Die Grundschulen von morgen: Was der Jena-Plan bringen könnte
Zusammenfassung
Anlass der Arbeit sind die derzeitigen Herausforderungen und Probleme an öffentlichen Grundschulen. Unter Einbeziehung kritischer historisch-systematischer Sichtweisen auf die Jena-Plan-Pädagogik und deren Ambivalenz wird analysiert, ob die Kernaussagen des Jena-Plans und deren Umsetzung im Grundschulsystem heute wieder aktuell werden könnten. Es werden dessen mögliche Lösungsansätze analysiert: Postulat der Erziehung, Schulgemeinschaft, Leistungskultur, Unterricht in Stammgruppen, rhythmisierter Wochenarbeitsplan, Formen des natürlichen Lernens, aber auch heterogene Klassenbildung, soziales Lernen und individuelle Förderung.
Anhand des Beispiels bayerischer Grundschulen wird herausgestellt, an welche Grenzen die praktische Umsetzung dieser Ansätze stößt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
1 Vorwort
2 Einleitung
3 Peter Petersen – eine kurze Biografie
3.1 Hauptmerkmale des Jena-Plans
3.2 Einordnung des Jena-Plans
3.3 Die Ambivalenz der Jena-Plan-Pädagogik
4 Herausforderungen und Probleme an öffentlichen Grundschulen in Bayern
5 Lösungsansätze des Jena-Plans in Bezug auf aktuelle Schulprobleme an Bayerns Grundschulen
5.1 Bildung und Erziehung
5.1.1 Zielkonflikt von Schulen
5.1.2 Das Postulat der Erziehung
5.2 Die Schulgemeinschaft
5.3 Bildung und Leistung
5.3.1 Leistungskultur statt Leistungskult
5.4 Planlegung des Unterrichts
5.4.1 Stammgruppen
5.4.2 Der rhythmisierte Wochenarbeitsplan
5.4.3 Formen des natürlichen Lernens
5.5 Schule für alle und individuelle Förderung
6 Grenzen der praktischen Umsetzbarkeit der Jena-Plan-Pädagogik an öffentlichen Grundschulen in Bayern
6.1 Bildungspolitik
6.2 Das Lehrpersonal
6.3 Elterneinsatz
6.4 Schülerschaft
6.5 Ausgliederung einzelner Jena-Plan-Elemente
6.6 Überholte Reformimpulse
7. Resumé
8. Literaturangaben:
1 Vorwort
Die Arbeit ist in erster Linie unter schulpädagogisch-pragmatischen Gesichtspunkten konzipiert worden. Im Zuge der Bearbeitung hat sich jedoch herausgestellt, dass eine gleichzeitige Beleuchtung dieses reformpädagogischen Ansatzes und seines Begründers aus geisteswissenschaftlich-pädagogischer Sicht unverzichtbar ist.
Zu Gunsten des Einbeziehens kritischer historisch-systematischer Sichtweisen und um im Rahmen der Bachelor-Arbeit zu einem Resultat zu kommen, verzichte ich sowohl auf eine ausführlichere Darstellung der Biografie Peter Petersens als auch seines Gesamtwerkes und grenze die Arbeit auf die wichtigsten Kernelemente des Jena-Plans und auf das Beispiel der Situation an öffentlichen Grundschulen in Bayern ein.
Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse, ob die Kernaussagen des Jena-Plans und deren Umsetzung im bayerischen Grundschulsystem heute wieder aktuell werden können.
2 Einleitung
Das staatliche Schulsystem ist in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit stark in die Kritik und zunehmend unter Legitimationszwang geraten. Aktuelle Studien (PISA, IGLU, TIMMS) haben gezeigt, dass die Konkurrenzfähigkeit des traditionellen deutschen Schulsystems nicht mehr gegeben ist.
Die Gesellschaft befindet sich in einem Prozess sozialer und kultureller Wandlungen, die nachhaltig Einfluss nehmen auf viele Bereiche des Lebens. Es geht um die veränderte Kindheit (vgl. Fölling-Albers, 1997), um neue Technologien, veränderte familiale Strukturen und die schwindende Erziehungskraft bei gleichzeitig erhöhten Qualitätsanforderungen.
Individuelle und gesellschaftliche Krisenerscheinungen, wie sie derzeit in komplizierten Lebenslagen vieler Kinder, im Problem der „Gewalt“ oder in Ausländerfeindlichkeit, zum Ausdruck kommen, sind auch in der Schule spürbar. Wenn man berücksichtigt, dass das staatliche Regelschulsystem auf derartige Krisenerscheinungen nur begrenzt reagiert, könnte die gewaltarme, ein reiches Schulleben präsentierende Schulwirklichkeit des Jena-Plans durchaus eine Alternative darstellen. Es stellt sich daher die Frage, in welcher Hinsicht Petersen und sein Jena-Plan heute neu bewertet und auch kritisch hinterfragt werden muss. (vgl. Retter, 1993)
Um einen Überblick zu gewinnen, wer der Pädagoge und Schulreformer Peter Petersen war, steht am Anfang der Arbeit eine kurze biografische Vorstellung seiner Person sowie eine geisteswissenschaftlich-pädagogische Einordnung seines Werkes. Daran anschließend werden zunächst die heutige Situation an öffentlichen Grundschulen in Bayern und deren Probleme und Herausforderungen dargelegt, um anhand der wichtigsten Elemente des Jena-Plans analysieren zu können, inwieweit die Jena-Plan-Pädagogik auch für die öffentlichen Grundschulen von heute ein wertvolles Schulkonzept sein kann.
Danach soll die praktische Umsetzbarkeit des Jena-Plans an Grundschulen in Bayern geprüft werden. Dabei werden deutliche Grenzen aufgezeigt.
Das abschließende Resumé soll eine kurze Zusammenfassung des Erarbeiteten geben und die ideologiekritisch und pädagogisch-pragmatische Sichtweise noch einmal zueinander in Verbindung stellen.
Wird im Text - aus Gründen der besseren Lesbarkeit - nur die maskuline Form von ‚Schüler’ und ‚Lehrer’ gebraucht, so sind dabei gleichzeitig auch immer ‚Schülerinnen’ und ‚Lehrerinnen’ gemeint.
3 Peter Petersen – eine kurze Biografie
Peter Petersen wurde am 26. Juni 1884 in Großenwiehe bei Flensburg geboren. Er war das älteste von sieben Kindern und besuchte die Dorfschule. Auf die Begabung des Schülers Petersen aufmerksam geworden, ermöglichte ihm die kirchliche Schulaufsicht privaten Lateinunterricht bei dem Pastor des Dorfes und damit den Zugang zur höheren Bildung. Seine Jugend war geprägt vom Leben in der Großfamilie, vom Aufwachsen in der Dorfgemeinschaft und dem Einfluss seines evangelisch-lutherischen Elternhauses. (Eichelberger & Wilhelm, 2000)
Seine akademische Ausbildung (1904 bis 1909) führte ihn an die Universitäten in Leipzig, Kiel, Kopenhagen und Posen, während sein Studium sich über die Fächer Evangelische Theologie, Anglistik, Geschichte, Hebräisch, Psychologie, Philosophie und Nationalökonomie erstreckte. Ab 1912 war Petersen als Sekretär des Deutschen Bundes für Schulreform tätig. In dieser Tätigkeit entwickelte er die Vorstellungen einer Einheitsschule für alle Kinder mit Grundsätzen, die die Selbsttätigkeit des Kindes und die Entfaltung der Autonomie seiner Person in den Mittelpunkt des Erziehungs- und Bildungsgeschehens stellen. (ebd., S. 29)
1920 bis 1923 leitete er die für die deutsche Schulreformbewegung bedeutsame Lichtwarkschule in Hamburg. Seine pädagogischen Vorstellungen, wie jahrgangsübergreifendes Lernen, Feste, Schulwohnstuben und Mitarbeit der Eltern, nahmen in der Lichtwarkschule konkrete Gestalt an. (ebd., S. 29)
1920 habilitierte sich Petersens mit der Arbeit „Geschichte der aristotelischen Philosophie im protestantischen Deutschland“.
Von 1924 bis 1950 war Peter Petersens Professor und Leiter der an die Universität Jena angeschlossenen Universitätsübungsschule. Dort entwickelte er sein schulpädagogisches Reformmodell - den Jena-Plan, wie dieser seit des Weltkongresses des „Bundes für Erneuerung der Erziehung“ in Locarno 1927 genannt werden sollte.
Die Diktatur des Nationalsozialismus und der 2. Weltkrieg hat die meisten reformpädagogischen Strömungen in Deutschland und in fast ganz Europa zum Verschwinden gebracht. Peter Petersens Schule in Jena hatte trotzdem während dieser Zeit Bestand. 1950 wurde Petersens Schule jedoch als „reaktionäres, politisch gefährliches Überbleibsel aus der Weimarer Republik“ geschlossen. Peter Petersen verstarb am 21. März in Jena. (vgl. Eichelberger & Wilhelm, 2000, S. 31)
3.1 Hauptmerkmale des Jena-Plans
Mit seiner Betonung der „Schulgemeinde“ (vgl. Petersen, 1980, S. 8) und Gruppenpädagogik war Peter Petersen Wegbereiter einer inneren und äußeren Schulreform. Als Kerngedanken des Jena-Plans kristallisieren sich selbsttätiges Arbeiten, gemeinschaftliches Zusammenarbeiten und –leben, sowie Mitverantwortung der Schüler- und Elternschaft heraus.
Den Schulalltag gestaltete Petersen komplett um, indem er die übliche Jahrgangsklasse zugunsten einer jahrgangsübergreifenden Lerngruppe auflöste und so Kinder mit unterschiedlichen Lebensaltern in so genannte Stammgruppen zusammenfasste.
Darüber hinaus schaffte er die nicht sehr kindgerechte 45-Minuten-Unterrichtseinheit ab. Statt des so genannten „Fetzenstundenplans“ (vgl. Dietrich, 1995, S. 73), erarbeitete Petersen einen speziellen Wochenarbeitsplan, der für jeden Schüler individuell, und an dessen Lernrhythmus orientiert, erstellt wird. Neben dem Kernunterricht in der Stammgruppe, der das jeweilige Arbeitstempo und die unterschiedlichen Interessenslagen der einzelnen Schüler berücksichtigt, werden verschiedene eher straff geführte und lehrerzentrierte Einführungs-, Niveau-, Übungs- und Wahlkurse angeboten, die zur Sicherung des Basiswissens dienen.
Kindgerecht ist darüber hinaus auch die Leistungsbeurteilung, die bei Petersen nicht in Form von Ziffernoten, sondern in Form von Lernentwicklungsberichten erfolgte. Außerdem machte er die natürlichen „Urformen des Lernens und sich Bildens“ - Gespräch (Unterhaltung), Spiel, Arbeit und Feier - zum festen Bestandteil des Jena-Plans. Diese Formen des natürlichen Lernens, wie sie bereits vor der Schulzeit herrschen, sollen während der Schulzeit erhalten und weiterentwickelt werden. (vgl. Petersens, 2008, S. 56).
Petersen wollte eine Schulgemeinde bilden, in die sich der Schulunterricht als das Zweite einordnet. Die Gemeindeidee sollte dabei innerste Überzeugung der Erzieherschaft werden. (ebd., S.8)
3.2 Einordnung des Jena-Plans
Der Jena-Plan ist das Ergebnis langjähriger schulpraktischer Reformversuche und theoretischer Auseinandersetzungen Petersens und seiner Mitarbeiter mit der Pädagogik des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. Er ist verwurzelt in der Pädagogik Fröbels und Pestalozzis, die ganzheitliches und kindzentriertes Lehren und Lernen betonen. Der Jena-Plan ist in enger Beziehung zur deutschen und internationalen Reformpädagogik entwickelt worden. (Dietrich, 1995)
Er soll nicht als Unterrichtsmethode, sondern explizit als Schulentwicklungskonzept begriffen werden, als pädagogisches Konzept für „eine freie allgemeine Volksschule nach den Grundsätzen Neuer Erziehung.“ (Petersens. In: Röhrs 1986, S. 209)
Wichtig ist vor allem, dass Petersens Jena-Plan-Konzept als „Ausgangsform“ konzipiert wurde. „Es ist deshalb noch immer nicht erschöpft, weil es keine pädagogische Dogmatik sein will.“ (Eichelberger & Wilhelm, 2000, S. 13) Das Jena-Plan-Konzept ist konkretisierbar und beschreibbar in der Erziehungsidee, in dem, was eine pädagogische Situation sein soll, in den Bildungsgrundformen und vor allem in der Vorstellung, dass die Erziehungsidee und die pädagogische Situation für den jeweils konkreten individuellen und gesellschaftlichen Rahmen eine andere Ausprägung haben werden. Bildlich gesprochen erhalten Lehrer von Petersen eine Form, von der sie „ausgehen“ können. Doch es ist im Rahmen des Jena-Plans immer noch die Verantwortung der Pädagogen, auf welchem Weg sie versuchen, das Ziel zu erreichen. Nach den Grundintentionen Peter Petersens reizt der Jena-Plan zur steten Schulreform von innen, weil die pädagogisch-anthropologischen Grundmotive Petersens besondere schulpraktische Möglichkeiten eröffnen. (vgl. Eichelberger & Wilhelm, 2003)
3.3 Die Ambivalenz der Jena-Plan-Pädagogik
Peter Petersen ist heute ein sehr bekannter, zugleich aber auch heftig umstrittener Erziehungswissenschaftler aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts.
Die wirklichen oder vermeintlichen Verstrickungen von Petersens Leben und Werk in das besondere deutsche Schicksal zwischen 1930 und 1950 bereiten einer unbefangenen Rezeption seiner Gedanken bis heute Schwierigkeiten. Kassner und Scheuerl beschreiben die Persönlichkeit Peter Petersens mit einem Zitat aus „Wallenstein“:„Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte“(Kassner & Scheuerl, 1983, S. 654. In: Eichelberger & Wilhelm, 2000, S. 63)
Die uneindeutige Position Petersens im und zum Nationalsozialismus impliziert eine heute sehr unterschiedliche Beurteilung sowohl seiner Person als auch seines Werkes.
Jan Dirk Imelman et al kritisieren weiterhin, dass eine derartige Theorie mit kaum inhaltlichem Charakter zur beliebigen Verteidigung aller möglichen gesellschaftlichen Phänomene bestens zu gebrauchen sei. Sie verurteilen, die Leere der Konzeption, die überwiegend aufgebaut sei unter Zuhilfenahme einer Begriffssystematik und in die, wie in einen Container, willkürliche Bedeutungen hineingesteckt werden können. (vgl. Imelman, Jeunhomme, Meijer, 1996)
Befürworter wiederum benennen Petersens reformpädagogisches Konzept als beispielhaft für die „humane“ Schule. So beschreibt Theo Dietrich Petersen als Metaphysiker, der geprägt war durch ein christliches Menschenbild und dem der Verdienst zuzuschreiben ist, die Forderungen der inneren Schulreform zu einer geschlossenen und überzeugenden Konzeption zusammenzufassen. (Eichelberger & Wilhelm, 2000)
Ferner halten seine Anhänger Petersen zugute, dass es ihm in den autoritär-politischen Systemen, in denen er leben musste, darauf ankam, nicht nur zu ‚überleben’, sondern vor allem sein Lebenswerk zu erhalten und somit die Idee und Wirklichkeit seiner ‚humanen Schule’ durchzusetzen und zu bewahren. (Dietrich, 1995)
Keim beanstandet in diesem Zusammenhang, dass oftmals mildernde Umstände geltend gemacht werden, bevor überhaupt Fakten festgestellt und bewertet worden sind. Statt sich der Mühe zu unterziehen, eine Ideologiekritik zu formulieren, werde Petersens humanistische, christliche und apolitische Einstellung hervorgehoben. Und so kritisiert er denn auch die gesamte Petersen-Rezeption in der BRD, in der es bis heute keine wirkliche Auseinandersetzung mit Petersens Verhältnis zum Nationalsozialismus gegeben habe. (Keim, 1989)
Während die einen ideologiekritische Analysen einfordern, versuchen andere, die positiven Elemente des Jena-Plans in die moderne Schulwelt hinüber zu retten. So auch Hans-Werner Johannsen, der meint, dass trotz aller Kritik an Petersens Opportunismus während des „Dritten Reiches“, doch nicht zugleich mit der Person Peter Petersens auch sein reformpädagogisches Werk als faschistoides Gedankengut abgelehnt werden solle. (Johannsen, In: Die Deutsche Schule 81, 1989, S. 362-365. In Hofmann,1991)
In der ganzen Diskussion muss man zunächst aber einen wichtigen Aspekt klären:
„Stellt man sich der Frage, inwieweit die Jena-Plan-Pädagogik, die heute bereits Schulorganisation und Unterrichtspraxis beeinflusst, überhaupt noch mit den ursprünglichen Intentionen Petersens zu tun hat, wird deutlich, dass klar unterschieden werden muss zwischenPetersen-Pädagogik auf der einen Seite und gegenwärtigerJena-Plan-Pädagogik andererseits. Beide sind in ihren Ursprungszusammenhängen größtenteils abweichend voneinander zu betrachten. Die zeitgebundene, auf lebensphilosophischen und volksorganalogischen Vorstellungen beruhende Metaphysik und Anthropologie Petersens jedoch, kann heute kein tragfähiges Fundament und keine legitime Basis mehr sein für die Begründung einer pädagogischen Theorie, nicht zuletzt aufgrund ihrer Ausbildung und Vernachlässigung aufklärerischen Gedankenguts. Wenn von der Zukunftsgerichtetheit der Jena-Plan-Konzeption und ihrer Bedeutung für den Aufbau einer Schule von morgen die Rede ist, dann treten hauptsächlich die unterrichtsmethodischen und schulorganisatorischen Aspekte des Jena-Plans in den Vordergrund.“ (vgl. Hofmann,1993, S. 31)
Das soll jedoch nicht bedeuten, dass Peter-Petersen-Pädagogik-Befürworter die theoretischen Grundlagen des Jena-Plans und sein geschichtliches Gewordensein ignorieren und allein die Vorzüge des Jena-Plans für die heutige Organisation von Schule und Unterricht hervorheben.
Es sollte eine Abstimmung zwischen beiden Bereichen erfolgen, um auch heute die Gefahr nicht aus dem Blick zu verlieren, die von pädagogischen Konzepten mit Schwerpunkt auf Gruppen und Gemeinschaft ausgehen kann, wenn ihre Zielgebung eine demokratieschädigende und entmündigende ist.
Aus diesem Grunde wurde einleitend auf die Ambivalenz des pädagogischen Konzeptes von Peter Petersen hingewiesen, bevor nun geprüft werden soll, ob das Jena-Plan-Konzept auch für die heutige Schulgestaltung von Vorteil sein kann. Dazu folgt zunächst ein Überblick über die aktuelle Situation an öffentlichen Grundschulen in Bayern.
4 Herausforderungen und Probleme an öffentlichen Grundschulen in Bayern
Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) macht auf eine Situation des Mangels an bayerischen Grundschulen aufmerksam und beklagt zu große Klassen, zu wenig Personal und zu wenig Zeit, wodurch eine individuelle Förderung des Kindes nicht gewährleistet sei. Bildungs- und Erziehungsarbeit kämen dadurch zu kurz. Beziehungen und Bindungen der Schüler untereinander würden bereits am Ende der vierten Jahrgangsstufe zerstört. Geringe Lernerfolge und zunehmende Verhaltensauffälligkeiten vieler Kinder seien zu verzeichnen. (BLLV, 2007, Nr. 60)
„Bayern braucht eine grundlegende Schulreform“, fordert daher Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Er kritisiert die rein leistungsorientierte Schule und fordert einen neuen Leistungsbegriff an Bayerns Schulen, in denen die Konzentration auf Auslesediagnostik und die Vernachlässigung von Förderdiagnostik dazu führten, dass ertragreiches und nachhaltiges Lernen das Nachsehen habe. So sei es auch nicht möglich, Lust auf lebenslanges Lernen zu erzeugen. Ferner spielten individuelle Lernfortschritte nur eine untergeordnete Rolle und wichtige Schlüsselqualifikationen, wie sie später von der Wirtschaft eingefordert werden, blieben auf der Strecke. (ebd.)
Außerdem stiege die Zahl derjenigen, die die grundlegenden Regeln des sozialen Miteinanders nicht mehr kennen. Der Schulalltag sei immer mehr von Verhaltens- und Lernproblemen geprägt. Auch die Integration ausländischer Kinder stelle ein großes Problem dar. Schüler mit Migrationshintergrund hätten an allen Schularten Bayerns einen geringeren Schulerfolg als Deutsche. Zunehmend sei auch eine hohe Gewaltbereitschaft unter Schülern, Schulunlust und Frustration zu verzeichnen. (ebd.)
Darüber hinaus sei die an Deutschlands Schulen herrschende große Bildungsungerechtigkeit sehr problematisch. In der Grundschule von heute nehme die soziale Heterogenität immer weiter zu, Familienstrukturen, berufliche Orientierung und Belastung der Eltern hätten sich grundlegend verändert. Die Grundschule müsse daher verstärkt erzieherische Aufgaben übernehmen. (BLLV, 2008)
So wird in der aktuellen Situation von den öffentlichen Grundschulen der Spagat verlangt, immer mehr Wissen in immer kürzerer Zeit, unter ansteigend schlechten Bedingungen vermitteln zu müssen, während sie gleichzeitig einem erhöhten Bedarf an erzieherischer Leistung gerecht werden müssen. (BLLV, 2007, Nr. 60)
5 Lösungsansätze des Jena-Plans in Bezug auf aktuelle Schulprobleme an Bayerns Grundschulen
Mögliche Lösungsansätze für oben genannte Probleme an Bayerns Grundschulen sollen nun anhand der Kern-Elemente des Kleinen Jena-Plans überprüft werden.
5.1 Bildung und Erziehung
In der Grundschule wird die Grundlage für die gesamte Lernbiografie jedes Einzelnen gelegt. Die Grundschule muss Basiskompetenzen schaffen, auf denen die weiterführenden Schulen aufbauen können. Dieses umfasst sowohl die Wissens- als auch die Persönlichkeitsbildung.
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2008
- ISBN (PDF)
- 9783863416607
- ISBN (Paperback)
- 9783863411602
- Dateigröße
- 199 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- FernUniversität Hagen
- Erscheinungsdatum
- 2013 (Juli)
- Note
- 2,5
- Schlagworte
- Grundschule Jena-Plan Unterrichtsreform Bildungspolitik soziales Lernen Förderungskonzept
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