
und spezialisierte Ausgestaltung der Beschaffungsorganisation aufgrund der
Ressourcenausstattung eher eine Aufgabe für Großunternehmen ist als für kleine und mittel-
ständische Unternehmen.
173
Größere Unternehmen betrachten die Trennung von strategischen
und operativen Aufgaben im Gegensatz zu kleineren und mittleren Unternehmen als eine
wichtige Eigenschaft bei der Ausgestaltung der Unternehmensorganisation.
174
Es ist jedoch
auch bei KMU zu erkennen, dass eine Trennung von operativen und strategischen Aufgaben
stattfindet. Es ist häufig ,,zu beobachten, dass die hochwertige ­ heute oft als ,,strategisch"
bezeichnete ­ Beschaffung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vom Inhaber selbst
durchgeführt und verantwortet wird, (...) die operative Beschaffung (...) wird in sehr kleinen
Unternehmen von Mitarbeitern, die eigentlich andere Aufgaben erledigen, quasi nebenbei
besorgt"
175
.
Ein anderes, auch aufgrund des geringeren Bedarfs an Ressourcenausstattung auch in KMU
leichter zu verwirklichendes Konzept stellt das Heavy-User-Konzept als eine Variante des
Schnittstellenmanagements dar. In diesem Konzept geht es darum, in einem ersten Schritt
,,den Heavy User, also das Ressort oder den Bereich zu ermitteln, der innerhalb einer be-
stimmten Produkt- oder Dienstleistungsgruppe die höchsten Kosten verursacht"
176
. Ein
Spezialist dieses Bereichs soll in einem nächsten Schritt in Zusammenarbeit mit der
Einkaufsabteilung den für das ganze Unternehmen relevanten Bedarf in dieser Produkt- oder
Dienstleistungsgruppe koordinieren. Die Kompetenzen der Fachabteilung gehen dadurch in
den Beschaffungsprozess mit ein, ohne dass ein großer Abstimmungs- und Koordinations-
aufwand entstehen würde.
177
Zu bemerken ist allerdings, dass die genannten Organisations-
formen prinzipiell nicht als gut oder schlecht angesehen werden können, sondern nur im
Zusammenhang mit der unternehmensindividuellen Zielsetzung und Situation bewertet
171
Vgl. Monczka (Purchasing Management 2005), S. 144-145.
172
Kalbfuß (Materialgruppenmanagement 2000), S. 15.
173
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 203.
174
Vgl. Monczka (Purchasing Management 2005), S. 145.
175
Eichler (Beschaffung 2008), S. 330.
176
Kerkhoff (Milliardengrab Einkauf 2008), S. 142.
177
Vgl. Kerkhoff (Milliardengrab Einkauf 2008), S. 142-143.
46

werden können.
178
Die von Alfred Chandler aufgestellte These, dass die Organisationsstruktur
der vom Unternehmen aufgestellten und verfolgten Strategie folgen soll, scheint sich hier zu
bestätigen.
179
Aussagen zur Ausgestaltung der Beschaffungsorganisation lassen sich jedoch in Bezug auf
den Lebenszyklus von KMU treffen. In jeder Phase des Lebenszyklus gibt es bestimmte
Dimensionen, die es erfordern, dass der Unternehmer ihnen besondere Beachtung schenkt und
durch eine aktive Beeinflussung dieser Steuerungsvariablen versucht, den langfristigen
Unternehmenserfolg zu sichern.
180
Die Aussage, dass ,,die langlebigen Unternehmen (...) ein
hohes Maß an Lern- und Anpassungsbereitschaft"
181
zeigen, unterstützt wiederum die
Forderung von Chandler nach einem Unternehmen, das in der Lage ist, sich an veränderte
Umfeldbedingungen anzupassen , und dessen These, dass nur diese Unternehmen
wirtschaftlichen Erfolg haben können.
182
In der Gründungsphase, in der der Unternehmens-
gründer als Pionier bezeichnet werden kann, stehen der Unternehmer und dessen Kompetenz
selbst im Mittelpunkt. Das Beschaffungsmarketing sowie die Absicherung der Produkt-
qualität liegen in der Hand des Gründers selbst. Aktivitäten, wie z. B. die Lieferlogistik,
werden in den Kompetenzbereich des zuliefernden Unternehmens gegeben. In der
Wachstumsphase liegt der Fokus auf dem Aufbau einer leistungsfähigen Beschaffungs-
abteilung, die sich hauptsächlich noch mit operativen Aufgaben beschäftigt. Diese Phase geht
auch einher mit dem Aufbau und der Integration einer leistungsfähigen
Beschaffungsabteilung. In der Reifephase des Unternehmens, in deren Mittelpunkt die
Professionalisierung der Beschaffung steht, richtet sich der Schwerpunkt auf die intensivere
Beschäftigung mit den Beschaffungsmärkten sowie den Aufbau einer leistungsfähigen
Beschaffungslogistik. Die Personalentwicklung sowie die Neugewinnung von ausgebildeten
Experten rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung. Diese Maßnahmen sind Voraussetzung
für ein erfolgreiches Bestehen des Unternehmens in der Wendephase. Auf dieser Stufe des
Lebenszyklus von KMU rücken die Finanzen in den Fokus der Betrachtung. Es geht in dieser
Phase um die effektive Umsetzung von Konzepten zur Senkung der Materialkosten sowie
eine Begrenzung der Kosten der Beschaffungsprozesse selbst. Bei verkrusteten Strukturen
und einem rückgängigen Markt wird eine effiziente Beschaffungsorganisation zum
178
Vgl. Schnepper (Erfolgsfaktor Unternehmensorganisation 1991), S. 12.
179
Vgl. Chandler (Strategy follows structure 1990), S. 7-18.
180
Vgl. Wittberg (Mittelstandsunternehmen 2006), S. 111-116.
181
Deckert (Vitalitätsmanagement 1999), S. 4.
182
Vgl. Chandler (Strategy follows structure 1990), S. 7-18.
47

Erfolgsfaktor
183
. Diese Ausführungen geben Gestaltungsempfehlungen für die Organisation
einer Beschaffungsabteilung in KMU sind jedoch keine allgemeingültigen Aussagen, da die
Beschaffung immer auch im Zusammenhang mit der spezifischen Unternehmenssituation
gesehen werden muss.
Tabelle 5-1: Unternehmenssituation und Führungsprioritäten
Quelle: In Anlehnung an Wittberg (Mittelstandsunternehmen 2006), S. 116
5.1.3
Eingliederung der Beschaffungsabteilung in die Unternehmenshierarchie
Zwischen der Bedeutung, die einer Beschaffungsorganisation zuerkannt wird, und dem Erfolg
eines Unternehmens kann ein positiver Zusammenhang vermutet werden.
184
Soll die Be-
schaffungsabteilung eigenständige Beiträge zum Unternehmenserfolg leisten, dann muss die
Eingliederung in die Organisation entsprechend hochkarätig gestaltet werden. Andernfalls
besteht die Gefahr, dass die Beschaffungsabteilung lediglich als Erfüllungsgehilfe dient und
sich aufgrund der fehlenden strukturellen Handlungsspielräume ausschließlich auf operative
Aufgaben beschränkt, statt sich mit strategischen Aufgabenfeldern zu befassen, die maß-
geblich zum Unternehmenserfolg beitragen können.
185
Es lässt sich erkennen, dass aufgrund
des Bedeutungszuwachses und der Aufgabenerweiterung der Beschaffung die hierarchische
Eingliederung der Beschaffungsabteilung innerhalb der Organisationsstruktur an Bedeutung
183
Vgl. Eichler (Beschaffung 2008), S. 330-331.
184
Vgl. Carter (Strategic Purchasing 1996), S. 20-28.
185
Vgl. Arnold (Beschaffungsmanagement 1997), S. 205.
Finanzen
Personal
Organisation
Kompetenz
Wende
(4)
Reife
(3)
Wachstum
(2)
Pionier
(1)
Unternehmens-
situation
Unternehmen
hat strategische
Erfordernisse in der Dimension
Finanzen
Personal
Organisation
Kompetenz
Wende
(4)
Reife
(3)
Wachstum
(2)
Pionier
(1)
Unternehmens-
situation
Unternehmen
hat strategische
Erfordernisse in der Dimension
48

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783863416195
ISBN (Paperback)
9783863411190
Dateigröße
11.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Erscheinungsdatum
2012 (März)
Note
1,7
Schlagworte
strategische Beschaffung Differenzierung Unternehmen Unternehmenserfolg Kostenführerschaft
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Titel: Strategische Beschaffung in kleinen und mittleren Unternehmen: Theroetische Erkenntnisse und empirische Befunde
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