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Die Relevanz von Interkultureller Kompetenz für deutsche Unternehmen im Ausland: Am Fallbeispiel Japans

©2010 Bachelorarbeit 51 Seiten

Zusammenfassung

Das Thema "interkulturelle Kompetenz" ist zu einem wichtigen Schlagwort für international agierende Unternehmen geworden. In einem zunehmend internationaler gewordenen Geschäftsumfeld und mit einer immer multinationaler aufgestellten Mitarbeiterstruktur, hat sich eine reibungslose interkulturelle Kommunikation zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor entwickelt. Dennoch herrscht immer noch große Uneinigkeit zur genauen Definition. Diese Arbeit gibt einen Überblick, wie „interkulturelle Kompetenz“ definiert wird und welche Weiterentwicklungsmethoden gefordert werden. Weiterhin wird untersucht, welches Kulturbegriffes sich das Forschungsgebiet der "interkulturellen Kompetenz" bedient. Im Hauptteil setzt sich das Buch schließlich damit auseinander, wie ein bestimmter Kulturraum innerhalb dieses Forschungsgebietes dargestellt wird. Als Fallbeispiel wurde Japan gewählt, das mit seinen ausgeprägten Eigenheiten seines Managementsystems viel Freiraum für kulturelle Interpretationen gibt. Es wird gezeigt, dass zu leicht auf Verallgemeinerungen und kulturelle Stereotypen zurückgegriffen wird, und dass dies ebenfalls zu Störungen innerhalb der interkulturellen Kommunikation führen kann. Zu diesem Zweck wird die Darstellung der japanischen Unternehmenskultur untersucht, kritisch hinterfragt und mit den Forschungen des Kulturwissenschaftlers Geert Hofstede verglichen. Im letzten Kapitel beschäftigt sich das Buch mit interkulturellen Trainings als Personalentwicklungsmaßnahme, wobei auch in diesem Feld Verbesserungspotential aufgezeigt wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


9
Die Thesen des Nihonjinron gelten als widerlegt, finden jedoch immer wieder den Einzug
auch in Fachliteratur. Daraus ist das Bild der japanischen Unternehmenskultur oft verfälscht
und voller Missverständnisse und Stereotypisierungen. Vor allem kulturalistisch vorgehende
Autoren, die einen Großteil der in dieser Arbeit analysierten Fachliteratur ausmachen, greifen
auf Grund von mangelndem Verständnis der jeweiligen Kultur und aus Einfachheitsgründen
gerne und unbewusst zu diesen weitverbreiteteten Stereotypen. Daher soll in Kapitel 4 das
Japanbild der vorhandenen Fachliteratur über interkulturelle Kommunikation untersucht
werden. Es soll dadurch geklärt werden, wie die in diesem Fachbereich oft notwendigen
Verallgemeinerungen
die japanische Unternehmenskultur darstellen und erklären. Diese
Ergebnisse sollen kritisch hinterfragt werden und die Frage behandeln, ob sich die Vorgänge
innerhalb eines Unternehmens überhaupt aus kulturalistischer Sicht zufriedenstellend
beantworten lassen.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Erlernen interkultureller Kompetenz. Unterkapitel 5.1 soll
sich am Beispiel Japans mit der Frage auseinandersetzen, wie die Fachliteratur das Entstehen
einer kulturspezifischen interkulturellen Kompetenz beschreibt. Kapitel 5.2 beschäftigt sich
dann mit der Effizienz von Interkulturellen Trainings und Interkulturellen Coachings. Kapitel
5.3 soll schließlich einen Überblick über den aktuellen Zustand der interkulturellen
Kompetenz und der Weiterbildungsmaßhnahmen deutscher Unternehmen in Japan bieten.
Zusammenfassend lassen sich demnach folgende Leitfragen formulieren: Was wird unter
,,interkultureller Kompetenz" verstanden und welchen Kulturbegriff bedient sich die
Fachliteratur dafür? Am Beispiel der japanischen Unternehmenskultur, wie wird eine
spezifische Kultur in der interkulturellen Kommunikationsforschung dargestellt und ist diese
Darstellung zufriedenstellend? Welche Auswirkungen hatte der Diskurs für deutsche
Unternehmen in Japan bisher und was lässt sich über die Zukunft des Begriffes sagen?
Die ausgewählte Fachliteratur bezieht sich vor allem auf den deutschen Raum und auf
englische Literatur, soweit sie Einfluss auf den deutschsprachigen Diskurs erlangt hat.


11
2. Interkulturelle Kompetenz und ihre zunehmende Bedeutung
Der Begriff ,,Interkulturelle Kompetenz ist eine relativ neue Erscheinung und ist daher noch
nicht eindeutig definiert. Aktuelle Diskussionen der Fachliteratur beschäftigen sich vor allem
mit den folgenden Fragen: Wozu braucht es interkulturelle Kompetenz? Gibt es überhaupt so
etwas wie eine generalistische interkulturelle Handlungskompetenz? Wie entsteht inter-
kulturelle Kompetenz? (R
ATHJE
2006: 2; B
OLTEN
2007b: 22)
2.1 Definition ,,interkulturelle Kompetenz"
Zur Zielsetzung der interkulturellen Kompetenz gibt es laut R
ATHJE
(2006: 3-5) unter den
verschiedenen Theorien der Fachliteratur zwei Hauptströmungen. Auf der einen Seite steht
der sogenannte Effizienzansatz, nach dem interkulturelle Kompetenz dazu genützt wird,
interkulturelle Interaktionen ohne interkulturell bedingte Missverständnisse zum gewünschten
Abschluss zu bringen. Interkulturelle Kompetenz wird danach für eine optimale Ziel-
erreichung genützt, indem es die handelnde Person versteht, eine für alle involvierte Personen
akzeptable Problemlösung zu finden (R
ATHJE
2006: 3).
Kritiker dieser Modelle sehen diese Definition jedoch als moralisch haftbar.
interkulturelle Kompetenz werde demnach zu Manipulationszwecken genützt. Kulturelle
Wissensvorteile könne eine Partei dazu verleiten, interkulturelle Missverständnisse zu ihrem
Vorteil herbeizuführen, anstatt eine für beide Parteien zufriedenstellende Lösung zu suchen
(R
ATHJE
2006: 4). Darüber hinaus ist ein erzwungener Konsens, der die Wertvorstellungen
einer oder beider Parteien verletzt, nicht erwünscht und kann zu mehr Schaden führen, als
eine auf dem ersten Blick weniger ergiebige, aber mit den involvierten Denkweisen
konformere Problemlösung (B
OLTEN
2007b: 79). Rathje selbst hält der Definition vor, durch
die Einbringung einer Zieldimension den Begriff der interkulturelle Kompetenz zu
überfrachten. Interkulturelle Kompetenz werde demnach als Generalschlüssel für soziale
Interaktionen präsentiert und gebe vor Probleme lösen zu können, die auf diese Weise nicht
einmal intrakulturell gelöst werden können (R
ATHJE
2006: 4).
Die zweite, häufig verwendete Definition stellt die persönliche Weiterbildung der
interkulturell aktiven Menschen in den Vordergrund (R
ATHJE
2006: 4). Interkulturelle
Kompetenz befähigt die Involvierten nach diesem Modell zu einer persönlichen menschlichen

12
Weiterentwicklung, die sie aus den Rückschlüssen gelungener interkultureller Interaktionen
gewinnen sollen. Diesem Konzept hält R
ATHJE
(2006: 5) im Gegensatz zum Effektivitäts-
ansatz Idealisierung vor, in dem es die Handlungsziele interkultureller Interaktionen außer
Betracht setze, sei es nicht realitätsnah genug.
B
OLTEN
(2007a: 86) sieht die Schwierigkeit der Definition interkultureller Kompetenz darin,
dass sie oft als Handlungskompetenz missverstanden wird. Laut seiner Definition bedeutet
Interkulturelle Kompetenz dagegen die Fähigkeit, bereits vorhandene Handlungskompetenzen
in einen interkulturellen Rahmen transferieren zu können (B
OLTEN
2007b: 28). Auch R
ATHJE
(2006: 7) unterstützt dieses Modell. So empfiehlt sie:
Anstatt in ein Modell interkultureller Kompetenz alle Handlungskompetenzen zu
integrieren, bietet es sich eher an, interkulturelle Kompetenz als Voraussetzung dafür
anzusehen, dass die Interaktionspartner im interkulturellen Kontext ihre wie auch
immer
ausgeprägten
weiteren
Handlungskompetenzen fachlicher, strategischer oder
anderer Art überhaupt zur Anwendung kommen lassen können. (R
ATHJE
2006: 7)
Dies betrifft damit alle Handlungskompetenzen, die auch in intrakulturellen Interaktionen
wichtig sind. Somit müssen nicht nur individuelle und soziale Handlungskompetenzen, wie
zum Beispiel die persönliche Kommunikations- und Konfliktbewältigungsfähigkeit, sondern
auch fachliche und strategische Handlungskompetenzen unter Berücksichtigung der
Eigenheiten der involvierten Kulturen in den interkulturellen Rahmen transferiert und
gegebenenfalls angepasst werden (B
OLTEN
2007b: 28, siehe dazu Abbildung 1). Gerade
fachliche Kompetenzen werden im interkulturellen Kontakt oft nicht berücksichtigt. Auch
dies kann jedoch zu Verunstimmungen führen, da erfolgreiche Managementpraktiken aus
einer bestimmten Unternehmenskultur in einem anderen kulturellen Umfeld ihre Effizienz
verlieren und mit den dort vorherrschenden Vorstellungen nicht konform sein können
(K
EELEY
2001: 17,
BRISCOE
et al. 2009: 79).

13
Abb.1: Interkulturelle Kompetenz als Transferleistung allgemeiner Handlungskompetenzen
Quelle: BOLTEN 2007b: 28
.
Ein weiterer Streitpunkt in der Definition des Begriffs ,,interkulturelle Kompetenz" ist die
Grundfrage, ob es überhaupt so etwas wie eine kulturübergreifende Kompetenz geben kann,
oder ob interkulturelle Kompetenz nur mit Bezug auf jeweilige Zielkulturen entstehen kann
(R
ATHJE
2006: 5). Das Institut für Interkulturelles Management, einer der größten Privat-
anbieter für interkulturelle Trainings, defininiert eine interkulturell kompetente Person
beispielsweise als jemanden, ,,der die fremde Kultur soweit verstanden hat, dass er die
Erwartungen, Verhaltensweisen und Reaktionen ihrer Mitglieder ähnlich gut vorhersehen bzw.
nachvollziehen kann, wie die der Mitglieder seiner eigenen Kultur und weiß, wie er sich
selbst in bestimmten Situationen verhalten muss, damit seine Absichten auch in seinem Sinne
verstanden werden."
1
Nach dieser Definition wird interkulturelle Kompetenz also als
ausgeprägtes Wissen der Fremdkultur gesehen, das der interkulturell kompetenten Person
ermöglicht, das Verhalten der Mitglieder dieser fremden Kultur vorherzusagen und zu
beeinflussen (L
ATORRE
2004: 26). Solch ein umfassendes Wissen wäre selbstverständlich
automatisch kultur-, oder zumindest kulturraumspeziell.
B
OLTEN
(2007b: 28) führt ferner an, ,,dass es sich bei `interkultureller Kompetenz'
nicht um ein situations- und kulturunabhängig gültiges universales Konzept handeln kann".
Dieser Auffassung widerspricht jedoch die Beobachtung, dass manche Menschen generell
besser mit Interkulturalität umgehen können als andere (R
ATHJE
2006: 1). Insbesondere
Menschen mit interkultureller Erfahrung scheinen fremde Kontexte besser meistern zu
können (R
ATHJE
2006: 5, H
OFSTEDE
2001: XV). Dies liege vor allem am erweiterten
1 Quelle: Institut für interkulturelles Management,
http://www.ifim.de/faq/index.htm
(07.08.2010)
Kompetenzbereich
individuell
sozial
fachlich
strategisch
Allgemeine Handlungskompetenz als
Interdepenzverhältnis von:
Interkulturelle Handlungskomeptenz
als Interpendenzverhältnis von:
Belastbarkeit, Lernbereitschaft, Selbst-
wahrnehmung, Selbststeuerungsfähig-
keit, Rollendistanz, Flexibilität, Ambigui-
tätstoleranz usw.
Dto. Plus Transferfähigkeit auf bestimm-
te interkulturelle Kontexte, z.B.: Selbst-
steuerungsfähigkeit in sprachlich frem-
der Umgebung
Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kom-
munikationsfähigkeit, Toleranz, Kritikfä-
higkeit, Empathie usw.
z.B.: Konfliktfähigkeit in Kontexten, in de-
nen andere Konfliktbewältigungsstrate-
gien üblich sind als im eigenkulturellen
Kontext
Fachkenntnis im Aufgabenbereich,
Kenntnisse der fachlichen / beruflichen
Infrastruktur, Fachwissen vermitteln
können, Berufserfahrung usw.
z.B.: Fachkenntnisse unter Berücksichti-
gung anderskultureller Traditionen der
Bildungssozialisation vermitteln können
Organisations- und Problemlösefähig-
keit, Entscheidungsfähigkeit, Wissens-
management usw.
z.B.: Synergiepotentiale bei kulturell be-
dingt unterschiedlichen Formen der
Zeitplanung erkennen und realisieren
können

14
Wissenspool, auf den Menschen mit Fremdheitserfahrung zurückgreifen können. Jede
interkulturelle Interaktion erweitere den persönlichen Erfahrungsschatz und ermögliche es
dem Handelnden, durch erweiterte Vergleichsmöglichkeiten flexibler auf interkulturelle
Unterschiede zu reagieren und sein Handeln entsprechend anzupassen (B
OLTEN
2007a: 36).
R
ATHJE
(2006: 11) betrachtet interkulturelle Kompetenz daher als kulturübergreifende
Kompetenz, die durch kulturspezifische Aspekte erweitert werden kann und werden muss.
Zuletzt bleibt die Frage, an welchen Charaktereigenschaften interkulturelle Kompetenz
festgemacht werden kann. Frühe Konzeptualisierungsversuche orientierten sich besonders an
den Charaktereigenschaften erfolgreicher Expatriate-Managern (B
OLTEN
2007b: 22). Heute
finde man laut R
ATHJE
(2006: 1) größtenteils Listen- oder Strukturmodelle. Listenmodelle
listen verschiedene Teilkompetenzen, die wichtig zur Entwicklung interkultureller Kompetenz
sind, auf, ohne dabei die Interdependenzen zwischen den einzelnen Kompetenzen zu
beachten. Typische Nennungen sind dabei Empathie, Offenheit, Respekt für andere Kulturen
und Anpassungsfähigkeit (B
OLTEN
2007b: 22).
Strukturmodelle gehen dagegen systemisch-prozessual vor und sehen diese
Kompetenzen als Einzelfähigkeiten in bestimmten Dimensionen (R
ATHJE
2006: 1). B
OLTEN
(2007b: 23) stellt ein solches Strukturmodell vor, das in affektive, kognitive und konative
(verhaltensbezogene) Bedingungen unterteilt. In dieses Modell lassen sich die geforderten
Fähigkeiten folgendermaßen einordnen (B
OLTEN
2007a: 112-114, B
OLTEN
2007b: 23, M
ESSING
2003: 83):
Affektion: Polyzentrismus, Unvoreingenommenheit, Offenheit, Empathie,
Kulturelle Lernbereitschaft
Kognition: Kulturelles Bewusstsein, Self Awareness, Selbstbewusstsein,
Realistische Erwartungen
Konation: Respekt, Flexibilität, Sprachfertigkeit, Kommunikationsfähigkeit,
Ambiguitätstoleranz
All dieses Schlüsselqualifikationen müssten ganzheitlich-integrativ vermittelt werden und
stellen die Grundvoraussetzungen zur effektiven Transferleistung allgemeiner Handlungs-
kompetenzen in einen interkulturellen Rahmen dar (B
OLTEN
2007a: 112).
Zusammenfassend ist also zu sagen, dass nach diesem Modell interkulturelle
Kompetenz eine Synergie von verschiedenen sozialen und individuellen Schlüssel-
kompetenzen erfordert. Diese Synergie ermöglicht es interkulturell handelnden Individuen

15
durch gesammelte und reflektierte Erfahrungen in interkulturellen Interaktionen ihre wie auch
immer stark ausgeprägten allgemeinen Handlungskompetenzen auf einen interkulturellen
Rahmen zu übertragen. Dabei müssen die jeweiligen Eigenheiten der Fremdkultur berück-
sichtigt werden. Die kulturübergreifende interkulturelle Kompetenz gibt somit die nötigen
Fähigkeiten, die Besonderheiten einer fremden Kultur zu Erkennen und mit diesen um-
zugehen. Sie setzt damit die Voraussetzungen für eine erweiterte kulturspezifische
Kompetenz. Die Charakteristika der japanischen Unternehmenskultur werden daher in Kapitel
4 untersucht werden.
2.2 Die zunehmende Bedeutung interkultureller Kompetenz
Das Thema ,,Interkulturelle Kompetenz" ist in Deutschland im Vergleich zum
englischsprachigen Raum noch relativ neu (K
NOLL
2006: 86). So hat sich die Anzahl der
deutschsprachigen Google-Einträge zum Thema ,,Interkulturelle Kompetenz" von 58 im Jahre
1999 bis Anfang 2001 verdreißigfacht (B
OLTEN
2007a: 5). Heute kann man bereits fast
400.000 Einträge finden (Zugriff: 4. August 2010).
Interkulturelle Kompetenz ist zu einer festen Schlüsselqualifikation für multinationale
Unternehmen im internationalen Geschäft geworden. Durch die international immer
vernetztere Unternehmensstrukturen ist die Überbrückung kultureller Unterschiede alltäglich
geworden, scheint jedoch immer noch eine der wichtigsten und schwierigsten
Herausforderungen darzustellen (B
RISCOE
et al. 2009: 76-78).
Trotz dieser Herausforderung ist die Globalisierung aus wirtschaftlicher Sicht als
sinnvoll zu beurteilen. So lassen sich erhebliche Skalen- und Synergieeffekte erschaffen, die
zu deutlichen Wettbewerbsvorteilen führen können. Die so entstehende Unternehmensstruktur
erfordert jedoch viel vertikale Koordination und eine enge Abstimmung zwischen der
Unternehmensführung und den regionalen Sitzen. Dadurch kommt es vermehrt zu kultureller
Reibung, die ohne ausreichend vorhandener interkultureller Kompetenz viel Zeit und
Aufwand erfordert. Interkulturelle Kompetenz werde daher aus Unternehmenssicht zunächst
zu einem Werkzeug der Zeitreduzierung und der reibungsloserern internen Kommunikation
(S
CHEIBLE
2009: 79).
Man kann also sagen, dass die Globalisierung Unternehmen mit einer zunehmenden

16
kulturellen Vielfalt konfrontiert. Dies betrifft zum einen die Absatz- und Beschaffungsmärkte,
zum anderen die interne Mitarbeiterstruktur (A
RETZ
/ H
ANSEN
2003: 10). Multinationale
Unternehmen erkennen mittlerweile die Vorteile dieser kulturellen Vielfalt. Die Heran-
gehensweisen an diesen als Diversity Management bekannt gewordenen Umgang mit
kultureller Diversität sind jedoch sehr unterschiedlich. A
RETZ
und H
ANSEN
kategorisieren sie
in drei Ansätze. Der Fairness & Discrimination Approach geht von der gesellschaftlich und
betriebsinternen Forderung nach Gleichbehandlung aus und versucht daher durch sein
Diversity Management vor allem eine angenehme und vorurteilfreie Unternehmenskultur zu
schaffen. Dabei ignoriert der Ansatz jedoch die Möglichkeiten, die sich aus der aktiven
Nutzung kultureller Diversität ergeben könnten und übt gleichzeitig einen nicht förderlichen
Assimilationsdruck aus. Der Access & Legitimacy Approach will kulturelle Vielfalt dagegen
zum besseren Zugang zu fremdkulturellen Märkten nützen, steht aber wegen seiner
Funktionalisierung und Stereotypisierung der fremdkulturellen Mitarbeiter unter Kritik. Der
Learning & Effectiveness Approach schließlich interpretiert Diversity Management als
ganzheitliches organisationales Lernen. Er fordert die Internalisierung von Diversität zur
aktiven und nutzenbringenden Einbringung kultureller Vielfalt und den daraus entstehenden
neuen Sichtweisen. Dieser Ansatz wird zwar als von allen drei vorgestellten Ansätzen als am
anspruchsvollsten beurteilt, es wird jedoch bemängelt, dass er sich zu sehr auf betriebliche
Arbeitsprozesse konzentriert und andere wichtige Dimensionen (wie etwa die Unternehmens-
kultur) vernachlässigt. Alle Ansätze haben also ihre Vorteile und Nachteile, weshalb ein
systemtheoretischer Ansatz gefordert wird (A
RETZ
/ H
ANSEN
2003: 16-18).
Einen solchen Ansatz bietet das Modell der ,,kulturellen Synergie" von A
DLER
und
G
UNDERSEN
(2008: 109-111). A
DLER
und G
UNDERSEN
bezeichnen den bisherigen Umgang mit
Diversität in den meisten Unternehmen als entweder ,,kulturell blind", oder ,,ethno-
zentristisch". Der Zustand ,,kulturell blind" ähnelt dabei dem Fairness & Discrimination
Approach (siehe oben), indem Diversität aus Angst vor Diskrimination ausgeklammert wird.
Vorteile werden dadurch nicht genutzt und interkulturelle Konflikte auf andere und damit oft
falsche Ursachen zurückgeführt. Eine ,,ethnozentristische" Haltung erkennt dagegen die
Probleme, die aus interkultureller Reibung entstehen können und beurteilt Diversität aus
diesem Grund als hinderlich, ohne die Vorteile kultureller Vielfalt zu erkennen. Die
,,kulturelle Synergie" beschreibt daher eine Unternehmenskultur, die die Vorteile kultureller
Diversität erkennt und gleichzeitig deren Konfliktpotentiale frühzeitig erkennt und vermeidet.
Mithilfe eines effizienten Diversity Managements lassen sich also die Vorteile kultureller
Vielfalt bei gleichzeitiger Vermeidung von interkulturellen Missverständnissen effektiv

17
nützen. Dafür benötige es jedoch ausgeprägte interkulturelle Kompetenz des handelnden
Managements (M
ESSING
2003: 95).
2.3 Folgen mangelnder Interkultureller Kompetenz im Japangeschäft
Die japanische (Unternehmens-)Kultur ist durch ihre (tatsächlich oder gefühlt) großen
Unterschieden zu westlichen Unternehmenskulturen ein beliebtes Vergleichsobjekt der
interkulturellen Wirtschaftskommunikationsforschung (vgl. z.B. R
OTHLAUF
1999: 264-302,
B
OLTEN
2007: 68). Moosmüller begründet die Wichtigkeit eines erfolgreichen Umgangs mit
deutsch-japanischen Kulturunterschieden für Auslandsentsendungen beispielsweise folgender-
maßen: ,,Je größer die kulturelle Distanz zwischen Entsendungs- und Zielland, desto
wichtiger ist dieser Faktor" (M
OOSMÜLLER
2003: 203). Auch Y
OSHIMURA
und A
NDERSON
(1997: 1) beschreiben die japanische Unternehmenskultur als besonders fremdlich und schwer
zugänglich.
Bei der Analyse der dadurch entstehenden interkulturellen Konflikte wird größtenteils
kulturalistisch vorgegangen. Probleme werden oft nur auf kultureller Ebene gesehen und auf
ein Mangel an interkultureller Kompetenz der (deutschen) Manager zurückgeführt.
M
OOSMÜLLER
(2003: 206) erkennt darüber hinaus noch andere Gründe für potentielle
Konflikte. So führt er zum Beispiel die unterschiedliche Stellung der japanischen und
deutschen Manager in deutschen Tochtergesellschaften an. Deutsche Expatriates beziehen
zum einen deutlich höhere Gehälter und haben mehr Urlaub als ihre japanischen Kollegen,
und erhalten zudem noch weitere Vorteile, wie etwa ein größeres Haus in einer besseren
Wohngegend. Außerdem wird der Einfluss der deutschen Diaspora in Japan erwähnt, zu dem
die meisten Expatriates zumindest unbewusst einen prägenden Kontakt halten. Darüber
hinaus muss der Rollenunterschied zwischen Deutschen und Japanern in deutschen
Unternehmen in Japan beachtet werden. Auslandseinsätze sind meist auf ein paar Jahre
begrenzt und werden daher als dem Stammhaus zugehörig gesehen. Sie dringen in eine
eingespielte Abteilung ein und verlangen unbedingte Loyalität bei grundlegenden
Veränderungen der vorherrschenden Zustände (M
OOSMÜLLER
2003: 204-206). Ein weiteres
wichtiges Kommunikationsproblem lässt sich auf die oft ungenügenden Englischkenntnisse
der Japaner und auf die fehlenden Japanischkenntnisse ausländischer Manager zurückführen
(K
EELEY
2001: 143).

18
Trotz der Wahrnehmung all dieser Kommunikationshindernisse werden sie in der Diskussion
um interkulturelle Kompetenz kaum beachtet. M
OOSMÜLLER
(2003: 206-207) sieht zum
Beispiel die Ursachen der sogenannten ,,follow-escape Strategie"
2
im Kollektivismus der
Japaner, die aus seiner Sicht nur das Wohlergehen der Firma im Sinn hätten und sich nicht mit
den karriereorientierten, egoistischen Deutschen identifizieren könnten. In Kapitel 4 wird
genauer auf diese Betrachtungsweise der japanischen Unternehmenskultur und der sich
dadurch ergebenen Notwendigkeit von interkultureller Kompetenz eingegangen werden.
Ein weiterer auffälliger Punkt ist die Beschränkung der Steigerung von interkultureller
Kompetenz auf die deutsche (bzw. westliche) Seite. Dies lässt sich einerseits sicher durch die
Zielgruppe der hier analysierten Texte (d.h. deutsche Manager und Trainer) erklären, zum
anderen wird Japanern jedoch auf gewisse Weise die Fähigkeit zur interkulturellen
Kompetenz abgesprochen. Japaner hielten ihre Kultur für so homogen und einzigartig, dass es
ihnen schwer falle, mit Interkulturalität umzugehen (M
OOSMÜLLER
2000a: 91-92).
M
ESSING
begründet die Notwendigkeit von interkultureller Kompetenz hingegen mit dem
schlechten Image der ausländischen Firmen in Japan (gaishikei kigy ), das er auf einen
Mangel an interkultureller Kompetenz ausländischer Manager zurückführt (M
ESSING
2003:
72-73). Das so entstandene, festgefahrene Bild der gaishikei kigy führe dazu, dass sich
Absolventen eher für traditionelle, japanische Arbeitgeber entscheiden und deutsche Firmen
so Schwierigkeiten in der Rekrutierung bekämen (M
ESSING
2003: 41-46).
2 Die ,,follow-escape Stategie" ist laut Moosmüller eine Strategie japanischer Mitarbeiter, ein Projekt durch das
Einbauen erfundener Risikofaktoren zu blockieren.

19
3. Die Schwierigkeit der Kulturdefinition
Der Begriff ,,Kultur" ist etymologisch vielfältig und hat daher auch heute noch viele, teilweise
erheblich unterschiedliche Bedeutungen (B
OLTEN
2007: 10). Auch in der interkulturellen
Kommunikationsforschung ist die Definition nicht genau geklärt und verursacht immer
wieder Missverständnisse. L
ATORRE
(2004: 25) wirft Interkulturalisten vor, sie bedienten sich
,,willkürlich" eines für ihre Zwecke dienlichen Kulturbegriffes.
3.1 Definition des Kulturbegriffs in der interkulturellen Kommunikationsforschung
In der Fachliteratur scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass es ,,den" einen allgemeinen
Kulturbegriff nicht gibt (B
OLTEN
2007a: 10). Etymologisch wird dies durch die verschiedenen
Wege, über die das Wort ,,Kultur" in die deutsche Sprache übergegangen ist, erklärt.
Abgeleitet von dem lateinischen Verb colere und dem späteren französischen Verb cultiver ist
der Wortstamm ,,kult-" heute mit verschiedenen Bedeutungen belegt, die B
OLTEN
(2007a: 11)
in vier Gruppen teilt: 1. (be-)wohnen, ansässig sein; 2. bebauen, Ackerbau betreiben; 3.
pflegen, schmücken, ausbilden, wahren, veredeln; und 4. verehren, anbeten, feiern.
Während die ersten beiden Bedeutungsgruppen einen weiten Bereich abstecken,
bezeichnen 3. und 4. Dinge, die mit Kunst und Religion in Verbindung stehen. Aus diesen
Bedeutungsgruppen, von denen sich unter anderem der Begriff ,,Kultiviertheit" ableitet, geht
der ,,enge Kulturbegriff" hervor. Dieser wurde vor allem durch Immanuel Kant und Oswald
Spengler geprägt und besitzt eine wertende Bedeutung. In diesem Sinne wird ,,Kultur" immer
als etwas Entwickeltes und Positves bewertet und grenzt sich daher von ,,weniger
entwickelten" Kulturen ab (B
OLTEN
2007a: 12).
Der dem ,,engen Kulturbegriff" widersprechende ,,erweiterte Kulturbegriff" kam erst
in den 1960er Jahren auf und leitet Kultur aus den ersten beiden Bedeutungsgruppen ab. Der
,,erweiterte Kulturbegriff" ist lebensweltlich orientiert, das heißt er bezeichnet alle
Lebensäußerungen, wie Religion, Ethik, Technik, Bildung. Kultur ist nach dieser Definition
alles, wodurch sich eine Gesellschaft auszeichnet: eine ,,Gesellschaft hat keine Kultur,
sondern ist Kultur" (B
OLTEN
2007a: 14). Diese Definition hat sich laut Bolten durchgesetzt
und wird auch im Bereich der Interkulturellen Kommunikationsforschung weitgehendst
angewendet (B
OLTEN
2007a: 11-14).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783863415709
ISBN (Paperback)
9783863410704
Dateigröße
699 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Erscheinungsdatum
2011 (September)
Note
1
Schlagworte
Interkulturelle Kompetenz Personalentwicklung Japan Unternehmen Management

Autor

Tim Schalow wurde 1985 in Esslingen geboren. Sein Bachelorstudium der Asienwissenschaften schloss er im Jahre 2010 erfolgreich ab und erhielt anschließend einen Studienplatz in einem Doppelmaster-Programm der Universität Halle und der Keio Universität Tokio. Bereits während seines Bachelorstudiums verbrachte er ein Jahr in Japan und begann sich sehr für die interkulturelle Personalentwicklung zu interessieren.
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