Elementformulierungen für Scheibenprobleme: Definitionen, Defizite und Vergleiche anhand konkreter numerischer Beispiele
©2010
Bachelorarbeit
60 Seiten
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Theorie und der Numerik von ausgewählten Elementformulierungen für Scheibenprobleme. Behandelt werden dabei sowohl die klassische Verschiebungsmethode als auch gemischte Formulierungen. In solchen Methoden werden neben den Verschiebungen auch noch andere Größen (z.B. Spannungen und Dehnungen) gesucht.
Das Hauptaugenmerk der Studie liegt auf den zwei Spezialfällen B-bar und der Enhanced Strain Methode; beide werden ausführlich diskutiert.
Die Annäherung an Inkompressibilität verursacht bei Scheibenelementen, die mit der Verschiebungsmethode gerechnet werden, einen materiellen Versteifungseffekt (Locking) und damit auch trotz Verfeinerung des Netzes eine Verschlechterung der Konvergenz gegen eine exakte Lösung. Die aufgeführten gemischten Methoden haben dieses Defizit nicht, sondern weisen sogar durchweg ein verbessertes Konvergenzverhalten auf. Neben dem materiellen Locking wird zudem das geometrische Locking von Scheibenelementen untersucht. Somit liefert diese Studie eine ganzheitliche Betrachtung zu Locking-Phänomenen bei solchen Elementen.
Das Hauptaugenmerk der Studie liegt auf den zwei Spezialfällen B-bar und der Enhanced Strain Methode; beide werden ausführlich diskutiert.
Die Annäherung an Inkompressibilität verursacht bei Scheibenelementen, die mit der Verschiebungsmethode gerechnet werden, einen materiellen Versteifungseffekt (Locking) und damit auch trotz Verfeinerung des Netzes eine Verschlechterung der Konvergenz gegen eine exakte Lösung. Die aufgeführten gemischten Methoden haben dieses Defizit nicht, sondern weisen sogar durchweg ein verbessertes Konvergenzverhalten auf. Neben dem materiellen Locking wird zudem das geometrische Locking von Scheibenelementen untersucht. Somit liefert diese Studie eine ganzheitliche Betrachtung zu Locking-Phänomenen bei solchen Elementen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1
1
Einleitung
"
Phantasie ist wichtiger als Wissen,
denn Wissen ist begrenzt."
Albert Einstein
Elementformulierungen egal welcher Art basieren zun¨
achst auf einem dreidimensiona-
len Problem. Durch Annahmen und Umformungen wird dieses Problem auf eine Form
heruntergebrochen, mit der man, mit m¨
oglichst wenig Rechenleistung bzw. -aufwand, Be-
rechnungen durchf¨
uhren kann, die eine zufriedenstellende L¨
osung bieten. In diesem Sinne
werden zu Beginn dieser Arbeit Grundgleichungen aufgestellt und auf die, f¨
ur Schei-
benprobleme, n¨
otige Dimension reduziert. Mit diesen Grundgleichungen kann dann die
Definition der Verschiebungsmethode erfolgen und es k¨
onnen auch die Schw¨
achen dieser
Definition herauskristallisiert werden.
Das Ziel dieser Thesis ist es nach der Einf¨
uhrung in die Elementformulierungen f¨
ur Schei-
benprobleme anhand der Verschiebungsmethode aufbauend darauf andere Elementformu-
lierungen vorzustellen und zu diskutieren, die die Schw¨
achen der Verschiebungsmethode
nicht aufweisen bzw. effizienter sind. Die Theorie dieser Formulierungen soll besprochen
und danach an konkreten numerischen Beispielen veranschaulicht werden.
Zu den ausgew¨
ahlten Elementformulierungen geh¨
oren neben der Verschiebungsmethode
(Kapitel 3) noch die ¯
B-Methode (Kapitel 5) und im Kapitel 6 die Enhanced Strain Me-
thode. Es wird stets die Elementebene betrachtet, da hier die wichtigsten Informationen
herauszulesen sind. Anschließend soll das Kapitel 7 noch einige Hinweise zur Assemblie-
rung der Elementinformationen zum Gesamtsystem geben.
3
2
Grundgleichungen
Die Formulierung eines Problems setzt Annahmen und Gleichungen voraus. Unter der
Voraussetzung, dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur auf lineare Problemstellun-
gen eingegangen wird, findet in diesem Abschnitt die Zusammenstellung der ben¨
otigten
Gleichungen f¨
ur Scheibenformulierungen statt.
2.1
Kr¨
aftegleichgewichtsbedingung
Das Kr¨
aftegleichgewicht an einem deformierten statischen System wird im Kontinuierli-
chen mit dem sogenannten Cauchy
1
-Spannungstensor ^
sowie der Volumenkraftdichte b,
etwa Gravitation, definiert
div ^
+ b = 0.
(2.1)
xx
zz
yy
xy
zy
yz
xz
zx
yx
b
x
b
y
b
z
X
Y
Z
Abbildung 2.1: Gebiet (tensorielle Notation der Indizes)
Das betrachtete Gebiet ist im Allgemeinen der
R
3
. In den Zeilen sieht man die Belast-
ungs- und Reaktionsm¨
oglichkeiten eines K¨
orpers und aus den Spalten der Spannungsma-
trix kann man die Dimension des K¨
orpers ablesen (3 Spalten
allgemeiner dreidimensio-
naler K¨
orper, 2 Spalten
scheibenf¨ormiger K¨orper und 1 Spalte stabf¨ormiger K¨orper).
Das Kr¨
aftegleichgewicht f¨
ur den dreidimensionalen Fall kann man in Matrizenschreibweise
1
Cauchy
, Augustin Louis (1789 - 1857): franz¨
osischer Mathematiker
4
2
Grundgleichungen
wie folgt hinschreiben
xx,x
+
xy,y
+
xz,z
yx,x
+
yy,y
+
yz,z
zx,x
+
zy,y
+
zz,z
+
b
x
b
y
b
z
=
0
0
0
.
(2.2)
Im Rahmen dieser Arbeit wollen wir Scheibenprobleme behandeln und m¨
ussen deshalb ei-
ne Dimensionsreduktion durchf¨
uhren. Wie oben erw¨
ahnt, hat ein scheibenf¨
ormiger K¨
orper
nur zwei Spalten in der Spannungsmatrix. Er hat in einer Richtung, wir w¨
ahlen daf¨
ur die
z-Richtung, eine sehr viel geringere Abmessung als in den anderen Richtungen. Die Ab-
messung in z-Richtung strebt gegen Null und die in diese Richtung wirkenden Spannungen
k¨
onnen n¨
aherungsweise als konstant angenommen werden, daraus folgt, dass die Ableitun-
gen der Spannungen nach z verschwinden. F¨
ur die Scheibe wird zus¨
atzlich gefordert, dass
es keine Belastungen in z-Richtung geben soll und damit auch keine Plattenwirkung akti-
viert wird. Somit kann man auch die Schubspannungen, die von der z-Richtung abh¨
angen
(3. Zeile), streichen
xx,x
+
xy,y
yx,x
+
yy,y
+
b
x
b
y
=
0
0
.
(2.3)
Es bleiben also nur noch die Normalspannungen in x- und y-Richtung sowie die Schub-
spannungen aus der Kombination der beiden Richtungen, der Spannungstensor ist somit
zu einer 2
× 2 Matrix geworden. Da der Cauchy-Spannungstensor symmetrisch ist, kann
man ihn nach Voigtscher
1
Notation in einen Vektor umschreiben, indem man die symme-
trischen Anteile zusammenfasst. Dazu muss man gleichzeitig die sogenannte Differential-
operatormatrix
D einf¨uhren. Nicht zu vergessen ist, dass eine L¨osung der Gleichung nur
gefunden werden kann, wenn eine der Variablen bekannt ist, hier ist es die Volumenlast
b = ¯b, womit folgt
D
T
+ ¯b = 0.
(2.4)
Im Zweidimensionalen gilt dann
x
0
y
0
y
x
xx
yy
xy
+
¯
b
x
¯
b
y
=
0
0
.
(2.5)
2.2
Kinematik
¨
Aquivalent zur Reduktion der Kr¨
aftegleichgewichtsbedingung vom
R
3
zum
R
2
kann auch
die Kinematik (Verzerrungs-Verschiebungs-Beziehung) reduziert werden. Der sogenannte
1
Voigt
, Woldemar (1850 - 1919): deutscher Physiker
2.3
Werkstoffgesetz
5
Green
1
-Lagrangesche
2
Verzerrungstensor ist wie folgt definiert
^
E =
1
2
(grad
u
T
+ grad
u + grad u
T
grad
u).
(2.6)
Bei nur kleinen Verschiebungen kann der quadratische (nicht-lineare) Anteil vernachl¨
assigt
werden. Im Rahmen dieser Thesis ist es ausreichend sich auf den dadurch resultierenden
linearisierten Verzerrungstensor zu beschr¨
anken, da nur lineare Problemstellungen behan-
delt werden sollen. Es gilt
^
=
1
2
(grad
u
T
+ grad
u) =
xx
xy
xz
yx
yy
yz
zx
zy
zz
.
(2.7)
Nach Voigtscher Notation l¨
asst sich der linearisierte Verzerrungstensor analog zum Span-
nungstensor als Vektor darstellen. Reduziert auf den 2D-Fall f¨
ur die Scheibe folgt demnach
mit Hilfe der Differentialoperatormatrix
xx
yy
2
xy
=
xx
yy
xy
=
x
0
0
y
y
x
u
x
u
y
.
(2.8)
Man definiert dabei
= 2 f¨ur die Schubverzerrungen. In Kurzform l¨asst sich die Bezie-
hung folgendermaßen darstellen
= Du.
(2.9)
2.3
Werkstoffgesetz
¨
Uber das Materialgesetz (auch konstitutive Gleichung) koppelt man die Spannungen mit
den Verzerrungen. Dieses Verh¨
altnis wird durch das Hookesche
3
Gesetz beschrieben
^
= C : ^.
(2.10)
Dabei ist der Elastizit¨
atstensor
C ein Tensor 4. Stufe. Nutzt man die Kenntnis ¨uber die
Symmetrie des Spannungs- und Verzerrungstensors und vereinfacht außerdem diese Ten-
sorgleichung f¨
ur linear elastisches und isotropes Material mit konstanten Eigenschaften,
so kann man f¨
ur den 3D-Fall das Stoffgesetz in der folgender Form darstellen
1
Green
, George (1793 - 1841): englischer Mathematiker und Physiker
2
de Lagrange
, Joseph-Louis (1736 - 1813): italienischer Mathematiker und Astronom
3
Hooke
, Robert (1635 - 1703): englischer Physiker, Mathematiker und Erfinder
6
2
Grundgleichungen
xx
yy
zz
xy
yz
xz
=
E
(1 +
)(1 - 2)
1
-
0
0
0
1
-
0
0
0
1
-
0
0
0
0
0
0
1
-2
2
0
0
0
0
0
0
1
-2
2
0
0
0
0
0
0
1
-2
2
xx
yy
zz
xy
yz
xz
. (2.11)
Das Stoffgesetz wird normalerweise mit dem Elastizit¨
atsmodul
E (auch Youngs
1
Modulus)
und der Querkontraktion
(auch Poissonzahl
2
) ausgedr¨
uckt. In der Festk¨
orpermechanik
gibt es außerdem noch den Schubmodul
G und den Kompressionsmodul K, die durch
den folgenden Zusammenhang mit dem E-Modul und der Querkontraktion in Verbindung
stehen
E = 2G(1 + ) = 3K(1 - 2) =
9
KG
3
K + G
,
=
E
2
G
- 1 =
3
K - E
6
K
=
3
K - 2G
6
K + 2G
,
G =
E
2(1 +
)
=
3
KE
9
K - E
= 3
K
1
- 2
2 + 2
,
K =
E
3(1
- 2)
=
GE
9
G - 3E
=
2
G(1 + )
3(1
- 2)
.
(2.12)
Mit der Kenntnis ¨
uber die Zusammenh¨
ange zwischen den Moduln besteht die M¨
oglichkeit
volumetrische (dilatorische) und deviatorische Anteile in der Materialmatrix zu trennen.
Der volumetrische Anteil resultiert aus Volumendehnung bzw. -stauchung und ist somit in
alle Richtungen gleich. Der deviatorische Anteil resultiert aus Verzerrung des Volumens.
Es gilt
C = C
vol
+
C
dev
(2.13)
mit
C
vol
=
Kmm
T
,
C
dev
= 2
G(I
0
-
1
2
mm
T
)
.
(2.14)
Je nachdem ob man den 3D- oder 2D-Fall betrachtet, haben die Hilfsmatrix
I
0
und der
Hilfsvektor
m folgende Gestalt
1
Young
, Thomas (1773 - 1829): englischer Augenarzt und Physiker
2
Poisson
, Sim´
eon-Denis (1781 - 1804): franz¨
osischer Physiker und Mathematiker
2.3
Werkstoffgesetz
7
I
0
=
1 0 0 0
0
0
0 1 0 0
0
0
0 0 1 0
0
0
0 0 0
1
2
0
0
0 0 0 0
1
2
0
0 0 0 0
0
1
2
und
m =
1
1
1
0
0
0
(2.15)
f¨
ur den
R
3
und daraus abgeleitet folgt der f¨
ur Scheibenprobleme interessante 2D-Fall
I
0
=
1 0 0
0 1 0
0 0
1
2
und m =
1
1
0
.
(2.16)
Will man im 2D-Fall die Werkstoffmatrix f¨
ur den volumetrischen Anteil mit Hilfe des
Kompressionsmoduls berechnen, so muss man beachten, dass durch die Reduktion vom
R
3
zum
R
2
ein Vorfaktor hinzukommt, es folgt die volumetrische Werkstoffmatrix f¨
ur den
2D-Fall
C
vol
=
3
2(1 +
)
Kmm
T
.
(2.17)
Alternativ kann der volumetrische Anteil auch berechnet werden mit
C
vol
=
C - C
dev
.
(2.18)
Die Aufteilung in volumetrisch und deviatorisch wird wichtig, wenn man die beiden An-
teile unterschiedlich behandeln m¨
ochte. Am besten lassen sich die unterschiedlichen Wir-
kungen zwischen deviatorisch und volumetrisch an einem kleinen Beispiel mit der Werk-
stoffmatrix f¨
ur den 2D-Fall veranschaulichen
vol + dev
vol
- dev
0
vol
- dev vol + dev
0
0
0
dev
=
vol
vol
0
vol
vol
0
0
0
0
+
dev
-dev
0
-dev
dev
0
0
0
dev
. (2.19)
Die Reduktion vom
R
3
zum
R
2
f¨
uhrt zu zwei unterschiedlichen Anwendungen, dem ebe-
nen Verzerrungszustand (EVZ) und dem ebenen Spannungszustand (ESZ). Im EVZ trifft
man die Annahme
zz
= 0 und erm¨
oglicht damit die Berechnung der Spannungen in z-
Richtung in Abh¨
angigkeit von den Spannungen in x- und y-Richtung
zz
=
(
xx
+
yy
)
(2.20)
Mit dieser Gleichung ist es dann m¨
oglich eine Materialmatrix
C
EVZ
aufzustellen, es folgt
xx
yy
xy
=
E
(1 +
)(1 - 2)
1
-
0
1
-
0
0
0
1
-2
2
xx
yy
xy
(2.21)
8
2
Grundgleichungen
d.h. man berechnet
EVZ
=
C
EVZ
EVZ
.
(2.22)
Wird die Annahme getroffen
zz
= 0, bekommt man eine Gleichung f¨
ur die Verzerrungen
in z-Richtung
zz
=
-
1
-
(
xx
+
yy
)
(2.23)
und damit die entsprechende Gleichung f¨
ur den ebenen Spannungszustand
xx
yy
xy
=
E
(1
-
2
)
1
0
1
0
0 0
1
-
2
xx
yy
xy
(2.24)
gleichbedeutend mit
ESZ
=
C
ESZ
ESZ
.
(2.25)
Die Anwendungen EVZ und ESZ sind auf unterschiedlichen Intervallen definiert. Je nach
Wahl der Poissonzahl wird beim dilatorischen (volumetrischen) Teil eine Teilung durch
Null verursacht. Somit ist der ebene Verzerrungszustand auf dem Intervall
I (-1.0, 0.5)
und der ebene Spannungszustand auf
I (-1.0, 1.0) definiert. Aus physikalischen Gr¨unden
ist eine Betrachtung des Bereichs ¨
uber
= 0.5 nicht n¨otig, da dort bereits Inkompres-
sibilit¨
at erreicht ist. Ein Werkstoff, der diesen Grenzwert erreicht, ist Gummi. Andere
kompressible Medien, wie z.B. Beton (
0.2), Glas und Stahl ( 0.3), haben eine posi-
tive Querkontraktion. Sogenannte auxetische Materialien, etwa bestimmte Carbonfasern,
weisen auch negative Poissonzahlen auf. Setzt man die Querkontraktion auf Null (Kork
(
0)), so bekommt man f¨ur beide Anwendungen, also f¨ur den ebenen Verzerrungszu-
stand und den ebenen Spannungszustand, identische Materialmatrizen
C
EVZ
=
C
ESZ
.
2.4
Randwertproblem
Um ein Problem vern¨
unftig zu formulieren, ben¨
otigt man Randbedingungen und je nach-
dem auch ¨
Ubergangsbedingungen, also den Rahmen in dem das Problem gel¨
ost werden
soll. Wir formulieren ein Randwertproblem mit Kr¨
afte- und Verschiebungsrandbedingun-
gen.
Aus der Kr¨
aftegleichgewichtsbedingung (genauer aus div ^
) kann man mit Hilfe des all-
gemeinen Gaußschen
1
Integralsatzes folgende Beziehung ableiten
div ^ d = -
^
· grad d +
N
^ · n d
N
,
(2.26)
1
Gauß
, Johann Carl Friedrich (1777 - 1855): deutscher Mathematiker, Astronom, Geod¨
at und Physiker
2.4
Randwertproblem
9
dabei ist das Gebiet der
R
3
. Die Gewichtsfunktion
kann man z.B. als Dichtefunktion
interpretieren. W¨
ahlt man diese als konstant (z.B.
= 1), folgt eine Gleichung, die den
Rand des Gebiets =
beschreibt.
b
y
X
Y
Z
t
N
D
_
_
b
x
_
b
z
_
n
Abbildung 2.2: Gebiet mit Randbedingungen
Man erh¨
alt f¨
ur den ersten Teil der rechten Seite
-
^
· grad d = 0
denn
grad
= 0
(2.27)
und es folgt die Kr¨
afterandbedingung
div ^
d =
N
^
· n d
N
=
N
t d
N
,
(2.28)
dabei ist ^
· n = t die Randlast auf dem Neumann
1
-Rand
N
, denn
n ist der nach au-
ßen gerichtete Normalenvektor, wie in Abbildung 2.2 dargestellt. Wir verlangen, dass die
Kr¨
afte auf dem Neumann-Rand bekannt sind
t = ¯t
auf
N
.
(2.29)
Zu beachten ist, dass der freie Rand, also ohne Randlasten, auch zum Neumann-Rand
geh¨
ort, da gilt ¯
t = 0. Die zweite Randbedingung wird f¨ur den Dirichlet
2
-Rand
D
ben¨
otigt,
da gilt
u = ¯
u
auf
D
.
(2.30)
1
Neumann
, Carl Gottfried (1832 - 1925): deutscher Mathematiker
2
Dirichlet
, Johann Peter Gustav Lejeune (1805 - 1859): deutscher Mathematiker
10
2
Grundgleichungen
Es wird also verlangt, dass die Verschiebungsrandbedingungen analog zu den Kr¨
afterand-
bedingungen bekannt sein m¨
ussen.
Unter Anwendung sogenannter Lam´
e
1
Konstanten
=
E
(1+)(1
-2)
und
=
E
2(1+)
=
G
definiert man die Lam´
e-Naviersche
2
Verschiebungsdifferentialgleichung f¨
ur den statischen
Fall
- Lu = - [ u + ( + ) grad (div u)] = ¯b.
(2.31)
Mit den Randbedingungen und der Verschiebungsdifferentialgleichung kann abschließend
das Randwertproblem formuliert werden. Finde eine zwiefach differenzierbare Funktion
u C
2
, so dass die Differentialgleichung
- Lu = ¯b
in
(2.32)
und die Randbedingungen
t = ¯t
auf
N
und
u = ¯
u
auf
D
(2.33)
erf¨
ullt sind.
1
Lam´
e
, Gabriel (1795 - 1870): franz¨
osischer Mathematiker und Physiker
2
Navier
, Claude Louis Marie Henri (1785 - 1836): franz¨
osischer Mathematiker und Physiker
11
3
Verschiebungsmethode
Die einfachste Methode Verschiebungen und Deformationen eines K¨
orpers zu berech-
nen stellt die Verschiebungsmethode dar. Dies ist zugleich der Prototyp aller entwickelten
Methoden. Hier werden die Verschiebungen als Unbekannte gesucht, um mit den ermit-
telten Verschiebungen dann auf die Dehnungen und damit auch auf die Spannungen im
Inneren des K¨
orpers schließen zu k¨
onnen.
Die im Folgenden beschriebenen Unterkapitel zur schwachen Form, Diskretisierung und
Implementierung sind stets auf Elementebene definiert. Hinweise zur Assemblierung der
Elementinformationen zum Gesamtgleichungssystem sind im Kapitel 7 enthalten.
3.1
Schwache Form der Verschiebungsmethode
Mit Hilfe der schwachen Form (¨
aquivalent zu Variationsprinzipen) ist es erst m¨
oglich Fini-
te Elemente zu berechnen. In dieser Gleichgewichtsformulierung wird ersichtlich, wie das
gesamte Gleichungssystem f¨
ur ein Problem aussieht und wie es demnach gel¨
ost werden
kann. Man erh¨
alt die schwache Form durch Multiplikation einer Testfunktion mit den
zuvor formulierten Gleichungen. Bei der Verschiebungsmethode ist nur eine Gleichung 2.1
schwach zu erf¨
ullen
div ^
· u d +
b · u d = 0,
(3.1)
nach Anwendung des Gaußschen Integralsatzes und der Voraussetzung, dass die Volumen-
lasten
b = ¯b bekannt sein sollen, bekommen wir
-
^
: grad u d +
N
^
n · u d
N
+
¯
b · u d = 0.
(3.2)
Dabei ist grad
u = die Testfunktion f¨ur die Verzerrungen und ^n = ¯t der bekannte
Randlastvektor. Ber¨
ucksichtigt man außerdem, dass das Skalarprodukt zweier Vektoren
definiert ist als
a · b = b
T
a, dann kann man das schwache Gleichgewicht folgendermaßen
darstellen
-
T
d +
N
u
T
¯
t d
N
+
u
T
¯
b d = 0.
(3.3)
Wie man sieht, ist lediglich das Kr¨
aftegleichgewicht, bestehend aus den inneren Spannun-
gen
und den ¨außeren Spannungen, verursacht durch Volumenlasten ¯b und Randlasten ¯t,
schwach erf¨
ullt. Die Verschiebungs-RB f¨
ur den Dirichlet-Rand wird weiterhin stark erf¨
ullt.
12
3
Verschiebungsmethode
L¨
ost man die Gleichung weiter auf, indem man die Unbekannten auf die eine Seite der
Gleichung schreibt und die Bekannten auf die andere, so erh¨
alt man mit den Grundglei-
chungen aus der Kinematik
= Du und dem Stoffgesetz = CDu sowie der Rechenregel
(
a b)
T
=
b
T
a
T
folgendes Ergebnis
u
T
D
T
CDu d =
u
T
¯
b d +
N
u
T
¯
t d
N
.
(3.4)
Die Gleichung ist nun so umgeformt, dass die gesuchte Gr¨
oße die Verschiebung
u ist. Die-
ser Umstand ist namensgebend f¨
ur die mit dieser schwachen Gleichgewichtsformulierung
entwickelte Verschiebungsmethode.
3.2
Diskretisierung der Verschiebungsmethode
Bei der Diskretisierung mit Finiten Elementen wird ein Ansatz zur Approximierung der
Feldgr¨
oßen und der Geometrie gew¨
ahlt. Sind beide Ans¨
atze gleich, so spricht man vom
isoparametrischen Konzept. W¨
ahlt man lineare Ans¨
atze, so l¨
asst sich damit unter ande-
rem ein 4-knotiges Scheibenelement mit den dazugeh¨
origen Gaußpunkten (GP), also den
f¨
ur die sp¨
atere Implementation (Abschnitt 3.3) ben¨
otigten Integrationsstellen, definieren
4. Knoten
(x
|y )
3. Knoten
(x
|y )
2. Knoten
(x
|y )
1. Knoten
(x
|y )
X
Y
r
s
3. GP
4. GP
1. GP
2. GP
v
u
- kartesisches Koordinatensystem
- natürliches Koordinatensystem
- Freiheitsgrade des
i-ten Knotens
X,Y
r,s
u ,v
i
i
i
i
1 1
2 2
4 4
3 3
r = -0.577...
r = 0.577...
s = -0.577...
s = 0.577...
Abbildung 3.1: Dikretisierung eines verzerrten Fl¨
achenenelements im nat¨
urlichen KOS
Die in Abbildung 3.1 dargestellte Knotenanordnung w¨
ahlen wir so, damit eine m¨
oglichst
einfache, konsequente und auf andere Elemente erweiterbare Implementation erfolgen
kann.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783863416812
- ISBN (Paperback)
- 9783863411817
- Dateigröße
- 2.8 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Technische Universität Dortmund
- Erscheinungsdatum
- 2013 (Juli)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Verschiebungsmethode B-bar Methode Enhanced Strain Methode Locking Finite-Elemente-Methode Informationsverarbeitung