Umweltkatastrophen und Klimawandel: Kalkulierbarkeit der Versicherung von Umweltrisiken
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Versicherung von Umweltrisiken im Kontext des Klimawandels. Dabei wird den zentralen Fragen nachgegangen, ob Naturgefahren überhaupt versicherbar sind, wie sich deren Risiko angemessen kalkulieren lässt und welche Mittel im Rahmen eines erfolgreichen Risikomanagements angewendet werden können.
An erster Stelle wird sich mit den Begrifflichkeiten der Naturgefahr, des Naturrisikos und der Naturkatastrophe auseinandergesetzt. Wo liegen die Unterschiede und wie hängen die Terminologien zusammen?
Im Anschluss daran wird die Diskussion um den Klimawandel aufgegriffen. Es erscheint unstrittig, dass sich das globale Klima verändert. Uneinigkeit herrscht jedoch bezüglich der Ursachen und zukünftigen Entwicklungen. Vor allem für die Versicherungsbranche ist eine Prognose der klimatischen Veränderungen in den nächsten Jahren von großer Bedeutung. Aus diesem Grund wird untersucht, welchen Einfluss der Klimawandel auf den Bereich der Versicherungen hat, und ob die Zunahme der Schäden im Zusammenhang mit dem Klimawandel steht. Zu diesem Zweck werden zwei Regressionsanalysen vorgenommen.
Im vierten Kapitel steht der Begriff des Risikos im Vordergrund. Warum werden Versicherungen überhaupt nachgefragt und welchen Risiken ist die Versicherungswirtschaft ausgesetzt? Anschließend werden die wichtigsten Instrumente im Rahmen des Risikomanagements kurz erläutert und eine genaue Definition des Schadens vorgenommen.
Eine Analyse der Versicherbarkeit von Umweltrisiken erfolgt schließlich im fünften Kapitel. Dies geschieht auf der Grundlage allgemeiner Kriterien der Versicherbarkeit. Im Anschluss daran werden die Möglichkeiten zur Erweiterung der Versicherbarkeitsgrenzen aufgezeigt. Beispielhaft werden dabei die Optionen der Rückversicherung, Katastrophenanleihen und Versicherungsderivate angesprochen. Den Abschluss bildet eine empirische Untersuchung, in welcher die subjektiven Wahrnehmungen von Umweltrisiken unter die Lupe […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Quellenverzeichnis
1. Einführung
2. Naturgefahr, Naturrisiko und Abgrenzung des Begriffs der Naturkatastrophe
2.1 Naturgefahr und Naturrisiko im Kontext
2.2 Die Naturkatastrophe als Extremereignis
3. Klimawandel und Versicherung
3.1 Definition und Einfluss des Klimawandels auf die Versicherung von Umweltrisiken
3.2. Regressionsanalyse: Einfluss des Klimawandels auf die zunehmende Schadenhöhe
3.2.1 Zusammenhang zwischen der Anzahl extremer Wetterereignisse und den daraus resultierenden Schäden
3.2.2 Kontrollregression: Zusammenhang zwischen der Anzahl geophysikalischer Ereignisse und den aus Wetterereignissen resultierenden Schäden
4. Risiko, Risikomanagement und Schaden
4.1 Risikoaversion und Versicherungsnachfrage
4.2 Unterschiedliche Definitionen des Risikobegriffs
4.3. Risiken im Bereich der Versicherungen
4.3.1 Das Zufallsrisiko
4.3.2 Das Änderungsrisiko
4.3.3 Das Irrtumsrisiko
4.3.4 Risiken aufgrund asymmetrischer Informationen
4.4. Risikomanagement
4.4.1 Bedeutung des Risikomanagements in Bezug auf Risiko und Versicherung
4.4.2. Risikopolitische Instrumente im Rahmen des Risikomanagements
4.4.2.1 Risikomeidung
4.4.2.2 Risikotransfer
4.4.2.3 Risikodiversifikation
4.4.2.4 Risikoausgleich
4.4.2.5 Risikoreservebildung
4.5 Schadensbegriff und Umweltschaden
5. Die Versicherbarkeit von Umweltrisiken
5.1 Grundsätzliche Überlegungen zur Versicherbarkeit von Risiken
5.2. Versicherbarkeit von Naturereignissen im Hinblick auf die Kriterien versicherbarer Risiken
5.2.1 Kriterium der Zufälligkeit
5.2.2 Kriterium der Eindeutigkeit
5.2.3 Kriterium der Schätzbarkeit
5.2.4 Kriterium der Unabhängigkeit
5.2.5 Kriterium der Größenmerkmale
5.2.6 Versicherbarkeit von Naturrisiken mit Hilfe risikopolitischer Instrumente
6. Möglichkeiten zur Erweiterung der Versicherbarkeitsgrenzen von Naturkatastrophen
6.1 Rückversicherungen
6.2 Katastrophenanleihen
6.3 Versicherungsderivate
7. Empirische Untersuchung zur Ermittlung der subjektiven Wahrnehmungen von Umweltrisiken
7.1 Ziel der Untersuchung
7.2 Durchführung und Aufbau der Befragung
7.3 Teilnehmer der Online-Befragung
7.4. Auswertung des Fragebogens
7.4.1 Definition des Risikobegriffs
7.4.2 Auswirkungen der eigenen Erfahrungen auf Vorsorgemaßnahmen und Risikowahrnehmung bezüglich Naturereignissen
7.4.3 Eingetretene Schäden
8. Fazit
Anhang: Klassifizierung von Katastrophen
Anhang: Fragebogen zur subjektiven Wahrnehmung von Umweltrisiken
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Naturkatastrophen Januar bis September 2010
Abb. 2: Regressionsanalyse 1: Wetterextreme – Schäden aus Wetterextremen
Abb. 3: Regressionsanalyse 2: Geophysikalische Ereignisse – Schäden aus Wetterextremen
Abb. 4: Risikoscheue und Sicherheitsäquivalent
Abb. 5: Der Katastrophenkreislauf
Abb. 6: Risikoausgleich und der notwendige Risikobeitrag des Kollektivs
Abb. 7: Weltkarten ausgewählter Naturgefahren
Abb. 8: Volkswirtschaftliche Schäden aufgrund von Naturkatastrophen
Abb. 9: Naturkatastrophen weltweit und durch diese verursachte Schäden in den Jahren von 1980 bis 2009
Abb. 10: Für welche Naturgefahr vermuten die Befragten die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit?
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Kriterien der Versicherbarkeit
Tab. 2: Anteil der jeweiligen Risikodefinitionen
Tab. 3: Vorsorgemaßnahmen bezüglich Naturgefahren in Abhängigkeit von den eigenen Erfahrungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quellenverzeichnis
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„Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt; die Natur kennt keine Katastrophen.“[1]
Max Frisch
1. Einführung
Die Zahl der Naturkatastrophen ist innerhalb der letzten 20 Jahre enorm gestiegen. Allein im Laufe des aktuellen Jahres 2010 ereigneten sich eine Vielzahl von Naturereignissen, wie die untere Abbildung verdeutlicht. Dabei ist deren Schadensausmaß häufig von immenser Größe.
Abb. 1: Naturkatastrophen Januar bis September 2010
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (2010a).
Die Häufung und zunehmende Intensität dieser Ereignisse lässt immer wieder die Diskussion nach den Ursachen und möglichen Lösungswegen aufkommen. Dabei vermuten viele eine anthropogen verursachte Klimaänderung, welche in der Zukunft noch weit verheerendere Auswirkungen haben könnte.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Versicherung von Umweltrisiken im Kontext des Klimawandels. Dabei wird den zentralen Fragen nachgegangen, ob Naturgefahren überhaupt versicherbar sind, wie sich deren Risiko angemessen kalkulieren lässt und welche Mittel im Rahmen eines erfolgreichen Risikomanagements angewendet werden können.
An erster Stelle wird sich mit den Begrifflichkeiten der Naturgefahr, des Naturrisikos und der Naturkatastrophe auseinandergesetzt. Wo liegen die Unterschiede und wie hängen die Terminologien zusammen?
Im Anschluss daran wird die Diskussion um den Klimawandel aufgegriffen. Es erscheint unstrittig, dass sich das globale Klima verändert. Uneinigkeit herrscht jedoch bezüglich der Ursachen und zukünftigen Entwicklungen. Vor allem für die Versicherungsbranche ist eine Prognose der klimatischen Veränderungen in den nächsten Jahren von großer Bedeutung. Aus diesem Grund wird untersucht, welcher Einfluss der Klimawandel auf den Bereich der Versicherungen hat, und ob die Zunahme der Schäden im Zusammenhang mit dem Klimawandel steht. Zu diesem Zweck werden zwei Regressionsanalysen vorgenommen.
Im vierten Kapitel steht der Begriff des Risikos im Vordergrund. Warum werden Versicherungen überhaupt nachgefragt und welchen Risiken ist die Versicherungswirtschaft ausgesetzt? Anschließend werden die wichtigsten Instrumente im Rahmen des Risikomanagements kurz erläutert und eine genaue Definition des Schadens vorgenommen.
Eine Analyse der Versicherbarkeit von Umweltrisiken erfolgt schließlich im fünften Kapitel. Dies geschieht auf der Grundlage allgemeiner Kriterien der Versicherbarkeit. Im Anschluss daran werden die Möglichkeiten zur Erweiterung der Versicherbarkeitsgrenzen aufgezeigt. Beispielhaft werden dabei die Optionen der Rückversicherung, Katastrophenanleihen und Versicherungsderivate angesprochen.
Den Abschluss bildet eine empirische Untersuchung, in welcher die subjektiven Wahrnehmungen von Umweltrisiken unter die Lupe genommen werden. Als Instrumentarium wird eine Umfrage gewählt, welche die individuellen Einschätzungen der Teilnehmer herausfiltern soll.
2. Naturgefahr, Naturrisiko und Abgrenzung des Begriffs der Naturkatastrophe
2.1 Naturgefahr und Naturrisiko im Kontext
Im Hinblick auf die Begriffe Gefahr und Risiko, bildet die Gefahr lediglich eine Unterstufe des Risikos.[2] Die Naturgefahr, welche als die
„Auftretenswahrscheinlichkeit eines potentiell schadenbringenden Ereignisses in einem Gebiet, in einem Zeitraum und mit einer bestimmten Stärke“[3]
definiert wird, stellt folglich die Unterstufe des Naturrisikos dar. Dieses wiederrum ergibt sich aus dem Produkt der Naturgefahr und der Vulnerabilität[4] des bedrohten Raumes mitsamt den darin befindlichen Objekten.[5] Alle Objekte, die gefährdet sind, zählen zu den Risikoelementen. Dazu gehören Menschen, Güter und die Umwelt. Dabei sollte diesen Risikoobjekten ein Wert beigemessen werden können, der nicht zwingend monetärer Art sein muss. Außerdem haben die genannten Elemente ein Schadenspotential, wodurch sie verwundbar gegenüber Risiken sind.[6] Der Vorsorgebegriff selbst erstreckt sich somit auf die Minimierung von Umweltrisiken und die Abwehr von Umweltgefahren.[7]
2.2 Die Naturkatastrophe als Extremereignis
Die Katastrophe wird von den Vereinten Nationen folgendermaßen definiert:
A disaster is
„a serious disruption o f he functioning of a community or a society causing widespread human, material, economic or environmental losses which exceed the ability of the affected community or society to cope using its own resources.”[8]
Die Naturkatastrophe gilt als ein schadenbringendes Extremereignis, welches durch Naturgewalten ausgelöst wird. Normalerweise hat ein Ereignis dieser Art mehrere einzelne Schäden zur Folge, welche verschiedene Parteien und Verträge der Versicherungswirtschaft betreffen. Naturkatastrophen beinhalten jedoch die Gefahr, mehrere Objekte gleichzeitig oder nacheinander zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass das Ausmaß des Schadens nicht allein von der Stärke einer Naturkatastrophe abhängt, sondern vielmehr auch menschliche Faktoren mit einbezogen werden müssen. Beispielsweise spielen die Bauweise oder die Effizienz des Katastrophenschutzes in betroffenen Regionen eine entscheidende Rolle.[9] Eine Naturkatastrophe wird als „groß“[10] definiert, wenn die Selbsthilfefähigkeit der betroffenen Gebiete nicht mehr gewährleistet ist. Zudem ist Hilfe auf überregionaler oder internationaler Ebene erforderlich. Dabei nehmen die Zahl der Todesopfer und Obdachlosen, sowie die volkswirtschaftlichen Schäden im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Zuständen des Landes eine immense Größe an.[11] Ein Naturereignis wird deshalb zur Katastrophe, weil die Betroffenen in einer Region die daraus resultierenden Auswirkungen nicht mehr allein überwinden können, sondern auf externe Hilfe angewiesen sind.[12]
In Bezug auf Umweltrisiken sind für die Versicherungswirtschaft und das notwendige Risikomanagement folgende Punkte relevant: Die allgemeine Exposition eines Risikoelements, die Geschwindigkeit (von kriechend bis schnell), die zeitliche Prozessentwicklung (von kontinuierlich langsam bis schnell) und die räumliche Ausbreitung (punktuell oder regional) einer Naturgefahr. Von diesen Kriterien ausgehend können mit Hilfe des Risikomanagements die Auswirkungen einer Naturkatastrophe ausgewertet werden.[13]
In der jüngsten Zeit sind vermehrt Meldungen über große Naturkatastrophen mit ihren verheerenden Auswirkungen in den Medien erschienen. In diesem Zusammenhang wird häufig der Einfluss des Klimawandels diskutiert. Ob ein globaler Wandel des Klimas stattfindet, und wie sich dieser auf die Versicherungswirtschaft auswirkt, wird im nächsten Kapitel erörtert.
3. Klimawandel und Versicherung
3.1 Definition und Einfluss des Klimawandels auf die Versicherung von Umweltrisiken
Gemäß des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) lässt sich der Klimawandel wie folgt definieren:
„Eine Zustandsänderung des Klimas, die über Änderungen von Mittelwerten und/oder der Variabilität seiner Eigenschaften identifiziert werden kann (z.B. mittels statistischer Verfahren), und die über einen ausgedehnten Zeitraum bestehen bleibt, typischerweise über Jahrzehnte oder länger. Der Ausdruck bezieht sich auf jegliche Klimaänderung im Verlauf der Zeit, sei es aufgrund natürlicher Schwankungen oder als Folge menschlicher Aktivitäten.“[14]
Diese Definition geht von einer Veränderung des Klimas aufgrund natürlicher oder menschlich verursachter Faktoren aus.
Eine andere Definition beschränkt sich nur auf die anthropogen verursachte Veränderung des Klimas. Dabei wird angenommen, dass der Ausstoß von Treibausgasen zu einer Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperaturen führt. Die Folgen sind beispielsweise eine veränderte Vegetation und Niederschlaghäufigkeit, der Anstieg des Meeresspiegels und ein vermehrtes Auftreten von Extremwetterereignissen.[15]
Problematisch erscheint, dass das Wissen über den Klimawandel unsicher ist. Es existieren eine Menge externer Einflussfaktoren auf das Klima. Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle der Mensch hinsichtlich der Beeinflussung des Klimas spielt. Bislang konnten keine eindeutigen Aussagen im Hinblick auf die jahrzehntelange Entwicklung und den zukünftigen Einfluss des Menschen auf seine Umwelt im gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Bereich gemacht werden. Die Kenntnisse über das globale Klimasystem sind beschränkt. Klimamodelle weisen noch Defizite auf, da die Leistungsfähigkeit der Rechner Grenzen hat. Regionale Modelle über das Klima befinden sich bereits im Anlaufstadium, aber die Erfassung vieler kleinräumiger Prozesse ist dennoch schwierig. Die Unsicherheit als Teil der Klimaforschung beeinflusst vor allem die Ergebnisse von Klimaszenarien, die Projektionen über das Ausmaß der Folgen, die Notwendigkeit und die Gestalt von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.[16]
Trotz des noch unzureichenden Wissensstandes gehen viele von einer höchstwahrscheinlich anthropogenen Klimaveränderung aus. Indikator ist hierbei die kausale Beziehung zwischen der Erderwärmung und der Emission von Treibhausgasen durch den Menschen. Mit Hilfe von Bohrungen in der Antarktis kann nachgewiesen werden, dass die Kohlendioxidkonzentration[17] seit 750.000 Jahren nicht mehr so hoch war wie heutzutage.[18] Natürliche Schwankungen der CO2-Konzentration, welche zu den globalen Temperaturen eine Korrelation aufweisen, sind normal. Dennoch hat die CO2-Konzentration mittlerweile einen Rekordwert erreicht.[19]
Im Vierten Sachstandsbericht des IPCC im Jahr 2007 zeigt sich, dass sich Wetterextreme weltweit häufen.[20] Beispielsweise hat die Niederschlagsmenge in vielen Regionen[21] stark zugenommen. Der Meeresspiegel ist in einigen Gebieten weltweit gestiegen, wodurch die Gefahr von Überschwemmungen größer geworden ist. Beobachtungen belegen eine zunehmende Aktivität starker tropischer Wirbelstürme besonders im Nordatlantik. Weiterhin besteht einer höhere Wahrscheinlichkeit von Bodeninstabilitäten in Permafrostgebieten[22] und Bergstürzen in Gebirgsregionen aufgrund gestiegener Durchschnittstemperaturen.[23]
Die Veränderungen des Klimas haben einen erheblichen Einfluss auf die Versicherungswirtschaft, da sich durch den Klimawandel das Risiko extremer Wetterereignisse verschärft. Die Zunahme von Treibhausgasen führt zu einer Erwärmung der Luft und der Ozeane. Dadurch hat die Luft einen höheren Feuchtegehalt und es kommt zum Meeresspiegelanstieg. All diese klimatischen Faktoren führen zu häufigeren und intensiveren Naturkatastrophen wie zum Beispiel Stürme, Gewitter, Hagelschläge, Starkregen und Dürren. Hierbei ist die Zunahme von Stärke und Häufigkeit jener Ereignisse für Versicherungsunternehmen relevant, denn Schadenpotentiale werden in der Zukunft eine neue Größenordnung erreichen. Ein verstärktes Auftreten von Extremereignissen führt zu Naturkatastrophen in einem häufigeren und größeren Ausmaß. Folglich nehmen auch die Auftretenswahrscheinlichkeit und Größe der dadurch verursachten Schäden zu. Bei steigender Wettervariabilität wächst die Schadensvolatilität. Schwierig erscheint die Entwicklung der Prämienanpassungen, welche erst nach Überprüfung der Schadenentwicklung erfolgen kann. Somit ist der Klimawandel ein großes Änderungsrisiko für die Versicherungswirtschaft.
Trotz dieser ungünstigen Lage in bezüglich des Schadentrends sind zahlreiche Elementarschadendeckungen im Angebot der Versicherung von Umweltrisiken. Zudem wird versucht, die Bevölkerung zu mehr Schadenvorsorge zu motivieren. Mit Hilfe moderner geowissenschaftlicher Methoden wird die fortlaufende wissenschaftliche Auseinandersetzung und Forschung im Bereich der Umweltrisiken gefördert. Ein Problem ist dabei die quantitative Prognose für die Zukunft, da die Auswirkungen der weiteren Veränderungen des Klimas für Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen schwer abzuschätzen sind. Deshalb besteht weiterhin jede Menge Forschungsbedarf.[24]
3.2. Regressionsanalyse: Einfluss des Klimawandels auf die zunehmende Schadenhöhe
Seit den 1990er Jahren ist ein kontinuierlicher Anstieg der Schäden durch Naturkatastrophen zu verzeichnen. Die Abbildungen 8 und 9 in Kapitel 5 verdeutlichen diesen Schadentrend. In den Jahren 1995, 2005 und 2008 erreichen die kumulierten Schäden neue Rekordwerte.
Im Hinblick auf den Klimawandel ist ein vermehrtes und intensiveres Auftreten von Extremwetterkatastrophen zu beobachten. Daher stellen sich die Fragen
- ob ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Katastrophen und den Schadensummen besteht, und
- inwiefern die höheren Schäden dem Klimawandel zuzurechnen sind.
Die Untersuchung dieser Fragen erfolgt mit Hilfe zweier linearer Regressionen. Die erste Regression soll den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Wetterextreme und der Höhe der aus diesen Ereignissen resultierenden Schäden in den Jahren von 1980 bis 2009 aufzeigen. Die zweite Regression dient als Kontrolle, indem die geophysikalischen Ereignisse[25], welche kaum einen Zusammenhang zu den klimatischen Veränderungen aufweisen, den Wetterschäden gegenübergestellt werden.
3.2.1 Zusammenhang zwischen der Anzahl extremer Wetterereignisse und den daraus resultierenden Schäden
Das folgende Punktediagramm zeigt, wie sich die Zahl der beobachteten Wetterereignisse zu den daraus entstandenen Schäden verhält.
Abb. 2: Regressionsanalyse 1: Wetterextreme – Schäden aus Wetterextremen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erstellung, in Anlehnung an: Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (2010a).
Das Bestimmtheitsmaß R2 beträgt 0,13. Demnach gehen nur 13 Prozent der Varianz von Schäden aus Wetterereignissen eines Jahres auf die Gesamtzahl der eingetretenen Wetterereignisse zurück. Es besteht lediglich ein schwacher linearer Zusammenhang zwischen beiden Variablen.
3.2.2 Kontrollregression: Zusammenhang zwischen der Anzahl geophysikalischer Ereignisse und den aus Wetterereignissen resultierenden Schäden
Zur Kontrolle der zuvor aufgeführten Beobachtung wird in der zweiten Regressionsanalyse die Anzahl der geophysikalischen Katastrophenereignisse den aus Wetterextremen entstandenen Schäden gegenübergestellt. Dabei ergibt sich die folgende Abbildung.
Abb. 3: Regressionsanalyse 2: Geophysikalische Ereignisse – Schäden aus Wetterextremen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Erstellung, in Anlehnung an: Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (2010a).
Das Bestimmtheitsmaß R2 beträgt bei dieser Regression 0,159. Somit sind 15,9 Prozent der Varianz von Schäden aus Wetterereignissen eines Jahres auf die gesamten eingetretenen Wetterereignisse zurückzuführen. Der lineare Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen wäre folglich größer als in der ersten Regression.
Ein logischer Zusammenhang besteht nicht zwischen dem geophysikalischen Ereignissen und Wetterschäden, da sie in keinem Verhältnis zueinander stehen. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass es andere Gründe für die Zunahme der Schäden geben muss als den Klimawandel. Eine Erörterung der Ursachen erfolgt in Kapitel 5 im Rahmen der Überprüfung, ob Naturrisiken versicherbar sind.
4. Risiko, Risikomanagement und Schaden
4.1 Risikoaversion und Versicherungsnachfrage
Im Bereich der Versicherungen gehört das Risiko zum Kerngeschäft. Der Versicherungsunternehmer übernimmt ein versicherungstechnisches Risiko, welches als
„die Gefahr, dass für einen bestimmten Zeitraum der Gesamtschaden eines bestimmten Bestandes größer ist als die allein für die Risikoübernahme für diesen Zeitraum kalkulierte Prämie“[26]
definiert wird. Dieses Risiko wird ihm durch den Versicherungsnehmer transferiert. Die folgenden Ausführungen klären die Frage, weshalb Versicherungen überhaupt nachgefragt werden.
Die meisten Menschen gelten als risikoavers. Dies wird ebenfalls von der ökonomischen Theorie unterstellt, da die Risikoscheue bei einem rational denkenden Wirtschaftssubjekt die Voraussetzung für eine Versicherungsübernahme darstellt.[27] Die folgende Abbildung verdeutlicht die Nutzenfunktion eines risikoaversen Individuums.
Abb. 4: Risikoscheue und Sicherheitsäquivalent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Nutzenfunktion U ist eine stetig steigende Funktion, jedoch gilt das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens[28]. Die Funktion E stellt den Erwartungswert in Abhängigkeit des Nutzens dar. Der Nutzen wiederum ist vom Vermögen x abhängig.
Quelle: Schulenburg (2005), S. 233.
Die Funktion des Nutzens eines risikoaversen Wirtschaftsakteurs ist konkav. Es erfolgt eine überproportional hohe Bewertung großer Verluste, wohingegen große Gewinne unterproportional hoch bewertet werden. Das Individuum entscheidet sich aus diesem Grund für eine Versicherung, wenn die zu bezahlende Prämie größer ist als der erwartete Schadenswert[29]. Wie in der Abbildung ersichtlich wird, ist das Sicherheitsäquivalent SÄ kleiner als der Erwartungswert der Auszahlung E(x).[30] Das risikoscheue Individuum ist bereit, für die Vermeidung einer riskanten Situation einen Risikozuschlag in Höhe von SÄ zu zahlen und eine Versicherung in Anspruch zu nehmen.
Der wohlfahrtssteigernde Effekt von Versicherungen wird – wie eben gezeigt – bei risikoaversen Personen aufgrund des höheren Nutzens erzielt. Im Bereich der Versicherungswirtschaft existieren jedoch zahlreiche Definitionen für das Risiko. Einige wichtige Auffassungen vermittelt der folgende Abschnitt.
[...]
[1] Frisch (1981), S. 103.
[2] Vgl. Jaeckel (2010), S. 67.
[3] Glade (2007), S. 75.
[4] Die Vulnerabilität ist ein Maß für die Empfindlichkeit eines gefährdeten Objektes gegenüber einer Naturgefahr. Die Werte liegen zwischen 0 für Unempfindlichkeit und 1 für höchste Vulnerabilität.
[5] Vgl. Glade/Dikau (2001), S. 43.
[6] Vgl. Glade (2007), S. 75.
[7] Vgl. Jaeckel (2010), S. 67.
[8] UNISDR (2004), S. 3.
[9] Vgl. Berge, Klaus (2005), S. 1.
[10] Entspricht der Katastrophenklasse 6 gemäß der Einteilung der globalen Schadendatenbank für Naturkatastrophen der Münchener Rückversicherung. Als Grundlage der Zuordnung dienen die finanziellen und humanitären Ausmaße einer Katastrophe. Die Tabelle „Aufteilung in Katastrophenklassen“ ist als Überblick im Anhang zu finden.
[11] Vgl. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (2010a).
[12] Vgl. Ehlers (2007), S. 100 f.
[13] Vgl. Glade (2007), S. 78.
[14] IPCC (2008), S. 34.
[15] Gabler Verlag: Stichwort: Klimawandel, online im Internet: URL: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/222075/klimawandel-v2.html, Stand: 02.11.2010.
[16] Vgl. Mahammadzadeh/Biebeler/Bardt (2009), S. 244 f.
[17] Die Zunahme der Kohlendioxid (CO2)-Konzentration in der atmosphärischen Luft trägt wesentlich zur Erderwärmung der Erdoberfläche (Treibhauseffekt) bei.
[18] Vgl. Höppe (2007), S. 8 f.
[19] Der höchste Wert lag in den vergangenen 750.000 Jahren bei 300 ppm. Heute handelt es sich um einen Betrag von 380 ppm.
[20] Vgl. Mahammadzadeh/Biebeler/Bardt (2009), S. 9.
[21] Als betroffene Regionen werden Nord- und Südamerika, Nordeuropa sowie Nord- und Zentralasien genannt.
[22] Permafrost bezeichnet einen dauerhaft gefrorenen Boden in Gebieten, wo die Temperatur über mehrere Jahre unter 0° C liegt.
[23] Vgl. IPCC (2008), S. 35 ff.
[24] Vgl. Höppe (2007), S. 14 ff.
[25] Hierzu zählen Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche.
[26] Schwake (1988), S. 68.
[27] Vgl. Gabler Verlag: Stichwort: Risikoneigung, online im Internet: URL: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/14089/risikoneigung-v6.html, Stand: 08.11.2010.
[28] Der Nutzenzuwachs nimmt durch eine zusätzliche Vermögenseinheit mit steigendem Vermögen ab.
[29] Dies wird in der Regel als Normalfall angesehen.
[30] Vgl. Schulenburg (2005), S. 232.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783863416218
- ISBN (Paperback)
- 9783863411213
- Dateigröße
- 1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Trier
- Erscheinungsdatum
- 2012 (März)
- Note
- 2
- Schlagworte
- Umweltkatastrophen Versicherungswirtschaft Umweltökonomie Klimawandel Risikomanagement