Das Stauffenberg-Attentat aus französischer Perspektive: Der 20. Juli 1944 in Paris
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Historischer Hintergrund
2.1 Militärische Lage Deutschlands im Jahr 1944
2.2 Militärischer Widerstand
3 Der 20. Juli 1944 außerhalb des Deutschen Reiches
3.1 Paris
3.1.1 Die Militärverwaltung in Frankreich
3.1.2 Die Pariser Verschwörung
3.1.3 Ablauf des 20. Juli 1944 in Paris
3.2 Prag
3.3 Wien
4 Vorbereitungen für die Zeit in Frankreich nach dem gelungenen Attentat
5 Der 20. Juli 1944 aus französischer Perspektive
6 Schlussbetrachtung
7 Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1 Quellen
7.2 Literatur
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem militärischen Widerstand gegen das NS-Regime im besetzten Frankreich. Dabei wird vor allem auf den 20. Juli 1944 in Paris eingegangen und somit auch die französische Perspektive auf den 20. Juli 1944 genauer beleuchtet.
Zunächst erfolgt eine Erläuterung des Begriffs Widerstand. Der spezifisch deutsche Widerstand zeichnet sich durch wenige kleine Gruppen aus, die im nationalsozialistischen Deutschland eher eine Ausnahme als die Regel bildeten.[1] Hierbei kann unter anderem zwischen bürgerlichen, kommunistischen und konservativen Kreisen unterschieden werden, die zum Ziel hatten, sich gegen den Fortbestand des NS-Regimes zur Wehr zu setzen.[2] Des Weiteren versteht man unter dem Begriff Widerstand eine moralische Erneuerungsbewegung, die bei der Untersuchung des militärischen Widerstandes, auf den später genauer eingegangen wird, deutlich wird.[3] Nicht unwesentlich ist die Tatsache, dass es keinen einheitlichen Widerstand gab, sondern nur vereinzelte Gruppen, welche teilweise unterschiedliche Wertvorstellungen und Ziele hatten.[4] Auch wird unterschieden zwischen aktivem und passivem Widerstand, wobei beide Formen, wie bereits erwähnt, nur bei einem kleinen Teil der deutschen Bevölkerung auftraten.[5] Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Grenzen zwischen aktivem und passivem Widerstand stets fließend sind.[6]
Die zentrale Fragestellung ist, warum und wie erfolgreich der deutsche Widerstand in Paris war. Um dies zu untersuchen, wird zunächst der historische Hintergrund genauer betrachtet, dann folgt eine Darstellung der Militärverwaltung, da es sich hierbei um das Arbeitsumfeld und den Ort des Kontakts mit dem Widerstand der Beteiligten handelt, wobei auch kurz auf die Beweggründe der wichtigsten Persönlichkeiten eingegangen wird. Des Weiteren wird neben dem Ablauf des 20. Juli 1944 in Paris auch die Umsetzung des Walküre-Befehls in Prag und Wien in den Grundzügen dargestellt. Um das Bild des Widerstands in Paris zu vervollständigen, wird erläutert, wie dort bereits im Vorfeld aktiv die Zeit nach dem Attentat geplant wurde. Anschließend liegt der Fokus auf der unmittelbar auf den Umsturzversuch folgenden Reaktion in Frankreich, welche anhand einiger zeitgenössischer Zeitungsartikel rekonstruiert wird. Um das Bild des 20. Juli 1944 in Frankreich zu vervollständigen, wird kurz auf die erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Beschäftigung der französischen Historiker mit dem deutschen Widerstand eingegangen.
Da es nur wenige Quellen zu dieser Thematik gibt, weil die Beteiligten ihre Vorbereitungen aus Sicherheitsgründen nicht schriftlich festgehalten haben, wird die Fragestellung vor allem anhand von Dokumenten aus der SD-Berichterstattung, die unter dem Titel „Spiegelbild einer Verschwörung“[7] publiziert wurden, untersucht. Hier fehlen jedoch leider die Protokolle der Aussagen Hofackers und Speidels, wichtiger Verschwörer.[8] Daneben werden auch Tagebücher, Zeitzeugenaussagen und Nachkriegserinnerungen zu Rate gezogen. Bei allen untersuchten Quellen ist der hohe Grad an Subjektivität zu beachten. Besonders in der SD-Berichterstattung dürfen die festgehaltenen Aussagen von Angeklagten nicht ohne den Hintergrund der Folter und des Drucks, denen die Angeklagten ausgesetzt waren, gesehen werden.[9] Hinzu kommt, dass die Unterlagen der SD vor allem die Intentionen der Verfolger enthalten, was natürlich zu Verzerrungen und einer einseitigen Sichtweise führt.[10] Was die Tagebücher und somit auch die Zeitzeugenaussagen anbelangt, so darf nicht vergessen werden, dass diese Personen sich vor allem positiv und ihre Rolle im Widerstand etwas überhöht darstellen.
2 Historischer Hintergrund
2.1 Militärische Lage Deutschlands im Jahr 1944
Das Kriegsjahr 1944 zeichnete sich vor allem durch eine Zuspitzung der Kriegslage aus, sowohl an der Ostfront als auch im Westen.[11] Im Osten erreichte die Rote Armee im Januar 1944 die ehemalige polnische Ostgrenze, während am 6. Juni 1944 die Alliierten in der Normandie gelandet sind.[12] Deshalb wandte sich Generalfeldmarschall Erwin Rommel am 15. Juli 1944 in einer offenen Denkschrift an Hitler:
„Die Truppe kämpft allerorts heldenmütig, jedoch der ungleiche Kampf neigt dem Ende entgegen. Ich muss Sie bitten, die Folgerungen aus dieser Lage unverzüglich zu ziehen. Ich fühle mich verpflichtet, als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe dies klar auszusprechen.“[13]
Diese Beurteilung der Lage zeigt, dass das Attentat vom 20. Juli 1944 stattfand, als die Niederlage des Deutschen Reiches laut der führenden Feldmarschälle nicht mehr abzuwehren war.[14] Des Weiteren entsagten sich immer mehr Verbündete des Reiches wie Italien, das schon im September 1943 kapituliert hat, oder Ungarn.[15] Zu dem Verlust von Gebieten kam die Erschöpfung der personellen und materiellen Reserven.[16] Deshalb wurde von einigen Verschwörern in Erwägung gezogen, im Westen zu kapitulieren, um dadurch zu verhindern, dass Deutschland von den Russen besetzt wird.[17] Henning von Tresckow schickte daraufhin Georg von Boeselager[18] zu von Kluge. Dieser beschrieb von Kluges Haltung zur derzeitigen Lage folgendermaßen:
„Nach Ansicht von Kluge musste die Front im Westen über kurz oder lang ohnehin unter dem Druck der Alliierten zusammenbrechen. Für meinen Bruder, der den Auftrag durch Tresckow erhalten hatte, nach England als Parlamentär zu fliegen, konnten weder ein geeignetes Flugzeug noch ein zuverlässiger Pilot gefunden werden. Kluge hielt das alles nicht mehr für nötig. Er hatte einfach mit Blick auf die militärische Lage resigniert.“[19]
Fabian von Schlabrendorffs[20] Aussage: „Wir waren uns darüber klar, dass, wenn unsere Pläne einen unmittelbaren politischen Zweck haben sollten, sie vor der Invasion zustande kommen mussten.“[21] zeigt, dass der Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 längst nicht mehr nur einen politischen Zweck hatte, sondern es laut Henning von Tresckow[22] nur noch darum ging, „dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere daneben ist gleichgültig.“[23] Hier wird deutlich, dass die Verschwörer sich im Jahr 1944 durchaus im Klaren darüber waren, dass der Lauf der Geschichte durch das Attentat wahrscheinlich nicht mehr geändert werden konnte.[24] Die Ausführungen Hofackers in der Wohnung Stauffenbergs am 16. Juli 1944 machen deutlich, wie die militärische Lage Deutschlands von vielen wahrgenommen wurde:
„(…) der Nachschub des Feindes [werde] in etwa 14 Tagen eine erschütternde Übermacht an Menschen und Material geschaffen haben, der die sich in der Abwehr verzehrende Invasionsfront bestenfalls noch 6 Wochen Widerstand leisten könne.“[25]
Neben der militärischen Lage Deutschlands, die sich vor dem Attentat 1944 deutlich verschlechtert hatte, musste auch die Hoffnung auf eine Verständigung mit den westlichen Alliierten von den Verschwörern aufgegeben werden.[26] Zu der Verschlechterung der militärischen Lage kamen, wie bereits vorher erwähnt, Personal- und Materialmangel.[27] Aber für die Hoffnung auf eine neue Perspektive für Deutschland mit Hilfe der Personen, die ihr Leben aufs Spiel setzten, lohnte sich die Ausführung des Attentats.[28]
2.2 Militärischer Widerstand
Da es sich bei den Widerstandskämpfern in Paris überwiegend um Mitglieder des Militärs handelte, soll auch die Form des militärischen Widerstands genauer erläutert werden.
Was den militärischen Widerstand und damit verbunden einen großen Teil des Militärs auszeichnete, war, dass viele zunächst zumindest einige Ziele der Nationalsozialisten nach deren Machtergreifung teilten.[29] So begrüßten viele die Aufrüstung und die Revision des als Diktat empfundenen Vertrags von Versailles.[30] Der nationalkonservative Widerstand, zu dem auch der militärische Widerstand gehörte, stellte die größte Gefahr für das NS-Regime dar, da er aus der Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten entstand.[31] Warum einige der Offiziere sich für den Widerstand entschieden haben, hat viele Gründe.[32] Zum einen fühlten sich die Offiziere der preußischen Tradition verpflichtet, welches sich durch ihr Treuverhältnis zum Monarchen und durch die Gebundenheit an christliche Werte auszeichnete.[33] Jedoch hat das Offizierskorps sich immer das Recht der freien Meinungsäußerung gegenüber Vorgesetzten und dem Monarchen bewahrt.[34] Auch die Bildung der Offiziere, welche neben dem Verstand auch die Ratio fördert, ist eine Quelle des militärischen Widerstands.[35] Eine weitere Quelle des militärischen Widerstands ist die Moral, an die sich der Soldat gebunden fühlt und die letzten Endes auch dazu führt, dass er sich gegen das nationalsozialistische Regime auflehnt.[36] Während die Masse der Offiziere sich durch ihre Passivität dem nationalsozialistischen Regime gegenüber auszeichnete, gelang es einigen Offizieren, die verschiedenen vorher genannten Quellen – wenn auch in unterschiedlichem Maße – zu vereinigen und sich dem Regime zu widersetzen.[37]
Mit dem Beginn des Krieges war ein Umsturz nur noch aus dem Umfeld der NS-Führung, das heißt aus den traditionellen Milieus wie dem Großbürgertum, dem Adel oder dem Militärkorps überhaupt möglich.[38] Dies ist deshalb von größter Bedeutung, da die Offiziere ab dem Jahr 1933 einen persönlichen Eid auf Hitler leisten mussten, der wie folgt lautete:
„Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“[39]
Die religiöse Formel „bei Gott“ unterstreicht noch einmal den moralischen Gehalt, den der Soldateneid haben soll.[40] Dadurch versuchte Hitler, den Soldaten nicht nur an seine Person, sondern gleichzeitig auch an Gott zu binden,[41] denn die Verpflichtung vor Gott steht noch vor der Verpflichtung vor dem Menschen. Diese Bindung sowohl an Gott als auch an den Führer selbst, sollte es den Soldaten zusätzlich erschweren, den Eid zu brechen, was auch in dem meisten Fällen gelang.[42] Bei ihrem Eintritt in den Widerstand verletzten unter anderem die Mitglieder der Pariser Verschwörung, welche größtenteils aus dem Militär stammten, die Loyalität gegenüber der Staatsführung und rechtfertigten dies in der Regel damit, dass in bestimmten Ausnahmesituationen ein eidfreier Raum herrschte und sie somit vom Eid entbunden waren.[43] Hermann Weinkauff[44], erster Präsident des Bundesgerichtshofs, beschreibt diese mögliche Ausnahmesituation folgendermaßen:
„Wie überall sonst im Recht gilt bei der Ausübung des Widerstandsrechts zunächst der Grundsatz der Güterabwägung (…). Weiter muss ich (…) ein klares und sicheres Urteil darüber haben und mir zutrauen dürfen, dass und warum die Staatsführung so sehr gegen Recht und Pflicht verstößt, dass der gewaltsame Widerstand dagegen erforderlich und unerlässlich ist sowie ein Urteil darüber, in welchem Grade Widerstand notwendig ist. (…) Besonders gesteigert wird die Verantwortung, wenn sich der Widerstandsakt im Krieg vollzieht. (…) ich darf weiter im allgemeinen Widerstand nur leisten, wenn ich einigermaßen die begründete Hoffnung haben darf, dass mein Widerstand die Sache zum Besseren wenden wird. (…) In äußerster Lage allerdings kann – auch bei geringer, unsicherer Hoffnung auf äußeren Erfolg – das bloße Aufrichten eines Fanals (…) den Widerstand rechtfertigen.“[45]
Militärs wie Stauffenberg oder Stülpnagel entbanden sich von dem an Hitler geleisteten Eid, da dieser wiederum seine aus diesem Eid hervorgehenden Verpflichtungen nicht einhielt.[46] So hatte der Führer in ihren Augen mehrfach seine Verpflichtung zur Treue gegenüber dem deutschen Volk und den für Deutschland kämpfenden Soldaten aufgrund seiner dilettantischen und rücksichtslosen Kriegsführung gebrochen.[47] Die Entbindung vom Eid taten sie trotz der Unsicherheit, ob ihr Vorgehen erfolgreich sein würde.[48] So beschreibt Walter Bargatzky in seinen Aufzeichnungen, dass „(…) Hofacker (…) meint, nur 10 % sprächen für das Gelingen des Umsturzes, es müsse aber gewagt werden, um das Blutvergießen zu beenden und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.“[49] Auch Eberhard von Hofacker, Sohn Cäsars von Hofacker, berichtet in einem Vortrag, dass sein Vater einst sagte:
„Hier sitzen wir nun sehen klar, dass der Wagen dem Abgrund zutreibt und tun nichts. Und wenn jeder ein Freischärlercorps wie Karl Moor gegen die Halunken im Dritten Reiches anführen würde, es wäre besser, als nur zu kritisieren.“[50]
Dies zeigt noch einmal die Unsicherheit der Verschwörer und die fehlende Garantie auf ihren Erfolg, die sie jedoch nicht von ihrer Tat abhalten konnten. Dieses Zitat macht deutlich, dass die realen Erfolgsaussichten des Attentats zunehmend an Bedeutung verloren und die moralische Komponente stark in den Vordergrund rückte.[51] Auch haben viele der Verschwörer des 20. Juli sich erst spät und nach langem Ringen mit sich selbst dazu entschlossen, der Widerstandsbewegung beizutreten.[52] Es handelte es sich jedoch dann um einen radikalen Bruch mit dem Führer und des ihm geleisteten Eids aufgrund der eigenen Moral.[53]
3 Der 20. Juli 1944 außerhalb des Deutschen Reiches
3.1 Paris
3.1.1 Die Militärverwaltung in Frankreich
Die Militärverwaltung in Frankreich entstand erst im Jahr 1940, nachdem es zu einigen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Deutschland im Zweiten Weltkrieg gekommen war.[54] Am 22. Juni 1944 wurde das deutsch-französische Waffenstillstandsabkommen getroffen, welches den Norden Frankreichs in besetztes Gebiet und den Süden in unbesetztes Gebiet teilte.[55] Bei der danach errichteten Militärverwaltung handelte es sich um eine traditionelle Militärverwaltung mit einem Rechtssystem, welches auf der deutschen Militärdoktrin basierte.[56] Aufgabe dieser Militärverwaltung mit Sitz im Hôtel Majestic in Paris war es, „die Hilfsquellen des Landes für die Bedürfnisse der Wehrmacht und der deutschen Kriegswirtschaft auszunutzen“.[57] Die Militärverwaltung in Frankreich bestand aus zwei Organisationen, zum einen aus dem Kommandostab unter der Leitung Dr. Hans Speidels[58], zuständig für die militärischen Aufgaben, zum anderen aus dem Verwaltungsstab unter der Leitung Jonathan Schmidts, der die zivile Verwaltung leitete.[59] Der Verwaltungsstab bestand aus der Abteilung Wirtschaft und der Abteilung Verwaltung, geleitet von Werner Best.[60] Dr. Elmar Michel, Chef der Abteilung Wirtschaft, war verantwortlich für die Überwachung der französischen Wirtschaft und ihrer Entjudung.[61] So wurden jüdische Unternehmen entweder geschlossen oder in die Hände französischer und deutscher Offizieller gegeben.[62] Werner Best, Leiter der Abteilung Verwaltung bis November 1942, war zuständig für die Kontrolle der französischen Behörden.[63] Grundlagen der deutschen Besatzungspolitik in Frankreich waren die Richtlinien des Oberkommandos des Heeres und der Waffenstillstandsvertrag vom 22. Juni 1940.[64] Laut dieses Vertrages war die Regierung Pétains dazu verpflichtet, „alle französischen Behörden und Dienststellen des besetzten Gebietes (…) unverzüglich anzuweisen, den Anordnungen der deutschen Militärbefehlshaber Folge zu leisten und in korrekter Weise mit diesen zusammenzuarbeiten.“[65]
Die Militärverwaltung hatte zur Aufgabe, das besetzte Frankreich und die diplomatischen Beziehungen zu kontrollieren.[66] Ihr standen dabei 1200 Offiziere und Beamte zur Verfügung.[67] Daneben entwickelte sie in Frankreich „Vorbeugungsmaßnahmen gegen Sabotageakte“.[68] Hierbei handelte es sich um Richtlinien zum Umgang mit verschiedenen Formen des Widerstands seitens der französischen Bevölkerung.[69]
„Als Vorbeugungsmaßnahmen kommen in Betracht: 1.) Beschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit und des öffentlichen Lebens (…). 2.) Heranziehen der Bevölkerung selbst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (…). 4.) Festnahme von Geiseln (…). 5.) Strafmaßnahmen.“[70]
Was die Übergriffe im besetzten Frankreich anbelangt, so ist sich Best sicher, „(…) dass die Angriffe gegen die Besatzung nicht militärische Zwecke verfolgten, sondern den politischen Zweck, deutsche Gegenmaßnahmen zu provozieren, welche das Verhältnis zwischen der Besatzung und der Bevölkerung und die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und der französischen Regierung verschlechtern mussten.“[71]
Was die Bestrafung solcher Auflehnungen anbelangt, so sprach sich der Militärbefehlshaber in Frankreich[72] für eine der Tat angemessene Bestrafung aus und stand den Geiselerschießungen fast ablehnend gegenüber.[73] Aus einer Anordnung geht hervor:
„In der Geiselnahme ist die größte Zurückhaltung geboten. Es lässt sich (…) nie voraussehen, ob nicht die später Exekution von Geiseln aus politischen Gründen unerwünscht ist und unterbleiben muss. Unterbleibt aber die Exekution (…) erschüttert die zwecklose Geiselnahme das Ansehen der Besatzung. (…) Geiseln sind daher nur festzunehmen, wenn (…) andere geeignete Mittel nicht zur Verfügung stehen.“[74]
Des Weiteren wies er seine Untergebenen an, international geltende Beschlüsse wie die der Genfer oder Den Haager Konvention umzusetzen.[75] Der Führer selbst sprach sich jedoch 1941 für wesentlich strengere Bestrafungen aus, da es sich bei den Widerstandskämpfern meist um Juden oder Kommunisten handelte.[76] Trotzdem versuchte Otto von Stülpnagel während seiner Zeit als Militärbefehlshaber in Frankreich, den Verordnungen aus Berlin entgegenzuwirken, indem er unter anderem die Hinrichtungen von Mördern oder anderen nicht politischen Taten als Geiselhinrichtungen im Sinne des Führers zählte.[77] Da diese Maßnahmen unzureichend waren, entschloss Otto von Stülpnagel sich am 15. Februar 1942, seine Position als Militärbefehlshaber in Frankreich aufzugeben.[78] Ernst Jünger beschreibt die Gründe für seinen Rücktritt folgendermaßen:
„Er [Otto von Stülpnagel] hatte mich wegen der Geiselfrage rufen lassen, deren genaue Schilderung für spätere Zeiten ihm am Herzen liegt. Sie ist ja auch der Anlass, aus dem er jetzt geht. An einer Stellung wie der seinen wird nur die große, prokonsularische Macht nach außen sichtbar, nicht aber die geheime Geschichte der Zwiste und Intrigen im inneren des Palasts. Sie ist erfüllt vom Kampf gegen die Botschaft [unter der Leitung von Otto Abetz] und die Partei in Frankreich, die langsam Feld gewinnt (…).“[79]
Dies führte zu einer Restrukturierung der deutschen Militärverwaltung im Sinne Hitlers, welcher die Befehlsgewalt über die deutsche Polizei in Frankreich nun der SS übertrug.[80] Die SS in Frankreich, seit dem 7. Mai 1942 unter dem Kommando des Gruppenführers Karl-Albrecht Oberg, hatte nun sowohl über die deutsche, als auch über die französische Polizei die Befehlsgewalt.[81] In dem betreffenden Führerbefehl vom 9. März 1942 heißt es ausdrücklich:
[...]
[1] Hürten, Heinz: Widerstand in Deutschland, in: Widerstand in Europa. Zeitgeschichtliche Erinnerungen und Studien, hg. v. Michael Kissner, Harm-Hinrich Brandt, Wolfgang Altgeld, Konstanz 1995. S. 15.
[2] Heinemann, Winfried: Der militärische Widerstand und der Krieg, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 9, hg. v. Ralf Blank, München 2004. S. 743.
[3] Hürten, Heinz: Widerstand in Deutschland. S. 22.
[4] Heinemann, Winfried: Der militärische Widerstand und der Krieg. S. 747.
[5] Spiegelbild einer Verschwörung. Die Opposition gegen Hitler und der Staatsstreich vom 20. Juli 1944 in der SD-Berichterstattung 2, hg. v. Hans-Adolf Jacobsen, Stuttgart 1984. S. XXf.
[6] Mommsen, Hans: Die Stellung der Militäropposition im Rahmen der deutschen Widerstandsbewegung gegen Hitler, in: Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933–1945, hg. v. Thomas Vogel, Hamburg, Berlin, Bonn 52000. S. 33.
[7] Spiegelbild einer Verschwörung. Die Opposition gegen Hitler und der Staatsstreich vom 20. Juli 1944 in der SD-Berichterstattung, hg. v. Hans-Adolf Jacobsen, 2 Bde., Stuttgart 1984.
[8] Krautkrämer, Elmar: Generalleutnant Dr. Phil. Hans Speidel, in: Hitlers militärische Elite. Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende 2, hg. v. Gerd R. Ueberschär, Darmstadt 1998. S. 250.
[9] Ramm, Arnim: Kritische Analyse der Kaltenbrunner-Berichte über die Attentäter vom 20. Juli 1944. Ein Beitrag zur Geschichte des militärischen Widerstandes, Marburg 2003. S. 44.
[10] Hackl, Ottmar: Einführung zur ersten bis dritten Auflage durch den damaligen Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Oberst i.G. Dr. Othmar Hackl, in: Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933–1945, hg. v. Thomas Vogel, Hamburg, Berlin, Bonn 52000. S. 2.
[11] Achmann, Klaus: 20. Juli 1944. Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand, Herford 1994. S. 92. Vgl. Schramm, Percy Ernst: Der Krieg war verloren, in: 20. Juli 1944, hg. v. Erich Zimmermann, Hans-Adolf Jacobsen, Bonn 1961. S. 107–118.
[12] Achmann, Klaus: 20. Juli 1944. S. 235.
[13] Denkschrift Erwin Rommels an Adolf Hitler vom 15. Juli 1944, in: Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933–1945, hg. v. Walther Hofer, Frankfurt a. M. 1983. S. 348f.
[14] Plaschka, Richard Georg: Avantgarde des Widerstands. Modellfälle militärischer Auflehnung im 19. und 20. Jahrhunderts 2 (Studien zu Politik und Verwaltung 60) Wien, Köln, Graz 2000. S. 494.
[15] Ebd. S. 495.
[16] Ebd. S. 495.
[17] Achmann, Klaus: 20. Juli 1944, S. 93.
[18] Oberleutnant und Ordonnanzoffizier (*1915–1944†); vgl.: Doepgen, Heinz: Georg Freiherr von Boeselager, Herford 1986.
[19] Gespräch H. Bühl mit Philipp Freiherr von Boeselager im Juni 1989 in Ahrweiler, zit. nach: Achmann, Klaus: 20. Juli 1944. S. 93.
[20] Rechtsanwalt und Ordonnanzoffizier (*1907–1980†)
[21] Schlabrendorff v., Fabian: Offiziere gegen Hitler, in: Deutscher Widerstand 1933–1945. Zeitzeugnisse und Analysen, hg. v. Karl Otmar von Aretin, Ger van Roon, Hans Mommsen, Frankfurt a. M. 1984. S. 108.
[22] Generalmajor (*1901–1944†); vgl.: Henning von Tresckow. Ich bin der ich war, hg. v. Sigrid Grabner, Hendrik Röder, Berlin 2001.
[23] Achmann, Klaus: 20. Juli 1944. S. 92.
[24] Badia, Gilbert: Ces Allemands qui ont affronté Hitler, Paris 2000. S. 127.
[25] Spiegelbild der Verschwörung 1. S. 101.
[26] Achmann, Klaus: 20. Juli 1944. S. 83.
[27] Ebd. S. 126.
[28] Ebd. S. 128.
[29] Heinemann, Winfried: Der militärische Widerstand und der Krieg in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 9, hg. v. Ralf Blank, München 2004. S. 745.
[30] Ebd. S. 745.
[31] Ebd. S. 747.
[32] Das Gewissen steht auf. Lebensbilder aus dem deutschen Widerstand 1933–1945, hg. v. Annedore Leber, Karl Dietrich Bracher, Mainz 1984. S. 381.
[33] Ebd. S. 381.
[34] Ebd. S. 381.
[35] Ebd. S. 381.
[36] Ebd. S. 381.
[37] Ebd. S. 381.
[38] Heinemann, Winfried: Der militärische Widerstand und der Krieg. S. 748.
[39] Eid der Wehrmacht, zit. nach.: Achmann, Klaus: 20. Juli 1944. S. 32.
[40] Kielmannsegg, Johann Adolf v.: Der Soldat und der 20. Juli 1944. Das Recht des Widerstands gegen den das Recht brechenden Gewalthaber [Bonn 1963], unter: Der 20. Juli 1944. Erinnerungen an einen historischen Tag. Reden und Gedenkfeiern,
<http://www.20-juli-44.de/pdf/1963_kielmansegg.pdf> S. 4. (31.10.2010).
[41] Ebd. S. 4.
[42] Ebd. S. 4.
[43] Achmann, Klaus: 20. Juli 1944. S. 33.
[44] (*1894–†1981); 1950 Ernennung zum ersten Präsidenten des Bundesgerichtshofs. Vgl.: Herbe, Daniel: Hermann Weinkauff (1894–1981). Der erste Präsident des Bundesgerichtshofs (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 55), Tübingen 2008.
[45] Hermann Weinkauff, zit. nach: Kielmansegg, Johann-Adolf v.: Der Soldat und der 20. Juli 1944. Das Recht des Widerstands gegen den das Recht brechenden Gewalthaber [Bonn 1963], unter: Der 20. Juli 1944. Erinnerungen an einen historischen Tag. Reden und Gedenkfeiern, <http://www.20-juli-44.de/pdf/1963_kielmansegg.pdf> S. 5. (13.11.2010).
[46] Kielmansegg, Johann-Adolf v.: Der Soldat und der 20. Juli 1944. S. 3.
[47] Heinemann, Winfried: Der militärische Widerstand und der Krieg. S. 824.
[48] Hofacker, Eberhard v.: Gedanken zum 20. Juli 1944 [München 1961], unter: Der 20. Juli 1944. Erinnerungen an einen historischen Tag. Reden und Gedenkfeiern,
<http://www.20-juli-44.de/pdf/1961_hofacker.pdf> S. 6. (27.10.2010).
[49] Bargatzky, Walter: Hotel Majestic. Ein Deutscher im besetzten Frankreich, Freiburg i. Br. 1987. S. 131.
[50] Hofacker, Eberhard v.: Gedanken zum 20. Juli 1944 S. 6.
[51] Zeidler, Manfred: Der 20. Juli 1944. Eine Replik (Berichte und Studien 48), Göttingen 2005. S. 53.
[52] Weizsäcker, Carl-Friedrich v.: Das Phänomen Hitler und der Widerstand [Berlin 1974], unter: Der 20. Juli 1944. Erinnerungen an einen historischen Tag. Reden und Gedenkfeiern, <http://www.20-juli-44.de/pdf/1974_weizsaecker.pdf> S. 5. (24.11.2010)
[53] Weizsäcker, Carl-Friedrich v.: Das Phänomen Hitler und der Widerstand. S. 5.
[54] Laub, Thomas Johnston: The Politics of Occupation. The German Military Administration in France 1940–1944, Diss. Masch. Virginia 2003. S. 28.
[55] Moisel, Claudia: Frankreich und die deutschen Kriegsverbrecher. Politik und Praxis der Strafverfolgung nach dem Zweiten Weltkrieg (Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts 2), Göttingen 2004. S. 21.
[56] Laub, Thomas Johnston: The Politics of Occupation. S. 152.
[57] Best, Werner: Erinnerungen aus dem besetzten Frankreich 1940–1942, zit. nach: Jäckel, Eberhard: Frankreich in Hitlers Europa. Die deutsche Frankreichpolitik im Zweiten Weltkrieg (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 14), Stuttgart 1966. S. 65.
[58] General (*1897–1984†)
[59] Brunner, Bernhard: Der Frankreich-Komplex. Die nationalsozialistischen Verbrechen in Frankreich und die Justiz der Bundesrepublik Deutschland (Moderne Zeit. Neue Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts 6), Göttingen 2004. S. 41.
[60] Ebd. S. 41.
[61] Brunner, Bernhard: Der Frankreich-Komplex. S. 41.
[62] Laub, Thomas Johnston: The Politics of Occupation. S. 274.
[63] Brunner, Bernhard: Der Frankreich Komplex. S. 41.
[64] Meyer, Ahlrich: Die deutsche Besatzung in Frankreich 1940–1944. S. 14.
[65] Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918–1945, Serie D (1937 bis 1945) 9, Frankfurt a. M. 1962. S. 555.
[66] Laub, Thomas Johnston: The Politics of Occupation. S. 28.
[67] Moisel, Claudia: Frankreich und die deutschen Kriegsverbrecher. S. 24.
[68] Delacor, Regina: Attentate und Repressionen. Ausgewählte Dokumente zur zyklischen Eskalation des NS-Terrors im besetzten Frankreich 1941/42 (Instrumenta 4), Stuttgart 2000. S. 79.
[69] Laub, Thomas Johnston: The Politics of Occupation. S. 29.
[70] Vorbeugungsmaßnahmen gegen Sabotageakte vom 12.09.1940, zit. nach: Delacor, Regina: Attentate und Repressionen. S. 79–81.
[71] Best, Werner: Erinnerungen aus dem besetzten Frankreich 1940–1942. S. 24.
[72] Otto von Stülpnagel, Militärbefehlshaber in Frankreich von Oktober 1940 bis Februar 1942.
[73] Best, Werner: Erinnerungen aus dem besetzten Frankreich 1940–1942. S. 30.
[74] Erlass Ottos von Stülpnagel vom März 1941, zit. nach: Bargatzky Walter: Hotel Majestic. Ein Deutscher im besetzten Frankreich, Freiburg, Basel, Wien 1987. S. 85.
[75] Richtlinien für die Ausübung der Aufsicht über die französische Verwaltung im besetzten Gebiet durch die deutsche Militärverwaltung in Frankreich vom 26.08.1940, zit. nach: Delacor, Regina: Attentate und Repressionen. S. 77.
[76] Laub, Thomas Johnston: The Politics of Occupation. S. 30.
[77] Ebd. S. 30f.
[78] Ebd. S. 31.
[79] Jünger, Ernst: Strahlungen II. Das Erste Pariser Tagebuch, Stuttgart 1962. S. 321.
[80] Übergang der polizeilichen Exekutive vom 22.05.1942, zit. nach: Delacor, Regina: Attentate und Repressionen. S. 255f.
[81] Laub, Thomas Johnston: The Politics of Occupation. S. 31.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783863416256
- ISBN (Paperback)
- 9783863411251
- Dateigröße
- 273 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
- Erscheinungsdatum
- 2012 (März)
- Note
- 2
- Schlagworte
- Stauffenberg Attentat Zweiter Weltkrieg Frankreich Carl-Heinrich von Stülpnagel