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Familieneigentum und organisatorische Adaption an diskontinuierlichen Wandel: Auswahl einer geeigneten Industrie für ein Forschungsprojekt

©2010 Bachelorarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Organisatorische Anpassungsfähigkeit an diskontinuierlichen Wandel findet in der Wissenschaft viel Beachtung, wohingegen die Frage nach dem Einfluss von Familieneigentum hierauf bisher eine Forschungslücke darstellt. Dennoch ist diese Forschungsfrage aufgrund der weltweit großen Bedeutung von Familienunternehmen sehr relevant. Deshalb wird dieser mögliche Zusammenhang derzeit in einem Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersucht.
Wichtiger Bestandteil dieses Forschungsprojektes ist eine großzahlige, quantitative Analyse. Ziel meiner Arbeit ist es, hierfür ein geeignetes Untersuchungsobjekt vorzuschlagen. Aufgrund der Evaluierung von 51 Industrien empfehle ich die Bankenbranche. Hier soll die disruptive Innovation "Direktbank" Mitte der 1990er Jahre in Deutschland betrachtet werden. Zudem kann die Krise 2007 – mit ihren bisher aufgetretenen Auswirkungen – ohne großen Mehraufwand als Vergleich herangezogen werden. Die Bankenbranche eignet sich aufgrund mehrerer Kriterien besonders gut für die Analyse. Ausschlaggebend ist die gute Datenzugänglichkeit, da Banken in Deutschland ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen müssen. Zudem agieren in dieser Branche ausreichend Firmen, genügend Banken sind in Familienbesitz, im Markt herrscht kein Ungleichgewicht und die Bankenbranche ist in einigen wissenschaftlichen Arbeiten bereits untersucht worden. Ziel der Analyse ist, nicht nur theoretische Ergebnisse zu liefern, sondern auch Handlungsempfehlungen für angestammte Unternehmen auszusprechen. Somit sind die Ergebnisse, sowohl der Forschungsarbeit als auch indirekt dieser Arbeit, von theoretischer und praktischer Relevanz.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Fragestellung und Zielsetzung
1.2.1 Gesamtprojekt
1.2.2 Bachelorarbeit

2 Theoretische Grundlagen und Definitionen
2.1 Technologische Diskontinuitäten
2.2 Organisatorische Anpassungsfähigkeit
2.3 Familienunternehmen

3 Methodik und Vorgehen
3.1 Methodik der Branchenauswahl
3.2 Vorgehen
3.2.1 Filterprozess und verwendete Quellen
3.2.2 Angewandte Kriterien

4 Ergebnis
4.1 Empfehlung
4.2 Beschreibung der Industrien
4.2.1 Bankenbranche
4.2.2 Pharma
4.2.3 Discount-Einzelhändler:
4.2.4 Automobilzulieferer

5 Ausblick
5.1 Mögliche Herausforderungen
5.2 Vorgeschlagene nächste Schritte

Anhang

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Internetquellen

Abstract

Organisatorische Anpassungsfähigkeit an diskontinuierlichen Wandel findet in der Wissenschaft viel Beachtung, wohingegen die Frage nach dem Einfluss von Familieneigentum hierauf bisher eine Forschungslücke darstellt. Dennoch ist diese Forschungsfrage aufgrund der weltweit großen Bedeutung von Familienunternehmen sehr relevant. Deshalb wird dieser mögliche Zusammenhang derzeit in einem Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersucht.

Wichtiger Bestandteil dieses Forschungsprojektes ist eine großzahlige, quantitative Analyse. Ziel meiner Arbeit ist es, hierfür ein geeignetes Untersuchungsobjekt vorzuschlagen. Aufgrund der Evaluierung von 51 Industrien, empfehle ich die Bankenbranche. Hier soll die disruptive Innovation „Direktbank“ Mitte der 1990er Jahre in Deutschland betrachtet werden. Zudem kann die Krise 2007 als Vergleich – mit ihren bisher aufgetretenen Auswirkungen – ohne großen Mehraufwand herangezogen werden. Die Bankenbranche eignet sich aufgrund mehrerer Kriterien besonders gut für die Analyse. Ausschlaggebend ist die gute Datenzugänglichkeit, da Banken in Deutschland ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen müssen. Zudem agieren in dieser Branche ausreichend Firmen, genügend Banken sind in Familienbesitz, im Markt herrscht kein Ungleichgewicht und die Bankenbranche ist in einigen wissenschaftlichen Arbeiten (z.B. Neuberger (1997)) bereits untersucht worden. Ziel der Analyse ist, nicht nur theoretische Ergebnisse zu liefern, sondern auch Handlungsempfehlungen für angestammte Unternehmen auszusprechen. Somit sind die Ergebnisse, sowohl der Forschungsarbeit, als auch indirekt dieser Arbeit, von theoretischer und praktischer Relevanz.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Projektplan (eigene Darstellung)

Abbildung 2: Technology Cycle nach Anderson and Tushman (Anderson/Tushman, 1990, S.606 / König 2009)

Abbildung 3: Faktoren der organisatorischen Anpassungsfähigkeit (eigene Darstellung)

Abbildung 4: Vorläufige Hypothesen (eigene Darstellung)

Abbildung 5: Kontrollvariablen (eigene Darstellung)

Abbildung 6: Filterprozess (eigene Darstellung)

Abbildung 7: "Short-List" (eigene Darstellung)

Abbildung 8: Wichtige Variablen für die Deutsche Bank (eigene Darstellung)

1 Einleitung

1.1 Ausgangssituation und Problemstellung

Etablierte und dominierende Unternehmen (auch „Incumbents“ genannt) haben häufig Probleme auf technologische Diskontinuitäten zu reagieren und werden von ihrer führenden Marktposition durch neu eintretende Unternehmen („Entrants“)[1] verdrängt[2]. Zahlreiche Arbeiten haben die Problematik der Adaption etablierter Unternehmen bereits untersucht, bisher jedoch das Phänomen organisatorischer Anpassungsfähigkeit meist aus der Perspektive von Managern, nicht jedoch der Eigentümer untersucht[3].

Vor allem in Familienunternehmen spielt der Einfluss der Eigentümer eine große Rolle und beeinflusst die Entscheidungsfindung maßgeblich[4]. Zwar wurden Familienunternehmen in den letzten Jahren extensiv untersucht, jedoch stellt der Zusammenhang zwischen Familieneinfluss und der Anpassung von Organisationen an diskontinuierliche Technologien eine Forschungslücke dar.

Familienunternehmen haben in Deutschland und Europa eine enorme Bedeutung. In der Fachliteratur gibt es jedoch keine einheitliche Definition, um klar abzugrenzen, was ein Familienunternehmen ist und welches Unternehmen die Kriterien, wie bspw. Eigentümeranteil, Managementeinfluss, Geschichte oder Kultur, erfüllt[5]. Deshalb variiert die Anzahl oder der prozentuale Anteil von Familienunternehmen weltweit - je nach verwendeter Definition - zwischen 50 und 96 % aller Unternehmen[6]. Da laut Europäischer Kommission (Generaldirektion Unternehmen und Industrie) unabhängig von der verwendeten Definition über 60% aller europäischen Unternehmen Familienbetriebe sind, ist die große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen jedoch unbestritten[7].

Außerdem zeichnen Familienunternehmen sich durch bestimmte Charakteristika, welche die Adaptionsfähigkeit beeinflussen können, aus und heben sich damit von anderen Unternehmensformen deutlich ab, unter anderem durch langfristige Orientierung[8], emotionale Verbundenheit[9], starke soziale Beziehungen[10], Flexibilität[11] sowie Zurückhaltung[12].

In der Literatur sind zwei gegenläufige Theorien zu familiengeführten Unternehmen dominant. Auf der einen Seite die Stewardship-Theorie, besonders unterstützt durch Gómez-Mejía[13] und Miller[14], welche positive Charakteristika von Familienunternehmen wie „Community“, „Continuity“ und „Connections“ hervorhebt und daher eine gute organisatorische Anpassungsfähigkeit indizieren könnte. Auf der anderen Seite steht die Stagnation-Theorie, unter anderem durch Schulze und Lubatkin unterstützt, welche negative Charakteristika – bspw. „konfliktreich“, „konservativ“, „risikoavers“, „ressourcenarm“ – in den Vordergrund stellt und eher auf eine schlechte Anpassungsfähigkeit schließen lässt[15].

1.2 Fragestellung und Zielsetzung

1.2.1 Gesamtprojekt

Ziel des Gesamtprojektes ist es, den Eigentümereffekt auf die Reaktion an diskontinuierlichen Wandel zu untersuchen und zu verstehen. Es soll untersucht werden, ob sich Familienunternehmen anders verhalten als Nicht-Familienunternehmen. Falls sich herausstellt, dass Familienunternehmen anders reagieren, soll außerdem untersucht werden, welche Faktoren dazu beitragen.

Hierbei sind drei Hauptforschungsfragen zu beantworten:

1) Wie und warum reagieren Familienunternehmen auf diskontinuierliche Veränderungen und unterscheidet sich diese Reaktion von anderen Unternehmensformen?
2) Können sich Familienunternehmen erfolgreicher anpassen und falls ja unter welchen Umständen?
3) Welche Schlussfolgerungen oder Handlungsempfehlungen können von unseren Feststellungen für „Incumbents“ abgeleitet werden, um somit eine erfolgreiche Reaktion auf diskontinuierliche Veränderungen zu erreichen?

Das Projekt ist in 2 Hauptphasen aufgeteilt: 1) Eine qualitative, modell-bildende Phase und 2) eine quantitative, modell-testende Phase, die eine Doktor- sowie mehrere Diplom-, Master- und Bachelorarbeiten umfasst und ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Projektplan (eigene Darstellung)

1.2.2 Bachelorarbeit

Diese Bachelorarbeit fällt in den Bereich der zweiten Phase, ist also Teil der quantitativen, modell-testenden Phase. Ziel der Arbeit war es, eine Branche herauszuarbeiten, die bestimmte Kriterien erfüllt, um den Zusammenhang zwischen Familieneigentum und der Anpassungsfähigkeit auf disruptive Innovationen quantitativ und großzahlig untersuchen zu können und erste hypothesenbasierte Modelle testen zu können. Dafür habe ich eine Matrix erstellt, in der zum einen die verschiedenen untersuchten Branchen bzw. Industriefelder und zum anderen die aufgestellten Kriterien dargestellt werden. In dieser Matrix ist ablesbar, ob die einzelnen Kriterien von den Branchen erfüllt werden. Mithilfe dieser Matrix konnte ich dann herausarbeiten, welche Branche am besten für die weitere Untersuchung der Thematik geeignet ist und eine Empfehlung aussprechen.

2 Theoretische Grundlagen und Definitionen

2.1 Technologische Diskontinuitäten

Technologische Diskontinuitäten (auch als disruptive Innovationen bezeichnet) bringen weitreichende Veränderungen mit sich und stellen etablierte Firmen vor große Herausforderungen. Die disruptiven Innovationen verändern nachhaltig Nachfrageverhalten und Geschäftssysteme in einem Markt[16]. Diese Veränderungen von bestehenden Technologien sind exogen und zwingen etablierte Organisationen dazu, interne Prozesse zu verändern, um sich an die veränderten Markterfordernisse anpassen zu können[17]. Häufig haben Firmen nicht nur große Schwierigkeiten sich an die veränderten Voraussetzungen des Marktes anzupassen, sondern schaffen dies gar nicht oder erst mit zu großer zeitlicher Verzögerung, wie z.B. Polaroid beim Übergang von analoger zu digitaler Fotografie[18].

In fast jeder Industrie treten in unregelmäßigen Abständen Innovationen auf, die nicht nur die Profitmarge oder den Absatz etablierter Firmen, sondern die Existenz dieser Firmen an sich, angreifen[19]. Diese disruptiven Innovationen unterscheiden sich somit maßgeblich von erhaltenden Innovationen und können entweder das Produkt an sich oder einzelne grundlegende Prozesse wie z.B. Herstellung oder Vertrieb betreffen[20].

In Abbildung 2 wird der zeitliche Verlauf einer disruptiven Innovation dargestellt. Dieser beginnt mit dem Auftreten der disruptiven Innovation, was zur Folge hat, dass konkurrierende Designs entstehen und sich mit der Zeit ein dominantes Design herauskristallisiert. Nun gibt es kontinuierlich erhaltende Verbesserungen bis die nächste disruptive Innovation auftritt, um die ursprüngliche Innovation zu verdrängen[21].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Technology Cycle nach Anderson and Tushman (Anderson/Tushman, 1990, S.606 / König 2009)

2.2 Organisatorische Anpassungsfähigkeit

Um auf eine disruptive Innovation reagieren zu können, muss diese zuerst als solche erkannt werden, um dann auf diese entsprechend reagieren zu können. Das Problem angestammter Organisationen auf diese Änderungen zu reagieren, kann auf drei Dimensionen von Trägheit („Inertia“) zurückgeführt werden. Hier handelt es sich um die Geschwindigkeit der Anpassung[22], die Intensität der Ressourcenanpassung, sowie um die Routinenanpassung[23] (siehe Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Faktoren der organisatorischen Anpassungsfähigkeit (eigene Darstellung)

Wie diese Anpassung im Einzelnen aussieht und erfolgreich gestaltet werden kann hängt von vielen Faktoren ab. Bei der Routinenanpassung beispielsweise gibt es häufig das Problem der Routinenrigidität. Eine mögliche Lösung um diesem Problem entgegenzuwirken ist es, den entsprechenden Bereich aus der bisherigen Organisation auszugliedern und eine unabhängige Sub-Organisation zu schaffen. Mit dieser Sub-Organisation, welche sich ausschließlich mit der Innovation beschäftigt, kann man es schaffen, diese Routinenrigidität zu überwinden. Hierzu ist allerdings eine geographische Trennung und eine selbstständige Unternehmensstruktur nötig[24].

2.3 Familienunternehmen

In der Fachliteratur gibt es keine einheitliche Definition von Familienunternehmen. Die Anzahl der Familienunternehmen variiert dementsprechend je nach verwendeter Definition, wodurch es schwierig ist, ein Familienunternehmen trennscharf von einem Nicht-Familienunternehmen abzugrenzen[25]. Die sogenannte F-PEC Scale versucht eine Trennung durch die drei Faktoren Macht („Power“), Erfahrung („Experience“) und Steuerung („Control“) zu schaffen[26]. Allerdings ist es nicht Teil dieser Arbeit den Begriff Familienunternehmen trennscharf zu definieren. Um genau dieses Problem zu umgehen, soll für die nachfolgende großzahlige Untersuchung eine kontinuierliche Skala mit dem Eigentümeranteil herangezogen werden, wobei es keine feste Grenze gibt, ab der ein Unternehmen ein Familienunternehmen ist.

Zwar ist, wie bereits erwähnt, die wirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen unumstritten, jedoch sind die meisten Familienunternehmen relativ klein. Es handelt sich zumeist um kleine bis mittelständige Betriebe. Lediglich 22% der deutschen Familienunternehmen haben 500 oder mehr Beschäftigte und nur 0,1% zählen zu den sogenannten Großunternehmen[27]. Das könnte für die spätere Untersuchung problematisch werden, da Unternehmen erst ab einer bestimmten Größe veröffentlichungspflichtig sind und größenabhängige Erleichterungen in Anspruch genommen werden können, was den Zugang zu den Daten deutlich erschwert. Dieses Problem wird in Kapitel 3 näher beschrieben.

3 Methodik und Vorgehen

Wie in jeder wissenschaftlichen Arbeit, muss auch hier methodisch korrekt vorgegangen werden. In der quantitativen Phase sollen die Hypothesen, welche im Rahmen der qualitativen Phase aufgestellt wurden und in Abbildung 4 dargestellt sind, überprüft werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Vorläufige Hypothesen (eigene Darstellung)

Um die Hypothesen bestätigen oder ablehnen zu können müssen diese getestet werden. Dies soll quantitativ anhand der Empfehlung einer Industrie dieser Bachelorarbeit geschehen. Um die bestmögliche Industrie auswählen zu können und potentielle Fehlerquellen bereits im Vorfeld weitestgehend zu eliminieren, muss die Methodik hier exakt angewendet werden. Hierzu wurde auf Literatur zur empirischen Sozialforschung, sowie zu Literatur aus den Bereichen „Inertia“ und Familienunternehmen zurückgegriffen. Im Folgenden wird zunächst die angewandte Methodik und daraufhin das Vorgehen bei der Auswahl der Branche beschrieben.

3.1 Methodik der Branchenauswahl

Schon bei der Auswahl der Branche können bei Beachtung einiger Aspekte mögliche zukünftige Fehler vermieden bzw. minimiert werden. Wenn diese Punkte, welche im Folgenden kurz beschrieben sind, schon bei der Branchenauswahl beachtet werden, können Fehler bzw. Verzerrungen bei der Durchführung der quantitativen Analyse vermieden werden. Dieser möglichen Fehlerquellen sollte man sich im Vorhinein bewusst sein, um sie so vermeiden zu können.

Um Fehler zu verhindern, muss die Erhebung der quantitativen Phase in einer geeigneten Form geschehen. Die in der quantitativen Phase des Gesamtprojektes angelegte Analyse soll mithilfe eines Paneldesigns anhand der empfohlenen Branche durchgeführt werden. Hierbei werden die Werte gleicher Variablen zu mehreren Zeitpunkten bei identischer Stichprobe gezogen. Panelerhebungen haben den Vorteil gegenüber Trend- und Querschnitterhebungen, dass „Panelerhebungen [...] über aggregierte Trends und Trenderhebungen über Querschnitte informieren, während die umgekehrte Relation nicht gilt“[28]. Ein weiterer Vorteil ist, dass bei Trendschätzungen mittels Panelerhebung – zumindest in der Theorie – der Stichprobenfehler entfällt, da alle Werte bei den gleichen Untersuchungseinheiten der Ausgangsstichprobe erhoben wurden[29]. Da in der quantitativen Analyse auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen werden soll, sind Messfehler nicht nachvollziehbar, allerdings auch nicht durch Projektmitglieder verursachbar. Des Weiteren ist die Panelerhebung für den Effekt, der durch das Projekt untersucht werden soll, die einzig richtige Wahl.

Bei der Untersuchung gibt es einige Herausforderungen und Probleme, die zu umgehen sind. Diese werden im Folgenden kurz dargestellt:

- Panelmortalität: Eine Herausforderung ist es, der Panelmortalität entgegen zu wirken. Panelmortalität ist ein häufig auftretendes Phänomen bei langfristigen Panelstudien und bezeichnet eine teils erhebliche Schwundquote aufgrund von z.B. Wegzügen oder Verweigerung. In unserem Fall bedeutet dies, dass Firmen insolvent werden können und somit nicht mehr erreichbar sind, aufgrund einer Verkleinerung der Unternehmung nicht mehr veröffentlichungspflichtig sind oder aus anderen unbekannten Gründen keine Daten mehr verfügbar sind. Der Panelmortalität kann nicht direkt entgegen gewirkt werden, da die Daten nicht selbst erhoben werden. Hierbei gilt es zu beachten eine Stichprobe zu wählen, bei dem die Panelmortalität möglichst gering ist[30]. Panelmortalität stellt in dem Forschungsprojekt voraussichtlich kein allzu großes Problem dar, da eine Aufgabe des Geschäfts einer Firma möglicherweise auf die betrachtete disruptive Innovation zurückgeführt werden und somit als Reaktion auf diese gesehen werden kann.
- Verzerrungen: Des Weiteren muss versucht werden Verzerrungen („bias“) zu minimieren[31]. Eine mögliche Verzerrung kann dadurch entstehen, dass die Daten von sehr kleinen Firmen nicht zugänglich sind und dadurch nicht in das Sample mit einbezogen werden können. Dieses Problem wird dadurch vermieden, dass sich die quantitative Analyse von vornherein auf große Firmen beschränken wird. Eine weitere mögliche Verzerrung kann dadurch entstehen, dass sich private Unternehmen durch Zurückhaltung auszeichnen und daher gegebenenfalls keine Daten veröffentlichen. Dieses Problem wird dadurch umgangen, dass eine Branche gewählt wird, in der ausreichend große Firmen agieren, die ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen müssen.
- Drittvariablenkontrolle und Scheinkorrelationen: Bei der Prüfung der Hypothesen muss weiterhin versucht werden Scheinkorrelationen und Drittvariablenkontrolle zu vermeiden. Der Begriff Scheinkorrelation ist ein wenig irreführend. Zwar besteht hier eine Korrelation, diese ist allerdings nicht kausal. Eine Scheinkorrelation kann somit einen Zusammenhang nicht erklären[32]. Das Problem bei der Drittvariablenkontrolle ist, dass ein möglicher Zusammenhang von einer dritten – vorher nicht beachteten Variablen – hervorgerufen wird[33]. In unserem Fall könnte es bspw. problematisch sein, eine Branche mit hoher internationaler Verflechtung zu wählen. Hier ist es möglich, dass unterschiedliche Reaktionen nicht darauf zurückzuführen sind, ob ein Unternehmen ein Familienunternehmen ist oder nicht, sondern auf Unterschiede in der Kultur. Aus diesem Grund sollten die Unternehmen für die Untersuchung möglichst aus einem geographischen Markt stammen.
- Werturteilsproblem: Ein weiteres mögliches Problem ist das Werturteilsproblem. Die Problematik hierbei ist, dass Interessen, Ideologien und Wertvorstellungen einen Einfluss auf die Resultate einer Untersuchung ausüben können. Selbst bei reiner wissenschaftlicher Grundlagenforschung besteht die Möglichkeit, dass sich die Interessen des Forschers in seinen Ergebnissen bemerkbar machen, sei es nur durch das Interesse an der Bestätigung seiner Theorie. Selbst wenn es keinen Auftraggeber gibt, wodurch ein mögliches Ergebnis erwünscht ist, kann das Werturteilsproblem nie vollständig eliminiert werden, da dies allein schon durch die Auswahl des Forschungsgebietes und der Forschungsfragen auftritt[34]. In unserem Projekt wird dieser Problematik entgegengewirkt, indem verschiedene konträre Ansichtsweisen (u.a. Stewardship- vs. Stagnation-Theorie) herangezogen und betrachtet werden und zudem die Analyse auf mehreren objektiven Daten (Zahlen aus Geschäftsberichten, Frequenzanalysen etc.) beruhen wird.

3.2 Vorgehen

Um eine geeignete Branche vorschlagen zu können wurde zunächst die „Inertia“-Literatur daraufhin geprüft, wie die Autoren in bereits durchgeführten Studien ihre Branche ausgewählt hatten. Hier wurde teilweise auf vorherige Studien zurückgegriffen[35], die eine bestimmte disruptive Innovation als geeignet für die Untersuchung angesehen hatten, da sie bspw. zur Forschungsfrage passt[36] oder eine bestimmte Innovation gewählt wurde, da die Daten hierfür verfügbar waren[37]. Rothaermel und Hess (2007) begründen ihre Wahl dagegen ausführlicher. Sie wählten die Pharmabranche in den USA, da diese Firmen sich aufgrund vieler Trends in der Branche besonders auf Innovationen konzentrieren müssen, den Mechanismen einer Innovation genau folgen (wie z.B. hohen Investitionen in das Humankapital), in dieser Branche hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung getätigt werden und es in der Pharmabranche viele Allianzen und Akquisitionen gibt[38]. Zwar konnte die „Inertia“-Literatur zur Orientierung und als Anhaltspunkt herangezogen werden, ein einheitliches Vorgehen oder einheitliche Kriterien zur Auswahl einer Industrie gibt es in der Literatur jedoch nicht.

3.2.1 Filterprozess und verwendete Quellen

Für diese Arbeit habe ich zunächst eine lange Liste mit möglichen Branchen erstellt und entlang einiger Kriterien bewertet. Um eine geeignete Branche vorschlagen zu können, habe ich mithilfe einer Excel-Tabelle diese sogenannte „Long-List“ erstellt und hier 51 vermutete Diskontinuitäten sowie die zugehörige Branche bzw. Industrie und den Zeitraum der Innovation eingetragen. Um diese Liste zu erstellen habe ich wieder die Literatur zum Thema „Inertia“ herangezogen. Außerdem ergänzte ich die Liste mithilfe von Übersichtsliteratur zum Thema Innovationen[39], Expertendiskussionen (u.a. mit Don Hambrick), sowie eigenen Überlegungen.

Um meine eigenen Überlegungen zu potentiellen Diskontinuitäten belegen zu können, habe ich hierzu Literatur gesucht. Hierfür habe ich die Datenbanken JSTOR, Business Source Complete (via EBSCO Host) und EconLit with FullText (via EBSCO Host) sowie im Ausnahmefall die Suchmaschine Google verwendet. Die Suche nach wissenschaftlichen Belegen zu den disruptiven Innovationen in den Datenbanken habe ich anhand mehrerer Parameter durchgeführt. Zum einen habe ich die Suche auf Englisch durchgeführt, da die meisten Fachzeitschriften bzw. Veröffentlichungen auf Englisch sind und somit die Trefferzahl deutlich größer ist als bei einer Suche auf Deutsch. Außerdem habe ich, aufgrund der teilweise sehr hohen Anzahl von Treffern (zum Teil über 100.000), nur die erste Ergebnisseite betrachtet. Diese Seite enthält die 25 (JSTOR) bzw. 30 (Business Source Complete und EconLit with FullText) Treffer mit der höchsten Relevanz in Bezug auf die jeweiligen Suchbegriffe. Falls keine relevanten Ergebnisse in den Datenbanken verfügbar waren, was selbst bei einer hohen Trefferzahl möglich war, habe ich hierzu die Suchmaschine Google bemüht. Um eine einheitliche Suche gewährleisten zu können, habe ich jeweils mit den gleichen Stichworten gesucht. Dies waren jeweils die vermutete disruptive Innovation bzw. die jeweilige Branche und das Stichwort „Innovation“.

Im Folgenden habe ich die Liste anhand verschiedener Filter immer weiter reduziert. Während eines dreistufigen Filterprozesses (siehe Kapitel 4, Abbildung 5) erstellte ich die „Long“-, sowie eine „Middle“- und eine „Short-List“. Nachdem die Suche nach disruptiven Innovationen (vorläufig) abgeschlossen war, konnte ich bereits einige Industrien verwerfen. Diese habe ich zumeist deshalb ausgeschlossen, da der Zeitraum zu lange her oder zu aktuell war[40]. Außerdem konnte ich einige Branchen aufgrund von offensichtlichen Gründen ausschließen, wie z.B. die Postbranche in Deutschland aufgrund des Quasi-Monopols (ehemaliges Monopol) der Post in Deutschland[41]. Um einen Überblick über die jeweiligen Branchen, Stichprobenumfang, Eigentümerstruktur, Heterogenität etc. in den bisher präferierten Branchen zu bekommen, habe ich die Suche nach den entsprechenden Informationen, je nach Markt auf Deutsch oder Englisch durchgeführt. Hierzu habe ich vor allem die Stichworte „Verband“, „Association“ „Überblick“, „Overview“, „Deutschland“, „USA“, „Eigentümerstruktur“, „ownership structure“ sowie die jeweilige Branche verwendet. Für diese Suche verwendete ich zumeist Google, da die Trefferanzahl in den zuvor benutzten Datenbanken zu gering war. Branchen, welche den später beschriebenen Kriterien nicht genügten, habe ich hier aussortiert.

Die weitere Selektion der Branchen geschah aufgrund von der Zugänglichkeit von Daten bei einzelnen zufällig ausgewählten Firmen. Hierzu habe ich vor allem auf den Firmenhomepages nach Informationen gesucht. Verlässliche und zumindest in jüngerer Vergangenheit verfügbare Informationen sind in den Geschäftsberichten der Firmen verfügbar. Außerdem habe ich wissenschaftliche Arbeiten, Fallstudien, Interviews, Fachzeitschriften, Beobachtungen und Archivdaten herangezogen. Um sicher zu gehen, dass geeignete Quellen herangezogen werden, habe ich auch hier die Fachliteratur zum Thema „Inertia“ durchgesehen. Die Autoren verwendeten hier Geschäftsberichte[42], Fachzeitschriften[43], Interviews[44], Archivdokumente[45] sowie jegliche öffentlich verfügbare Daten[46].

3.2.2 Angewandte Kriterien

Um die am Besten geeignete Industrie bzw. Branche für die quantitative Analyse auswählen zu können, habe ich zunächst einige Kriterien festgelegt, anhand derer die Industrien dann bewertet werden sollten. Ungeeignete Industrien konnte ich somit aussortieren. Vorläufige Kriterien waren bereits durch das Gesamtprojekt vorgegeben, welche ich aber über die Zeit der Suche angepasst und erweitert habe. Zusätzlich habe ich, durch das Lesen relevanter Methodik-Literatur (bspw. Diekmann)[47] sichergestellt, dass der Sample-Auswahlprozess die wissenschaftlichen Standards erfüllt und die im vorherigen Kapitel aufgeführten Fehlerquellen minimiert.

Zeitraum: Die disruptive Innovation sollte im Idealfall zwischen den Jahren 1980 und Anfang 2000 liegen, damit die benötigten Daten auch verfügbar sind. Wenn der Zeitraum einer Innovation zu lange zurückliegt, macht dies die Untersuchung schwieriger, da der Zugang du diesen Daten oft nur sehr schwer möglich ist. Die Innovation sollte allerdings auch nicht zu aktuell sein, da hier sonst die langfristigen Auswirkungen nicht untersucht werden können und wenige bis keine Studien oder Artikel über die Innovation und etwaige Reaktionen darauf verfügbar sind. Im Idealfall sollte die Entwicklung der zu betrachtenden Firmen mindestens 5 Jahre vor und nach der Innovation nachvollziehbar sein, d.h. es sollten Daten (in der Regel Geschäftsberichte) über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren verfügbar sein. Dies stellte sich zum Ende der Suche zunehmend als Herausforderung dar, da die meisten Firmen – falls sie Geschäftsberichte veröffentlichen – diese nur für die jüngste Vergangenheit online zur Verfügung stellen. Durch den gewählten Zeitraum soll außerdem versucht werden, die Panelmortalität und mögliche Verzerrungen durch „überlebende“ Firmen gering zu halten. Auch Rothaermel und Hess (2007) verwendeten den Zeitraum ab 1980 für die Pharmabranche, um diesem Problem entgegenzuwirken[48]. Um den Zeitraum einer Innovation zu belegen, habe ich die Fachliteratur zum Thema „Inertia“, die Suche in den Datenbanken, sowie die Suchmaschine Google verwendet.

Stichprobenumfang: Während der quantitativen Analyse sollen ca. 50-100 Firmen untersucht werden. Somit sollten in der jeweiligen Branche mindestens 50-100 Firmen agieren. Da der Datenzugang zu diesen 50-100 Firmen möglich sein muss, sollte die Branche also einen größeren Umfang haben oder zumindest die Zugänglichkeit der Daten zu diesen Firmen möglich sein. Somit konnte ich Branchen, in denen weniger als 50 Marktteilnehmer vertreten sind, sofort von der weiteren Betrachtung ausschließen. Meist konnte ich die Anzahl der Unternehmen in einer Branche durch Dachverbände herausfinden.

Geographische Lage: Die Stichprobe sollte möglichst in Deutschland bzw. Europa oder den USA bzw. Nordamerika angesiedelt sein. Dies soll sicherstellen, dass die Ergebnisse nachvollziehbar sind und Unterschiede der Reaktion nicht auf kulturellen Begebenheiten basieren. Somit sollen mögliche Verzerrungen aufgrund kultureller Unterschiede vermieden werden. Falls möglich, sollte die Branche in Deutschland angesiedelt sein, um mögliche Verzerrungen bei Vergleichen zum qualitativen Teil der Forschungsarbeit vermeiden zu können, da die Stichprobe hierfür ebenfalls in Deutschland angesiedelt ist. Allerdings musste darauf geachtet werden, dass es nicht zu einem Werturteilsproblem kommt und die Branche nicht nur aus diesem Grund ausgewählt wird. Durch die geographische Wahl kann außerdem, wie oben bereits genannt, dem Problem der Drittvariablenkontrolle (aufgrund von Kulturunterschieden) teilweise entgegen gewirkt werden. Außerdem sollte die Stichprobe sich möglichst in Deutschland oder den USA befinden, um die Datenzugänglichkeit sicherstellen zu können und die Quellen ohne Übersetzung verwendet werden können. Die geographische Lage der Branche konnte ich zum Teil bereits der „Inertia“-Literatur entnehmen. Falls nicht konnte ich dies während der Suche in den Datenbanken und zum Teil durch Verbände herausfinden. Konnte ich hier kein entsprechender Markt finden, habe ich die Suchmaschine Google verwendet.

Eigentümerstruktur, Familienbesitz und Heterogenität: Um die Vergleichbarkeit zwischen den Firmen sicherstellen zu können soll in der jeweiligen Industrie eine gemischte Eigentümerstruktur vorzufinden sein. Hier soll ausdrücklich keine feste Anzahl von Familienunternehmen festgelegt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass der Einfluss der Familie in den Firmen durchaus variieren kann und wie bereits oben erwähnt keine einheitliche Definition von Familienunternehmen existiert[49]. Auf einer diskontinuierlichen Skala von 0-100% sollte beim Familienbesitz bzw. Familieneinfluss ein möglichst breiter Bereich abgedeckt werden. Hierdurch soll die Heterogenität der Branche in Bezug auf die Eigentümerstruktur sichergestellt werden. Um die (vermutlich unterschiedliche) Anpassung von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen an disruptive Innovationen untersuchen zu können, müssen freilich Familienunternehmen in dem Markt agieren. Hier konnte ich beispielsweise die Flugbranche ausselektieren, da hier kaum Familienunternehmen tätig sind. Außerdem sollten die Firmen in der Branche in sich heterogen sein. Das bedeutet, dass es in der Branche nicht wenige oder einzelne Firmen geben sollte, die den Markt kontrollieren können. Hier konnte ich z.B. die Musikindustrie aufgrund eines Oligopols mit vier zentralen Wettbewerbern[50] sowie die deutsche Postbranche aufgrund des ehemaligen Postmonopols ausschließen[51]. Durch diese Faktoren soll versucht werden, etwaige Verzerrungen möglichst gering zu halten. Um zu überprüfen, ob diese Kriterien jeweils von den einzelnen Branchen erfüllt werden, habe ich meist die jeweiligen Branchenverbände und die Suchmaschine Google verwendet.

Datenzugänglichkeit: Um die quantitative Analyse durchführen zu können, müssen die erforderlichen Daten von den jeweiligen Firmen zugänglich sein. Es werden Informationen zu den abhängigen Variablen, also zur Reaktion auf die Innovation, benötigt (Geschwindigkeit, Intensität und Routinenanpassung). Zudem enthält Abbildung 5 eine vorläufige Liste von moderierenden und kontrollierenden Variablen, die betrachtet werden sollen. Mit einer guten Datenzugänglichkeit kann außerdem die Panelmortalität möglichst gering gehalten werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Kontrollvariablen (eigene Darstellung)

Hierbei besteht die Herausforderung, auf die Daten vollständig über den Zeitraum der betrachteten Innovation zugreifen zu können. Diese Daten können zwar aus den Geschäftsberichten der Unternehmen extrahiert werden, allerdings sind längst nicht alle Unternehmen veröffentlichungspflichtig (z.B. in Deutschland in § 325 ff HGB geregelt)[52]. Ob und welche Teile des Jahresabschlusses veröffentlicht werden müssen hängt von der Größe des Unternehmens ab (in Deutschland § 267 HGB)[53]. Zudem gibt es größenabhängige Erleichterungen (in Deutschland § 326 ff HGB)[54]. Somit sind Daten aus umsatzstarken Branchen, in denen größere Unternehmen agieren, leichter zugänglich als aus kleineren Industrien. Zu beachten ist die Sonderregelung (in Deutschland), dass kapitalmarktorientierte Unternehmen stets als große Unternehmen gelten. Zudem müssen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute immer nach den Regelungen für große Unternehmen offenlegen[55]. Aufgrund dessen ist gerade die Bankenbranche sehr attraktiv für die weitere Untersuchung.

Zwar erleichtert die Veröffentlichungspflicht den Zugang zu den Daten, jedoch wurde die elektronische Veröffentlichung in Deutschland erst 2007 eingeführt, wodurch die ältesten kostenlos verfügbaren Jahresabschlüsse im elektronischen Bundesanzeiger aus dem Jahr 2006 datieren. Die neueren Geschäftsberichte sind im elektronischen Bundesanzeiger bzw. auf www.unternehmensregister.de verfügbar. Oftmals veröffentlichen die Firmen ihre Geschäftsberichte auch auf ihren Homepages, allerdings wird dies sehr unterschiedlich gehandhabt und umfasst meist nur einige wenige Jahre.

Für die quantitative Analyse sollten wenn möglich – jedoch nicht ausschließlich – Geschäftsberichte herangezogen werden. Wichtige Daten, die den Geschäftsberichten entnommen werden können, sind unter anderem Mitarbeiterzahl, Geschäftsführer und Anteilseigner. Auch kann meist das Jahr herausgelesen werden in dem eine Diskontinuität von einem Unternehmen zuerst erkannt wurde und wann und wie darauf reagiert wurde. Dies kann durch eine Stichwortsuche mit dem Begriff der jeweiligen Innovation geschehen. Zudem kann dem Lagebericht – sofern vorhanden – entnommen werden, wie die zukünftige Entwicklung von dem betreffenden Unternehmen gesehen wurde und ob sich diese Einschätzung im Laufe der Zeit verändert hat oder gleich geblieben ist. Geschäftsberichte werden zwar oft zur Analyse von Unternehmen herangezogen, allerdings stellen diese keine idealen Materialien dar, um die mentalen Modelle der Geschäftsführung nachvollziehen zu können. Oftmals, besonders in den letzten Jahren, werden die Geschäftsberichte von „Public relations“-Abteilungen geschrieben und sind somit nicht von der Geschäftsführung selbst verfasst. Außerdem sind systematische Verzerrungen denkbar. So werden z.B. unvorteilhafte Kommentare über das Management wohl unterdrückt. Obwohl Geschäftsberichte somit nicht ideal geeignet sind, gibt es wenige bis keine rivalisierenden Datenquellen, um Veränderungen in den Denkweisen der Unternehmensführung feststellen zu können. Allerdings sind als Alternative „Letter to shareholders“ denkbar, da sie zeitnäher an den Geschehnissen und über kurze und konsistente Intervalle verfasst werden[56]. Allerdings sind diese meistens in den Geschäftsberichten enthalten und außerhalb von den USA und Großbritannien nicht so sehr verbreitet[57]. Somit ist auf die „Letter to shareholders“ meist kein Zugriff möglich, wenn der Geschäftsbericht nicht zugänglich ist. Zudem spielen die „Letter to shareholders“ in unserem Fall eine untergeordnete Rolle, da die meisten Industrien aus der näheren Auswahl in Deutschland betrachtet wurden bzw. untersucht werden sollen. Außerdem sind einige zusätzliche Informationen, die teilweise nicht in den Geschäftsberichten vorhanden sind, möglicherweise auf den Firmenhomepages oder über andere alternative Quellen verfügbar.

Die Datenzugänglichkeit stellte sich während der Arbeit als Engpass bei der Empfehlung der Branche heraus. Das Forschungsteam hat durch das IMD Lausanne Zugang zu der Datenbank „Thomson One“[58]. In dieser Datenbank sind Geschäftsberichte von börsennotierten Firmen weltweit ab ca. 1980 zugänglich. Falls diese Datenbank während der Untersuchung benutzt werden sollte, ist zu beachten, dass es vorkommen kann, dass gewisse Geschäftsberichte nicht zugänglich sind. Dies kann u.a. daran liegen, dass diese (noch) nicht digitalisiert wurden oder das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht börsennotiert war. In ersterem Fall sollte man sich an den Datenbankbetreiber wenden, um so Zugang zu den Geschäftsberichten zu bekommen.

Eine große Herausforderung war es, eine Branche zu finden, in der es ausreichend größere Familienunternehmen gibt, die ihre Daten veröffentlichen müssen. Viele kleine Unternehmen veröffentlichen ihre Zahlen nicht, wenn sie nicht veröffentlichungspflichtig sind. Hinzu kommt, dass Familienunternehmen wohl besonders reserviert sind und ihre Daten ungern preisgeben[59]. Daher liegt der Fokus auf Branchen in denen die Firmen ihre Daten veröffentlichen müssen, also z.B. auf Branchen, in denen viele große börsennotierte Firmen agieren. Allerdings ist hierbei das Problem, dass nur wenige Familienunternehmen zu den großen Unternehmen gehören und somit nicht veröffentlichen müssen. Hier muss darauf geachtet werden, ob mögliche Unterschiede in der Reaktion wirklich aus den Eigentümerverhältnissen resultieren und nicht durch die Größe des Unternehmens verursacht werden (Drittvariablenkontrolle). Außerdem können mögliche Verzerrungen dadurch entstehen, dass gerade Familienunternehmen ihre Informationen nicht preisgeben, sofern sie dies nicht müssen. Diesem Problem wird allerdings dadurch begegnet, dass nur Unternehmen betrachtet werden, die ihre Daten preisgeben müssen. Eine zusätzliche Herausforderung stellt der operative Datenzugriff dar. Um den Arbeitsaufwand nicht unnötig zu erhöhen, sollten möglichst alle Daten in einer Datenbank zu finden sein.

4 Ergebnis

4.1 Empfehlung

Als Ergebnis der Arbeit schlage ich die Bankenbranche für die weitere Untersuchung vor. Ziel meiner Arbeit war es, eine Branche für eine quantitative, großzahlige Untersuchung vorzuschlagen. Um eine Branche auswählen zu können musste ich zuerst eine ausführliche – jedoch keine vollständige – Liste mit disruptiven Innovationen und deren dazugehörigen Branchen aufstellen. Ziel meiner Arbeit war es nicht, möglichst alle disruptiven Innovationen aufzulisten, da diese Liste einen enormen Umfang erreichen würde. Die Liste erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Während des dreistufigen Filterprozesses habe ich zunächst 51 verschiedene Innovationen und deren Branchen betrachtet. Während des ersten Schrittes habe ich die „Long-List“ erstellt, die die insgesamt 51 betrachteten Industrien umfasst. Im nächsten Schritt habe ich hier 33 Industrien aussortiert, womit die „Middle-List“ mit 17 verbliebenen Industrien entstand. Im dritten Schritt habe ich weitere 12 Branchen aus der „Middle-List“ aussortiert. Somit verblieben 4 Industrien mit 5 Diskontinuitäten in der näheren Auswahl in der „Short-List“. Im letzten Schritt habe ich die Branchen der „Short-List“ noch einmal näher betrachtet, vor allem im Bezug auf die Datenzugänglichkeit, um eine Empfehlung aussprechen zu können. Dieser Filterprozess ist in Abbildung 6 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Filterprozess (eigene Darstellung)

Nachdem ich die Industrien der „Short-List“ näher betrachtet habe, habe ich die Bankenbranche in Deutschland als Empfehlung ausgewählt. Hier sollen zum einen Direktbanken bzw. „direct banking“ als disruptive Innovation betrachtet werden und zum anderen die Bankenkrise 2007[60]. Durch die Betrachtung der kurzfristigen Folgen der Krise wird eine zweite Diskontinuität betrachtet, die mit der Ersten verglichen werden kann. Der Mehraufwand hält sich hier in Grenzen, da die Stichprobe im Rahmen der Betrachtung der ersten disruptiven Innovation bereits erstellt werden muss und hier lediglich der Betrachtungszeitraum erweitert werden muss. Durch die Wahl der Branche in Deutschland können mögliche Verzerrungen und das Problem der Drittvariablenkontrolle minimiert werden. Zudem können dadurch die Ergebnisse mit denen der qualitativen Phase besser verglichen werden, da die Interviews auch in Deutschland geführt wurden. Da die Datenzugänglichkeit in der Bankenbranche deutlich besser ist, als in den anderen betrachteten Industrien, konnte ich ausschließen, dass ich die Industrie aufgrund des Standortes Deutschland ausgewählt habe. Somit konnte ich das Werturteilsproblem in diesem Fall vermeiden. Außerdem wurde die Bankenbranche schon in einigen Studien großzahlig untersucht[61].

[...]


[1] Vgl. Gilbert (2005)

[2] Vgl. Bockmühl (2007) S.2

[3] Vgl. Kaplan/Henderson (2005)

[4] Vgl. Harris/Ogbonna (2007)

[5] Vgl. Miller et al. (2010), Harris/Ogbonna (2007)

[6] Quelle: Klein (2008) S.3

[7] Quelle: Europäische Kommission Generaldirektion Unternehmen und Industrie (2009)

[8] Vgl. Miller et al. (2008), Miller et al. (2010)

[9] Vgl. Gómez-Mejía et al. (2007)

[10] Vgl. Arregle et al. (2007), Miller et al. (2009)

[11] Vgl. Ferchau (2007), Berger (2008)

[12] Vgl. Miller/Breton-Miller (2005), Klein (2008)

[13] Vgl. Gómez-Mejía et al. (2001)

[14] Vgl. Miller et al. (2007)

[15] Vgl. Schulze et al. (2001), Lubatkin et al. (2007)

[16] Vgl. Miller/Friesen (1980a)

[17] Vgl. Tushman/Anderson (1986)

[18] Vgl. Tripsas/Gavetti (2000)

[19] Vgl. Schumpeter (1942) S.84

[20] Vgl. Tushman/Anderson (1990)

[21] Ibidem

[22] Vgl. Miller/Friesen (1980b) S.596

[23] Vgl. Gilbert (2005)

[24] Vgl. Hill/Rothaermel (2003) S.265

[25] Vgl. Lubatkin et al. (2007), Miller et al. (2008)

[26] Vgl. Klein et al. (2005) S. 329

[27] Quelle: Stiftung Familienunternehmen (2009) S. 3.

[28] Diekmann (2008) S. 306

[29] Vgl. ibidem S. 307

[30] Vgl. ibidem S. 308 f.

[31] Vgl. ibidem S. 416

[32] Vgl. ibidem S. 67

[33] Vgl. ibidem S. 67

[34] Vgl. ibidem S. 72

[35] Vgl. Anderson/Tushman (1990), Christensen et al. (2002)

[36] Vgl. Gilbert (2005)

[37] Vgl. Anderson/Tushman (1990),

[38] Vgl. Rothaermel/Hess (2007)

[39] Vgl. Christensen/Raynor (2003)

[40] Zu lange her: Schwerer Datenzugang, uninteressant. Zu aktuell: Langzeit-Effekte noch nicht untersuchbar

[41] Vgl. Inderst/Haucap (2007)

[42] Vgl. Kaplan et al. (2003), Tripsas/Gavetti (2003)

[43] Vgl. Anderson/Tushman (1990)

[44] Vgl. Christensen/Bower (1996), Gilbert (2005)

[45] Vgl. Gilbert (2005)

[46] Vgl. Tripsas/Gavetti (2003)

[47] Vgl. Diekmann (2008)

[48] Vgl. Rothaermel/Hess (2007)

[49] Vgl. Lubatkin et al. (2007), Miller et al. (2008)

[50] Vgl. Clement/Schusser (2005) S. 212

[51] Vgl. Haucap/Kühling (2007)

[52] Vgl. Handelsgesetzbuch

[53] ibidem

[54] ibidem

[55] Vgl. Publikations-Plattform (2010)

[56] Vgl. Barr et al. (1992) S. 21

[57] Vgl. Kaplan et al. (2003) S. 210

[58] Webseite: https://www.thomsonone.com

[59] Vgl. Klein (2008)

[60] Vgl. TU Chemnitz (2007)

[61] Vgl. Berger et al. (2005), Bughin (2003), Frei et al. (1999)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783863415945
ISBN (Paperback)
9783863410940
Dateigröße
1.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Erscheinungsdatum
2012 (März)
Note
1
Schlagworte
Familieneigentum Organisatorische Adaption diskontinuierlicher Wandel Bankenbranche Disruptive Innovation

Autor

Philipp Hummel, B.A. in International Business Studies (2010), studierte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sowie an der UNAM in Mexiko Stadt, Mexiko. Seit 2010 schließt er an der Universität Hamburg sein Masterstudium mit den Vertiefungen Unternehmensführung und Wirtschaftsprüfung und Steuern an.
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Titel: Familieneigentum und organisatorische Adaption an diskontinuierlichen Wandel: Auswahl einer geeigneten Industrie für ein Forschungsprojekt
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