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KWK-Stromberechnung: Im Kontext des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)

©2011 Masterarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist insbesondere durch die Energieerzeugung aus Biomasse geprägt. Da es bekannter Weise immer wieder Probleme bezüglich der Vergütungsansprüche zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber gab, soll das Buch eine Hilfestellung vordergründig für die Ermittlung der korrekten Kraft-Wärme-Kopplungs-Strommenge (KWK-Strommenge) geben. Nach aktuellen Kenntnissen muss davon ausgegangen werden, dass der größte Anteil aller Vergütungen auf falschen Berechnungsergebnissen beruht.
Es werden unterschiedliche Anlagentechnologien genauso beschrieben wie die wichtigsten Begrifflichkeiten und Kennzahlen definiert. Das Aufzeigen mehrerer Berechnungswege zur KWK-Stromberechnung inklusive einer Berechnungsanleitung für den Fall einer Überschusseinspeisung bildet den Kern des Buches. Die Berechnungswege werden anhand eines Beispiels gegenübergestellt und aus vergütungstechnischer Sicht beurteilt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Abbildungsverzeichnis
3.1
KWK-Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
4.1
Typisches Pflanzenöl-BHKW, Antriebsaggregat Volvo TAD 1642 . . .
22
4.2
Typisches Biogas-BHKW, Antriebsaggregat MAN E 2848 . . . . . . .
23
4.3
Defektes Holzgas BHKW, Antriebsaggregat Deutz BF8M . . . . . . .
25
4.4
Gasmaschine, Biomethanbetrieb, MDE . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
5.1
Abbildung Bruttowärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
5.2
Abbildung Bruttostrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
5.3
Darstellung Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
5.4
Darstellung "reduzierte" Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . .
35
6.1
Strom-/ Wärmeverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
6.2
Strommengen im Arealnetz/ Einspeisemengen . . . . . . . . . . . . .
49
A.1 Herstellerangaben BHKW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56

Kapitel
1
Einleitung
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vom 25. Oktober 2008 beschreibt eine Ver-
gütungsstruktur für aus regenerativen Primärenergieträgern erzeugte und in das
Netz der öffentlichen Versorgung eingespeiste elektrische Energie. Die mögliche Ein-
speisevergütung nach dieser Gesetzgebung besteht in der Regel aus der Grundver-
gütung und aus einem oder mehreren Bonusvergütungen. Zu den Bonusvergütungen
zählt insbesondere der Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus (KWK-Bonus) welcher in der
Anlage III zum EEG spezifisch beschrieben wird. Dabei handelt es sich um einen
Bonus, der die in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte und in das öffentliche Netz einge-
speiste elektrische Energie zusätzlich honoriert, sofern gewisse Voraussetzungen an
die Wärmenutzung erfüllt werden. Um die Höhe des gesamten Vergütungsanspru-
ches ermitteln zu können ist es zwangsläufig notwendig, hinreichend genaue Kennt-
nis über die KWK-Strommenge zu haben. Zur Ermittlung der KWK-Strommenge
hat der Gesetzgeber ein vereinfachtes Berechnungsverfahren unter Zuhilfenahme der
Stromkennzahl beschrieben. Im Laufe dieser Arbeit wird dieses Berechnungsverfah-
ren mit weiteren Alternativen verglichen und die Resultate gegenüber gestellt.
Dabei soll vorerst abschließend erwähnt werden, dass eine zu geringe KWK-Strommenge
zwangsläufig zu einer geringeren Vergütung für den Betreiber führt. Im Falle einer
"Übervorteilung" durch zu viel gezahlte Vergütung aufgrund einer zu hoch berechne-
ten KWK-Strommenge besteht die (latente) Gefahr der Rückforderung der bereits
ausgezahlten Beträge durch den Netzbetreiber, was sich dann für den Betreiber
ebenfalls negativ darstellt. Die Erfahrungen lehren, dass bereits ausgezahlte Beträ-
ge in aller Regel nicht mehr für eine Rückzahlung zur Verfügung stehen und einen
Betreiber möglicher Weise in finanzielle Schwierigkeiten bringt. In jedem Fall sollte
der Betreiber ein gesteigertes Interesse an einer möglichst genauen Vergütungsbe-
rechnung haben.

2
Kapitel 1 Einleitung
1.1
Zielsetzung der Arbeit
Im Rahmen dieser Ausarbeitung sollen einige Varianten zur Ermittlung der Kraft-
Wärme-Kopplungs-Strommenge (KWK-Strommenge) aufgezeigt und gegeneinander
verglichen werden. Dies erfolgt insbesondere unter Berücksichtigung der einschlä-
gigen Regularien, vordergründig durch Anwendung der "Anerkannten Regeln der
Technik" gemäß dem Arbeitsblatt FW 308 der Arbeitsgemeinschaft für Wärme und
Heizkraftwirtschaft AGFW e.V..
Zudem soll ermittelt werden, welche Kausalitäten sich aus dem durch den Gesetzge-
ber benannten, vereinfachten Berechnungsanleitungen ergeben. Die Resultate sollen
grundsätzlich aufklärenden Charakter besitzen, um hierdurch Anreiz und Motivation
zu geben, die KWK-Stromberechnung möglichst präzise durchzuführen.
1.2
Gliederung der Arbeit
Nach der Einleitung im ersten Kapitel folgt in Kapitel 2 eine Analyse der gesetz-
lichen Rahmenbedingungen, aufgrund derer sich die Notwendigkeit zur Ermittlung
der KWK-Strommenge ergibt. Dem folgen in Kapitel 3 die relevanten Begriffsbestim-
mungen die im Zusammenhang mit der KWK-Stromberechnung stehen. Die Analy-
se und Gegenüberstellung der Begrifflichkeiten ist von maßgeblicher Bedeutung, da
die unterschiedlichen Gesetzgebungen bzw. Regularien diese nicht übereinstimmend
und teilweise nicht eindeutig definieren. Da die Herleitung der notwendigen Betriebs-
bzw. Anlagenkennzahlen sich mitunter durch die spezifische Anlagentechnik differen-
ziert, werden in Kapitel 4 die häufigsten in der Praxis anzutreffenden Technologien
dargestellt und erörtert. Dies beinhaltet die jeweiligen Besonderheiten und mögliche
Auswirkungen auf die wichtigsten Anlagenkennzahlen. Eine dezidierte Beschreibung
der tangierten Anlagenkennzahlen erfolgt, wie auch eine Darstellung der Abhän-
gigkeiten bzw. Wechselwirkungen unter den Anlagenkennzahlen in Kapitel 5. Das
Kernstück der Ausarbeitung findet sich in Kapitel 6. Hier werden unterschiedliche
Vorgehensweisen zur KWK-Stromberechnung erläutert und die offensichtlichen Vor-
und Nachteile zu jeder Variante dargestellt. Ebenfalls dargestellt werden Sonderfäl-
le, sowie eine kurze Beschreibung einer möglichen Vor- bzw. Herangehensweise. Eine
Zusammenfassung mit einer vielleicht sensibilisierenden Anregung bildet in Kapitel
7 zunächst den Abschluss der Arbeit. In der Anlage wird exemplarisch eine Beispiel-
rechnung anhand der zuvor beschriebenen Berechnungswege auf Grundlage einer

1.2 Gliederung der Arbeit
3
realen Anlagensituation durchgeführt. Diese endet in einer Gegenüberstellung der
Ergebnisse, zu guter Letzt auch aus monetärer Sicht.
Dies alles letztlich verbunden mit der Hoffnung des Autors, die Qualität der Be-
rechnungen künftig zu verbessern- vordergründig auch in der Verantwortung der
Berechnenden den Betreibern gegenüber.

Kapitel
2
Analyse
Bereits bei den Anspruchsvoraussetzungen zum KWK-Bonus (Anlage 3 I Satz 1
EEG) wird ein erster Bezug zum KWK-Strom hergestellt. Dort heißt es: "...es sich
um Strom im Sinne von §3 Absatz 4 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG)
handelt...". Mit entsprechendem Blick in das KWKG findet sich unter diesem Verweis
folgende Definition: "KWK-Strom ist das rechnerische Produkt aus Nutzwärme und
Stromkennzahl der KWK-Anlage. " In dieser zwar kurzen und eigentlich trivialen
bzw. vereinfachten Anleitung zur KWK-Stromermittlung verbergen sich gleich zwei,
wie die Praxis zeigt, größere Handicaps. Die erste Schwierigkeit liegt weniger in der
Definition der "Nutzwärme" als vielmehr in der Definition der "Bilanzgrenze", welche
von maßgeblicher Bedeutung für die Bemessung ist. Zum Zweiten wird der Multipli-
kator "Stromkennzahl" beschrieben. Die Stromkennzahl ist generell der Quotient aus
Strom- und Wärmeenergie. An und für sich auch zunächst eine eindeutige Beschrei-
bung, bei genauerer Betrachtung können jedoch je nach Blickpunkt des Betrachters
unterschiedliche Berechnungsparameter zugrunde gelegt werden. Beispielsweise be-
schreiben die Herstellerangaben zu den Blockheizkraftwerken üblicherweise die ther-
mische Bruttoleistung und analog dazu die elektrische Bruttoleistung der BHKW-
Anlage. Folglich wird hieraus dann die herstellerseitig angegebene Stromkennzahl
ermittelt. Es darf also zunächst festgestellt werden, dass die Berechnungsanleitung
nur dann ein exaktes Ergebnis liefert, wenn alle notwendigen Parameter eindeutig
bekannt und bestimmt sind.
In Anlage 3 II Absatz 1 EEG werden zwei Möglichkeiten zum Nachweis des KWK-
Stroms beschrieben.
1. Ermittlung bzw. Nachweis des KWK-Stroms nach anerkannten Regeln der
Technik, der insbesondere dann vermutet wird, wenn die Anforderungen des
Arbeitsblattes FW 308 der AGFW eingehalten werden oder

5
2. die Vorlage geeigneter Herstellerunterlagen für Anlagen bis zu einer Leistung
von bis zu maximal 2 Megawatt, aus denen die Mindestangaben thermische
und elektrische Leistung sowie die Stromkennzahl hervorgehen.
Sofern ein Gutachter oder Sachverständiger mit der KWK-Strom-Ermittlung beauf-
tragt wurde - im Rahmen der 1. Variante muss dies zudem von einer Umweltgut-
achterin oder einem Umweltgutachter bestätigt werden - sollte man eigentlich davon
ausgehen, dass auf diesem Weg ein korrektes Ergebnis resultiert.
In der Praxis hat die "Vereinfachte KWK-Stromberechnung" unter Zuhilfenahme der
Herstellerangaben bislang eigentlich nie zu einem korrekten Berechnungsergebnis ge-
führt. Mit dieser Vereinfachung hat der Gesetzgeber vermutlich unterstellt, dass die
von den Herstellern angegebene Kennzahlen ebenfalls nach einschlägigen Regeln
der Technik ermittelt werden/ wurden. Dies muss mittlerweile deutlich angezweifelt
werden. Selbst wenn dem so wäre, so können die in einem Herstellerdatenblatt be-
schriebenen Anlagenkennzahlen nie die individuellen Rahmenbedingungen für den
jeweiligen Anlagenstandort beschreiben. Diese Rahmenbedingungen beeinflussen die
Leistungsfähigkeit einer Anlage unter Umständen maßgeblich. Aus rechtlicher Sicht
handelt es sich bei den Herstellerangaben, insbesondere dann wenn diese als Kau-
fargument angeführt wurden, um "zugesicherte Eigenschaften", auf die der Anlagen-
betreiber generell einen Anspruch hat.
Bestenfalls stimmt die elektrische Leistungsfähigkeit und damit der elektrische Wir-
kungsgrad mit den Herstellerangaben annähernd überein. Anders die thermische
Leistungsfähigkeit, die nur in den seltensten Fällen im operativen Betrieb tatsächlich
erreicht wird. Es hat den Anschein, dass manche Datenblätter fern jeder Ernsthaftig-
keit erstellt wurden. So sind Einzelfälle bekannt, aus denen sich Anlagenwirkungsgra-
de von über 100% ableiten lassen- und somit schon auf den ersten Blick weder plau-
sibel noch glaubwürdig sind. Bis dato werden die Herstellerangaben grundsätzlich
als Berechnungsgrundlage akzeptiert und gerne (blind) genutzt. Selbst fachkundige
Hinweise und Ratschläge werden in diesem Zusammenhang häufig von den Berech-
nenden, in aller Regel Gutachter oder Sachverständige wie auch von Netzbetreibern
bzw. deren Sachbearbeitern geflissentlich ignoriert. Über die Gründe hierfür kann
lediglich spekuliert werden. Es muss nochmals an dieser Stelle ausdrücklich betont
werden: Keine der vom Autor mannigfaltig überprüften Vergütungsberechnungen
auf Grundlage der Herstellerangaben führte zu korrekten KWK-Strommengen. Auf-
grund dieser Sachlage resultierte die Notwendigkeit dieser Ausarbeitung.

6
Kapitel 2 Analyse
In aller Regel handelt es sich bei den installierten Biomasse- Blockheizkraftwerken
um solche die der Eingangsdefinition "Serienmäßig hergestellt" entsprechen. Diese
Anlagen wurden im Idealfall auf maximale elektrische Effizienz ausgelegt. Einen di-
rekten Einfluss auf die Anlagenkonfiguration hatte der Anlagenkäufer üblicher Weise
nicht. Von den Anlagenherstellern darf man jedoch erwarten, dass die Anlagen per-
manent dem jeweiligen "Stand der Technik" angepasst werden. Der Autor ist in
diesem Zusammenhang der Auffassung, dass ein Anlagenbetreiber zunächst für die
Minderleistung seiner Anlage gegenüber den Herstellerangaben nicht weiter zur Ver-
antwortung gezogen werden darf. Andererseits sollte es ein Selbstverständnis sein,
dass erkannte Mängel an den Anlagen von den Betreibern abgestellt werden. Dies
sollte für effizienzverbessernde Maßnahmen im Allgemeinen und vor allem und spe-
ziellem für umweltrelevante Maßnahmen gelten.

Kapitel
3
Begriffsbestimmungen
Die folgenden Begriffsbestimmungen sind elementar notwendig, um die Vergütungs-
berechnug bzw. die KWK-Strommengenberechnung korrekt durchführen zu kön-
nen. Dabei werden die Begriffe im Sinne bzw. zur Anwendung im Rahmen des
Erneuerbare-Energien-Gesetz dargestellt. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem
Kontext, dass gerade durch die unterschiedlichen Definitionen der Begrifflichkeiten
mannigfaltige Missverständnisse hervorgerufen wurden und werden. Dies nicht zu-
letzt vor dem Hintergrund dass es keinesfalls eine "allgemeingültige" Norm für diese
Begriffe gibt.
Generell bildet das FW 308 als "anerkanntes Regelwerk der Technik" das Rückgrat
der hier durchgeführten erweiterten Definitionsgrundlage. Auf Mehr- oder Zweideu-
tigkeiten wird im Einzelfall insbesondere hingewiesen.
3.1
Anlage
Gemäß dem §3 Satz 1 EEG ist eine Anlage: "...jede Einrichtung zur Erzeugung von
Strom...". Leider wird hierdurch kein Bezug auf die Anlagen- bzw. Bilanzgrenzen her-
gestellt. Eine weitere prekäre Situation ergibt sich immer dann, wenn die eigentliche
"serienmäßig hergestellte Anlage" im Sinne des Gesetzes als Komponente einer über-
geordneten "Anlage" installiert ist. Dies ist z.B. bei Biogasanlagen regelmäßig der
Fall. Die in diesem Zusammenhang angegebenen Leistungskennwerte beziehen sich
ausschließlich auf das implementierte BHKW, also die eigentliche stromerzeugende
Anlage, obgleich die eigentliche Bilanzgrenze "der Anlage" auf die gesamte Biogas-
anlage ausgedehnt werden müsste. Seit dem EEG 2009 kann dies der konsolidierten

8
Kapitel 3 Begriffsbestimmungen
Abb. 3.1: KWK-Schema
Begründung zum EEG unter dem Aspekt des "weiten Anlagenbegriffs" entnommen
werden. Mit diesem "Kunstgriff" hat der Gesetzgeber nun offensichtlich zwei unter-
schiedliche Definitionen für den Begriff der "Anlage" geschaffen - den "engen" und den
"weiten" Anlagenbegriff. Gerade in Bezug auf den Zeitpunkt der Erstinbetriebnahme
einer Anlage führt dies zu weiteren Unklarheiten. Die ursächliche Problemstellung
wurde somit partiell gelöst, dafür aber weitere Probleme geschaffen...
In jedem Fall ergibt sich aufgrund dieser Sachlage eine Verschiebung der Kenn- und
Leistungswerte des originären BHKW. Auch ist der anlageninterne Energiebedarf
volatil und kann nur dann über eine Verhältniszahl (Stromkennzahl) zum Ausdruck
gebracht werden, wenn diese auf die realen Betriebsparameter der Anlage in einer
Berichtszeit abgebildet wird - keinesfalls über das (statische) Datenblatt des BHKW.
Da sich die Vergütungsbemessung einer z.B. Biomasseanlage auch auf die Art und
Weise der Biomasseaufbereitung bezieht, müssen die Aufbereitungsstufen (Fermen-
ter, Reaktoren, Pressen,... ) im Anlagenkontext implementiert oder berücksichtigt
sein. Somit kann im Sinne des EEG die "Anlage" nicht auf die Stromerzeugungsein-
heit (Motor/ Generator) reduziert werden, sondern umfasst sämtliche Prozessstu-
fen zur Lagerung, Aufbereitung und Handling der eingesetzten Primärenergieträger.
Dies wurde zumindest ansatzweise durch den weiten Anlagenbegriff bestätigt. Al-

3.2 Vorrichtungen zur W¨
armeabfuhr
9
leine durch diesen Umstand differenziert sich die "Anlage" und dadurch auch der
"Bilanzkreis der Anlage" im Sinne des EEG wesentlich von den Ausführungen des
FW 308 in dem die Primärenergieaufbereitung sowie nachgeschaltete Prozesse (z.B.
Abgasreinigung, Gasaufbereitung) eindeutig nicht zum Anlagenprozess hinzugezo-
gen werden. Beiläufig sei angemerkt, dass zur Beurteilung des Inbetriebnahmezeit-
punktes einer Anlage ausschließlich der enge Anlagenbegriff anzuwenden ist. Dies
ist zumindest die derzeitige Auffassung und Auslegung des Gesetzestextes. Begrün-
det wird dies damit, dass es ansonsten grundsätzlich möglich wäre z.B. eine alte
BHKW-Bestands-Anlage an einer neuen Biogasanlage mit einer "neuen" Erstinbe-
triebnahme auszustatten. Als Indiz für diese Interpretation kann der Wegfall der
"50% Modernisierungsklausel" im EEG 2009, die Definition der "Inbetriebnahme"
gemäß §3 Satz 5 EEG,sowie die Bestimmungen zu "Vergütungsbeginn und -dauer"
§21 Absatz 3 EEG, gewertet werden. Hiernach ist es in summa ausgeschlossen, eine
bereits in Betrieb genommene Anlage in eine Neuanlage zu überführen, bzw. einen
Neubeginn der Vergütungsdauer zu erwirken.
3.2
Vorrichtungen zur W¨armeabfuhr
Klassischer Weise versteht man hierunter Anlagenkomponenten wie z.B. Tischküh-
ler, Rückkühler, Abgasbypässe etc., die eine gezielte Wärmeabfuhr zur Aufgabe ha-
ben. Gemäß dem FW 308 ist jedoch eine "...nicht vollständige Ausnutzung der Wär-
me..." bereits als Wärmeabfuhr zu verstehen, wobei in diesem Zusammenhang kon-
struktive wie auch technische Rahmenbedingungen individuell berücksichtigt werden
müssen, um auf diese Weise ein Maß für das technisch Mögliche definieren zu kön-
nen. Da sich die thermische Leistungsfähigkeit der Anlage insbesondere auch durch
das nutzbare Abgastemperaturgefälle bestimmt, gilt es dieses möglichst auszunut-
zen. Um der Gefahr von Kondensationsprodukten im Abgassystem vorzubeugen, gilt
eine Abgasresttemperatur von ca. 180- 200
Celsius als Usus. Eine Abgastemperatur
darüber hinaus kann demnach durchaus als Wärmeabfuhr gewertet werden.
3.3
Bilanzgrenze
Die Bilanzgrenze ist die physikalische oder imaginäre äußerste Begrenzung der "An-
lage". Sämtliche innerhalb der Bilanzgrenze befindlichen Aggregate, Infrastrukturlei-
tungen, Energieaufwendungen, usw. sind der "Anlage" zuzurechnen. Dem hingegen

10
Kapitel 3 Begriffsbestimmungen
ist alles ausserhalb befindliche als "Anlagenextern" zu werten. Die Bilanzgrenze ei-
ner Anlage (siehe Abbildung 3.1) umfasst somit all jene Anlagenkomponenten und
Anlagenprozesse, die der "Anlage" als solche zugehörig sind, bzw. direkt zugeordnet
werden können. Dies mit der Konsequenz, dass die notwendigen Energien vor al-
lem die benötigten Strom- und Wärmeenergien als Prozessenergie der betrachteten
Anlage gewertet werden müssen. Hier gibt es in den betrachteten Richtlinien und
Gesetzgebung wesentliche Unterschiede. Gemäß dem EEG sind sämtliche Prozesse
zur Brennstoffgewinnung bzw. Aufbereitung wie z.B. Fermenter, Tankheizung oder
Rührwerke zwingende Bestandteile der betrachteten Anlage (weiter Anlagenbegriff).
Gleiches gilt für eventuelle nachgelagerten Anlagenprozesse wie z.B. Abgasnachbe-
handlung, Gasaufbereitung, etc..
Anm.: Dem Autor ist keine Anlage bekannt, die derartig aufgebaut ist, dass dieser
Voraussetzung Sorge getragen wird. Es ist eher die Regel, dass zumindest die be-
nötigte elektrische Energie separat aus dem öffentlichen Netz bezogen wird, da der
Bezugsstrom in aller Regel wirtschaftlich günstiger ist als der in der Anlage selbst
erzeugte Strom.
Dies sieht das Regelwerk der AGFW völlig anders. Hier gelten alle vor- bzw. nach-
gelagerten Anlagenprozesse wie die oben beschriebenen, als ausdrücklich anlagenex-
terne Prozesse. Dies abgebildet auf ein Verbrennungsmotor-BHKW bedeutet, dass
lediglich die Einheit Motor und Generator, bestenfalls die Wärmeaustauscher so-
wie die Steuerung und notwendige Pumpen und Lüfter als anlageninterne Prozesse
gewertet werden. Eine genaue Bilanzgrenze wird vom Gesetzgeber im Rahmen des
EEG nicht vorgegeben, jedoch läßt sich diese an und für sich aus den Ausführungen
ableiten, was häufig genug kontrovers diskutiert wird.
Um dem EEG nun zu folgen ist eine leicht verwirrende Ermittlung von Kenn-
zahlen notwendig. Zunächst gilt es die Kennzahlen für die Anlage im Sinne des
"engen" Anlagenbegriffes, also des reinen Blockheizkraftwerkes zu ermitteln. Man
erhält als Zwischenergebnis die Nettowärme und den Nettostrom der Anlage wel-
che der Bruttowärme und dem Bruttostrom der Gesamtanlage (weiter Anlagen-
begriff) (siehe Abbildung 3.1) entsprechen. Hieraus lässt sich die leistungsbezoge-
ne (Netto-) Stromkennzahl (bezogen auf den engen Anlagenbegriff) ermitteln. So-
fern nun Prozessenergien (Strom und Wärme) im Sinne des weiten Anlagenbegriffes
genutzt werden, müssten diese in weiteren Kennzahlen (Nettowärme, Nettostrom,
Netto-Stromkennzahl) ausgedrückt werden. Dies jedoch wird seitens des Gesetzge-
bers nicht gefordert. Das EEG beschreibt somit eine vollständige Vermengelage der
bisher bekannten Bilanzgrenzen. Während auf der "Stromseite" konsequent auf die

3.4 Kraft-W¨
arme-Kopplung
11
tatsächlich in das öffentliche Netz eingespeiste elektrische Energiemenge abgestellt
wird und damit die Bilanzgrenze der Anlage bis zum Netzeinspeisepunkt ausgedehnt
wird, bezieht man sich auf der Wärmeseite auf die sehr unspezifische Nettowärme
der BHKW-Anlage bzw. Bruttowärme der Anlage (weiter Anlagenbegriff).
Zwar scheinen die Kennzahlen auf den ersten Blick verwirrend, dennoch wird zumin-
dest in diesem Werk davon abgesehen weitere Kennzahlen zu definieren. Sofern in
den nachfolgenden Kapiteln nichts anderes angegeben ist, beziehen sich die Begriff-
lichkeiten immer auf den engen Anlagenbegriff und damit auf die BHKW-Anlage.
3.4
Kraft-W¨arme-Kopplung
Im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) §3, wird ausgeführt: "Kraft-Wärme-
Kopplung ist die gleichzeitige Umwandlung von eingesetzter Energie in elektrische
Energie und in Nutzwärme...". Dabei handelt es sich klassischer Weise um Turbinen-
prozesse, in denen eine Dampfenergie zunächst in mechanische Rotationsenergie und
letztlich dann, mithilfe eines Generators in elektrische Energie umgewandelt wird.
Gleichermaßen sind seit jüngerer Zeit die Blockheizkraftwerke in den Focus gerückt,
da diese, üblicher Weise mit einem Verbrennungsmotor als Antriebsaggregat ausge-
rüstet, mithilfe eines Generators die beiden Erzeugnisse elektrische und thermische
Energie aus einem eingesetzten Primärenergieträger erzeugen. Hier lassen sich mitt-
lerweile Brennstoffnutzungsgrade von über 90 Prozent realisieren.
Zwingende Voraussetzung für die Erfüllung des "Kraft-Wärme-Kopplungs-Kriteriums"
ist die zeitgleiche Erzeugung der elektrischen wie auch thermischen Energie. Die Art
und Weise der Nutzung der Energieformen hat für diese Eigenschaft zunächst keine
Bedeutung. Sobald jedoch Anteile des "Koppelproduktes" Wärme abgeführt werden,
wird der analog erzeugte mechanische oder elektrische Energieanteil als "ungekop-
peltes" Energieprodukt bezeichnet. Im Rahmen der Betrachtung durch das EEG
gilt dies ebenfalls, wenn die Wärme einer anderen als den benannten förderfähigen
Nutzungen (siehe Anlage 3 zum EEG) zugeführt wird.
3.5
KWK-Strom
Allgemein ausgedrückt beschreibt die KWK-Strommenge die Strommenge, die zeit-
gleich zu einer erzeugten und gemäß den Vorgaben des Gesetzgebers genutzten Wär-

12
Kapitel 3 Begriffsbestimmungen
memenge erzeugt wurde. Die KWK-Strommenge kann zudem noch in eine KWK-
Bruttostrommenge, der von der Anlage insgesamt erzeugten KWK-Strommenge und
in eine KWK-Nettostrommenge, der zur anlagenexternen Nutzung bereit gestellten
KWK-Strommenge, unterschieden werden.
Im Speziellen verweist das EEG auf den §3 Absatz 4 KWKG wonach "KWK- Strom
das rechnerische Produkt aus Nutzwärme und Stromkennzahl der Anlage ist". Im
Rahmen des FW 308 ist die KWK-Nettostromerzeugung der EEG-Begrifflichkeit
"KWK-Strom" zunächst gleichbedeutend, wobei das EEG sich letztlich dann auf
die in das Netz eingespeiste KWK-Strommenge bezieht. Eventuelle Stromeigenver-
bräuche finden somit im Rahmen des EEG keine Berücksichtigung in der Vergü-
tungsberechnung. Zusätzlich wird durch das FW 308 beschrieben, dass die KWK-
Stromerzeugung im Zusammenhang mit der KWK-Nettowärmeerzeugung steht. Dies
entspricht den Ausführungen des KWKG. Über die Verhältnisse ausgedrückt ent-
spricht das Verhältnis von Nettowärme zu Bruttowärme dem Verhältnis von KWK-
Strom zu Bruttostrom (siehe auch Kapitel 6.3).
Anm.: Im Gesetzestext des EEG wird mitunter der Terminus "Strom" fachlich falsch
dargestellt. Insbesondere im Kontext mit der Vergütungsbemessung wird häufig von
"eingespeistem Strom" oder "eingespeister Strommenge" gesprochen. Der elektrische
Strom bezeichnet jedoch die Stromstärke welche in Ampère (A) angegeben wird. Ge-
meint ist statt dessen die "elektrische Arbeit" bzw. die "elektrische Energie" die in
Kilowattstunden (kWh) angegeben wird.
3.6
Leistung einer Anlage
Hier definiert das EEG "...die elektrische Wirkleistung, die die Anlage bei bestim-
mungsgemäßem Betrieb ohne zeitliche Einschränkungen [...] erbringen kann...". Da-
mit kann also zunächst nur die Dauerleistung der Anlage gemeint sein, die auch
z.B. im Rahmen von Genehmigungsverfahren als charakterisierende Anlagenkenn-
zahl angegeben wird.
Bei näherer Betrachtung könnte im Zusammenhang mit dem Anlagenbegriff sowie
des §18 Absatz 2 EEG "Leistung im Sinne..." die Dauer-Einspeiseleistung (Verstetig-
te Anlagenleistung) der Anlage gemeint sein. Der Grund für diese Schlussfolgerung
findet sich in dem Umstand, dass das EEG die Vergütung ausschließlich auf die
eingespeiste Strommenge, und hier zudem auf die verstetigte Strommenge abstellt.
Erzeugte, aber selbst genutzte Strommengen bleiben zunächst außen vor, beeinflus-

3.7 Bruttostromerzeugung
13
sen selbstverständlich aber die Berechnungsergebnisse des KWK-Stromanteils der
Strommenge die in das öffentliche Netz eingespeist wurde (siehe auch Kapitel 6.4).
Diese zunächst eindeutige Begrifflichkeit kann, geprägt vom jeweiligen Zusammen-
hang oder aber Aufgrund einer unspezifischen Definition, mehrdeutigen Charakter
besitzen.
3.7
Bruttostromerzeugung
Im EEG nicht weiter ausgeführt, versteht das KWKG wie auch das FW 308 hierunter
"...die elektrische Arbeit gemessen an den Generatorklemmen...". Die Bruttostromer-
zeugung oder technisch und fachlich korrekt die erzeugte elektrische Bruttoarbeit
wird u.a. als Kennzahl zur Ermittlung des elektrischen Bruttowirkungsgrades der
BHKW-Anlage genutzt.
3.8
Nettostromerzeugung
Allgemeingültig handelt es sich hierbei um das Resultat aus Bruttostrom (korrekt:
elektrischer Bruttoarbeit) abzüglich aller elektrischen Verluste und Eigenbedarfe.
Aus Sicht der verschiedenen Gesetze bzw. Richtlinien spezifiziert sich dies folgender
Maßen:
EEG: entspricht der in das öffentliche Netz eingespeisten Strommenge.
KWKG: Generatorklemmenleistung abzüglich des Stromeigenbedarfes.
FW 308: elektrische Energiemenge die einer anlagenexternen Nutzung bereitge-
stellt wird.
Zusammenfassend kann die Aussage auf "anlagenextern bereit gestellte elektrische
Energiemenge" reduziert werden. Das EEG beschneidet dies nochmals, da als Grund-
lage hier die eingespeiste Strommenge beziffert wird. Daraus resultiert, dass das öf-
fentliche Netz einer anlagenexternen elektrischen Energienutzung gleichbedeutend
ist.

14
Kapitel 3 Begriffsbestimmungen
3.9
W¨armepotenzial
Das mögliche Wärmepotential einer Anlage beschreibt die maximal mögliche theo-
retische Wärmeleistung, die eine Anlage unter Berücksichtigung der individuellen
Rahmenbedingungen an einem Anlagenstandort erzeugen und bereitstellen kann.
Als Beispiel für einen limitierenden Faktor kann hier die Abgaswärme eines Antrieb-
saggregates aufgezeigt werden. Das maximal nutzbare Wärmepotential bestimmt
sich maßgeblich durch die Abgasresttemperatur. Diese wiederum wird unter ande-
rem durch die baulichen und konstruktiven Rahmenbedingungen beeinflusst.
3.10
Bruttow¨armeerzeugung/ Bruttow¨armeleistung
Bruttowärme ist die von der Anlage ausgekoppelte und zur Nutzung (anlagenintern
wie -extern) bereitgestellte Wärmemenge. Bei einer optimal ausgelegten Anlage ent-
spricht diese dem theoretisch möglichen Wärmepotenzial abzüglich der Verluste wie
z.B. Wärmeaustauscherverluste und Anpassungsdefizite. Die Bruttowärmeleistung
wird üblicher Weise von den BHKW-Herstellern in den Datenblättern angegeben.
3.11
Nettow¨armeerzeugung/ Nettow¨armeleistung
Hier herrscht weitgehend gleiche Auffassung zwischen dem FW 308 und dem KWKG,
wobei die Begrifflichkeiten "Nettowärme" und "Nutzwärme" den gleichen Tenor füh-
ren: "...aus einem KWK-Prozess ausgekoppelte Wärme, die außerhalb der KWK-
Anlage genutzt wird". Dem Kontext des EEG folgend wird obige Definition bestätigt
aber zudem gefordert, dass die Nutzung dieser Wärme entsprechend den Vorausset-
zungen des EEG erfolgt. Dies zumindest dann, wenn der KWK-Bonus in Anspruch
genommen wird.
3.12
Leistung und Arbeit
Da wie bereits aufgeführt selbst der Gesetzgeber an vielen Stellen die physikalischen
oder elektrotechnischen Grundlagen missverständlich darstellt sollen nun einige klar
beschrieben werden.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2011
ISBN (PDF)
9783863416591
ISBN (Paperback)
9783863411596
Dateigröße
4.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Trier - Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
1
Schlagworte
KWK- Strom EEG Begriffsbestimmung EEG Erneuerbare Energie Erneuerbare-Energien-Gesetz Anlagentechnik
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Nach einem Maschinenbau-Studium (FH-Diplom) am Umweltcampus Birkenfeld mit einer Affinität zu den erneuerbaren Energieanlagen entstanden zunächst einige Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke aus der Feder des Autors. Mit diesem praktischen Know-How wurde im Anschluss das Projektbüro für Neue Energie (www.pbne.de) begründet, wo der Autor seitdem als Gutachter und Sachverständiger für den Bereich der erneuerbaren Energien tätig ist. Im Jahr 2009 erfolgte dann die Zulassung als Umweltgutachter insbesondere für den Bereich der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien.
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Titel: KWK-Stromberechnung: Im Kontext des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
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