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Exchange Traded Funds: Grundlagen eines innovativen Finanzinstruments

©2011 Masterarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

Das vorliegende Buch betrachtet die Grundlagen eines der populärsten und erfolgreichsten Investmentinstrumente der letzten Jahre, um zu einer ganzheitlichen Bewertung von Exchange Traded Funds zu gelangen.
Im ersten Teil werden die entscheidenden theoretischen Grundlagen der passiven Anlagestrategie dargestellt sowie eine Begriffsbestimmung, Klassifizierung und Abgrenzung zu anderen Anlageinstrumenten vorgenommen. Ausgehend von den Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der EU erfolgt anschließend die Darstellung der rechtlichen Ausgestaltung. Die Analyse der verschiedenen Replikationsverfahren zur Nachbildung eines Index sowie die Einführung des Tracking Errors als Kennzahl der Güte der Indexnachbildung bilden den Abschluss dieses ersten Teils.
Der zweite Teil des Buches befasst sich mit der Funktionsweise von ETF. So wird zunächst die Schaffung von ETF im Rahmen des sogenannten Creation-Redemption-Process für traditionelle und für Swap-based ETF beschrieben und in ihren unterschiedlichen Auswirkungen analysiert. Weiterhin werden die Marktteilnehmer auf diesem sog. Primärmarkt und ihre Aufgaben vorgestellt. Abschließend erfolgt die Analyse des laufenden Börsenhandels von ETF-Anteilen unter besonderer Betrachtung der Preisermittlung und der Kosten für den Investor.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


V
III
Abkürzungsverzeichnis
AG
Aktiengesellschaft
AP
Authorized
Participant
AuslInvG Auslandsinvestmentgesetz
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
CAPM
Capital-Asset-Pricing-Model
CRP
Creation-Redemption-Process
CU
Creation
Unit
DAX
Deutscher
Aktienindex
d.h.
das
heißt
ETC
Exchange Traded Commodities
ETF
Exchange Traded Funds
EONIA
Euro Overnight Index Average
ETN
Exchange Traded Notes
EU
Europäische
Union
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EZB
Europäische
Zentralbank
gem.
gemäß
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
HFT
High Frequency Trading
i.d.R.
in der Regel
IIV
Intraday Indicative Value
iNAV
indicative Net Asset Value
ins.
insbesondere

IX
InvAG
Investmentaktiengesellschaft
InvG
Investmentgesetz
InvStG Investmentsteuergesetz
IOPV
Indicative Optimized Portfolio Value
i.V.m.
in Verbindung mit
KAG
Kapitalanlagegesellschaft
KAGG
Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften
mind.
mindestens
NAV
Net Asset Value
OEIC
Open Ended Investment Company
OGAW
Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren
OTC
over the counter
PCF
Portfolio Creation File
RL
Richtlinie
SICAV
société d'investissement à capital variable
sog.
sogenannte
TE
Tracking
Error
u.a.
unter
anderem
UCITS
Undertakings for collective investments in transferable
securities
U.S. SEC
U.S. Securities and Exchange Commission

1
1 Einleitung
,,ETF ­ Einfach ­ Transparent ­ Fair"
1
mit dieser und ähnlichen Botschaften
wird auf dem deutschen Markt für ein immer erfolgreicheres Anlageprodukt, die
Exchange Traded Funds (ETF), geworben. ETF, die seit gut 10 Jahren in
Deutschland angeboten werden, haben ins. in den letzten Jahren ein
beachtliches Wachstum erzielt. Das verwaltete Vermögen (Asset under
Management) hat sich allein zwischen 2007 und 2010 auf nahezu 160
Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Auch die Anzahl der in Deutschland
angebotenen ETF ist in diesem Zeitraum von knapp 300 auf ca. 800 gestiegen.
2
Mit dem vorliegenden Buch soll überprüft werden, ob es sich wirklich um ein
einfaches, transparentes und faires Anlageinstrument handelt. Ziel dieses
Buches ist es, auf der Grundlage eines ganzheitlichen Überblicks über den
Aufbau und die Funktionsweise von ETF, zu einer Bewertung dieses
Anlageinstrumentes zu gelangen. Die schwerpunktmäßige Betrachtung soll sich
dabei auf ETF auf den deutschen Aktienmarkt beziehen, gleichwohl können die
grundsätzlichen Aussagen als allgemeingültig angesehen werden.
Im ersten Teil des Buches werden die Grundlagen und der Aufbau von ETF
erläutert. Im Kapitel 2.1 sollen zunächst die zur Begründung von ETF
entscheidenden theoretischen Grundlagen in Kürze dargestellt werden. Dabei
wird ins. die Moderne Portfoliotheorie als finanztheoretisches Grundgerüst des
passiven Portfoliomanagements erläutert. Anschließend erfolgt eine
Begriffsbestimmung sowie die Abgrenzung von ETF zu anderen passiven
Anlageinstrumenten, wie bspw. Indexfonds und Indexzertifikate, bevor eine
Klassifizierung unterschiedlicher ETF-Arten vorgenommen wird. Gemäß dieser
Klassifizierung werden im Fortgang der Arbeit ausschließlich passive ETF
betrachtet, deren Ziel die möglichst genaue Abbildung eines Index ist. Die
weiterentwickelte Form der aktiven ETF wird nicht weiter untersucht, da sie
nicht mit dem Grundgedanken der passiven Anlage und damit der
,,traditionellen" ETF übereinstimmt.
1
o.V. (2010b), S. 28.
2
o.V. (2010b), S. 7.

2
Das Ziel eines einheitlichen Finanzbinnenmarktes in der Europäischen Union
und die sich daraus ergebende Harmonisierung der europäischen
Rechtsgrundlagen sowie deren Auswirkungen auf ETF in Deutschland sind
Gegenstand des Abschnitts 2.2. Es werden zunächst die europäischen
Richtlinien betrachtet, die bereits 1985 einen grenzüberschreitenden Vertrieb
von Fonds ermöglichten und in ihrer Weiterentwicklung im Jahr 2001 den ETF
zum Durchbruch verhalfen und neue Möglichkeiten der Indexreplikation
eröffneten. Darauf aufbauend wird das nationale Recht, das diese Richtlinien
umsetzt, analysiert und u.a. die möglichen Rechtsformen für deutsche ETF
beleuchtet.
Nach dem rechtlichen Aufbau wird in Kapitel 2.3 das Fondsvermögen
betrachtet, das je nach Replikationsverfahren in seiner Zusammensetzung
unterschiedlich ist. Nachdem die grundlegenden Anforderungen an einen Index
erläutert wurden, werden die Verfahren der physischen und synthetischen
Replikation dargestellt. Als Kennzahl für die Qualität der Indexnachbildung wird
der Tracking Error eingeführt und in seinen Ursachen analysiert.
Der zweite Teil des Buches befasst sich mit der Funktionsweise der ETF und
erläutert in Kapitel 3.1 den einzigartigen Creation-Redemption-Prozess, in dem
ETF-Anteile auf dem Primärmarkt geschaffen werden. Nachdem die einzelnen,
an diesem Prozess beteiligten Marktteilnehmer und ihre Verantwortlichkeiten
dargestellt wurden, wird der Creation-Redemption-Prozess zunächst für
,,traditionelle" ETF und anschließend für Swap-based ETF beschrieben.
Da ETF aber nicht nur auf dem Primärmarkt geschaffen, sondern auch auf
einem Sekundärmarkt gehandelt werden, befasst sich das Kapitel 3.2 mit dem
laufenden Börsenhandel und erläutert seine Grundzüge. Eines der wichtigsten
Kriterien für einen erfolgreichen Börsenhandel ist der angebotene Preis,
weshalb die Preisermittlung und die damit verbundenen Arbitrageprozesse
besondere Beachtung finden. Abschließend werden die Kosten des ETF-
Handel aus Investorensicht analysiert.

3
2
Grundlagen und Aufbau von Exchange Traded Funds
2.1 Exchange Traded Funds als Instrument einer passiven
Anlagestrategie
2.1.1 Grundlagen der passiven Anlagestrategie
Die theoretische Basis zur Begründung der passiven Anlagestrategie und ihrer
Überlegenheit gegenüber dem aktiven Portfoliomanagement bildet die seit den
50er Jahren entwickelte Moderne Portfoliotheorie, ins. die Portfolio-Selection-
Theory von Markowitz, die Efficient-Market-Theory von Fama und das Capital-
Asset-Pricing-Model (CAPM) von Sharpe.
3
Gegenstand der Efficient-Market-
Theory ist vor allem die Informationseffizienz, d.h. Verarbeitung von
Informationen im Rahmen der Kursbildung von Wertpapieren. Dabei sind nicht
die Informationen Einzelner von Bedeutung, sondern die von der Gesamtheit
der Marktteilnehmer verarbeitete Informationsmenge. Nach der Qualität der
Informationsverarbeitung kann dabei zwischen drei Effizienzgraden
unterschieden werden. Auf schwach informationseffizienten Märkten werden
nur die historischen Kursverläufe der Wertpapiere in den aktuellen Kursen
berücksichtigt. Auf mittelstreng informationseffizienten Märkten werden
zusätzlich alle öffentlich zugänglichen Informationen, wie bspw.
Jahresabschlussdaten, Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Dividendenrendite, bei der
Kursbildung eingepreist. Streng informationseffiziente Märkte liegen vor, wenn
darüber hinaus auch private Informationen, z.B. von Mitgliedern des
Managements oder Wirtschaftsprüfern, Berücksichtigung finden.
4
Unter der
Annahme, dass sämtliche verfügbaren Informationen unmittelbar im Kurs eines
Wertpapiers berücksichtigt werden, lassen sich auf stark effizienten Märkten
niemals Überrenditen durch eine aktive Titelauswahl erzielen. Bei mittelstreng
effizienten Märkten, wozu nach empirischen Untersuchungen auch der
deutsche Aktienmarkt zählt
5
, lassen sich Überrenditen nur durch die
Verwendung von nicht öffentlich zugänglichen Informationen, d.h. durch
illegalen Insiderhandel, erzielen.
6
Weiterhin lässt sich aus der Efficient-Market-
Theory ableiten, dass historische Kursverläufe kein Indikator für zukünftige
3
Vgl. BUDINSKY (2002), S. 53-62; HEDA/HEINE/OLTMANNS (2002), S. 153-158.
4
Vgl. BUDINSKY (2002), S. 53-62; WIESNER (2008), S. 7-19.
5
Vgl. BUDINSKY (2002), S. 57-60.
6
Vgl. SPREMANN (2008), S. 149-172; ETTERER/BEER/FLEISCHER (2003), S. 85-105.

4
Entwicklungen sind. Zukünftige Kurse werden nur von neuen Informationen
beeinflusst, die unabhängige Ereignisse darstellen und innerhalb weniger
Sekunden bis max. einiger Minuten in den Kursen berücksichtigt werden. Die
Aktienkurse entwickeln sich folglich zufällig und unvorhersehbar, weshalb auch
von einem Random Walk gesprochen wird.
7
Die Efficient-Market-Theory begründet zwar theoretisch die Überlegenheit des
passiven Portfoliomanagements gegenüber einer aktiven Anlagestrategie,
liefert jedoch keine Aussagen über die konkrete Zusammensetzung eines
optimalen Portfolios. Dies ist Gegenstand der Portfolio-Selection-Theory und
des CAPM.
8
Markowitz verdeutlichte als erster den Zusammenhang von
Rendite und Risiko bei der Auswahl einer Investitionsmöglichkeit. Er bewies,
dass durch Diversifikation, d.h. durch die Zusammenfassung mehrerer
Wertpapiere zu einem Portfolio, das Gesamtrisiko bei gleicher
Renditeerwartung reduziert werden kann. Folglich unterteilte er das Risiko in
ein systematisches Risiko, welches dem allgemeinen Marktrisiko entspricht,
und ein unsystematisches Risiko, welches durch Diversifikation eliminiert
werden kann. Die kritische Anzahl von Wertpapieren, die benötigt werden, um
diesen Diversifikationseffekt zu erzielen, wird auf 20 bis 50 geschätzt.
9
Aus der
Vielzahl möglicher Portfolios kommen nach Rendite-Risiko-Gesichtspunkten
jedoch nur die effizienten Portfolios in Betracht. Diese sind dadurch
gekennzeichnet, dass es kein anderes Portfolio gibt, welches bei gleicher
Rendite ein geringeres Risiko aufweist bzw. bei gleichem Risiko eine höhere
Rendite erzielt. Diese effizienten Portfolios bilden in einem Rendite-Risiko-
Diagramm die sog. Effizienzkurve. Das optimale Portfolio bestimmt sich dann
nach der individuellen Risikoaversion des Anlegers und liegt auf der
Effizienzkurve.
10
Betrachtet man zusätzlich zum Wertpapierportfolio auch eine risikolose
festverzinsliche Anlagemöglichkeit, so lässt sich nach dem Separationstheorem
von Tobin die Zusammenstellung des Wertpapierportfolios von der individuellen
7
Vgl. KOMMER (2007), S. 32-48; HEDA/HEINE/OLTMANNS (2002), S. 153-158.
8
Vgl. BUDINSKY (2002), S. 62-76.
9
Vgl. WIESNER (2008), S. 7-19; ETTERER/BEER/FLEISCHER (2003), S. 85-105.
10
Vgl. SPREMANN (2008), S. 173-213; BUDINSKY (2002), S. 62-76.

5
Risikoaversion der Anleger trennen. Das risikobehaftete Wertpapierportfolio
wird durch die Tangente der risikolosen Rendite an der Effizienzkurve bestimmt,
weshalb es auch Tangentialportfolio genannt wird. Dieses ist in seiner
Zusammensetzung für alle Anleger gleich und wird daher auch als
Marktportfolio bezeichnet. Die optimale Kombination für den einzelnen Anleger
besteht dann aus dem Marktportfolio und einer festverzinslichen Anlage, wobei
die Gewichtung der beiden Anlagen entsprechend der individuellen
Risikoaversion erfolgt.
11
Abbildung 1: Effizienzkurve und Marktportfolio (in Anlehnung an SPREMANN (2008), S. 221).
Da sich dieses Marktportfolio theoretisch aus allen Vermögensgegenständen
zusammensetzt, ist es in der Praxis nicht zu bilden. Vielmehr werden als
Näherungslösung alle handelbaren Vermögensgegenstände eines Teilmarktes
zusammengefasst. Da diese in der Realität von einem Index abgebildet werden
können, sind Indexanlagen effizient, da es kein anderes Portfolio gibt, welches
bei gleichem Risiko eine höhere Rendite erzielt.
12
Die Gesamtrendite einer
Investition in das Marktportfolio und in die sichere Anlage ergibt sich dann als
Summe aus dem risikolosen Zins und einer Risikoprämie entsprechend des
11
Vgl. SPREMANN (2008), S. 215-253; TZVETKOVA (2005), S. 20-28.
12
Vgl. BUDINSKY (2002), S. 62-76.

6
übernommenen Risikos. Dabei wird nur das systematische Marktrisiko
berücksichtigt, da es nicht durch Diversifikation vermieden werden kann. Es
besteht also ein linearer Zusammenhang zwischen der erwarteten Rendite und
dem übernommenen Risiko.
13
Neben diesen theoretischen Begründungen finden sich eine Vielzahl
empirischer Untersuchungen, die eine Überlegenheit der passiven
Anlagestrategie verdeutlichen. Es wurde vielfach nachgewiesen, dass es nur
wenigen Fonds gelingt ihren Benchmark-Index zu schlagen. Eine
Performancestudie von Rödl&Partner, die die Entwicklung europäischer Fonds
mit dem EuroStoxx 50 verglichen hat, kam zu dem Ergebnis, dass in einem
Drei-Jahres-Zeitraum 66 Prozent der Fonds schlechter abschnitten als der
Index. Über zehn Jahre haben sogar 86 Prozent der Fonds eine schlechtere
Rendite erzielt.
14
Eine Untersuchung des S&P 500 im Zeitraum 1966 bis 2000
zeigte, dass 94 Prozent aller Fonds underperformt hatten.
15
Langfristig gelingt
es somit nur wenigen Fonds den Index zu schlagen und eine Überrendite zu
erzielen. Je länger dabei der Betrachtungszeitraum, desto weniger Fonds sind
erfolgreich. Weiterhin wurde beobachtet, dass zwischen den Ergebnissen der
Fonds in einzelnen Teilperioden eines Betrachtungszeitraumes keine
signifikanten Zusammenhänge bestehen. Das bedeutet, dass ein Fonds, der in
der Vergangenheit erfolgreicher war als der Index, diesen Erfolg in der Zukunft
wahrscheinlich nicht wiederholen kann.
16
Dies macht eine ex ante Auswahl
erfolgreicher Fonds nahezu unmöglich und ist ein weiteres Argument für eine
passive Anlagestrategie.
2.1.2 Definition und Abgrenzung von Exchange Traded Funds
Versucht man sich einer Definition von Exchange Traded Funds zu nähern,
liefert die einfache Übersetzung ins Deutsche einen ersten Anhaltspunkt. ETF
sind demnach an der Börse gehandelte Fonds. Dies impliziert bereits, dass es
sich um spezielle Investmentfonds handelt, die im Gegensatz zu klassischen
13
Vgl. BUDINSKY (2002), S. 62-76; SPREMANN (2008), S. 285-335.
14
Vgl. ETTERER/WAMBACH/SCHMITT (2004), S. 18-26.
15
Vgl. ETTERER/BEER/FLEISCHER (2003), S. 106-108.
16
Vgl. ETTERER/WAMBACH/SCHMITT (2004), S. 18-26; BUDINSKY (2002), S. 57-60.

7
Fonds fortlaufend an der Börse gehandelt werden können.
17
Folgerichtig
definieren PICARD/BRAUN ETF als ,,...kotierte Fonds ohne
Laufzeitbegrenzung, die während der Börsenhandelszeiten fortlaufend
gehandelt werden."
18
ETF, die auch Indexaktien genannt werden, sind nach
KÖFFLER ,,...Investmentfonds, die über eine Börsenzulassung verfügen und
somit wie Aktien handelbar sind."
19
Ein erstes charakterisierendes Merkmal für
ETF ist somit der fortlaufende Handel an der Börse. FERRI spricht in diesem
Zusammenhang nicht von Fonds, sondern von ,,...baskets of securities that are
traded, like individual stocks, through a brokerage firm..."
20
Einen zweiten
Aspekt berücksichtigen ANDERSON/BORN/SCHNUSENBERG, die von
Indexfonds sprechen, ,,...designed to correspond to a stock market or bond
market index...".
21
ETF orientieren sich folglich an der Performance eines
Referenzindexes, den sie möglichst exakt abbilden sollen. Eine ähnliche
Definition verwendet auch die U.S. SEC, die ETF definiert als ,,a type of
investment company, whose investment objective is to achieve the same return
as a particular market index".
22
Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass es sich
bei ETF um Indexfonds handelt, die sich an der Performance eines Benchmark-
Indexes orientieren und fortlaufend an einer Börse gehandelt werden können.
23
Sie verbinden dadurch die Diversifikationsvorteile klassischer Indexfonds mit
der Handelbarkeit von Aktien in einem Produkt.
24
Da ETF nur ein Instrument sind, um an der Performance eines Benchmark-
Indexes zu partizipieren, soll an dieser Stelle eine kurze Abgrenzung zu
klassischen Indexfonds und Indexzertifikaten vorgenommen werden. Ebenso
wie klassische Fonds sind ETF rechtlich geschütztes Sondervermögen einer
Kapitalanlagegesellschaft (KAG), welches im Fall einer Insolvenz der
Fondsgesellschaft nicht zur Deckung der Schulden herangezogen werden
17
Vgl. ETTERER/WAMBACH/SCHMITT (2004), S. 34.
18
PICARD/BRAUN (2010), S. 2.
19
KÖFFLER (2004), S. 13.
20
FERRI (2008), S. XVII.
21
ANDERSON/BORN/SCHNUSENBERG (2010), S. 75.
22
Vgl. HEHN (2005), S. 2.
23
Vgl. TZVETKOVA (2005), S. 3; GASTINEAU (2001), S. 91.
24
Vgl. DIECKMANN (2008), S. 1; ETTERER/WAMBACH (2008), S. 16.

8
kann.
25
Klassische Fonds und ETF unterschieden sich jedoch in ihrer
Preisermittlung und Handelbarkeit sowie ihren Kosten. Klassische Fondsanteile
werden grundsätzlich über die Fondsgesellschaft erworben bzw. an diese
zurückverkauft. Dazu ermittelt die Gesellschaft einmal täglich, i.d.R. nach
Börsenschluss, den Nettoinventarwert des Fonds (Net Asset Value ­ NAV) und
legt darauf basierend die Ausgabe- und Rücknahmepreise der Anteile fest. Zu
diesen Preisen werden alle an diesem Tag begebenen Kauf- und
Verkaufsaufträge der Kunden abgewickelt. Daraus folgt, dass Fondsanteile nur
einmal täglich gehandelt werden können und dass zu einem Preis, der erst
nach Auftragserteilung festgelegt wird.
26
Im Gegensatz dazu können ETF
fortlaufend ge- und verkauft werden, wobei der Preis durch verschiedene
Mechanismen fast genau dem aktuellen, näherungsweise ermittelten
Nettoinventarwert entspricht.
27
Ein weiterer Unterschied sind die mit dem Kauf
verbundenen Kosten. Beim Erwerb eines klassischen Fonds werden im
Gegensatz zu ETF i.d.R. Ausgabeaufschläge bis zu 5 % erhoben. Diese dienen
in erster Linie der Vertriebsorganisation und werden als Provisionen an Banken,
Finanzvermittler und ähnliche Akteure weitergereicht. Zusätzlich fallen für die
meisten Fonds jährliche Verwaltungsgebühren an, die über den Kosten für ETF
liegen.
28
Da klassische Indexfonds Barreserven für Mittelabflüsse halten
müssen und bei Umstrukturierung des Portfolios mit Transaktionskosten
belastet werden, bilden sie den Index i.d.R. schlechter ab als ETF. Dieser
höhere Tracking Error führt zu einem negativen Abweichen vom Referenzindex,
weshalb auch von indexnahen Fonds gesprochen wird.
29
Indexzertifikate bilden
den zu Grunde liegenden Referenzindex analog zu ETF in einem bestimmten
Bezugsverhältnis ab und sind ebenso wie ETF laufend an der Börse handelbar.
Für Zertifikate fallen weder Ausgabeaufschläge noch Verwaltungsgebühren an,
einziger Kostenfaktor ist der Spread, also die Differenz zwischen Kaufs- und
25
Vgl. Abschnitt 2.2.1
26
Vgl. ANDERSON/BORN/SCHNUSENBERG (2010), S. 79-80; GRAF (2001), S. 7-11; FERRI (2008), S.
25-31.
27
Vgl. Abschnitt 3.2.2.
28
Vgl. GRAF (2001), S. 7-11; KOMMER (2007), S. 178-186
29
Vgl. ETTERER/WAMBACH/SCHMITT (2004), S. 28-38; GRAF (2001), S. 7-11.

9
Verkaufskurs, sowie die Transaktionskosten im Rahmen des Börsenhandels.
30
Im Rahmen des Indexing muss jedoch darauf geachtet werden, dass es sich
um open-end-Zertifikate ohne Laufzeitbegrenzung handelt, da andernfalls bei
der Prolongation auslaufender Zertifikate erneut Transaktionskosten anfallen,
die die Performance beeinflussen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der
Investor bei Zertifikaten keinen Anspruch auf die Dividenden der im Index
enthaltenen Aktien hat. Dies ist bei einem Performanceindex unerheblich, da
die Dividenden wieder reinvestiert werden und somit auch in den Kurs des
Zertifikates einfließen. Bei Zertifikaten auf Kursindizes erfolg jedoch anders als
bei den ETF keine Dividendenausschüttung an den Investor.
31
Der
entscheidende Unterschied zwischen ETF und Zertifikat liegt jedoch in der
Rechtsstellung des Investors. Da ein Zertifikat eine Inhaberschuldverschreibung
des Emittenten ist, nimmt der Investor eine normale Gläubigerposition ein und
unterliegt mit seiner Investition einem hundertprozentigen Emittentenrisiko. Für
die Erfüllung des durch das Zertifikat verbrieften Anspruchs ist ausschließlich
die Bonität des Emittenten entscheidend.
32
ETF bilden also eine Kombination
der positiven Eigenschaften von Fonds und Zertifikaten. Sie sind wie Zertifikate
fortlaufend an der Börse ohne Ausgabeaufschlag handelbar und sind wie Fonds
ein rechtlich geschütztes Sondervermögen des Emittenten.
Eine ähnliche Strategie wie ETF verfolgen Exchange Traded Commodities
(ETC) und Exchange Traded Notes (ETN). Bei ETC handelt es sich um
Wertpapiere, die die Wertentwicklung einzelner Rohstoffe oder ganzer
Rohstoffkörbe replizieren und ebenfalls fortlaufend über die Börse gehandelt
werden können. Der wesentliche Unterschied zu ETF besteht in ihrer
rechtlichen Struktur. ETC sind unbefristete und besicherte
Inhaberschuldverschreibungen des Emittenten. Die Besicherung erfolgt
entweder über Finanzkontrakte oder durch physische Hinterlegung des
Rohstoffs, ins. bei ETC auf Gold. In ETC investiertes Kapital ist somit kein
Sondervermögen und unterliegt zu 100 Prozent einem Emittentenrisiko.
33
Gleiches gilt für ETN, auch hier handelt es sich rechtlich um
30
Vgl. ETTERER/WAMBACH/SCHMITT (2004), S. 28-38; GRAF (2001), S. 11-13.
31
Vgl. DIECKMANN (2008), S. 6-8.
32
Vgl. DIECKMANN (2008), S. 6-8; ETTERER/WAMBACH/SCHMITT (2004), S. 28-38.
33
Vgl. ETTERER/WAMBACH (2008), S. 63-64; GÖTTE (2010), S. 184-197.

10
Inhaberschuldverschreibungen des Emittenten, so dass der Investor immer eine
Gläubigerposition einnimmt. Ziel von ETN ist eine kontinuierliche
Outperformance gegenüber dem Index, weshalb neben den Instrumenten des
passiven Portfoliomanagements auch aktive Elemente eingesetzt werden. Aus
dieser Zielsetzung folgt, dass ETN einen höheren Tracking Error aufweisen als
ETF, der i.d.R. zwischen 0,5% und 2,5% liegt. Anders als bei ETF weisen ETN
oft eine leistungsabhängige Gebührenstruktur auf.
34
2.1.3 Klassifizierung von Exchange Traded Funds
ETF lassen sich nach einer Vielzahl von Charakteristika klassifizieren. Zunächst
sollte nach dem Anlagestil zwischen aktiv gemanagten und passiv gemanagten
ETF unterschieden werden.
35
Unter aktiv gemanagten ETF werden solche
Fonds verstanden, deren Ziel grundsätzlich darin besteht, positiv von der
Indexentwicklung abzuweichen und somit eine Outperformance zu erzielen.
Dies kann jedoch nur gelingen, wenn aktive Investmentstrategien verfolgt
werden. Das Fondsmanagement weicht bewusst von der
Indexzusammensetzung ab und übergewichtet Aktien, die nach ihrer Analyse
unterbewertet sind. Im Gegenzug wird auf die Aufnahme überbewerteter Aktien
in den Fonds verzichtet. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die bei
ETF erforderliche tägliche Veröffentlichung der Zusammensetzung des
Portfolios, die sog. Portfolio Composition File. Nur auf Basis dieser Information
kann die Börse laufend den iNAV berechnen und durch Arbitrageprozesse ein
fairer Preis gewährleistet werden. Bei einem unbekannten zu Grunde liegenden
Portfolio wird dieser Mechanismus außer Kraft gesetzt.
36
Weiterhin würde das
Fondsmanagement durch die Veröffentlichung der Zusammensetzung seine
Strategie offenbaren. Die Ergebnisse aufwendiger Researchtätigkeit ständen
allen Investoren kostenlos zur Verfügung (free ride) und wären der
Nachahmung Preis gegeben.
37
Aus Sicht des Autors scheinen der
Grundgedanke und Aufbau von ETF nur schwer mit aktiven
Investmentstrategien vereinbar, weshalb im Rahmen dieser Arbeit ETF als
34
Vgl. GÖTTE (2010), S. 184-197.
35
Vgl. TZVETKOVA (2005), S. 4-6
36
Vgl. GASTINEAU (2001), S. 95-96.
37
Vgl. FERRI (2008), S. 75-80.

11
passives Investmentinstrument verstanden werden sollen und im Folgenden
auch nur dieser Ansatz weiterverfolgt wird.
Da sich passiv gemanagte ETF an Indizes orientieren, kann ihre weitere
Einteilung nach der Klassifizierung der zu Grunde liegenden Indizes erfolgen.
Nach den verschiedenen Anlageklassen unterscheidet man zwischen Aktien-,
Renten- und Geldmarktindizes. Zu den bekanntesten Indizes zählen
zweifelsohne die Aktienindizes, wie bspw. DAX, DJ Euro Stoxx 50 oder MSCI
Europe. Weniger bekannt sind dagegen Renten- und Geldmarktindizes. Der
von der Deutschen Börse berechnete eb.rexx Government Germany 1.5 bis 2.5
INDEX enthält zehn deutsche Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit zwischen
eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Er bildet somit die Preisentwicklung
festverzinslicher Wertpapiere in Deutschland ab. Auf dem europäischen
Geldmarkt ist der EONIA Total Return Index von besonderer Bedeutung. Er
basiert auf dem ,,Euro Overnight Index Average", also dem
Durchschnittszinssatz, zu dem sich europäische Banken über Nacht Geld
leihen und der von der EZB veröffentlicht wird.
38
Innerhalb einer Anlageklasse kann weiterhin zwischen Gesamtmarkt- und
Auswahlindizes unterschieden werden. Gesamtmarktindizes, wie bspw. der
Swiss All Share Index, beinhalten alle Aktien eines bestimmten Marktes,
während Auswahlindizes nur einen Teil dieses Marktes repräsentieren.
39
Die
Auswahl kann dabei nach räumlichen, sachlichen oder sonstigen Kriterien
erfolgen. Bei einer räumlichen Auswahl unterscheidet man zwischen globalen
bzw. Regionen- oder Länderindizes. Beispiele hierfür sind der MSCI Europe
oder der DAXglobal BRIC-Index. Sachliche Auswahlkriterien können die
Branche oder die Größe der Unternehmen sein.
40
So enthält der DAX bspw. die
Aktien der 30 größten Unternehmen Deutschlands, während der TecDAX nur
Technologieunternehmen berücksichtigt. Unter den sonstigen Auswahlkriterien
lassen sich verschiedenen Strategien zusammenfassen, wie bspw. Value-,
38
Vgl. WIESNER (2008), S. 42-44; LAMPRECHT (2010), S. 24-34.
39
Vgl. PICARD/BRAUN (2010), S. 32-40.
40
Vgl. WIESNER (2008), S. 55-58.

12
Growth-, und Dividendenstrategien, aber auch Short- und Leverageindizes.
Beispiele hierfür sind der ShortDAX oder der DivDAX der Deutschen Börse.
41
Abbildung 2: Klassifizierung von ETF (in Anlehnung an WIESNER (2008), S. 43 und S. 56).
Für Investoren wird es heute immer schwieriger, den Überblick über das
immense Angebot an entsprechenden Indizes zu behalten. Selbst für ein und
denselben Markt gibt es verschiedene Indizes unterschiedlicher Anbieter, die
sich in ihrer Zusammensetzung und Berechnung stark voneinander
unterscheiden können, was unmittelbare Auswirkungen auf den Anlageerfolg
hat. Bei der Vielzahl der heute verfügbaren Indizes und damit möglicher ETF
muss kritisch hinterfragt werden, ob stark spezialisierte Themenindizes dem
Grundgedanken des passiven Portfoliomanagements gerecht werden. Es ist
fraglich, ob ein ,,Dow Jones Stoxx Grand Prix Index", der Unternehmen aus der
Formel 1 Rennserie zusammenfasst, oder ein ,,World Luxury Index", der Aktien
von Luxusgüterherstellern enthält, einen Nutzen für Investoren bieten.
42
41
Vgl. LAMPRECHT (2010), S. 24-34.
42
Vgl. WIESNER (2008), S. 54-55.

13
2.2 Rechtliche Ausgestaltung von Exchange Traded Funds
2.2.1 Harmonisierung der Rechtsgrundlagen in der Europäischen Union
Da, wie in vielen anderen Bereichen auch, die gesetzlichen Regelungen auf
europäischer Ebene seit einigen Jahren maßgebend für die nationalen Gesetze
sind, soll hier zunächst die Entwicklung der europäischen Rechtsgrundlagen
dargestellt werden, bevor im nächsten Abschnitt auf die Rechtsgrundlagen in
Deutschland eingegangen wird. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
(EWG) verfolgt seit Mitte der Siebziger Jahre das Ziel eines einheitlichen
Finanzbinnenmarktes innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und hat dazu,
aufbauend auf dem sog. Segré-Bericht zum Thema ,,Der Aufbau eines
Kapitalmarktes", zahlreiche Anstrengungen unternommen. Erstes Ergebnis
dieses Harmonisierungsprozesses war die Verabschiedung der sog. OGAW-
Richtlinie
43
1985. Sie befasste sich mit den ,,Organismen für gemeinsame
Anlagen in Wertpapieren" (OGAW) oder im englischen Sprachgebrauch den
,,Undertakings for collective investments in transferable securities" (UCITS).
44
Ziel dieser Richtlinie (RL) war die Angleichung der Rechtsvorschriften der
einzelnen Mitgliedsstaaten bezüglich des Vertriebs und der Verwaltung von
Investmentfonds und damit die Schaffung gleichwertiger
Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft. Gleichzeitig sollten
Mindestanforderungen für den Anlegerschutz festgelegt werden, die auf dem
angestrebten europäischen Markt mind. erfüllt werden müssen.
45
Unter die
OGAW-RL fallen Investmentfonds, wenn ihr einziger Zweck darin besteht, das
beim Publikum aufgenommene Kapital für gemeinsame Rechnung nach dem
Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren anzulegen. Weiterhin muss nach
dem sog. open-end-Prinzip die mittelbare oder unmittelbare Anteilsrücknahme
auf Verlangen der Anteilseigner gewährleistet werden. Dies ist auch bei einem
ausschließlichen Handel auf dem Sekundärmarkt erfüllt, wenn der
Investmentfonds Maßnahmen ergreift, um den Kurs im Bereich des
Inventarwertes zu halten.
46
Wichtigstes Element der OGAW-RL war die
Einführung eines sog. Europapasses für Investmentfonds nach dem Prinzip der
43
Richtlinie 85/611/EWG
44
Vgl. FRAGOS (2005), S. 5-15; KÖFFLER (2004), S. 65-67.
45
Vgl. LANG (2009), S. 122-123; FRAGOS, S. 5-15.
46
Vgl. BRUNNER-REUMANN (2005), S. 99-105; FRAGOS (2005), S. 5-15.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2011
ISBN (PDF)
9783863416034
ISBN (Paperback)
9783863411039
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen
Erscheinungsdatum
2012 (März)
Note
1
Schlagworte
Exchange Traded Funds Creation-Redemption-Process Swap-based ETF Finanzinstrument Replikation
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Titel: Exchange Traded Funds: Grundlagen eines innovativen Finanzinstruments
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