Diagnostische Steuerung von Anlagenbauprojekten: Entwicklung eines Regelkreises
Zusammenfassung
Die erfolgreiche Abwicklung eines Auftrages im Anlagenbau basiert, neben einer detaillierten Projektplanung, primär auf der Fähigkeit, gezielt und effektiv auf Veränderungen der Projektumwelt zu reagieren und trotz geänderter Bedingungen weiterhin die Projektziele zu verfolgen. Um dies zu gewährleisten, ist während der gesamten Auftragsbearbeitung ein sich stetig wiederholender und modifizierender Vorgang der Projektdiagnose und -steuerung vorzunehmen. Eine diagnostische Projektsteuerung dient hierbei dazu, zukünftig erwartete oder bereits eingetretene Veränderungen der Projektumwelt zu erkennen und mittels geeigneter Maßnahmen auf diese zu reagieren, um den Projekterfolg weiterhin gewährleisten zu können. Ein strukturiertes und analytisches Vorgehen sichert dabei den Einbezug aller erfolgskritischen Faktoren und führt zu einer Reduzierung des Risikos eines technischen und wirtschaftlichen Misserfolges.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis6
Symbolverzeichnis8
Anlagenverzeichnis9
1 Einführung und Zielsetzung
2 Grundzüge eines ganzheitlichen Projektmanagements
2.1 Begriff und Wesen eines ganzheitlichen Projektmanagements
2.2 Notwendigkeit und Erfolgsfaktoren
2.3 Organisationseinheiten und Projektbeteiligte
2.4 Aufbauorganisationsmodelle
2.4.1 Stabs-Projektorganisation
2.4.2 Matrix-Projektorganisation
2.4.3 Reine Projektorganisation
2.4.4 Eignung der Organisationsmodelle für den Anlagenbau
2.5 Projektablauforganisation
2.5.1 Projektinitiierung und Start
2.5.2 Projektplanung
2.5.2.1 Strukturierung des Projektes
2.5.2.2 Terminplanung
2.5.2.3 Kapazitätsplanung
2.5.2.4 Kostenplanung
2.5.2.5 Zusätzliche Planungsaspekte
2.5.3 Projektrealisierung
2.5.4 Projektabschluss
2.6 Multiprojektmanagement
3 Diagnose und Steuerung von Anlagenbauprojekten
3.1 Notwendigkeit und Grundprinzip
3.2 Projektinformationsmanagement
3.3 Diagnose des Projektstatus
3.3.1 Leistungskontrolle
3.3.2 Terminkontrolle
3.3.3 Kostenkontrolle
3.3.4 Kapazitätsüberwachung
3.3.5 Risiko- und Chancenmanagement
3.4 Ganzheitliche Earned Value-Analyse
3.4.1 Terminologie und Visualisierung
3.4.2 Vorgehensweise zur Durchführung der Earned Value-Analyse
3.4.3 Kritische Würdigung der Earned Value-Analyse
3.5 Ursachen- und Zusammenhangsanalyse
3.6 Projektsteuerung und Maßnahmenverfolgung
4 Entwicklung eines Regelkreises für Anlagenbauprojekte
4.1 Systemtheorie und Kybernetik
4.2 Aufbau und Wirkungsweise des Projektregelkreises
4.3 Ausgestaltung des Projektregelkreises zur ganzheitlichen diagnostischen Steuerung von Anlagenbauprojekten
4.3.1 Prämissen und Rahmenbedingungen
4.3.2 Ablaufprozesse des ganzheitlichen Projektregelkreises
4.3.2.1 Vorlaufprozess
4.3.2.2 Analyseprozess
4.3.2.3 Steuerungsprozess
4.3.3 Geschlossener Ablaufprozess
4.3.4 Kritische Würdigung des ganzheitlichen Projektregelkreises
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anlagen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1: Projektausrichtung im unternehmerischen Kontext
Abb. 2.2: Wesentliche Misserfolgsfaktoren bei Projektabwicklungen
Abb. 2.3: Zusammenhang der einzelnen Projektphasen
Abb. 3.1: Ablauf der Projektdiagnose und -steuerung
Abb. 3.2: Elemente des Projektinformationsmanagements
Abb. 3.3: Meilenstein-Trenddiagramm
Abb. 3.4: Kosten-Trenddiagramm
Abb. 3.5: Inhalte eines analytischen Risikomanagements
Abb. 3.6: Risikoportfolio und Handlungsempfehlungen
Abb. 3.7: Visualisierung der Earned Value-Analyse
Abb. 3.8: Ursache-Wirkungs-Netzwerk
Abb. 3.9: Steuerungsprozess und Maßnahmenverfolgung
Abb. 4.1: Regelkreis zur Projektsteuerung im weiteren Sinne
Abb. 4.2: Ablaufprozesse der diagnostischen Projektsteuerung
Abb. 4.3: Geschlossener Ablaufprozess des Projektregelkreises
Tabellenverzeichnis
Tab. 4.1: Ausgewählte Problemfelder des Vorlaufprozesses
Tab. 4.2: Ausgewählte Problemfelder des Analyseprozesses
Tab. 4.3: Ausgewählte Problemfelder des Steuerungsprozesses
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anlagenverzeichnis
Anlage 1: Projektorganisationsmodelle
Anlage 2: Objektorientierter Projektstrukturplan
Anlage 3: Balkendiagramm und Netzplan
nlage 4: Projektstatusbericht
Anlage 5: Verfügbarkeitstabelle und Belastungsdiagramm
1 Einführung und Zielsetzung
Die Bearbeitung und Abwicklung von Großaufträgen ist für Unternehmen im Anlagenbau mit wesentlichen finanziellen Risiken verbunden. Darüber hinaus wirkt sich eine verspätete Fertigstellung oder eine vertragsmäßig vereinbarte, aber nicht erreichte Produktleistung negativ auf die Reputation aus und zieht regelmäßig einen Vertrauensverlust nach sich, welcher die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens gefährden kann. Um das Risiko eines Misserfolges im Rahmen der Auftragsabwicklung zu minimieren und eine gezielte Verfolgung der wirtschaftlichen und technischen Ziele zu gewährleisten, empfiehlt sich der Einsatz eines ganzheitlichen Projektmanagements. Ein derartiger Ansatz sichert hierbei sowohl die Verfolgung der primären Zieldimensionen Leistung, Zeit und Kosten, stellt aber auch die Berücksichtigung weiterer erfolgsbestimmender Faktoren sicher, wie die Erfüllung von Qualitätsforderungen, ein gezieltes Risiko- und Chancenmanagement oder die Koordination eigener Kapazitäten (vgl. Kraus, Westermann 2010: 20-22). Letzteres weist für Anlagenbauunternehmen eine besondere Signifikanz auf, da für diese die Auftragsabwicklung das Kerngeschäft bildet und somit regelmäßig eine parallele Bearbeitung unterschiedlicher Aufträge vorliegt. Um den optimalen Einsatz der unternehmensinternen Ressourcen zu gewährleisten, ist daher die Bearbeitung eines einzelnen Auftrages in ein auftragsübergreifendes Multiprojektmanagement zu integrieren.
Die erfolgreiche Abwicklung eines Auftrages im Anlagenbau basiert, neben einer detaillierten Projektplanung, primär auf der Fähigkeit, gezielt und effektiv auf Veränderungen der Projektumwelt zu reagieren und trotz geänderter Bedingungen weiterhin die Projektziele zu verfolgen. Um dies zu gewährleisten, ist während der gesamten Auftragsbearbeitung ein sich stetig wiederholender und modifizierender Vorgang der Projektdiagnose und -steuerung vorzunehmen (vgl. Burghardt 2007: 169 f.). Eine diagnostische Projektsteuerung dient hierbei dazu, zukünftig erwartete oder bereits eingetretene Veränderungen der Projektumwelt zu erkennen und mittels geeigneter Maßnahmen auf diese zu reagieren, um den Projekterfolg weiterhin gewährleisten zu können. Ein strukturiertes und analytisches Vorgehen sichert dabei den Einbezug aller erfolgskritischen Faktoren und führt zu einer Reduzierung des Risikos eines technischen und wirtschaftlichen Misserfolges.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit den Grundlagen eines ganzheitlichen Projektmanagements im Allgemeinen, den Aspekten und Methoden der Projektdiagnose und -steuerung im Speziellen und der darauf aufbauenden Ge-staltung eines modellhaften Projektregelkreises zur ganzheitlichen Diagnose und Steuerung von Anlagenbauprojekten.
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich zunächst mit den Grundzügen eines ganzheitlichen Projektmanagements, um seine Notwendigkeit für den Anlagenbau herauszuarbeiten und um die nachfolgende Fokussierung auf die Projektdiagnose und -steuerung im methodischen Kontext darzustellen. Hierzu werden grundlegende Aspekte wie das Wesen des Projektmanagements, Erfolgsfaktoren, involvierte Organisationseinheiten bzw. Projektbeteiligte und geeignete Aufbauorganisationsmodelle von Projektmanagementstrukturen erläutert. Im Folgenden wird eine Darstellung der Projektablauforganisation vorgenommen, wobei insbesondere die Projektplanung aufgrund ihrer Bedeutung für die anschließende Projektausführung fokussiert wird. Der Überblick über die Grundzüge des Projektmanagements wird mit einer Erläuterung der Signifikanz eines funktionierenden Multiprojektmanagements für den Anlagenbau abgeschlossen.
Die detaillierte Erläuterung der Projektdiagnose und -steuerung wird mit einer Beschreibung ihres Grundprinzips eingeleitet und der Darstellung eines umfassenden Projektinformationssystems fortgesetzt. Anschließend werden die Inhalte und Methoden der Projektdiagnose erläutert, wobei neben der Diagnose der primären Zieldimensionen auch die Kapazitätsüberwachung und das Risiko- und Chancenmanagement dargestellt wird. Im Folgenden wird die Earned Value-Analyse als eigene Methodik in Bezug auf Inhalte, Visualisierung und Vorgehensweise erläutert und eine kritische Würdigung der praktischen Eignung vorgenommen. Den Abschluss der detaillierten Untersuchung der Projektdiagnose und -steuerung bilden Erläuterungen zur Bedeutung und Methodik von Ursachen- und Zusammenhangsanalysen von Planabweichungen und dem Einleiten und Verfolgen von Steuerungsmaßnahmen zum Zwecke der Zielerreichung.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit bildet die Gestaltung eines ganzheitlichen Projektregelkreismodells, welches die zuvor erlangten Erkenntnisse in einen analytischen und systematischen Kontext bringt und die wesentlichen Problemfelder des Anlagenbaus explizit berücksichtigt. Hierzu werden zunächst in knapper Form die Grundlagen der Systemtheorie und Kybernetik erläutert und der allgemeine Projektregelkreis dargestellt. Anschließend wird ein konkretes Modell eines ganzheitlichen Projektregelkreises ausgestaltet, wobei dieser zunächst in einzelne Prozessschritte zerlegt wird, die ihrerseits gezielt erläutert und auf die Bedürfnisse des Anlagenbaus ausgerichtet werden. Abschließend werden die einzelnen Prozessschritte zu einem geschlossenen Ablaufprozess verdichtet und eine kritische Würdigung des entwickelten Projektregelkreises vorgenommen.
Den Abschluss der vorliegenden Untersuchung bilden ein zusammenfassendes Fazit und ein Ausblick hinsichtlich der zukünftigen Notwendigkeit effektiver Methoden zur Diagnose und Steuerung von Anlagenbauprojekten.
2 Grundzüge eines ganzheitlichen Projektmanagements
2.1 Begriff und Wesen eines ganzheitlichen Projektmanagements
Das Projektmanagement gewann sowohl als Fachdisziplin, als auch als unternehmerischer Aufgabenbereich in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Mittlerweile ist die Projektorganisation in vielen Branchen - darunter insbesondere der Anlagenbau - die vorherrschende Arbeitsform (vgl. Zimmermann et al. 2006: 1). Dabei werden spezielle Anforderungen an die Organisation, Planung, Überwachung und die Steuerung von Projekten gestellt, da traditionelle Linienorganisationen mit ihrer langfristigen Ausrichtung den Bedürfnissen der Projektbearbeitung nicht genügen (vgl. Litke 2007: 17). Somit basiert ein ganzheitliches Management vorrangig auf der Ausrichtung hinsichtlich der Zielgrößen Kosten, Zeit und Leistung, aber auch auf Aspekten wie beispielsweise der Leistungsqualität, dem Chancen- und Risikomanagement oder der Ressourcenkoordination zwischen einzelnen Projekten (siehe Abb. 2.1).[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1: Projektausrichtung im unternehmerischen Kontext (eigene Darstellung)
Ein Projekt stellt hierbei ein Vorhaben dar, durch welches in einem vorgegebenen Zeitraum und unter Nutzung knapper Ressourcen zuvor definierte Ziele erreicht werden sollen. Projekte stellen definitionsgemäß etwas Zusätzliches und Besonderes dar, deren konkrete Bearbeitung geeignete Regelungen und Verfahren erfordert (vgl. Corsten et al. 2008: 1; Fiedler 2010: 2-4; Pfetzing, Rohde 2009: 20; Zimmermann et al. 2006: 2). In Bezug auf den Anlagenbau ist die Definition des Zusätzlichen jedoch in der Regel unzutreffend, da die Projektbearbeitung hierbei das Kerngeschäft darstellt.
Die Fachliteratur hat eine große Anzahl von Definitionen für den Begriff des „Projektes“ hervorgebracht. Daher ist es zweckdienlich, eine Abgrenzung anhand der Projektmerkmale vorzunehmen. Diese sind in erster Linie (vgl. Bea et al. 2008: 30-32; Corsten et al. 2008: 2-6; Pfetzing, Rohde 2009: 21):
- Zielvorgabe
- Neuartigkeit
- Komplexität (viele Beteiligte unterschiedlicher Disziplinen)
- Abgrenzbarkeit (Vorhandensein eines definierten Anfangs und Endes)
- Zeitliche, finanzielle, personelle oder ähnliche Restriktionen
- Bedeutsamkeit (für die projektrealisierende Organisation/Institution)
- Nicht standardisierbare Wechselbeziehungen in der Ablauforganisation
Vielfach wird von verschiedenen Autoren auch das Merkmal Einmaligkeit als Projektattribut angeführt. Da Anlagenbauprojekte allerdings durchaus Ähnlichkeiten mit in der Vergangenheit bereits durchgeführten Projekten aufweisen können und somit über einen Wiederholungscharakter verfügen, wird dieses Merkmal hier nicht aufgeführt (vgl. Corsten et al. 2008: 2 f.).
Im Folgenden soll weiterhin zwischen internen und externen Projekten sowie zwischen einmalig auszuführenden und Routineprojekten unterschieden werden. Hierbei stellen Projekte im Anlagenbau in der Regel externe Routineprojekte dar, also Projekte, deren Auftraggeber ein Kunde ist und deren Gesamtheit der Rahmenbedingungen nicht identisch, aber durchaus vergleichbar sind. Der Vorteil von Routineprojekten besteht darin, dass Erfahrungswerte vergangener Projektabwicklungen in aktuelle Projektprozesse einfließen und somit das Projektrisiko mindern können (vgl. Zimmermann et al. 2006: 2 f.).
Weiterhin bildet das Projektmanagement die Gesamtheit aller Planungs-, Steuerungs-, Koordinierungs- und Überwachungsaktivitäten und -methoden, die zur sach-, termin- und kostengerechten Bearbeitung erforderlich sind. Diese Betrachtungsweise wird auch als Leitungskonzept bezeichnet. Daneben verkörpert das Projektmanagement auch die betriebliche Organisationseinheit, welche die Führungsaufgaben übernimmt, die zur erfolgreichen Projektdurchführung erforderlich sind (vgl. Bea et al. 2008: 14; Corsten et al. 2008: 6 ff.; Zimmermann et al. 2006: 3). Dieser Blickwinkel auf das Projektmanagement wird als Organisationskonzept deklariert.[2]
2.2 Notwendigkeit und Erfolgsfaktoren
Eine zielorientierte und möglichst planmäßige Durchführung von Projekten ist insbesondere im Bereich des Anlagenbaus notwendig, da diese Projekte für die initiierenden Unternehmen in der Regel sehr kostenintensive Vorhaben darstellen. Mängel im Rahmen der Projektabwicklung führen häufig unmittelbar zu einer Reduzierung der Wirtschaftlichkeit des Projektes, im schlimmsten Fall sogar zu Verlustaufträgen. Eine inkonsequente Anwendung des Projektmanagements stellt in der Praxis einen wesentlichen Auslöser für Probleme in der Projektabwicklung dar (vgl. Fiedler 2010: 9). Studien der vergangenen Jahre zeigen regelmäßig die gleichen Faktoren auf, die zur Nichteinhaltung von Kosten- und Terminzielen oder der unzureichenden Qualität technischer Lösungen führen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2: Wesentliche Misserfolgsfaktoren bei Projektabwicklungen (GPM, PA Consulting Group 2007)
Hieran lässt sich die Bedeutung einer effizienten und effektiven Kommunikation zwischen sämtlichen Projektbeteiligten erkennen sowie die Signifikanz einer zweckmäßigen und eindeutigen Zieldefinition. Grundsätzlich können folgende wesentliche Erfolgsfaktoren für die Projektabwicklung bestimmt werden (vgl. Bergmann, Garrecht 2008: 243 f.; Pfetzing, Rohde 2009: 49 f.):
- Offene und direkte Kommunikation und Informationsweitergabe
- Klar vereinbarte und allgemein verständliche Projektziele
- Angemessene und methodengestützte Projektplanung
- Sicherstellung ausreichender Unterstützung durch das Top-Management
- Ausreichende Kompetenz, Befugnis und Autorität des Projektleiters
- Transparenter und kooperativer Führungsstil des Projektleiters
- Zweckmäßige aber umfassende Projektkontrolle
- Adäquate Besetzung und Motivation des gesamten Projektteams
- Projektspezifisches antizipativ orientiertes Risikomanagement
2.3 Organisationseinheiten und Projektbeteiligte
Die Bearbeitung von Anlagenbauprojekten beinhaltet regelmäßig den interdisziplinären Kontakt verschiedenster unternehmensinterner und -externer Projektbeteiligter und Interessengruppen. Im Folgenden wird hierbei zwischen internen und externen Beteiligungen unterschieden.
Interne Beteiligungen
Zu den internen Beteiligungen zählen vorrangig der Projektleiter und das Projektteam, aber auch die Unternehmensführung und die nicht direkt dem einzelnen Projekt zuzuordnenden Organisationseinheiten wie beispielsweise Fachbeauftragte aus den Bereichen Qualitätsmanagement oder Recht (vgl. Pfetzing, Rohde 2009: 61 f.). Es lässt sich feststellen, dass die Effektivität des Projektmanagements zu einem Großteil auf der psychologisch-sozialen Komponente - dem Teamgedanken - beruht.[3] Der Projektleiter muss als Bindeglied zwischen sämtlichen Organisationseinheiten und Interessengruppen sowohl dieser Komponente als auch einer großen Anzahl weiterer Aspekte ein angemessenes Maß an Aufmerksamkeit widmen. Da von der Person des Projektleiters sehr stark die Frage nach dem Erfolg oder Misserfolg des Projekts beeinflusst wird, werden an ihn gesteigerte Anforderungen gestellt (vgl. Burghardt 2007: 64-66; Kerzner 2008: 152). So muss er über ein ausgeprägtes fachliches Know-How bezüglich der Methoden des Projektmanagements verfügen, als Führungspersönlichkeit auf besondere Fähigkeiten hinsichtlich Kooperation und Menschenführung zurückgreifen können und gute wirtschaftliche und technische Kenntnisse in sich vereinen.[4] Von signifikanter Bedeutung ist weiterhin, dass ein Projektmanager als „Generalist“ fungiert und sich nicht als „Spezialist“ zu tief in detaillierte Fragestellungen der einzelnen Fachgebiete vertieft. Dies birgt die Gefahr, dass die primären Aufgaben des Projektleiters - das Überwachen, die Kontrolle und die Steuerung des Gesamtprojektes - vernachlässigt werden und die Übersicht über das Projekt verloren geht.[5] Somit ist grundsätzlich davon abzusehen, hochqualifizierte und -spezialisierte Ingenieure als Projektleiter im Anlagenbau einzusetzen, um dem Risiko eines Verlierens in fachlichen Details und einer damit verbundenen potentiellen Demotivation der übrigen fachlichen Mitglieder des Projektteams entgegen zu wirken (vgl. Litke 2007: 67 f.; Pfetzing, Rohde 2009: 143 f.).
Das Projektteam setzt sich im Anlagenbau in der Regel aus Mitarbeitern einzelner Fachbereiche wie beispielsweise dem Maschinenbau oder der Elektrotechnik zusammen. Je nach Ressourcenbedarf werden die entsprechenden Fachkräfte in den Projekten eingesetzt, die jeweils zu priorisieren sind.[6] Unterstützt werden diese Fachkräfte durch Mitarbeiter des Projektmanagementoffice, welches als dauerhafte Einrichtung dazu dient, den methodischen Rahmen und die Projektmanagementstandards für die einzelnen Projekte zu sichern (vgl. Burghardt 2008: 113-118; Campana 2005: 20-22; Kuster et al. 2008: 107 f.). Grundsätzlich planen und steuern die Mitglieder des Projektteams ihre Arbeitspakete weitgehend selbst und benötigen keine konkreten Einzelanweisungen (vgl. Litke 2007: 174). Der Projektleiter übernimmt hierbei demnach lediglich eine koordinierende Tätigkeit, was die Notwendigkeit von Team- und Kooperationsfähigkeit, Selbstständigkeit und Kommunikationsbereitschaft eines jeden Projektmitgliedes verdeutlicht (vgl. Bendisch, Kern 2006: 19 f.; Pfetzing, Rohde 2009: 54 f.).
Externe Beteiligungen
Externe Projektbeteiligungen setzen sich zumeist aus einer Vielzahl von Stakeholdern, also Bezugs-, Interessen- oder Anspruchsgruppen, zusammen. Vorrangig ist hierbei der Auftraggeber bzw. Kunde zu nennen, der die Kosten des Projektes trägt und aus dem Projektergebnis einen wirtschaftlichen Nutzen erzielen möchte. Darüber hinaus sind gewöhnlich weitere externe Projektbeteiligungen zu koordinieren, wie Lieferanten für Materialien und Komponenten, Transportunternehmen, Behörden oder sonstige Dienstleistungsunternehmen (vgl. Bendisch, Kern 2006: 19; Pfetzing, Rohde 2009: 26 und 57). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen international abzuwickelnder Projekte unterschiedliche Kulturen, Mentalitäten und Wertesysteme aufeinander treffen, woraus diverse Konfliktsituationen entstehen können. Hierbei ist es Aufgabe des Projektleiters, potentielle Konflikte zu antizipieren und diese mit einem entsprechenden Maß an Weltoffenheit und Einfühlungsvermögen bereits im Vorfeld zu vermeiden (vgl. Pfetzing, Rohde 2009: 30 f.). Da die Mehrheit der externen Projektbeteiligten unterschiedliche Erwartungen und Zielsetzungen im Hinblick auf das Projekt verfolgen, sollten diese mittels einer geeigneten Stakeholderanalyse durch den Projektleiter hinterfragt und beurteilt werden (vgl. Bea et al. 2008: 99 f.).[7]
2.4 Aufbauorganisationsmodelle
In der Literatur haben sich im Wesentlichen drei Grundtypen für eine projektspezifische Organisation herausgebildet, welche sich vorrangig durch die Kompetenzen des Projektleiters unterscheiden und in Abhängigkeit der zu bearbeitenden Projekte diverse Vor- und Nachteile aufweisen (vgl. Litke 2007: 69; Pfetzing, Rohde: 2009: 64).[8]
2.4.1 Stabs-Projektorganisation
Im Konzept der Stabs-Projektorganisation sind keine Weisungsbefugnisse des Projektleiters vorgesehen, welcher als Stabsstelle in der Hierarchie des Unternehmens eingegliedert ist, während die Projektmitarbeiter in der Linienorganisation verbleiben. Der Projektleiter übt primär koordinierende Tätigkeiten aus, trägt keine direkte Verantwortung hinsichtlich der Zieldimensionen des Projektes und kann auf diese lediglich durch Empfehlungen, Hinweise und Berichte einwirken. Er verfolgt den Ablauf des Projektes in terminlicher, kostenmäßiger und sachlicher Hinsicht und empfiehlt der Linienorganisation im Bedarfsfall durchzuführende Maßnahmen. Als vorteilhaft kann hierbei betrachtet werden, dass sich die Stabs-Projektorganisation durch ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich des Personaleinsatzes auszeichnet. Die im Unternehmen vorhandenen Kapazitäten werden effizient ausgelastet und bedingen niedrige Umstellkosten bei der Bildung und Auflösung des Projektteams. Nachteil Anlage 4: Projektstatusbericht
Anlage 5: Verfügbarkeitstabelle und Belastungsdiagramm
1 Einführung und Zielsetzung
Die Bearbeitung und Abwicklung von Großaufträgen ist für Unternehmen im Anlagenbau mit wesentlichen finanziellen Risiken verbunden. Darüber hinaus wirkt sich eine verspätete Fertigstellung oder eine vertragsmäßig vereinbarte, aber nicht erreichte Produktleistung negativ auf die Reputation aus und zieht regelmäßig einen Vertrauensverlust nach sich, welcher die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens gefährden kann. Um das Risiko eines Misserfolges im Rahmen der Auftragsabwicklung zu minimieren und eine gezielte Verfolgung der wirtschaftlichen und technischen Ziele zu gewährleisten, empfiehlt sich der Einsatz eines ganzheitlichen Projektmanagements. Ein derartiger Ansatz sichert hierbei sowohl die Verfolgung der primären Zieldimensionen Leistung, Zeit und Kosten, stellt aber auch die Berücksichtigung weiterer erfolgsbestimmender Faktoren sicher, wie die Erfüllung von Qualitätsforderungen, ein gezieltes Risiko- und Chancenmanagement oder die Koordination eigener Kapazitäten (vgl. Kraus, Westermann 2010: 20-22). Letzteres weist für Anlagenbauunternehmen eine besondere Signifikanz auf, da für diese die Auftragsabwicklung das Kerngeschäft bildet und somit regelmäßig eine parallele Bearbeitung unterschiedlicher Aufträge vorliegt. Um den optimalen Einsatz der unternehmensinternen Ressourcen zu gewährleisten, ist daher die Bearbeitung eines einzelnen Auftrages in ein auftragsübergreifendes Multiprojektmanagement zu integrieren.
Die erfolgreiche Abwicklung eines Auftrages im Anlagenbau basiert, neben einer detaillierten Projektplanung, primär auf der Fähigkeit, gezielt und effektiv auf Veränderungen der Projektumwelt zu reagieren und trotz geänderter Bedingungen weiterhin die Projektziele zu verfolgen. Um dies zu gewährleisten, ist während der gesamten Auftragsbearbeitung ein sich stetig wiederholender und modifizierender Vorgang der Projektdiagnose und -steuerung vorzunehmen (vgl. Burghardt 2007: 169 f.). Eine diagnostische Projektsteuerung dient hierbei dazu, zukünftig erwartete oder bereits eingetretene Veränderungen der Projektumwelt zu erkennen und mittels geeigneter Maßnahmen auf diese zu reagieren, um den Projekterfolg weiterhin gewährleisten zu können. Ein strukturiertes und analytisches Vorgehen sichert dabei den Einbezug aller erfolgskritischen Faktoren und führt zu einer Reduzierung des Risikos eines technischen und wirtschaftlichen Misserfolges.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit den Grundlagen eines ganzheitlichen Projektmanagements im Allgemeinen, den Aspekten und Methoden der Projektdiagnose und -steuerung im Speziellen und der darauf aufbauenden Ge-staltung eines modellhaften Projektregelkreises zur ganzheitlichen Diagnose und Steuerung von Anlagenbauprojekten.
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich zunächst mit den Grundzügen eines ganzheitlichen Projektmanagements, um seine Notwendigkeit für den Anlagenbau herauszuarbeiten und um die nachfolgende Fokussierung auf die Projektdiagnose und -steuerung im methodischen Kontext darzustellen. Hierzu werden grundlegende Aspekte wie das Wesen des Projektmanagements, Erfolgsfaktoren, involvierte Organisationseinheiten bzw. Projektbeteiligte und geeignete Aufbauorganisationsmodelle von Projektmanagementstrukturen erläutert. Im Folgenden wird eine Darstellung der Projektablauforganisation vorgenommen, wobei insbesondere die Projektplanung aufgrund ihrer Bedeutung für die anschließende Projektausführung fokussiert wird. Der Überblick über die Grundzüge des Projektmanagements wird mit einer Erläuterung der Signifikanz eines funktionierenden Multiprojektmanagements für den Anlagenbau abgeschlossen.
Die detaillierte Erläuterung der Projektdiagnose und -steuerung wird mit einer Beschreibung ihres Grundprinzips eingeleitet und der Darstellung eines umfassenden Projektinformationssystems fortgesetzt. Anschließend werden die Inhalte und Methoden der Projektdiagnose erläutert, wobei neben der Diagnose der primären Zieldimensionen auch die Kapazitätsüberwachung und das Risiko- und Chancenmanagement dargestellt wird. Im Folgenden wird die Earned Value-Analyse als eigene Methodik in Bezug auf Inhalte, Visualisierung und Vorgehensweise erläutert und eine kritische Würdigung der praktischen Eignung vorgenommen. Den Abschluss der detaillierten Untersuchung der Projektdiagnose und -steuerung bilden Erläuterungen zur Bedeutung und Methodik von Ursachen- und Zusammenhangsanalysen von Planabweichungen und dem Einleiten und Verfolgen von Steuerungsmaßnahmen zum Zwecke der Zielerreichung.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit bildet die Gestaltung eines ganzheitlichen Projektregelkreismodells, welches die zuvor erlangten Erkenntnisse in einen analytischen und systematischen Kontext bringt und die wesentlichen Problemfelder des Anlagenbaus explizit berücksichtigt. Hierzu werden zunächst in knapper Form die Grundlagen der Systemtheorie und Kybernetik erläutert und der allgemeine Projektregelkreis dargestellt. Anschließend wird ein konkretes Modell eines ganzheitlichen Projektregelkreises ausgestaltet, wobei dieser zunächst in einzelne Prozessschritte zerlegt wird, die ihrerseits gezielt erläutert und auf die Bedürfnisse des Anlagenbaus ausgerichtet werden. Abschließend werden die einzelnen Prozessschritte zu einem geschlossenen Ablaufprozess verdichtet und eine kritische Würdigung des entwickelten Projektregelkreises vorgenommen.
Den Abschluss der vorliegenden Untersuchung bilden ein zusammenfassendes Fazit und ein Ausblick hinsichtlich der zukünftigen Notwendigkeit effektiver Methoden zur Diagnose und Steuerung von Anlagenbauprojekten.
2 Grundzüge eines ganzheitlichen Projektmanagements
2.1 Begriff und Wesen eines ganzheitlichen Projektmanagements
Das Projektmanagement gewann sowohl als Fachdisziplin, als auch als unternehmerischer Aufgabenbereich in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Mittlerweile ist die Projektorganisation in vielen Branchen - darunter insbesondere der Anlagenbau - die vorherrschende Arbeitsform (vgl. Zimmermann et al. 2006: 1). Dabei werden spezielle Anforderungen an die Organisation, Planung, Überwachung und die Steuerung von Projekten gestellt, da traditionelle Linienorganisationen mit ihrer langfristigen Ausrichtung den Bedürfnissen der Projektbearbeitung nicht genügen (vgl. Litke 2007: 17). Somit basiert ein ganzheitliches Management vorrangig auf der Ausrichtung hinsichtlich der Zielgrößen Kosten, Zeit und Leistung, aber auch auf Aspekten wie beispielsweise der Leistungsqualität, dem Chancen- und Risikomanagement oder der Ressourcenkoordination zwischen einzelnen Projekten (siehe Abb. 2.1).[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1: Projektausrichtung im unternehmerischen Kontext (eigene Darstellung)
Ein Projekt stellt hierbei ein Vorhaben dar, durch welches in einem vorgegebenen Zeitraum und unter Nutzung knapper Ressourcen zuvor definierte Ziele erreicht werden sollen. Projekte stellen definitionsgemäß etwas Zusätzliches und Besonderes dar, deren konkrete Bearbeitung geeignete Regelungen und Verfahren erfordert (vgl. Corsten et al. 2008: 1; Fiedler 2010: 2-4; Pfetzing, Rohde 2009: 20; Zimmermann et al. 2006: 2). In Bezug auf den Anlagenbau ist die Definition des Zusätzlichen jedoch in der Regel unzutreffend, da die Projektbearbeitung hierbei das Kerngeschäft darstellt.
Die Fachliteratur hat eine große Anzahl von Definitionen für den Begriff des „Projektes“ hervorgebracht. Daher ist es zweckdienlich, eine Abgrenzung anhand der Projektmerkmale vorzunehmen. Diese sind in erster Linie (vgl. Bea et al. 2008: 30-32; Corsten et al. 2008: 2-6; Pfetzing, Rohde 2009: 21):
- Zielvorgabe
- Neuartigkeit
- Komplexität (viele Beteiligte unterschiedlicher Disziplinen)
- Abgrenzbarkeit (Vorhandensein eines definierten Anfangs und Endes)
- Zeitliche, finanzielle, personelle oder ähnliche Restriktionen
- Bedeutsamkeit (für die projektrealisierende Organisation/Institution)
- Nicht standardisierbare Wechselbeziehungen in der Ablauforganisation
Vielfach wird von verschiedenen Autoren auch das Merkmal Einmaligkeit als Projektattribut angeführt. Da Anlagenbauprojekte allerdings durchaus Ähnlichkeiten mit in der Vergangenheit bereits durchgeführten Projekten aufweisen können und somit über einen Wiederholungscharakter verfügen, wird dieses Merkmal hier nicht aufgeführt (vgl. Corsten et al. 2008: 2 f.).
Im Folgenden soll weiterhin zwischen internen und externen Projekten sowie zwischen einmalig auszuführenden und Routineprojekten unterschieden werden. Hierbei stellen Projekte im Anlagenbau in der Regel externe Routineprojekte dar, also Projekte, deren Auftraggeber ein Kunde ist und deren Gesamtheit der Rahmenbedingungen nicht identisch, aber durchaus vergleichbar sind. Der Vorteil von Routineprojekten besteht darin, dass Erfahrungswerte vergangener Projektabwicklungen in aktuelle Projektprozesse einfließen und somit das Projektrisiko mindern können (vgl. Zimmermann et al. 2006: 2 f.).
Weiterhin bildet das Projektmanagement die Gesamtheit aller Planungs-, Steuerungs-, Koordinierungs- und Überwachungsaktivitäten und -methoden, die zur sach-, termin- und kostengerechten Bearbeitung erforderlich sind. Diese Betrachtungsweise wird auch als Leitungskonzept bezeichnet. Daneben verkörpert das Projektmanagement auch die betriebliche Organisationseinheit, welche die Führungsaufgaben übernimmt, die zur erfolgreichen Projektdurchführung erforderlich sind (vgl. Bea et al. 2008: 14; Corsten et al. 2008: 6 ff.; Zimmermann et al. 2006: 3). Dieser Blickwinkel auf das Projektmanagement wird als Organisationskonzept deklariert.[2]
2.2 Notwendigkeit und Erfolgsfaktoren
Eine zielorientierte und möglichst planmäßige Durchführung von Projekten ist insbesondere im Bereich des Anlagenbaus notwendig, da diese Projekte für die initiierenden Unternehmen in der Regel sehr kostenintensive Vorhaben darstellen. Mängel im Rahmen der Projektabwicklung führen häufig unmittelbar zu einer Reduzierung der Wirtschaftlichkeit des Projektes, im schlimmsten Fall sogar zu Verlustaufträgen. Eine inkonsequente Anwendung des Projektmanagements stellt in der Praxis einen wesentlichen Auslöser für Probleme in der Projektabwicklung dar (vgl. Fiedler 2010: 9). Studien der vergangenen Jahre zeigen regelmäßig die gleichen Faktoren auf, die zur Nichteinhaltung von Kosten- und Terminzielen oder der unzureichenden Qualität technischer Lösungen führen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2: Wesentliche Misserfolgsfaktoren bei Projektabwicklungen (GPM, PA Consulting Group 2007)
Hieran lässt sich die Bedeutung einer effizienten und effektiven Kommunikation zwischen sämtlichen Projektbeteiligten erkennen sowie die Signifikanz einer zweckmäßigen und eindeutigen Zieldefinition. Grundsätzlich können folgende wesentliche Erfolgsfaktoren für die Projektabwicklung bestimmt werden (vgl. Bergmann, Garrecht 2008: 243 f.; Pfetzing, Rohde 2009: 49 f.):
- Offene und direkte Kommunikation und Informationsweitergabe
- Klar vereinbarte und allgemein verständliche Projektziele
- Angemessene und methodengestützte Projektplanung
- Sicherstellung ausreichender Unterstützung durch das Top-Management
- Ausreichende Kompetenz, Befugnis und Autorität des Projektleiters
- Transparenter und kooperativer Führungsstil des Projektleiters
- Zweckmäßige aber umfassende Projektkontrolle
- Adäquate Besetzung und Motivation des gesamten Projektteams
- Projektspezifisches antizipativ orientiertes Risikomanagement
2.3 Organisationseinheiten und Projektbeteiligte
Die Bearbeitung von Anlagenbauprojekten beinhaltet regelmäßig den interdisziplinären Kontakt verschiedenster unternehmensinterner und -externer Projektbeteiligter und Interessengruppen. Im Folgenden wird hierbei zwischen internen und externen Beteiligungen unterschieden.
Interne Beteiligungen
Zu den internen Beteiligungen zählen vorrangig der Projektleiter und das Projektteam, aber auch die Unternehmensführung und die nicht direkt dem einzelnen Projekt zuzuordnenden Organisationseinheiten wie beispielsweise Fachbeauftragte aus den Bereichen Qualitätsmanagement oder Recht (vgl. Pfetzing, Rohde 2009: 61 f.). Es lässt sich feststellen, dass die Effektivität des Projektmanagements zu einem Großteil auf der psychologisch-sozialen Komponente - dem Teamgedanken - beruht.[3] Der Projektleiter muss als Bindeglied zwischen sämtlichen Organisationseinheiten und Interessengruppen sowohl dieser Komponente als auch einer großen Anzahl weiterer Aspekte ein angemessenes Maß an Aufmerksamkeit widmen. Da von der Person des Projektleiters sehr stark die Frage nach dem Erfolg oder Misserfolg des Projekts beeinflusst wird, werden an ihn gesteigerte Anforderungen gestellt (vgl. Burghardt 2007: 64-66; Kerzner 2008: 152). So muss er über ein ausgeprägtes fachliches Know-How bezüglich der Methoden des Projektmanagements verfügen, als Führungspersönlichkeit auf besondere Fähigkeiten hinsichtlich Kooperation und Menschenführung zurückgreifen können und gute wirtschaftliche und technische Kenntnisse in sich vereinen.[4] Von signifikanter Bedeutung ist weiterhin, dass ein Projektmanager als „Generalist“ fungiert und sich nicht als „Spezialist“ zu tief in detaillierte Fragestellungen der einzelnen Fachgebiete vertieft. Dies birgt die Gefahr, dass die primären Aufgaben des Projektleiters - das Überwachen, die Kontrolle und die Steuerung des Gesamtprojektes - vernachlässigt werden und die Übersicht über das Projekt verloren geht.[5] Somit ist grundsätzlich davon abzusehen, hochqualifizierte und -spezialisierte Ingenieure als Projektleiter im Anlagenbau einzusetzen, um dem Risiko eines Verlierens in fachlichen Details und einer damit verbundenen potentiellen Demotivation der übrigen fachlichen Mitglieder des Projektteams entgegen zu wirken (vgl. Litke 2007: 67 f.; Pfetzing, Rohde 2009: 143 f.).
Das Projektteam setzt sich im Anlagenbau in der Regel aus Mitarbeitern einzelner Fachbereiche wie beispielsweise dem Maschinenbau oder der Elektrotechnik zusammen. Je nach Ressourcenbedarf werden die entsprechenden Fachkräfte in den Projekten eingesetzt, die jeweils zu priorisieren sind.[6] Unterstützt werden diese Fachkräfte durch Mitarbeiter des Projektmanagementoffice, welches als dauerhafte Einrichtung dazu dient, den methodischen Rahmen und die Projektmanagementstandards für die einzelnen Projekte zu sichern (vgl. Burghardt 2008: 113-118; Campana 2005: 20-22; Kuster et al. 2008: 107 f.). Grundsätzlich planen und steuern die Mitglieder des Projektteams ihre Arbeitspakete weitgehend selbst und benötigen keine konkreten Einzelanweisungen (vgl. Litke 2007: 174). Der Projektleiter übernimmt hierbei demnach lediglich eine koordinierende Tätigkeit, was die Notwendigkeit von Team- und Kooperationsfähigkeit, Selbstständigkeit und Kommunikationsbereitschaft eines jeden Projektmitgliedes verdeutlicht (vgl. Bendisch, Kern 2006: 19 f.; Pfetzing, Rohde 2009: 54 f.).
Externe Beteiligungen
Externe Projektbeteiligungen setzen sich zumeist aus einer Vielzahl von Stakeholdern, also Bezugs-, Interessen- oder Anspruchsgruppen, zusammen. Vorrangig ist hierbei der Auftraggeber bzw. Kunde zu nennen, der die Kosten des Projektes trägt und aus dem Projektergebnis einen wirtschaftlichen Nutzen erzielen möchte. Darüber hinaus sind gewöhnlich weitere externe Projektbeteiligungen zu koordinieren, wie Lieferanten für Materialien und Komponenten, Transportunternehmen, Behörden oder sonstige Dienstleistungsunternehmen (vgl. Bendisch, Kern 2006: 19; Pfetzing, Rohde 2009: 26 und 57). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen international abzuwickelnder Projekte unterschiedliche Kulturen, Mentalitäten und Wertesysteme aufeinander treffen, woraus diverse Konfliktsituationen entstehen können. Hierbei ist es Aufgabe des Projektleiters, potentielle Konflikte zu antizipieren und diese mit einem entsprechenden Maß an Weltoffenheit und Einfühlungsvermögen bereits im Vorfeld zu vermeiden (vgl. Pfetzing, Rohde 2009: 30 f.). Da die Mehrheit der externen Projektbeteiligten unterschiedliche Erwartungen und Zielsetzungen im Hinblick auf das Projekt verfolgen, sollten diese mittels einer geeigneten Stakeholderanalyse durch den Projektleiter hinterfragt und beurteilt werden (vgl. Bea et al. 2008: 99 f.).[7]
2.4 Aufbauorganisationsmodelle
In der Literatur haben sich im Wesentlichen drei Grundtypen für eine projektspezifische Organisation herausgebildet, welche sich vorrangig durch die Kompetenzen des Projektleiters unterscheiden und in Abhängigkeit der zu bearbeitenden Projekte diverse Vor- und Nachteile aufweisen (vgl. Litke 2007: 69; Pfetzing, Rohde: 2009: 64).[8]
2.4.1 Stabs-Projektorganisation
Im Konzept der Stabs-Projektorganisation sind keine Weisungsbefugnisse des Projektleiters vorgesehen, welcher als Stabsstelle in der Hierarchie des Unternehmens eingegliedert ist, während die Projektmitarbeiter in der Linienorganisation verbleiben. Der Projektleiter übt primär koordinierende Tätigkeiten aus, trägt keine direkte Verantwortung hinsichtlich der Zieldimensionen des Projektes und kann auf diese lediglich durch Empfehlungen, Hinweise und Berichte einwirken. Er verfolgt den Ablauf des Projektes in terminlicher, kostenmäßiger und sachlicher Hinsicht und empfiehlt der Linienorganisation im Bedarfsfall durchzuführende Maßnahmen. Als vorteilhaft kann hierbei betrachtet werden, dass sich die Stabs-Projektorganisation durch ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich des Personaleinsatzes auszeichnet. Die im Unternehmen vorhandenen Kapazitäten werden effizient ausgelastet und bedingen niedrige Umstellkosten bei der Bildung und Auflösung des Projektteams. Nachteilig wirkt sich hingegen der Umstand aus, dass sich durch die kaum vorhandenen Kompetenzen nur ein unzureichendes Projektverantwortungsgefühl etabliert und somit die Identifikation mit dem Projekt und die allgemeine Motivation gefährdet werden. Weiterhin ist die Reaktionsgeschwindigkeit bei auftretenden Störungen verhältnismäßig gering, da die Entscheidungsgewalten bei den Linieninstanzen liegen. Die Stabs-Projekt-organisation eignet sich daher vorrangig für kleinere Projekte, die eine niedrige Priorität aufweisen, geringe Konzentration auf das Projektziel erfordern und die den Rahmen der regulären Aufgaben der Linie nur unwesentlich übersteigen.[9]
2.4.2 Matrix-Projektorganisation
Im Rahmen der Matrix-Projektorganisation verbleiben die Projektmitarbeiter in ihren jeweiligen Fachbereichen und werden nach Bedarf in einzelne Projekte eingebunden. Hierbei erfolgt die Projektbearbeitung durch die Fachbereiche der Linie entsprechend ihrer Funktionen, wobei die fachliche Projektbearbeitung einen Dienstleistungscharakter aufweist. Der Projektleiter agiert in diesem Kontext als Koordinator und Verantwortlicher für die Planung und Steuerung des Projektes. Die Matrix-Projektorganisation sieht hierbei ein aufgabengebundenes Weisungsrecht des Leiters der Fachabteilungen sowie ein projektgebundenes Weisungsrecht des Projektleiters vor. Da der Projektmitarbeiter während der Projektbearbeitung sowohl der Linienautorität durch den Fachbereichsleiter als auch der Projektautorität durch den Projektleiter untersteht, wohnt dieser Organisationsform ein gewisses Konfliktpotential inne. Insofern ist der Vermeidung von autoritätsbedingten Konfliktsituationen zwischen Fachbereichsleitern und dem Projektleiter besondere Beachtung zu widmen und für die Wahrung der unterschiedlichen Interessen von Linie und Projekt Sorge zu tragen. Neben dem inhärenten Konfliktpotential sind auch der hohe Koordinationsaufwand sowie die gesteigerten Anforderungen an die grundsätzliche Kommunikations- und Informationsbereitschaft aller Beteiligten als nachteilig anzusehen. Dem steht allerdings eine gute Beeinflussbarkeit der Zieldimensionen des Projektes, die hohe Flexibilität und die Möglichkeit einer zielgerichteten Koordination unterschiedlicher Interessen als Vorteile gegenüber. Weiterhin führt diese Art der Organisation zu einem durchgängigen Verantwortlichkeitsgefühl des Projektleiters und seines Stabes für das Projekt. Die Matrix-Projektorganisation wird in erster Linie für mittlere bis große Projekte verwendet, die interdisziplinäre Problemstellungen aufweisen.[10]
2.4.3 Reine Projektorganisation
Die reine Projektorganisation sieht eine vollständige Einbindung der Projektmitarbeiter in eine praktisch eigenständige Organisation zur Bearbeitung eines Projektes vor. Diese Organisation wird eigenverantwortlich durch den Projektleiter geführt, welcher somit über die alleinigen Weisungsbefugnisse und Kompetenzen verfügt. Der Unterschied zur Linienorganisation besteht hierbei in der zeitlichen Befristung der Zusammenstellung des Projektteams. Mittels der reinen Projektorganisation ist die stärkste Form der Problemfokussierung möglich und gewährleistet die volle Konzentration sämtlicher Mitglieder des Projektteams auf das Erreichen der Projektziele. Dies führt weiterhin zu einer starken Identifikation aller Beteiligten mit dem Projekt, ein deutlich reduziertes Konfliktpotential sowie zu der Möglichkeit, rasch und wirksam auf auftretende Schwierigkeiten reagieren zu können. Als nachteilig muss die relativ schlechte Auslastung vorhandener Kapazitäten angesehen werden. Auch die hohen Umstellungskosten durch die Rekrutierung der Projektmitglieder aus der Linie sowie mögliche Probleme bei der Wiedereingliederung der Mitglieder nach Beendigung des Projektes sind nachteilige Aspekte dieser Organisationsform. Aufgrund des hohen Aufwandes der reinen Projektorganisation, wird diese primär für große, wichtige und terminkritische Projekte verwendet.[11]
2.4.4 Eignung der Organisationsmodelle für den Anlagenbau
Unternehmen, die im Geschäft des Anlagenbaus tätig sind, wickeln in der Regel mittlere bis große Projekte ab. Darüber hinaus sind mehrere Projekte gleichzeitig in Bearbeitung, was eine Organisation voraussetzt, die eine systematische Beeinflussung der Zieldimensionen und ein rasches Reagieren auf Schwierigkeiten zulässt. Somit ist die Stabs-Projektorganisation für den Anlagenbau eher ungeeignet. Durch den Bedarf an Fachpersonal in parallel abzuwickelnden Projekten bietet sich die Anwendung der reinen Projektorganisation ebenfalls nur bedingt an, da hierbei die benötigten Fachkräfte fest in ein Projekt eingebunden werden (vgl. Burghardt 2008: 102-104). Für den Anlagenbau eignet sich daher in erster Linie eine schwache Matrix-Projektorganisation, welche dem Projektleiter erlaubt, bei der Bearbeitung sehr komplexer und übergreifender Fragestellungen auf das fachliche Wissen seiner Projektmitarbeiter zurückzugreifen. Dabei übt der Projektleiter vorrangig koordinatorische Tätigkeiten aus. Trotz des inhärenten Konfliktpotentials stellt die Matrix-Projektorganisation im Anlagenbau die wirkungsvollste, wirtschaftlichste und hinsichtlich der begrenzten Kapazitäten die einzige realisierbare Lösung dar. Insbesondere für die Abwicklung von Großprojekten ist das fachliche Wissen einzelner Fachbereiche unverzichtbar, welches durch die Anwendung der Matrix-Projektorganisation in der Linie erhalten und stetig weiterentwickelt wird (vgl. Kuster et al. 2008: 107; Litke 2007: 74 f.; Pfetzing, Rohde 2009: 67).
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783863415822
- ISBN (Paperback)
- 9783863410827
- Dateigröße
- 1019 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hamburger Fern-Hochschule
- Erscheinungsdatum
- 2012 (März)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Projektmanagement Anlagenbau Regelkreis Diagnostische Steuerung Leistungskontrolle
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing