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Latente Steuern nach dem HGB n.F.: Änderungen durch das BilMoG

Mit zahlreichen Anwendungsbeispielen

©2011 Bachelorarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

Latente Steuern stellen rein fiktive Werte dar und haben eine zentrale Kernfunktion: Den Steueraufwand in der handelsrechtlichen GuV so auszuweisen, wie er auszuweisen wäre, wenn der handelsrechtliche Jahresabschluss Bemessungsgrundlage für die Steuer wäre. Denn Zielsetzung der Handelsbilanz ist insbesondere, eine möglichst zutreffende Darstellung der Ertragslage abzubilden. Ohne die latente Steuerrechnung könnte dieses Ziel nicht effektiv realisiert werden.
Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz hat das Themengebiet "Latente Steuern" insgesamt sehr stark an Bedeutung gewonnen. Besonders der Wegfall des im Steuerrecht verankerten Prinzips der umgekehrten Maßgeblichkeit sowie das damit verbundene Auseinanderdriften zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz spielen hierbei eine große Rolle.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Umstellung des Abgrenzungskonzepts latenter Steuern. Das vormals gebräuchliche GuV-orientierte "Timing-Konzept" wurde durch das international angewandte bilanzorientierte "Temporary-Konzept" ersetzt. Somit werden neuerdings auch alle erfolgsneutral im Eigenkapital entstandenen Differenzen bei Bildung latenter Steuern berücksichtigt.
Durch das BilMoG wurde nun auch explizit geregelt, dass steuerliche Verlustvorträge bei der Ermittlung aktiver latenter Steuern mit einzubeziehen sind. Die bis dato angewandte Praxis wurde somit zum Gesetz.
Das vorliegende Werk geht auf diese und weitere einschlägige Änderungen des BilMoG im Zusammenhang mit der Bilanzierung latenter Steuern ein. Angefangen bei der Definition und Notwendigkeit latenter Steuern baut die Studie systematisch bis hin zu Spezialgebieten innerhalb des Themenbereiches (z.B. Latente Steuern beim Unternehmenserwerb) auf. Zahlreiche Anwendungsfälle sollen zudem das Verständnis in den einzelnen Bereichen vertiefen sowie Anwenderinnen und Anwendern in der Praxis nützlich sein.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

I. Einleitung
1. Bedeutung des BilMoG und die Bilanzierung latenter Steuern
2. Definition und Ursachen für latente Steuern
2.1. Anwendungsfall A

II. Vorschriften über Ansatz und Auflösung latenter Steuern
1. Vergleich und Überblick über grundlegende Vorschriften
2. Konzepte und Methoden zur Abgrenzung latenter Steuern
2.1. Temporary-Konzept ersetzt Timing-Konzept.
2.2. Liability-Methode versus Deferral-Methode
3. Ansatzkriterien für latente Steuern
3.1. Bedingtes Aktivierungswahlrecht
3.1.1. Anwendungsfall B
3.2. Passivierungspflicht
4. Befreiung gem. § 274a Nr. 5 HGB
4.1. Passive latente Steuern bei Erfüllung der Voraussetzungen gem. § 249 HGB
4.2. Anwendungsfall C
5. Auflösung latenter Steuerposten

III. Bilanzierung latenter Steuern der Höhe nach
1. Werthaltigkeit aktiver latenter Steuern
2. Steuersatz zum Zeitpunkt der Umkehrung
2.1. Anwendungsfall D
3. Abzinsung latenter Steueransprüche und -schulden
4. Saldierungswahlrecht bei der Bilanzierung
4.1. Anwendungsfall E

IV. Ausweis von latenten Steuern
1. Ausweis in der Bilanz
2. Ausweis in der GuV

V. Anhangangaben
1. Pflichtangaben nach § 285 Nr. 29 HGB
2. Steuerüberleitungsrechnung

VI. Ausschüttungssperre bei latenten Steueransprüchen

VII. Latente Steuern bei Erstanwendung des BilMoG
1. Anwendungszeitpunkt und Übergangsregelung
2. Anwendungsfall F

VIII. Bilanzierung latenter Steuern vor dem Hintergrund des Steuer- rechts
1. Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit
2. Unterschiede zwischen handels- und steuerrechtlichen Wertan- sätzen
3. Steuerlatenzen aufgrund von steuerlichen Verlustvorträgen
3.1. Grundlegendes zu Verlustvorträgen
3.2. Werthaltigkeit latenter Steuern auf Verlustvorträge
3.3. Berücksichtigung der Regelungen zur Mindestbesteuerung
3.3.1. Anwendungsfall G
4. Latente Steuern und Zinsschranke gem. § 4h EStG
4.1. Grundlegendes zur Zinsschranke
4.2. Bilanzierung latenter Steuern auf den Zinsvortrag

IX. Latente Steuern beim Unternehmenserwerb
1. Latente Steuern im Rahmen eines Asset Deal
1.2. Anwendungsfall H

X. Latente Steuern im Jahresabschluss von Personenhandels-
gesellschaften 57
1. Anwendungsbereich bei Personenhandelsgesellschaften
2. Steuerliche Besonderheiten und Wirkungsbereich der latenten
Steuern bei Personenhandelsgesellschaften
2.1. Ebene der Personenhandelsgesellschaft
2.1.1. Einfluss von Ergänzungs- und/oder Sonderbilanzen
2.2. Ebene des Gesellschafters
2.2.1. Beschränkt haftende Personenhandelsgesellschaft
2.2.2. Kapitalgesellschaft
3. Anwendungsfall I

XI. Latente Steuern in Organschaften
1. Grundlegendes zur ertragsteuerlichen Organschaft
2. Berücksichtigung latenter Steuern im Organkreis
2.1. Erfassung bei der Organgesellschaft
2.2. Erfassung beim Organträger

XII. Zusammenfassung und Fazit

XIII. Anhang
1. Gegenüberstellung latente Steuern HGB a.F. – BilMoG – IFRS
2. Grundzüge der Mitunternehmerbesteuerung
3. Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft

Literaturverzeichnis

Selbstständige Bücher und Schriften:

- Bieg, H. u.a.: Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – Bilanzierung, Berichter­stattung und Prüfung nach dem BilMoG, München 2009
- Hahn, K.: BilMoG Kompakt – Rechnungslegung nach dem neuen Bilanz­rechtsmodernisierungsgesetz – Leitfaden für die Praxis – Systematische Darstellung des neuen deutschen Bilanzrechts, 2. Aufl., Stuttgart 2009
- Kessler, H., Leinen, M., Strickmann, M. (Hrsg.): Handbuch BilMoG – Der praktische Leitfaden zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 1. Aufl., Frei­burg 2009
- Klumpp, H.-H., Beisel, D.: Der Unternehmenskauf – Gesamtdarstellung der zivil- und steuerrechtlichen Vorgänge, 6. Aufl., München 2009
- Kraft C., Kraft G.: Grundlagen der Unternehmensbesteuerung – Die wichtigsten Steuerarten und ihr Zusammenwirken, 3. Aufl., Wiesbaden 2009
- Lange, T. A., Löw, E. (Hrsg.): Rechnungslegung, Steuerung und Aufsicht von Banken – Kapitalmarktorientierung und Internationalisierung, 1. Aufl., Wiesbaden 2004
- Meyer, M. u.a.: Latente Steuern – Bewertung, Bilanzierung, Beratung,
1. Aufl., Wiesbaden 2009
- Philipps, H.: Rechnungslegung nach BilMoG – Kurzkommentar zum Jahresabschluss und Lagebericht nach neuem Bilanzrecht, 1. Aufl., Wiesbaden 2010
- Deubert, M.: Bilanzierung latenter Steuern nach den Vorschriften des BilMoG, in: Broschüre zur IDW Landesgruppenveranstaltung am 18.05.2010 in Zweibrücken
- Kastrup, B., Middendorf, O.: Latente Steuern bei Personengesellschaften im handelsrechtlichen Jahresabschluss nach BilMoG, in: Betriebs-Berater 2010, Ausgabe 14.2010 vom 29.03.2010, S. 815-820
- o.V.: Die große HGB-Reform durch das neue BilMoG, Broschüre vom IFU-Institut • Recht • Steuern • Wirtschaft
- Prinz, U.: BilMoG - Neue Diskussionsfelder im Fokus, Verlust- und Zinsvorträge als neuer „Gegenstand“ aktiver Steuerlatenzen – Zum Zusammenspiel von steuerlichem Verlustmanagement und Rechnungslegung nach BilMoG, in: Der Betrieb Status:Recht 09/2009, S. 202-203
- Wendholdt, W., Wesemann M.: Zur Umsetzung der HGB Modernisierung durch das BilMoG: Bilanzierung von latenten Steuern im Einzel- und Konzernabschluss, in: Der Betrieb 2009, Beilage 5 zu Heft 23 vom 05.06.2009, S. 64-76
- Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union: Amtsblatt der europäi­schen Union L 261, Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission vom 29. September 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, Überarbeitung des International Accounting Standard 12, L 261/86, IAS 12.84., unter: http://www.standardsetter.de/drsc/docs/press_releases/EG-verordnung_Uebernahme%20IAS_290903_deutsch.pdf, Abruf am 07.06.2010
- BASF SE: Bericht 2009, Angaben zur GuV im Anhang, 8 – Steueraufwand, Überleitungsrechnung auf den effektiven Steueraufwand und die Steuerquote, unter: http://bericht.basf.com/2009/de/anhang/angabenzurguv/steueraufwand.html?cat=b, Abruf am 30.06.2010
- Bundesrat: BR-Drucksache 344/08 (Beschluss), Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz–BilMoG), unter: http://www.bmj.de/files/-/3223/Stellungnahme%20Bundesrat_BilMoG.pdf, Abruf am 14.05.2010
- Deutscher Bundestag: BT-Drucksache 16/10067, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz–BilMoG), unter: http://www.bmj.bund.de/files/-/3152/RegE_bilmog.pdf, Abruf am 04.05.2010
- Deutscher Bundestag: BT-Drucksache 16/12407, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz–BilMoG) –Drucksache 16/10067– , unter: http://www.bmj.bund.de/files/-/3541/Beschlussempfehlung_Bericht_Rechtsausschuss_bilmog.pdf, Abruf am 29.04.2010
- Deutscher Standardisierungsrat: Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 18 Latente Steuern, unter: http://www.standardsetter.de/drsc/docs/press_releases/2010/DRS18_nearfinal_website.pdf, Abruf am 05.07.2010
- Fischer, C., Lindau, B.: Die Behandlung latenter Steuern nach International Accounting Standard IAS 12 der IASC – Unterschiede zur deutschen Rech­nungslegung und deren Angleichung, unter: http://fischer-treuhand.de/archiv.html#text2, Abruf am 03.05.2010
- Institut der Wirtschaftsprüfer: Entwurf IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Einzelfragen zur Bilanzierung latenter Steuern nach den Vorschriften des HGB in der Fassung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (IDW ERS HFA 27), unter: http://www.kpmg.de/docs/IDW_20ERS_20HFA_2027.pdf, Abruf am 10.05.2010

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungserzeichnis

- Lösung Anwendungsfall A zur Wirkungsweise latenter Steuern
- Grundlegende Änderungen für die latente Steuerabgrenzung
- Gegenüberstellung der Größenklassen nach HGB a.F. und BilMoG
- Tabellarische Darstellung zur Auflösung latenter Steuern
- Lösung Anwendungsfall E zu den Optionen des Bilanzansatzes
- Beispiel einer steuerlichen Überleitungsrechnung
- Abbildung zur Ermittlung des ausschüttungsgesperrten Betrages
- Lösung Anwendungsfall G zur Verlustausgleichsbeschränkung
- Lösung Anwendungsfall H zur latenten Steuerabgrenzung beim Asset Deal
- Lösung Anwendungsfall I zur Ermittlung zeitlich begrenzter Differenzen im Jahresabschluss einer Peronenhandelsgesellschaft

I . Einleitung

1. Bedeutung des BilMoG und die Bilanzierung latenter Steuern

Das am 29.05.2009 in Kraft getretene Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz stellt die größte HGB-Reform der letzten 20 Jahre dar. Eine ganze Fülle von Einzelregelungen und Ergänzungen führt, unter Erhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (§ 252 HGB) und Wahrung der Zahlungsbemessungsfunktion, zu einer modernen Bilanzierungsgrundlage, die losgelöst von den internationalen Rechnungslegungsvorschriften ein eigenständiges Regelwerk darstellt.[1]

Ziele der neuen Bilanzrechtsreform sind laut Gesetzesbegründung

- eine umfangreiche Deregulierung der Buchführungs- und Bilanzierungspflichten für Einzelkaufleute,
- eine Anhebung der Schwellenwerte für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften, um diesen die Inanspruchnahme größenabhängiger Erleichterungen und Befreiungen zu ermöglichen,
- die Stärkung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Einzel- und Konzernabschlusses,
- die Schaffung eines vollwertigen und kostengünstigeren Regelwerkes sowie
- die Schaffung einer einfacheren Alternative zu den IFRS.[2]

Trotz der Eigenständigkeit des neuen HGB, hat man sich bei der Ausrichtung des BilMoG stark an den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) orientiert. Insbesondere die aus internationaler Sicht kritisierten Einflüsse des Steuerrechts auf die Handelsbilanz wurden weitestgehend beseitigt, was zu einem weiteren erheblichen Auseinanderfallen zwischen Handels- und Steuerbilanz führt. In Folge dessen gewinnt die Bilanzierung latenter Steuern in besonderem Maße an Bedeutung. Diese einschneidende Entwicklung schlägt sich nicht zuletzt in der Neufassung des § 274 HGB nieder. Der Gesetzgeber bringt dies bereits in der Umbenennung der Paragraphenüberschrift von „Steuerabgrenzung“ in „Latente Steuern“ zum Ausdruck.[3]

In dieser Bachelorarbeit sollen die grundlegenden Vorschriften und Änderungen, die durch das BilMoG für die Bilanzierung latenter Steuern hervorgegangen sind, dargestellt und erläutert werden. Dabei sollen Anwendungsfälle zu den jeweiligen Teilbereichen das Verständnis für die Problematik vertiefen und die praktische Anwendung aufzeigen. Soweit im Vorgenannten oder im Folgenden bei einer Paragraphenangabe das HGB angegeben ist, handelt es sich immer um die neue Fassung (sofern nicht anders angegeben).

2. Definition und Ursachen für latente Steuern

Unter latenten Steuern versteht man verborgene Steuermehrbelastungen und/oder Steuerentlastungen, die sich in zukünftigen Perioden voraussichtlich wieder abbauen, d.h. in späteren Jahren voraussichtlich zu unterschiedlichen Ergebnissen in Handels- und Steuerbilanz führen. Latente Steuern müssen berücksichtigt werden, um einen plausiblen Zusammenhang zwischen dem handelsrechtlichen und dem steuerlichen Jahresabschluss in der Form herzustellen, dass der Steueraufwand in der handelsbilanziellen Gewinnermittlung mit dem entsprechenden handelsrechtlichen Ergebnis (vor Ertragssteuern) korrespondiert.[4]

Ausschlaggebend für die Entstehung latenter Steuern sind unterschiedliche Bewertungen in Handels- und Steuerbilanz. Aus rechnerischer Sicht lassen sich dabei vier grundlegende Abweichungsfälle unterscheiden:

a) Aktivposten HB > Aktivposten StB = passive latente Steuern
b) Aktivposten HB < Aktivposten StB = aktive latente Steuern
c) Passivposten HB > Passivposten StB = aktive latente Steuern
d) Passivposten HB < Passivposten StB = passive latente Steuern

Liegen aktive latente Steuern vor, so handelt es sich um Bilanzierungshilfen, die zu einem höheren Jahresüberschuss in der Handelsbilanz führen und aus ökonomischer Sicht wie ein Guthaben gegenüber der Steuerbehörde zu verstehen sind. Passive latente Steuerposten stellen aufgrund zukünftiger Mehrgewinne resultierende Verbindlichkeiten aus Steuern dar, die den handelsbilanziellen Gewinn schmälern und rein wirtschaftlich betrachtet wie eine Schuld gegenüber der Steuerbehörde anzusehen sind.[5] Das folgende Beispiel soll die Wirkungsweise von latenten Steuern veranschaulichen.

2.1. Anwendungsfall A

Die pharmazeutische XY GmbH aktiviert im Jahr 2010 ein selbstgeschaffenes Patent mit 100.000 EUR. In der Steuerbilanz gilt gem. § 5 Abs. 2 EStG ein Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Die Umsatzerlöse im Jahr 2010 belaufen sich auf 1.000.000 EUR, während die Aufwendungen mit 350.000 EUR zu Buche stehen. Aus Vereinfachungsgründen wird angenommen, dass Umsatzerlöse sowie Aufwendungen sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz in gleicher Höhe anfallen. Die XY GmbH rechnet mit einer Gesamtsteuerbelastung in Höhe von 30%.

Lösung Anwendungsfall A

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Durch die erfolgswirksame Aktivierung des selbstgeschaffenen Patents ist das handelsbilanzielle Ergebnis (vor Steuern) entsprechend höher als in der Steuerbilanz. Damit das Verhältnis zwischen Gesamtsteueraufwand und Ergebnis (vor Steuern) in der handelsbilanziellen Gewinnermittlung wieder in dergestalt harmonisiert, dass auch aus handelsrechtlicher Sicht eine Steuerquote von 30% vorherrscht, muss ein passiver latenter Steuerposten in Höhe von 30.000 EUR gebildet werden. Diese latente Steuererhöhung stellt bilanziell gesehen eine Schuld dar und in der GuV einen zu erwartenden Steueraufwand. Die latente Steuerabgrenzung dient somit einer verbesserten Darstellung eines den Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.[6]

II . Vorschriften über Ansatz und Auflösung latenter Steuern

1. Vergleich und Überblick über grundlegende Vorschriften

Gegenüber der alten Fassung kommt die Disparität des neu formulierten § 274 HGB direkt im ersten Satz, der mit den Worten: „Bestehen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen Differenzen…“[7] beginnt, besonders zum Ausdruck. Denn stellt man hingegen den bisherigen Wortlaut des § 274 HGB a.F., beginnend mit den Worten: „Ist der dem Geschäftsjahr und früheren Geschäftsjahren zuzurechnende Steueraufwand zu niedrig, weil der nach den steuerlichen Vorschriften zu versteuernde Gewinn niedriger als das handelsrechtliche Ergebnis ist…“[8] demgegenüber, so wird deutlich, dass hierbei eine gewinnorientierte Sichtweise zur Abgrenzung latenter Steuern vertreten wurde, während die Neufassung eine bilanzorientierte Sichtweise fokussiert. Der neugefasste § 274 HGB bezieht sich somit nicht mehr nur auf die Unterschiede in der Erfolgsrechnung, sondern vielmehr auf die Unterschiede in der Bilanz.

Laut Begründung der Bundesregierung wird das GuV-orientierte Konzept zur Abgrenzung latenter Steuern aufgegeben und durch das international angewandte bilanzorientierte Konzept ersetzt. Die Steuerabgrenzung erfasst neuerdings also nicht mehr nur allein Differenzen zwischen handels- und steuerrechtlichem Gewinn, die sich aufgrund einer unterschiedlichen Periodisierung von Aufwendungen und Erträgen in beiden Rechenwerken ergeben, sondern jegliche Bilanzierungs- oder Bewertungsabweichungen, die aus der Gegenüberstellung von Handels- und Steuerbilanz resultieren und sich künftig steuermindernd oder -erhöhend umkehren. Es werden somit auch alle erfolgsneutral im Eigenkapital erfassten Divergenzen berücksichtigt, worin einer der wesentlichen Unterschiede zum bis weil gebräuchlichen Timing-Konzept liegt.[9]

Grundlegende Änderungen im Überblick:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kessler/Leinen/Strickmann, Handbuch BilMoG, S. 386 und S. 388

2. Konzepte und Methoden zur Abgrenzung latenter Steuern

2.1. Temporary-Konzept ersetzt Timing-Konzept

Aufgrund der bisher vorhandenen Bindungswirkung zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz durch die Prinzipien der direkten und umgekehrten Maßgeb-lichkeit, waren die Unterschiede zwischen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Wertansätzen hierzulande weitaus geringer als in anderen Ländern. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass ein Konzept zur Abgrenzung latenter Steuern nicht in Deutschland, sondern erstmalig in den Vereinigten Staaten erarbeitet wurde. Auch aus internationaler Perspektive kam der Abgrenzung latenter Steuern bereits viel früher ein hohes Maß an Bedeutung zu. In Deutschland wurde die latente Steuerabgrenzung im Zuge des Bilanzrichtliniengesetzes von 1985 zum ersten Mal eingeführt.[10] Das seitdem gebräuchliche ergebnisorientierte Abgrenzungskonzept (Timing-Konzept) berücksichtigte dabei nur diejenigen Abweichungen zwischen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Abschluss, die sich bei der Entstehung sowie beim Abbau ausschließlich in der GuV auswirkten. Auf erfolgsneutral entstandene Abweichungen durften hiernach keine latenten Steuern gebildet werden.

Das Timing-Konzept typisierte bei der Abgrenzung latenter Steuern drei temporäre Arten von Differenzen:

- Differenzen zeitlich begrenzter Art

= Erträge und/oder Aufwendungen, die sich sowohl in der handelsrechtlichen als auch in der steuerrechtlichen Gewinnermittlung zu verschiedenen Zeitpunkten auswirken (z.B. Drohverlustrückstellungen)

- Differenzen permanenter Art

= Abweichungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen und sich zukünftig nicht mehr ausgleichen (z.B. steuerfreie Zuschüsse, steuerlich nicht abziehbare Betriebsausgaben)

- Differenzen „quasi“ permanenter Art

= Abweichungen, deren Abbau noch offen ist bzw. über einen längeren Zeitraum andauert (z.B. Abschreibungen auf Beteiligungen)

Anmerkung: Zum Abbau bedarf es einer unternehmerischen Disposition

Hierbei wurden ausschließlich latente Steuern auf solche Differenzen gebildet, die zeitlich begrenzter Art jedoch nicht „quasi“ permanent waren. Durch die Aufgabe dieses Abgrenzungskonzeptes mit dem BilMoG, hat das international genutzte Temporary-Konzept im HGB Einlass gefunden. Im Gegensatz zum Vorgänger-Konzept typisiert dieses nur zwei Arten von temporären Differenzen:

- Differenzen zeitlich begrenzter Art

= Alle Differenzen, die nicht permanent sind (negative Abgrenzung zu den permanenten Differenzen)

- Differenzen permanenter Art

= Abweichungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen und sich zukünftig nicht mehr ausgleichen (analog zum Timing-Konzept)

Nach dem Temporary-Konzept sind demnach auf alle Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz latente Steuern zu bilden, die nach ihrer Typisierung zeitlich begrenzter Art sind. Das bedeutet zum einen, dass im Gegensatz zum Timing-Konzept nunmehr auch alle „quasi“ permanenten Abweichungen zu berücksichtigen sind, und zum anderen, das insbesondere auch auf alle erfolgsneutral entstandenen Divergenzen latente Steuern zu bilanzieren sind.[11]

2.2. Liability-Methode versus Deferral-Methode

Die latente Steuerrechnung unterscheidet grundsätzlich zwei Methoden der Abgrenzung: Die Deferral-Methode auf der einen Seite und die Liability-Methode auf der anderen Seite. Diese dienen in erster Linie dazu, die aktiven bzw. passiven Steuerlatenzen in ihrer bilanziellen Charaktereigenschaft einzuordnen.

Vor dem Hintergrund einer periodengerechten Ermittlung des Ertrag-steueraufwands, werden bei der Deferral-Methode die aus den Steuerwirkungen hervorgegangenen Posten als Abgrenzungsposten gesehen. Eine konkrete Einordnung dieser Posten wird dabei aus bilanzieller Sicht vernachlässigt. Durch die primäre Zielsetzung einer periodengerechten Erfolgsermittlung ist bei Bildung latenter Steuern der zu diesem Zeitpunkt aktuelle Steuersatz anzuwenden. Die Deferral-Methode antizipiert somit nicht mit zukünftigen Änderungen der Steuersätze und -gesetze.[12]

Demgegenüber geht die Liability-Methode von einer statischen Bilanztheorie aus. Im Vordergrund steht dabei eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der Vermögenslage. Die Steuerabgrenzungsposten werden als Forderungen und/oder Verbindlichkeiten interpretiert, deren Höhe vom künftigen Steuersatz abhängt. Folglich harmoniert die Liability-Methode mit zukünftigen Änderungen der Steuergesetze bzw. passt bestehende Steuerlatenzen bei nachträglichen Steuersatzänderungen an.

Bisher war eine Abgrenzungsmethode nicht explizit in § 274 HGB a.F. bestimmt. Anzuwenden war hier aufgrund der ergebnisorientierten Sichtweise aber vielmehr die Deferral-Methode. Zwar ist auch im neuen Wortlaut des § 274 HGB eine Methode zur Abgrenzung latenter Steuern nicht eindeutig geregelt, jedoch spricht aufgrund der bilanzorientierten Sichtweise und der Anwendungsvorschrift von Steuersätzen im Umkehrzeitpunkt alles für die international gebräuchliche Liability-Methode. Außerdem entspricht diese Methode vielmehr dem künftig anzuwendenden Temporary-Konzept.[13]

3. Ansatzkriterien für latente Steuern

3.1. Bedingtes Aktivierungswahlrecht

Aus internationaler Perspektive wurde die deutsche Rechnungslegung vor Einführung des BilMoG nicht zuletzt wegen dem Vorhandensein zahlreicher Bilanzierungswahlrechte bemängelt. Da mit der neuen Bilanzrechtsreform eben diese Mängel beseitigt werden sollten – was auch überwiegend gelungen ist – vermochte sich die Bundesregierung dem Anliegen des Bundesrates, nämlich ein Aktivierungswahlrecht für latente Steuern vorzusehen, nicht anzuschließen.[14] Unverständlicherweise hat der Gesetzgeber in der endgültigen Fassung dann doch nur ein Aktivierungswahlrecht für latente Steuern verankert. Ausschlaggebend hierfür scheint wohl auch die Empfehlung des Rechtsausschusses gewesen zu sein, der ebenso wie der Bundesrat die Auffassung vertrat, das bisher bestehende Aktivierungswahlrecht beizubehalten.[15] Als Begründung wurde seitens des Bundesrates insbesondere angeführt, dass beim Ausweis aktiver latenter Steuern hohe Anforderungen an den Nachweis der Wahrscheinlichkeit einer Umkehrung gestellt seien und folglich vielen Unternehmen die Rechnungslegung in puncto Umsetzung und Kostenintensität erschwere.[16]

Soweit aufgrund zeitlich begrenzter Differenzen künftige Steuerentlastungen in der Handelsbilanz zu erwarten sind, steht es dem bilanzierendem Unternehmen daher frei, aktive latente Steuern zu bilden. Dieses Wahlrecht kann allerdings nur eingeschränkt ausgeübt werden.

Dazu folgende Grundüberlegungen:

In § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB heißt es: „Eine sich daraus insgesamt ergebende Steuerentlastung kann als aktive latente Steuern (§ 266 Abs. 2 D.) in der Bilanz angesetzt werden.“[17] Sinngemäß aber mit anderen Worten könnte § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB auch lauten: „Bis zur Höhe des Vorliegens passiver latenter Steuern, ist eine sich ergebende Steuerentlastung als aktive latente Steuern (§ 266 Abs. 2 D.) in der Bilanz anzusetzen. Eine darüber hinausgehende Steuerentlastung (Aktivüberhang) kann als aktive latente Steuern in der Bilanz angesetzt werden.“ Analog dazu müssten in Absatz 1 Satz 1 des § 274 HGB die Worte “…für eine sich insgesamt ergebende Steuerbelastung…“ durch die Worte “…für eine sich ergebende Steuerbelastung…“ sowie das Wort “…unverrechnet...“ in Absatz 1 Satz 3 mit dem Wort “…verrechnet…“ ersetzt werden.[18] Da der Gesetzgeber jedoch dem Wortlaut nach auf eine weiterhin zulässige Gesamtdifferenzbetrachtung[19] als Ausgangsfall abstellt, muss er sich diese Mühe in der Ausdrucksweise nicht machen. Trotzdem würde diese Formulierung einen Punkt viel deutlicher aufgreifen: Die Aktivierungspflicht für einen sich ergebenden Steueranspruch bis zur Höhe des Bestehens passiver Steuerlatenzen, sofern von einem unverrechneten Ansatz gem. § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB Gebrauch gemacht wird. Das folgende Beispiel soll diese Problematik verdeutlichen.

3.1.1. Anwendungsfall B

Die auf Baufahrzeuge spezialisierte Musterbau AG erwirbt am 01.01.2010 eine Fertigungsmaschine für 2.000.000 EUR. Während aus handelsrechtlicher Sicht eine Abschreibung über 10 Jahre vorgenommen wird, schreibt die AfA-Tabelle eine steuerliche Nutzungsdauer von 8 Jahren vor. Des Weiteren bildet die AG im Jahr 2010 in der Handelsbilanz eine Drohverlustrückstellung in Höhe von 200.000 EUR. Diese Rückstellung ist gem. § 5 Abs. 4a EStG steuerlich nicht ansatzfähig. Der Eintritt des Verlustes im Folgejahr ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Aufgrund der Finanzmarktkrise plant die Bundesregierung eine neue Steuerreform, die insbesondere die Automobil- und Baubranche erheblich entlasten soll. Für das Jahr 2011 sowie für spätere Jahre ist daher ein Ertragssteuersatz von 20% zu erwarten.

Lösung Anwendungsfall B

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für die Musterbau AG ergibt sich für das Jahr 2010 ein Überhang von aktiven latenten Steuern in Höhe von 30.000 EUR (= 40.000 EUR – 10.000 EUR). Das Wahlrecht zur Aktivierung der latenten Steueransprüche bezieht sich de facto nur auf diesen Betrag. Angenommen das Unternehmen entscheidet sich für einen unverrechneten Bilanzansatz, so besteht die Pflicht zur Aktivierung der latenten Steuern bis zum Vorliegen der passiven latenten Steuern in Höhe von 10.000 EUR. Sollte sich die AG zur Inanspruchnahme des Aktivierungswahlrechtes für die sich insgesamt ergebende Steuerentlastung in Höhe von 30.000 EUR entschließen, so muss sie diese in voller Höhe bilanzieren. Der Ansatz eines Teilbetrages des Aktivüberhangs ist unzulässig.[20]

3.2. Passivierungspflicht

Bereits vor der Modernisierung des Bilanzrechts sah § 274 HGB a.F. ein Ansatzgebot für passive latente Steuern vor. An dieser grundsätzlichen Passivierungspflicht wird auch weiterhin festgehalten. Sobald sich also per Saldo ein Überhang an passiven latenten Steuern ergibt, ist eine Bilanzierung zwingend erforderlich. Aus praktischer Sicht wird aufgrund der vorherrschenden Gesamtdifferenzbetrachtung eine Passivierung latenter Steuern aber wohl eher die Seltenheit bleiben.

Ausnahmen von latenten Steueransätzen wie sie analog in IAS 12 für den erstmaligen Ansatz von Vermögensgegenständen und Schulden geregelt sind, existieren für den handelsrechtlichen Einzelabschluss nicht.[21]

4. Befreiung gem. § 274a Nr. 5 HGB

Im Sinne einer Deregulierung hat der Gesetzgeber mit dem BilMoG die Größenmerkmale in § 267 HGB für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften angehoben. Die Ausweitung der Größenklassen ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Die Anhebung der Größenmerkmale für kleine Kapitalgesellschaften hat in diesem Zusammenhang auch Einfluss auf die latente Steuerabgrenzung. Denn nach dem BilMoG gelten erstmals auch für die Bilanzierung latenter Steuern größenabhängige Befreiungen im Rahmen von § 274a HGB. Dabei wird die bisherige Norm des § 274a Nr. 5 HGB a.F. aufgehoben und stattdessen eine Erleichterung für die Steuerabgrenzung gem. § 274 HGB eingeführt. Demnach sind kleine Kapitalgesellschaften nicht an die Vorschriften des § 274 HGB gebunden. Eine Anwendung auf freiwilliger Basis ist erlaubt. Die Ausweitung der Größenklassen sorgt also mitunter dafür, dass zukünftig auch einige Kapitalgesellschaften, die vormals als mittelgroß klassifiziert wurden und nun als kleine Kapitalgesellschaften gelten, von den Regelungen des § 274 HGB befreit sind.

Machen kleine Kapitalgesellschaften von der Anwendung des § 274a Nr. 5 HGB Gebrauch, so haben sie passive latente Steuern nur dann zu bilden[22], wenn nach den Tatbestandsvoraussetzungen des § 249 Abs. 1 HGB Rückstellungen zu bilanzieren sind. Eine Aktivierung latenter Steuern entfällt demgegenüber ausnahmslos. Die Befreiung für die latente Steuerabgrenzung bezieht sich somit voll umfänglich nur auf die Pflichten zur Bildung aktiver latenter Steuern.[23]

4.1. Passive latente Steuern bei Erfüllung der Voraussetzungen gem. § 249 HGB

Rückstellungen gem. § 249 Abs. 1 HGB zeichnen sich bekanntlich dadurch aus, dass sie hinsichtlich dem Grunde ungewiss und der Höhe oder der Fälligkeit nach unbestimmt sind. Vor dem Hintergrund der Befreiungsvorschrift für kleine Kapitalgesellschaften nach § 274a Nr. 5 HGB ist in der Literatur noch nicht hinreichend geklärt, ob und inwieweit in den betreffenden Fällen diese Voraussetzungen zur Rückstellungsbildung auch für passive latente Steuern gelten. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass zwar passiven latenten Steuern zum Teil die Eigenschaft von Rückstellungen zukomme, dies jedoch nicht für den Posten in seinem vollen Umfang gelten könne. Vor allem bei „quasi“ permanenten Differenzen i.S.d. Timing-Konzepts, sei nicht unzweifelhaft die Erfüllung der Tatbestände zum Ansatz von Rückstellungen anzunehmen. Weil es bei derlei Abweichungen unbestreitbar an einer rechtlichen Verpflichtung mangelt, ist die Argumentation der Regierung zu befürworten. Darüber hinaus erscheint auch das Vorliegen einer faktischen Verpflichtung undenkbar. Korrespondierend zu den diesseitigen Ausführungen ist allerdings darauf zu schließen, dass für alle sonstigen Differenzen zeitlich begrenzter Art, Rückstellungen zu bilden sind. In diesem Fall ist nämlich offensichtlich, dass kleine Kapitalgesellschaften[24] die künftig zu erwartenden Steuermehrbelastungen nicht mehr abwenden können.[25]

In diesem Zusammenhang können auch solche Rückstellungen für künftige Steuerschulden zu passivieren sein, bei denen sich Abweichungen in Handels- und Steuerbilanz in der Weise ergeben, dass sie ihren Niederschlag ausschließlich in der Steuerbilanz, nicht aber in der Handelsbilanz finden. Der folgende Anwendungsfall soll in dieser Hinsicht als Anknüpfungspunkt dienen.

4.2. Anwendungsfall C

Die stahlverarbeitende „Saarland-Steel“ GmbH ist eine kleine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 267 Abs. 1 Nr. 1 HGB. Für das Wirtschaftsjahr W 2 soll ein besonderer Schwenkkran im Wert von 50.000 EUR angeschafft werden. Für diese Investition bildet die GmbH im Jahr W 1 einen Abzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 EStG in Höhe von 20.000 EUR (50.000 EUR x 40%). Seit Inkrafttreten des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 ist für diesen Investitionsabzugsbetrag in der Handelsbilanz kein Sonderposten mit Rücklageanteil (§ 247 Abs. 3 HGB a.F.) mehr zu bilden. Am 31.12. des Wirtschaftsjahres W 2 wird der Kran wie geplant mit Anschaffungskosten von 50.000 EUR erworben. Aufgrund des rasanten technischen Fortschritts bei der Entwicklung von Baukränen, wird sowohl im Handels- als auch im Steuerrecht eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von nur 5 Jahren angenommen. Aus Vereinfachungsgründen wird vermutet, dass die Gesamtsteuerbelastung in den Folgejahren gleichbleibend 30% beträgt.

Lösung Anwendungsfall C

Im Investitionsjahr W 2 wirkt sich die gewinnerhöhende Auflösung des Investitionsabzugsbetrags zunächst nicht aus, weil parallel dazu die Anschaffungskosten des Krans erfolgswirksam herabgesetzt werden (§ 7g Abs. 2 EStG). Wegen der zukünftig geringeren Abschreibung in der Steuerbilanz, kehrt sich der vorrübergehende Steuervorteil jedoch in den kommenden Jahren wieder um. Die für diese Umkehrungen sich ergebenden Steuerschulden begründen somit (nach h.M.) eine Verpflichtung zum Ansatz einer Rückstellung nach § 249 Abs. 1 HGB in Höhe von 6.000 EUR (20.000 EUR x 30%).

Der bilanzielle Ausweis solcher Rückstellungen ist im Fachschrifttum bislang noch nicht eindeutig geklärt. Die h.M. geht aber dahin, dass nur ein Ausweis unter dem Posten „Steuerrückstellungen“ (§ 266 Abs. 3 B. Nr. 2 HGB) in Betracht kommen kann.[26] Die entsprechende Gegenbuchung auf dem GuV-Konto „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 18 bzw. Abs. 3 Nr. 17 HGB) also analog zu § 274 Abs. 2 Satz 3 HGB vorzunehmen, dürfte indes nicht zu beanstanden sein.

5. Auflösung latenter Steuerposten

Dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu Folge sind latente Steuern immer dann aufzulösen, sobald sich die Steueransprüche oder -schulden verwirklichen oder deren Eintritt auszuschließen ist. Ob die Steuerbe- oder -ent-lastungen niedriger oder höher sind als ursprünglich erwartet, ist dabei unerheblich.[27] In welchem Maße die Auflösung latenter Steuerposten vorzunehmen ist, soll in nachfolgender Abbildung veranschaulicht werden. Diese bezieht sich auf den Anwendungsfall C, mit dem Unterschied, dass die „Saarland-Steel“ GmbH keine kleine, sondern eine große Kapitalgesellschaft ist. Des Weiteren soll zum Zwecke einer einfacheren Darstellung in allen Wirtschaftsjahren ein handelsrechtlicher Jahresüberschuss in Höhe von 500.000 EUR unterstellt werden.

Angaben in Tausend EUR

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Investitionsabzugsbetrag

Quelle: Eigene Darstellung

Da sich der Steuervorteil in Höhe von 6.000 EUR (in W 1) durch die niedrigeren steuerlichen Abschreibungsbeträge in den Wirtschaftsjahren W 3 bis W 7 wieder umkehrt, ist eine jährlich gleichbleibende Auflösung in Höhe von 1.200 EUR ab dem Jahr W 3 bis zum Zeitpunkt der vollständigen Abschreibung im Wirtschaftsjahr W 7 vorzunehmen. Die um 4.000 EUR geringeren Jahresüberschusse (ab dem Wirtschaftsjahr W 3) und die damit verbundenen handelsrechtlichen Steuerminderaufwendungen in Höhe von 1.200 EUR (4.000 EUR x 30%) pro Jahr, finden somit in der Handelsbilanz entsprechende Berücksichtigung.

[...]


[1] vgl. Hahn, BilMoG Kompakt, S. 1-3

[2] vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/12407, S. 1-2

[3] vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, Handbuch BilMoG, S. 389

[4] vgl. Bieg, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, S. 61-62

[5] vgl. Fischer/Lindau, Die Behandlung latenter Steuern nach International Accounting Standard IAS 12 der IASC, unter B. IAS 12 (1996), 1. Bilanzierungs- und Bewertungsdifferenzen

[6] vgl. Hahn, BilMoG Kompakt, S. 54

[7] § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB n.F.

[8] § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F.

[9] vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BT-Drucksache 16/10067, S. 67

[10] vgl. Fischer/Lindau, Die Behandlung latenter Steuern nach International Accounting Standard IAS 12 der IASC, unter A. Einführung, 2. Kurzer Abriss der Entwicklungsgeschichte

[11] vgl. Lange/Löw, Rechnungslegung, Steuerung und Aufsicht von Banken, S. 132

[12] vgl. Fischer/Lindau, Die Behandlung latenter Steuern nach International Accounting Standard IAS 12 der IASC, unter B. IAS 12 (1996), 5.3. Methode

[13] vgl. Hahn, BilMoG Kompakt, S. 58-60

[14] vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, Handbuch BilMoG, S. 395

[15] vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/12407, S. 87

[16] vgl. Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BR-Drucksache 344/08 (Beschluss), S. 8

[17] § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F.

[18] § 274 Abs. 1 Satz 1-3 HGB n.F.

[19] vgl. Kapitel III Nr. 4

[20] vgl. IDW ERS HFA 27, Entwurf der IDW Stellungnahme zu den Einzelfragen der Bilanzierung latenter Steuern nach den Vorschriften des HGB in der Fassung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, S. 4, Rz. 11

[21] vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, Handbuch BilMoG, S. 396

[22] laut Ansicht des IDW, vgl. hierzu Entwurf der IDW Stellungnahme zu den Einzelfragen der Bilanzierung latenter Steuern nach den Vorschriften des HGB in der Fassung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, S. 3, Rz. 3

[23] vgl. Philipps, Rechnungslegung nach BilMoG, S. 217

[24] sowie diesen nach § 264a HGB gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften

[25] vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BT-Drucksache 16/10067, S. 67

[26] vgl. Kessler/Leinen/Strickmann, Handbuch BilMoG, S. 401

[27] vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BT-Drucksache 16/10067, S 68

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2011
ISBN (PDF)
9783863415815
ISBN (Paperback)
9783863410810
Dateigröße
753 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
Erscheinungsdatum
2012 (März)
Note
1,3
Schlagworte
Latente Steuern BilMoG Steuerlatenzen Steuerabgrenzung HGB
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Michael Urban, Bachelor of Arts, wurde 1984 in Völklingen (Saarland) geboren. Nach seiner Berufsausbildung als Steuerfachangestellter und anschließender mehrjähriger Praxiserfahrung bei einer mittelgroßen Wirtschaftsberatungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Saarlouis entschied er sich, seine fachlichen Qualifikationen im Bereich der Betriebswirtschaft weiter auszubauen. Das Bachelorstudium der Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes schloss er im Jahre 2010 erfolgreich ab. Auch während des Studiums sammelte der Autor weitere umfassende praktische Erfahrungen in der betriebswirtschaftlichen und steuerberatenden Branche. Seine Entscheidung, das vorliegende Werk zu verfassen, entwickelte sich letztlich auch aus der Motivation, einen Überblick über die Komplexität des Themas sowie die Beurteilung einzelner Sachverhalte für Praxiserfahrene gleichermaßen wie für interessierte Leser ohne fachliches Know How zu vermitteln.
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Titel: Latente Steuern nach dem HGB n.F.: Änderungen durch das BilMoG
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