Hochschulreformen in China seit 1977: Höhere Chancengleichheit im Zulassungsverfahren?
Zusammenfassung
In Berichten der „Frontiers of Education - China“ wird seit dem neuen Jahrtausend vermehrt über die Chancengleichheit und bestehende Hilfssysteme für Studenten aus ärmlichen Verhältnissen debattiert. Die in diesem Rahmen besprochenen Standpunkte und die geschichtliche Entwicklung sind Inhalt der vorliegenden Arbeit. Um einen konkreten Überblick über die chinesische Hochschullandschaft zu vermitteln, wird im ersten Teil auf die geschichtliche Entwicklung eingegangen und anschließend ein tieferer Einblick in die vorhandenen Hilfefonds gegeben. Aufgrund der seit 1977 umgesetzten Transformationen im Hinblick auf Chancengleichheit unter den Hochschulbewerbern haben sich die verschiedenen Einflussfaktoren auf Voraussetzungen für ein Hochschulstudium verschoben. Zudem wird anhand empirischer Daten die Chancengleichheit bzw. die Chancenungleichheit diskutiert. Diesbezüglich wird stets auf den Kernpunkt der Hochschulzulassung, den gaokao (??), sowie auf die Rahmenbedingungen einer Hochschulbewerbung verwiesen, die beide eine bedeutende Position einnehmen. Diese verdeutlichen, dass es eine große Spanne zwischen der ländlichen und der städtischen Bevölkerung Chinas gibt, die sich auf die räumliche Verteilung der Aufnahmezahlen an den Universitäten übertragen lässt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildungen
Tabellen
1. Einleitung
2. Hochschulzugang in China seit 1977
2.1 Die Entwicklung von 1977 – 1985
2.2 Die Erweiterung der Hochschullandschaft im Zeitraum von 1985 – 1996
2.3 Vom 9. Fünfjahresplan bis 2010
3. Die Hochschulzulassungsprüfung
3.1 Bewertungsverfahren
3.2 Die Entwicklung anhand von Zahlen
3.3 Chancengleichheit
3.4 Vorbereitung für die jährliche Prüfung
4. Hindernisse zur Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung
4.1 Finanzielle Hindernisse
4.2 Ungleichheit aufgrund des Wohnortes
4.3 Bedeutung der sozialen Schicht der Familie
5. Fazit
6. Glossar
6.1 Personen
6.2 Städte
6.3 Institutionen
6.4 Begriffe
6.5 Sprichwörter
7. Anhang
8. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildungen
Abbildung 1: Karikatur zu den Hochschulzulassungsbedingungen
Abbildung 2: Der Verlauf des chinesischen Bruttoinlandsprodukts und die prozentuale Wachstumsrate von 1993-2009
Abbildung 3: Zeitleiste der Vorbereitung auf die Hochschulzulassungsprüfung innerhalb des 12. Schuljahres
Abbildung 4: Karikatur zum Hochschulzugang 2010
Abbildung 5: Zulassungsbestimmungen der Hochschulzulassungsprüfung 1977
Abbildung 6: Bewerbungsformular der Provinz Zhejiang aus dem Jahre 1980
Tabellen
Tabelle 1: Prozentuale Verteilung der Studienanfänger nach Art des Studiums 1983-1988
Tabelle 2: Regionale Mindestpunktzahlen für Studienanfänger im Jahre 1987
Tabelle 3: Auflistung, der in sechs Gruppen unterteilten, Prüfungsfächer
Tabelle 4: Teilnehmer an der Hochschuleingangsprüfung und Studienanfänger 1977-1988
Tabelle 5: Wachstum des Bruttoinlandsprodukts Chinas und die Ausgaben der Bevölkerung für Bildung als prozentuale Angabe des Bruttoinlandsprodukts von 1989-1999
Tabelle 6: Ressourcen der Bildungsfonds und Ausgaben der 90er Jahre in China
Tabelle 7: Der Unterschied auf eine Chance für Hochschulbildung von Kindern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten
Tabelle 8: Konditionen der Studentenhilfssysteme im Jahr 2006
Tabelle 9: Auswertung der Regressionsanalyse
1. Einleitung
In Berichten der „Frontiers of Education – China“ wird seit dem neuen Jahrtausend vermehrt über die Chancengleichheit und bestehende Hilfssysteme für Studenten aus ärmlichen Verhältnissen debattiert. Die in diesen Debatten besprochenen Standpunkte und die geschichtliche Entwicklung sind Inhalt der vorliegenden Arbeit. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es den „Hochschulzugang in China seit 1977“ zu erläutern und die in dieser Zeit stattgefundenen Transformationen im Hinblick auf Chancengleichheit unter den Hochschulbewerbern zu analysieren. Im weiteren Verlauf wird die Chancengleichheit des chinesischen Hochschulzuganges behandelt und infolgedessen auf die verschiedenen Einflussfaktoren in ihrer Eigenschaft als Voraussetzung für ein Hochschulstudium näher eingegangen. Um einen konkreten Überblick über die chinesische Hochschullandschaft zu vermitteln, wird im ersten Teil auf die geschichtliche Entwicklung eingegangen und anschließend ein tieferer Einblick in die vorhandenen Hilfefonds gegeben. Zudem wird anhand empirischer Daten die Chancengleichheit, oder vielmehr Chancenungleichheit diskutiert.
Im Verlauf der Arbeit wird stets auf den Kernpunkt der Hochschulzulassung, demgaokao(高考), hingewiesen, wobei die Rahmenbedingungen einer Hochschulbewerbung ebenfalls eine bedeutende Position einnehmen. Diese verdeutlichen, dass es eine große Spanne zwischen der ländlichen- und der städtischen Bevölkerung Chinas gibt, die sich auf die räumliche Verteilung der Aufnahmezahlen an den Universitäten übertragen lässt.
2. Hochschulzugang in China seit 1977
Der Hochschulzugang in China ist geprägt durch dengaokao, der jährlichen Hochschulzulassungsprüfung, welche sich im Verlauf der Jahre stetig weiterentwickelt hat. Im folgenden Abschnitt werden die Modifizierungen desgaokaoaufgezeigt und erläutert. Desweiteren wird in einem gesonderten Unterkapitel das Korrektur- und Bewertungsverfahren dargestellt.
2.1 Die Entwicklung von 1977 – 1985
Nach Ende der Kulturrevolution im Jahre 1976, die mit dem Tod Mao Zedongs (毛泽东) einhergeht, ist es der chinesischen Bevölkerung möglich, einen Hochschulabschluss zu erlangen. In der Zeit der Kulturrevolution sind private Hochschulen und Universitäten verboten gewesen,[1]weshalb die chinesische Regierung seit 1978 vermehrt den Bau von Schwerpunkt-Schulen und -Hochschulen, die für überdurchschnittlich begabte Schüler sind, fördert. Des Weiteren ist die Übergangsrate an eine Universität von Absolventen dieser Schwerpunkt-Schulen deutlich höher im Vergleich zu den normalen Schulen.[2]Seit 1977 unterliegen die verfahrenstechnischen Entscheidungskompetenzen der Studienplatzvergabe den regionalen Verwaltungsbehörden und nicht mehr der Landesregierung.[3]Entscheidend für diese Wende ist Deng Xiaoping’s (邓小平) Rede aus dem Jahre 1978, in der er betont, wie essentiell Hochschulbildung für den wirtschaftlichen Erfolg ist, wobei der Transformationsprozess Chinas zu einem mächtigen und modernen sozialistischen Land eine entscheidende Rolle ist.[4]Infolgedessen wächst die Wertschätzung Intellektueller in den Augen des chinesischen Volkes.[5]
Im Oktober 1977 werden „Vorschläge zur Arbeit bezüglich der Hochschulzulassung im Jahre 1977“ vom Staatsrat und dem Ministerium für Erziehung,zhonghuarenmin gongheguo jiaoyubu(中华人民共和国教育部) verabschiedet, in denen von einem mehrstufigen Verfahren die Rede ist, an dem eine genau definierte Population teilnehmen darf[6].Dies geschieht in dem der Bewerber eine „freiwillige Bewerbung“ in seiner Einheit einreicht, die Bewerbung anschließend von der Einheit geprüft und an Hand von politischer Zuverlässigkeit und einem Gesundheitstest eine Vorauswahl getroffen wird. Nach Jürgen Henze ist diese Reihenfolge 1977 noch nicht landesweit einheitlich, da in diesem Jahr die Kandidaten erst nach erfolgreich absolvierter Zulassungsprüfung einem Gesundheitstest unterzogen wurden.[7]Nach der Bekanntgabe der Kandidaten zur einheitlichen Zulassungsprüfung, galt es die Prüfung, vom 28.11. – 25.12.1977, zu bestehen und eine der regionalen Aufnahmequote entsprechende Punktzahl zu erreichen. Daraufhin wählen die Universitäten unter den Bewerbern mit der für Ihre Institution nötigen Punktzahl, die für Sie in Frage kommenden Kandidaten aus. Sobald die ausgewählten Kandidaten eine Genehmigung durch das oberste regionale Zulassungskomitee erhalten haben, können Sie ihr Studium Ende Februar 1978 antreten.[8]Hierbei ist zu beachten, dass Bewerber aus ländlichen Gegenden einen Bonus von 10 Punkten erhielten, da sie durch ihre Herkunft einen deutlichen Nachteil hatten. In ländlichen Regionen fehlen die Mittel sowie qualifizierte Lehrkräfte um eine erforderliche Grundausbildung zu gewährleisten.[9]
Jedoch ist dieses Verfahren nicht das einzige Hindernis, dass man überwinden muss. Allein um das Bewerbungsformular für die Hochschulzulassungsprüfung zu erhalten müssen die Bewerber die Zustimmung ihrer Vorgesetzten, Lehrer, Vorarbeiter, o.ä., haben. Um dieses zu erhalten mussten Schüler gute Noten und eine reine Schulakte aufweisen. Der Erhalt des Bewerberformulars stellt somit bereits eine erste Selektionsschranke dar.[10]
Den Aufbau des Formblattes für die Bewerbung zu der Hochschulzulassungsprüfung zeigt Henze an Zhejiang (浙江) im Jahre 1980[11]. Dazu folgen im Verlauf der Ausarbeitung nähere Informationen.
Die Fächerkombination während der Zulassungsprüfung richtet sich nach dem angestrebten Studiums-Schwerpunkt und wird nach naturwissenschaftlichen-, geisteswissenschaftlichen- und fremdsprachlichen Fächern differenziert. Eine Prüfung in Mathematik, Chinesisch und Politik gilt verpflichtend für alle Schwerpunkte. Zusätzlich wird für ein naturwissenschaftliches Studium Physik und Chemie geprüft. Für ein geisteswissenschaftliches Fach muss der Bewerber zusätzlich in Geschichte und Geografie sein Können unter Beweis stellen. Fremdsprachliche Fächer zählen zu den Geisteswissenschaften und werden durch eine mündliche Prüfung erweitert, weshalb Anwärter eines fremdsprachlichen Fachbereiches einen dreitägigengaokaoabsolvieren müssen.[12]
Nach beendeter Prüfung selektieren die Hochschulen, die Anwärter erneut nach Punktzahl, allgemeinen Informationen zur Person und weiteren Präferenzen. 1977 geschieht dies in zwei Rekrutierungsphasen. Zuerst dürfen die Schwerpunkt-Hochschulen wählen, welche nach Bekanntheitsgrad gestaffelt die Unterlagen der zukünftigen Studenten erhalten. Als nächstes sind die normalen Hochschulen an der Reihe, sich ihre neuen Studenten auszuwählen. Seit 1978 erfolgt die Auswahl in drei Rekrutierungsphasen. Zuletzt wählen Universitäten, die einer speziellen Untergruppe zugeordnet sind, ihre Kandidaten. Nach dieser Auswahl erhalten die Studenten ihre Aufnahmeunterlagen der jeweiligen Hochschule.[13]
In dieser Karikatur wird Kadern, Lehrern, Eltern und Schülern die unrechtmäßige Beeinflussung der Prüfungsergebnisse vorgeworfen, was eine Reaktion auf die Bestechungs- und Betrugsvorwürfe der Bevölkerung darstellt. Die chinesische Regierung reagiert im Folgejahr mit einer landesweit einheitlichen Zulassungsprüfung auf die Anschuldigungen.[14]
Das Bildungsministerium hat nun die alleinige Zuständigkeit für die Zulassungsprüfung. 1978 findet die Hochschulzulassungsprüfung in allen Regionen des Landes vom 20.7. – 23.7.1978 statt, wobei in diesem Jahr erstmals sechs Fächer geprüft werden und, nicht wie im vorangegangen Jahr, fünf.[15]
Zusätzlich zu den bisher genannten fünf Fächern kam nun im naturwissenschaftlichen- und im geisteswissenschaftlichen Bereich eine Fremdsprache hinzu. Zu den möglichen Fremdsprachen zählten Englisch, Französisch, Deutsch, Japanisch, Spanisch, Russisch und Arabisch. Es ist bedeutend, dass diese Sprachprüfung nur bei Bewerbern eines Fremdsprachenstudiums vollständig angerechnet wurde, weshalb Mathematik nicht vollständig in die Endpunktzahl eingerechnet wurde. Bei den anderen Schwerpunkten verhält es sich entgegengesetzt. Eine weitere Neuerung der Zulassungsprüfung von 1978 ist die öffentliche Bekanntgabe der Endergebnisse.[16]Weiterhin wurde es hochbegabten Schülern, die beispielsweise Preise in landesweiten Wettbewerben erhalten haben ermöglicht, ohne Zulassungsprüfung an Universitäten zugelassen zu werden. 1982 ist dieses Verfahren meist durch Partnerschaften von Hochschulen und Mittelschulen möglich, bei dem die betreffenden Schüler durch den Direktor ihrer Mittelschule an die jeweilige Hochschule empfohlen werden. Jedoch ist für dieses Verfahren eine Genehmigung des Staates erforderlich, die bis 1983 40 Mittelschulen erhielten.[17]Diese Form der Hochschulzulassung ist seit 1982/83 eine allgemein anerkannte Methode für Schüler der Oberen Mittelschulen, um die Hochschulzulassungsprüfung zu umgehen, wobei die Voraussetzungen für ein solches Empfehlungsschreiben umfangreich sind. Dazu folgen im späteren Teil der Arbeit weitere Ausführungen.[18]Jedoch stieg die Zahl 1985 auf 96 Mittelschulen die bis dahin bereits 1778 Schüler erfolgreich, ohne Zulassungsprüfung bzw. mit Teilnahme der Zulassungsprüfung allerdings mit minimalen Anforderungen, vermitteln konnten. Die zuvor genannten minimalen Anforderungen beziehen sich auf einen Punktebonus von 10-30 Punkten in der Bewertung des Endergebnisses.[19]Desweiteren wird das Studium für Selbstzahler, meist Arbeiter, die den nötigen Bildungsstand aufweisen und von ihrem Arbeitgeber für eine Auftragsausbildung an die Hochschule geschickt werden, eingeführt. Durch dieses Verfahren arbeiten Hochschulen, Unternehmen, Betriebe und Behörden enger zusammen. Für Universitäten und Bildungseinrichtungen derselben Stufe entsteht die Möglichkeit ein Zusatzkontingent an finanziellen Mitteln zu erwirtschaften, um die Studienqualität zu erhöhen.[20]Die prozentuale Verteilung der Studienanfänger von 1983-1988 in den unterschiedlichen Studiensystemen ist in der Tabelle verdeutlicht, wobei die rechte Spalte die Quote der empfohlenen Studienanfänger zeigt. Desweiteren wurden spezielle Klassen für 2-3 jährige Studien gegründet, die durch den hohen Bedarf an qualifizierten Kräften zahlreich angeboten wurden.[21]
Eine weitere Änderung, die 1980 erfolgt, ist, dass sogenannte Vorprüfungen auf Regional- bzw. Provinzebenen durchgeführt wurden, um bereits vor der landesweiten Hochschulzulassungsprüfung die Zahl der Bewerber zu minimieren und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Dieses Verfahren minimiert die Zahl der Teilnehmer 1980 auf 3,3 Millionen, von zuvor durchschnittlich 5,5 Millionen in den Jahren 1977-1979.[22]
Durch die 1980 zahlreich neugegründeten Allgemeinen Hochschulen[23]und die zwei Jahre zuvor, nach dem Buch von Mok Ka-Ho erst 1985[24], wieder bewilligten Privaten Hochschulen steigt die Zulassungsrate bis 1985 auf 35,2% von 1980 gerademal 8,5% an.[25]
Hinzu kommen zusätzliche Fragen in unterschiedlichen Teilgebieten, die einem höheren Niveau entsprechen, um besonders qualifizierte und strebsame Bewerber für Schwerpunkt-Hochschulen einfacher zu selektieren.[26]
Eine spezielle Abteilung des Bildungsministeriums ist von 1978 - 1986 für den Aufbau der Zulassungsprüfung, die beinhalteten Fragen und Musterlösungen für die Korrektoren zuständig.[27]
1984 startet die chinesische Regierung ein Experiment an Universitäten im ganzen Land. Auserwählte Universitäten erhalten die Befugnis, selbstständig, nach Erhalt der Bewerberunterlagen und deren Prüfungsergebnissen, Studenten aufzunehmen. Allerdings erhalten die Universitäten nur Unterlagen der zukünftigen Studenten, die die Mindestpunktzahl für die entscheidende Universität erreicht haben bzw. geringfügig darunter liegen. Hierbei erhalten Universitäten ca. 20% mehr Unterlagen, als es ihre Kapazitäten an Zulassungen ermöglichen. Sollte es nicht genügend Bewerber für eine Universität geben, erhält diese zusätzlich die Unterlagen der Kandidaten, die diese Universität als Zweitwahl angegeben haben. In Fachbereichen, in denen eine höhere Nachfrage besteht, nehmen Universitäten selbstständig Kontakt zu den Bewerbern auf und fordern ggf. zusätzliche Unterlagen an, die bei der Auswahl hilfreich sein könnten. Diese Verfahrensweise wirkt sich positiv auf die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Hochschulinstitutionen und Verwaltungsbehörden aus und reduziert den bisher üblichen Zeitaufwand um ein Drittel.[28]
2.2 Die Erweiterung der Hochschullandschaft im Zeitraum von 1985 – 1996
Im Juni 1985 entsteht die Staatliche Bildungskommission, die das „Verwaltungszentrum für staatliche pädagogische Prüfungen“ gründet. Dieses Verwaltungszentrum ist fortan für die Maximalpunktvergabe einzelner Aufgaben, Fragen desgaokaound die Musterlösungen zuständig. In dieser Zeit werden aus Sicherheitsgründen jährlich zwei Prüfungen konzipiert, so dass, sollte eine Prüfungsversion bekannt werden, eine weitere unbekannte Version zur Verfügung steht. Durch diese Vorgehensweise wird sichergestellt, dass die Bedingungen während der landesweit einheitlichen Hochschulzulassungsprüfung für alle Teilnehmer identisch sind.[29]Die Mindestpunktzahl für die Zulassung der Studienanfänger, wie oben bereits erläutert sind, nicht einheitlich,was im Folgenden an einem Beispiel aus dem Jahr 1987 aufgezeigt wird. Es ist zu erkennen, dass die Mindestpunktzahl in wirtschaftlich starken Gebieten, die der ländlichen Gegenden deutlich übersteigt.
1985 werden die Bedingungen für die Zulassung zu der landesweiten Hochschulprüfung erneut modifiziert. Der Gesundheitstest, der in den vorigen Jahren ein Pflichtbestandteil war, ist seit diesem Jahr in seiner Bedeutung herabgesetzt worden. Es ist nun auch möglich für körperlich beeinträchtigte Menschen zu studieren, da der Test lediglich beurteilen soll, ob der Bewerber in der Lage ist, selbstständig zu leben und im Alltag nicht auf die Hilfe einer zweiten Person angewiesen ist. Außerdem hat das Bildungsministerium die Altersgrenze für Studienanfänger mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung auf 28 Jahre hochgesetzt. Ebenfalls ist es nun auch verheirateten Bewerbern gestattet, sich für einen Hochschulstudienplatz zu bewerben. Eine weitere Änderung, die auf regionaler Ebene greift ist, dass in Shanghai seit 1985 die Verantwortung für die Hochschulzulassungsprüfung bei der für diese Region zuständigen Verwaltungsbehörde liegt.[30]
Jedoch findet die wichtigste Änderung Ende der 80er Jahre statt. Zu dieser Zeit führt die chinesische Regierung eine Abschlussprüfung am Ende der Oberen Mittelschule ein, durch den zusätzlichen Aufwand verändert sich dergaokaoerneut, in dem die Anzahl der Prüfungsfächer auf vier mit einer maximal erreichbaren Punktzahl von jeweils 150 Punkten reduziert wird. Diese vier Prüfungsfächer sind, wie in der folgenden Tabelle dargestellt, in sechs Gruppen unterteilt, die die angestrebte Fachrichtung im Studium definieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Auflistung, der in sechs Gruppen unterteilten, Prüfungsfächer
Quelle: Henze, 1991, S. 274
Nun ist für die Hochschulen nicht mehr ausschließlich die Hochschulzulassungsprüfung entscheidend, sondern auch das Abschlusszeugnis der abgeschlossenen Oberen Mittelschule. Die Hochschulen informieren die Studienanwärter frühzeitig, welche der sechs genannten Gruppen für welchen Fachbereich vorausgesetzt werden. Durch die modifizierte Zulassungsprüfung werden die Schüler physisch und psychisch entlastet.[31]Schüler einer Schwerpunkt Mittelschule verfügen über die beste Vorbereitung für die Hochschulzulassungsprüfung, weshalb die Erfolgsquote in dieser Gruppe bei ca. 95-99% liegt.[32]
1986 werden vom Staat zugesicherte Stipendien in Darlehen, Stipendien und Begabtenförderung, neu untergliedert.[33]Anfang der 90er Jahre werden Mittelklasse Universitäten gegründet, deren Aufgabe darin besteht Studenten mit geringeren Punktzahlen aufzunehmen und praxisorientierte Kräfte für den Arbeitsmarkt auszubilden.[34]Studiengebühren werden ab 1994 teilweise eingeführt und sind in den folgenden Jahren ein fester Bestandteil des Studiums.[35]
2.3 Vom 9. Fünfjahresplan bis 2010
Im April 1996 wird der 9. Fünfjahresplan herausgegeben, in welchem das „211 Projekt“,211 gongcheng(211 工程), behandelt wird eine Initiative zum Aufbau mehrerer erstrangiger Universitäten auf Weltniveau, um den Aufbau von Forschung und Wissenschaft des Landes zu unterstützen.[36]Dadurch wird die Funktion von sekundärer Bildung vorrangig zur Verbesserung der nationalen Identität und der Weiterbildung der chinesischen Persönlichkeit modifiziert. Diese Einstellung beeinflusst auch die Ausgaben des Staates in Hochschulinstitute, die sich seit Ende der 90er Jahre auf mehr als ein Prozent des Nationaleinkommens belaufen.[37]
1998 erscheint erstmals das „Verzeichnis der Bachelor-Studiengänge an allgemeinen Hochschulen“, in dem alle Studiengänge aufgelistet werden, denn aufgrund der zuvor zu fein gegliederten Studiengänge wurde die Gesamtzahl um 38%, auf 249, reduziert.[38]Im gleichen Jahr wurde das „3+X“ Modell,3+X moshi(3 + X模型), der Hochschulaufnahmeprüfung initiiert. Dieses System legt drei Fächer, Chinesisch, Mathematik und eine Fremdsprache, als Pflichtfächer für dengaokaofest. Das X steht für ein zusätzliches Prüfungsfach, dass die aufnehmende Hochschule aus den Prüfungsfächern Physik, Chemie, Politik, Geschichte, Biologie und Geografie auswählt.[39]
Durch das Bestreben einer Vielzahl an qualifizierten Absolventen lockert die chinesische Regierung 2001 die Teilnahmebedingungen für die Hochschulzulassungsprüfung erneut. Es wird verheirateten Personen und Teilnehmern, die Älter sind als 25, ermöglicht zu partizipieren, ohne die Zusatzvoraussetzung der zweijährigen Berufserfahrung. Desweiteren soll bis 2010 eine Zulassungsrate von 15% mit einer Gesamtstudierendenzahl von 16 Millionen Studenten erreicht werden, dieses Ziel wurde im Jahr 2000 auf 2005 vorverlegt, da die Zulassungsrate 2000 bereits bei 11% liegen.[40]
Seit der Jahrtausendwende bewerben sich jährlich ca. 7 Millionen Menschen für die Hochschulprüfung, gleichzeitig erhalten die Hochschulen weniger Geld aus der Staatskasse und müssen nun ca. 50% ihrer Kosten selbst tragen. Somit ist für viele Universitäten die Einnahme durch Studiengebühren essentiell geworden. Ausnahmen, wie z.B. erstklassige Hochschulen wie die Fudan Universität (fudan daxue, 复旦大学) in Shanghai (上海) oder die Peking Universität (beijing daxue, 北京大学), haben die Möglichkeit durch finanziell starke Sponsoren, wie große Unternehmen, zusätzliche Mittel einzunehmen. Durch diese Zusammenarbeiten passen diese erstklassigen Universitäten ihre Unterrichtsinhalte gekonnt auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und der Unternehmen an.[41]
Im Jahre 2002 wird das zuvor erwähnte „3 plus X“ Modell offiziell eingeführt. Die Prüfung findet seit 2003 jährlich in der ersten Juni Woche, am 7. und 8., statt und nicht mehr, wie zuvor, in der ersten Woche des Juli. Die Maximalpunktzahl desgaokaobeträgt nun 750 Punkte und setzt sich aus 30% purer Wissensabfrage, 50% Problemlösung und 20% Transferdenken zusammen und ist je nach Fach unterschiedlich aufgebaut. Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse wählen die Hochschulen ihre Kandidaten, wobei Militärakademien und rund hundert Schwerpunkt- Hochschulen und -Universitäten, sowie weitere vom Bildungsministerium genehmigte Institute, den Vorrang haben. Als nächstes folgen allgemeine Hochschulen, vermehrt jene die der Provinzverwaltung unterliegen und zu guter Letzt wählen die zuvor erwähnten Hochschulinstitute erneut. Jedoch wählen diese Hochschulen nun für ihre dreijährigen Fachrichtungen und Berufshochschulen neue Studenten aus.[42]
2003 gelangen 393 Schüler aus speziellen Begabtenklassen einiger Schwerpunkt- bzw. Elite- Mittelschulen über die Hochschulzulassungsprüfung und 107 über eine Empfehlung an eine der renommiertesten Universitäten Chinas.[43]Daten von Schmidt und Chen zufolge ist 2005 das zuvor genannte „3+X“-Modell nun um eine Literaturprüfung erweitert worden, allerdings kann dies in den einzelnen Provinzen abweichen.[44]Im darauf folgenden Jahr wird die Anzahl der Hochschulinstitute reduziert, indem einzelne Hochschulen auf 431 zusammen geschlossen wurden. Dem Bildungsministerium zufolge hat die diesjährige Prüfung 4 Besonderheiten. Vermehrte Sicherheitsüberprüfungen der Prüflinge und gut ausgestattete Räume stehen im Vordergrund. In einigen Provinzen, wie z.B. Anhui (安徽) und Shandong (山东), müssen die Prüflinge einen gemeinsamen Schwur unterschreiben, dadurch verpflichten sie sich, die Prüfung fair zu absolvieren und keine unlauteren Mittel zu verwenden. Weshalb bei dem Verlauf der Zusatzprüfungen ebenfalls, verschärft auf den fairen Verlauf geachtet werden soll. Desweiteren sollen im mittleren Westen Chinas vermehrt Studenten ein kostenfreies Medizinstudium absolvieren können, wenn sie sich verpflichten nach dem fünfjährigen Studium in einer ländlichen Gegend zu praktizieren. Außerdem berichtet das Bildungsministerium von dem selbstständigen Rekrutierungsverfahren von ca. 60.000 Studenten der Peking- (北京), Shanghai- (上海), Tianjin- (天津) und der Chongqing (重庆) Universität,daxue(大学), wobei zur Aufnahme an die ansässigen Hochschulen in Peking die Abschlussklausur der Oberen Mittelschule, die allgemeine Hochschulprüfung und 2-3 Empfehlungsschreiben in die Auswahl eingebunden werden.[45]Dadurch ist es Hochschulbewerbern gestattet, in Peking dengaokaoin nur 3 Fächern zu schreiben, hierbei wird die Note des vierten Faches aus dem Abschlusszeugnis der oberen Mittelschule entnommen.[46]
In diesem Jahr ist dergaokaoeinfacher gestaltet. Die Mathematikprüfung besteht zu 80% aus Rechenaufgaben und nur zu 20% aus Transferaufgaben. Das zu schreibende Essay in der Sprachklausur wird in diesem Jahr in verstärktem Maße nach dem Inhalt benotet werden und nicht nur nach einzelnen falschen Wörtern. Im Großen und Ganzen verändert sich in den anderen Prüfungsgebieten nicht viel, bis auf den verlagerten Schwerpunkt der Korrektoren. Es geht nicht mehr nur um Kleinigkeiten, sondern um das große Ganze.[47]Besonders begabte Bewerber werden in Peking in einem gesonderten Raum untergebracht und schreiben ihre Klausur in drei Prüfungsfächern, in denen sie auf umfassende Fähigkeiten in den einzelnen Gebieten geprüft werden. Dadurch haben diese Schüler jedoch nicht weniger Stress als die Bewerber der normalen Hochschulzulassungsprüfung.[48]
Prüfungen für Zusatzpunkte,jiafen(加分), für dengaokaovermerken stetig steigende Teilnehmerzahlen, besonders die Sportprüfungen verzeichnen ein starkes Plus. Diese Möglichkeit bereits vor der tatsächlichen Prüfung Extrapunkte zu sammeln, wird oftmals von Schülern, deren akademischen Leistungen nicht ausreichend sind, in Anspruch genommen. Jedoch werden bei dieser Art der Prüfung nur die besten Sechs einer jeden Prüfung als qualifiziert genug erachtet, um die Zusatzpunkte zu erhalten. Diese Möglichkeit wird oftmals als Karrieresprungbrett,qiaomenzhuan(敲门砖), bezeichnet.[49]
[...]
[1]Henze, 1991, S. 236
[2]Henze, 1991, S. 212
[3]Henze, 1991, S. 239
[4]Hayhoe, 1989, S. 39
[5]Henze, 1991, S. 215
[6]Abbildung 1 im Anhang
[7]Henze, 1991, S. 244
[8]Henze, 1991, S. 240-241
[9]Rektorenkonferenz, 1981, S. 17
[10]Henze, 1991, S. 244
[11]Anmeldeformular im Anhang, Abbildung 2
[12]Henze, 1991, S. 246-247
[13]Henze, 1991, S. 254
[14]Henze, 1991, S. 254-255
[15]Henze, 1991, S. 256-257
[16]Henze, 1991, S. 257
[17]Henze, 1991, S. 266-267
[18]Henze, 1991, S. 265
[19]Henze, 1991, S. 266-267
[20]Henze, 1991, S. 265
[21]Henze, 1991, S. 259
[22]Henze, 1991, S. 268
[23]Postiglione, 2006, S. 190
[24]Keung, 2003, S. 83
[25]Henze, 1991, S. 245
[26]Henze, 1991, S. 261
[27]Henze, 1991, S. 276
[28]Henze, 1991, S. 269-270
[29]Henze, 1991, S. 276
[30]Henze, 1991, S. 272
[31]Henze, 1991, S. 273-275
[32]Postiglione, 2006, S. 190
[33]Hayhoe, 1989, S. 48
[34]Postiglione, 2006, S. 192
[35]Postiglione, 2003, S. 159
[36]Mingfei, 2002, S. 108
[37]Kang, 2004, S. 145
[38]Mingfei, 2002, S. 92-93
[39]Chen, 2002, S. 395
[40]Rui, 2003, S. 175-177
[41]Rui, 2003, S. 189-194
[42]Su, 2002, S. 87-88
[43]He, 2007, S. 158-159
[44]Schmidt & Chen, 2005, S. 103
[45]Ministry, 2010
[46]Zhong, 2010
[47]Li, Wang, & Zhang, 2010
[48]Zhong, 2010
[49]Zhong, 2010
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783863416478
- ISBN (Paperback)
- 9783863411473
- Dateigröße
- 3.3 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
- Erscheinungsdatum
- 2013 (Juli)
- Note
- 2
- Schlagworte
- Gaokao Hochschulzugang China 高考 Hochschulzulassungsprüfung Zulassungsprüfung Zulassungsverfahren
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