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Brennpunkt Gemeinsame Agrarpolitik: Die GAP der EU im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Ineffizienz und Interessen der Agrarlobby?

©2009 Bachelorarbeit 43 Seiten

Zusammenfassung

Mit der Unterzeichnung des so genannten Vertrags von Rom am 25. März 1957 wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet. Da die Landwirtschaft in Europa im Anschluss an den zweiten Weltkrieg zerrüttet und Europa somit auf umfangreiche Lebensmittelimporte angewiesen war, kam dem Bereich der Agrarpolitik in selbiger eine schwerwiegende Bedeutung zu. Im Zentrum des Interesses standen dabei, neben Produktivitätssteigerungen, die Stabilisierung der Agrarmärkte sowie die Sicherstellung einer angemessenen Lebenshaltung der Landwirte.
Die zu diesem Zweck über die Jahre hinweg eingeführten Maßnahmen der EWG, wie Schutzzölle, Exportsubventionen, Mindestpreise und Preisausgleichszahlungen, erzielten zwar die gewünschte Wirkung, machten jedoch die Aufwendung enormer finanzieller Mittel zu ihrer Umsetzung notwendig und führten ferner zu einem Selbstversorgungsgrad von mehr als 100%, in dessen Folge eingelagerte Überschüsse, unter den Begriffen "Milchseen", Butterberge" und "Fleischhalden", öffentliche Bekanntheit erlangten.
Trotz vielfacher Versuche erzielte Überschüsse zu bekämpfen und die Kosten für den Agrarsektor zu senken, lässt sich bis heute festhalten, dass lediglich 4,3% der Landwirte in der EU als Profiteure aus den staatlichen Markteingriffen der EU hervorgehen, wohingegen die Bürger als Konsumenten, 1. durch gestiegene Preise sowie 2. durch höhere Kosten für die Staatsausgaben, in doppelter Hinsicht beschnitten werden. Insgesamt verursacht die GAP daher immense volkswirtschaftliche Wohlfahrtsverluste, die eine Aufrechterhaltung selbiger in dieser Weise völlig unverständlich erscheinen lassen. Als möglicher Erklärungsansatz dafür, dass die Agrarpolitik mit einem Anteil von 44% am Gesamthaushalt (ca. 53 Milliarden Euro) unverändert den finanzstärksten Politikbereich in der EU darstellt, wird in dieser Untersuchung das Lobbying in der Agrarpolitik untersucht. So wird die These aufgestellt, dass verschiedenste Interessengruppen, durch direkte und indirekte Einflussnahme auf den politischen Entscheidungsprozess – hier insbesondere in der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission – versuchen ihre sozio- ökonomischen Interessen durchzusetzen und so einschneidende Reformen im Bereich der GAP verhindern.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundgerüst der GAP
2.1 Geschichtliche Entwicklung
2.2 Die GAP- Aufbau, rechtliche Grundlage und Finanzierung
2.2.1 Rechtliche Grundlage und Ziele der GAP
2.2.2 Die zwei Säulen der GAP
2.2.3 Finanzierung der GAP

3. Herleitung der Fragestellung
3.1 Instrumente der GAP
3.1.1 Schutzzölle
3.1.2 Exportsubventionen
3.1.3 Mindestpreise
3.1.4 Preisausgleichszahlungen
3.1.5 Zusammenführung der erläuterten Instrumente
3.2 Die GAP in Zahlen und Herleitung der Fragestellung

4. Der Entscheidungsfindungsprozess in der Europäischen Agrarpolitik
4.1 Akteure in der Europäischen Agrarpolitik
4.2 Interessenvermittlung in der GAP
4.3 Strategien
4.3.1 Formelle vs. Informelle Lobbying
4.3.2 Verhaltensweisen
4.3.3 Ein Praxisbeispiel - Der Deutsche Bauernverband (DBV)
4.4 Bilanz und Ausblick

5. Resümee

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die zwei Säulen der GAP

Abbildung 2: Auswirkungen einer Exportsubvention

Abbildung 3: Auswirkungen der GAP auf den europäischen Milchmarkt

Abbildung 4: Ausgaben der EU nach Bereichen

Abbildung 5: Konsultationsverfahren für agrarpolitische Entscheidungen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Angewandte Marktinterventionen in der EU

1. Einleitung

Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) stellt ein immerfort aktuelles Themengebiet dar. Das liegt daran, dass die Ausrichtung der GAP nicht nur für die Landwirte von immenser Bedeutung ist, sondern alle im Europaraum lebenden Menschen unmittelbar von ihr beeinflusst werden. Deshalb ist sie sowohl in der Politik, als auch in der öffentlichen Wahrnehmung von hoher Brisanz und stellt eines der wohl umstrittensten Politikfelder dar.

Auch die Wissenschaft schenkt der GAP große Beachtung, wie es die Vielzahl der zu diesem Thema verfassten Literatur beweist. Die Agrarpolitik dient dabei der Untersuchung verschiedenster Fragestellungen und liegt so den unterschiedlichsten Theorien als Forschungsgegenstand zugrunde. Einen häufig betrachteten Aspekt stellt in diesem Zusammenhang das so genannte Lobbying dar. In kaum einem anderen Bereich wird das Bestehen dieser Strukturen als derart ausgeprägt angesehen. So wird die Agrarlobby als erfolgreich organisiert verstanden und gilt gemeinhin als in der Lage die europäische Agrarpolitik zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die vorliegende Studie untersucht die GAP daher unter dem Aspekt des Lobbying. In Kapitel 2 wird jedoch zuvor ein geschichtlicher Abriss der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgenommen. Von der Entstehung bis zur heutigen Form werden dazu die historischen Entwicklungsschritte der GAP erläutert, bevor dann im dritten Kapitel ein Augenmerk auf ihre ökonomischen Auswirkungen gelegt werden kann. Dabei sollen wiederum die bedeutendsten Instrumente der GAP aufgezeigt und ihre Wirkung anschaulich dargestellt werden. Dieses Vorgehen dient der Annäherung der aufgeworfenen Fragestellung, die nachvollziehbar ermittelt und anschließend erläutert wird. In Kapitel 4 folgen die Ergebnisse der Untersuchung. Auf der Grundlage des bis hierhin erarbeiteten Forschungsstandes, werden die die wichtigsten Akteure in der GAP vorgestellt. Die Untersuchung der von ihnen verfolgten Strategien zur Beeinflussung der Agrarpolitik bildet das Kernstück dieses Kapitels. Als Materialien dient dabei nicht nur aktuelle Literatur sondern darüber hinaus wurden Interviews mit einem Mitglied der Agrarkommission sowie des deut­schen Bauernverbandes geführt, die zur Klärung der Fragestellung einen wichtigen Beitrag liefern. Abschließend wird ein Fazit gezogen und die gewonnen Erkenntnisse resümiert.

2. Grundgerüst der GAP

Dieses Kapitel soll dazu dienen, die Grundzüge der GAP darzustellen und so dem Leser einen ersten Eindruck des Aufbaus und der Arbeitsweise der GAP zu ver­mitteln. Zu diesem Zweck werden in Kapitel 2.1 erstmals die wichtigsten geschicht­lichen Entwicklungsstufen dargestellt. Anschließend gibt Kapitel 2.2 einen Überblick über die Ziele und rechtlichen Grundlagen sowie einen ersten groben Einblick in den Aufbau und die Arbeitsweise der heutigen Gemeinsamen Agrarpolitik.

2.1 Geschichtliche Entwicklung

Die Wurzeln der Gemeinsamen Agrarpolitik liegen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre. Dies macht sie zu einem der ältesten, gemeinsam regierten Bereiche der EU. Nach Ende des zweiten Weltkriegs war die Landwirtschaft in Europa zerrüttet und demnach waren auch die Nahrungsmittel knapp, so dass Europa auf umfangreiche Lebensmittelimporte angewiesen war.[1]

Vor diesem Hintergrund unterzeichneten am 25. März 1957, sechs europäische Staaten[2], den so genannten Vertrag von Rom und gründeten damit die Europäische Wirtschafts­gemeinschaft (EWG). Im Bereich der Agrarpolitik lag der Schwerpunkt zunächst in der Steigerung der Produktivität, mit dem Ziel die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu angemessenen Preisen zu sichern.[3]Die Agrarmärkte sollten stabilisiert werden und zudem sollte eine angemessene Lebenshaltung der in der Landwirtschaft Beschäftigen sichergestellt werden.[4]Im Juli des Jahres 1958 wurden auf der Landwirtschafts­konferenz von Stresa die Grundsätze der GAP festgelegt. Im Mittelpunkt stand hierbei die Schaffung eines gemeinsamen Agrar­marktes mit einer gemeinsamen Markt- und Preispolitik sowie einer Angleichung des Preisniveaus der Agrarprodukte zwischen den Mitgliedstaaten.[5]Da die Agrarpreise, aufgrund der hohen Produktionskosten innerhalb der Gemeinschaft, über den Weltmarktpreisen lagen, wurden darüber hinaus Maßnahmen zum Schutz des Marktes vor der Weltmarktkonkurrenz implementiert.[6]

Im Jahr 1960 fällte der Ministerrat die entsprechenden Beschlüsse für eine Markt- und Preispolitik mit einer einheitlichen Marktverwaltung innerhalb der EU. Von nun an wurden Agrarprodukte EU-weit zu gemeinsamen Preisen gehandelt. Gegenüber Drittstaaten wurden ferner Einfuhren besteuert und Ausfuhren subventioniert, um so die Konkurrenzfähigkeit der EU-internen Agrarprodukte auf dem Weltmarkt sicher­zustellen.[7]Eine weitere Maßnahme der GAP lag in den so genannten Mindestpreisen.[8]Liegt der am Weltmarkt erzielbare Preis unterhalb dieses Mindestpreises, kauft die Gemeinschaft die überschüssigen Waren zu dem vorgegeben Mindestpreis auf.[9]Die über die Jahre hinweg in Kraft getretenen Maßnahmen der EWG verfehlten ihre Wirkung nicht, so dass die Produktivität und Effizienz der Landwirtschaft stetig anstieg. Auch der Selbstversorgungsgrad einiger Agrarerzeugnisse erreichte zu Anfang der 1970er Jahre zum Teil 100%. Resultat war das Absinken der markträumenden Preise unter die Mindestpreise, was dazu führte, dass die Gemeinschaft dauerhaft Subven­tionen an die Landwirte zahlte, um die überproduzierten Produkte aufzukaufen und einzulagern. Diese Entwicklung sollte keine kurzfristige Erscheinung bleiben, vielmehr stieg der Selbstversorgungsgrad in den Folgejahren weiter stetig an. Die dadurch erzielten und eingelagerten Überschüsse erlangten im Allgemeinen auch unter den Begriffen "Milchseen", Butterberge" und "Fleischhalden" öffentliche Bekanntheit.[10]

Diese dauerhafte Zahlung von Subventionen führte zu einem enormen Anstieg der benötigten finanziellen Mittel. Diese erreichten zu Beginn der 1970er Jahre einen Spitzenwert von fast 90% des gesamten EU-Haushaltes während gleichzeitig die Zolleinnahmen aus Importen ausblieben. Zudem wurde der Versuch unternommen, die Überproduktionen subventioniert auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Auf diese Weise wurden die Preise der Entwicklungsländer zum Teil stark unterschritten, was auf der einen Seite zwar zum Verkauf der Produkte führte, während auf der anderen Seite Forderungen der GATT nach einer Reform der europäischen Agrarpolitik immer lauter wurden.[11]

Im Jahr 1984 begann die Gemeinschaft folgerichtig erstmals mit der Bekämpfung der Überschüsse. Durch die Einführung einer Milchquote sollen die Preise für Milch stabilisiert und "Milchseen" abgebaut werden.[12]Es dauerte jedoch vier Jahre bis es zu weiteren Schritten in der Bekämpfung der Überschüsse kam. Hintergrund der Reform von 1988 war es einen Weg zu finden, der weg von den uneingeschränkten Aufkauf- und Preisgarantien für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse führt. Durch Flächen­stilllegungs- und Vorruhestandsprogramme wurde es versucht Anreize für die Landwirte zu schaffen, weniger zu produzieren.[13]Gleichzeitig wurden die Agrar­ausgaben für die nächsten vier Jahre auf 74 % der Wachstumsrate des Bruttosozial­produktes der Gemeinschaft begrenzt.[14]

Darüber hinaus wurden die Interventionspreise bis 1996 in drei Schritten um insgesamt 33 % gesenkt, so dass die Exportüberschüsse von 40 Millionen Tonnen auf 15 Millionen Tonnen reduziert werden konnten.[15]Jedoch waren auch diese Reformen nicht in der Lage das Überschussproblem komplett zu lösen. Aus diesem Grund legte die Kommission 1991 ein neues Konzept vor, das 1992 beschlossen und als MacSharry Reform[16]bekannt wurde. Mit dieser Reform, die erstmals einen grundlegenden Kurs­wechsel in der GAP darstellte, wollte die Gemeinsame Agrarpolitik den internationalen Verpflichtungen und den Liberalisierungsforderungen der GATT gerecht werden[17], eine Entkoppelung von Preispolitik und Einkommensstützung anstreben sowie die Markt- und Preispolitik an den Markterfordernissen ausrichten.[18]Das primäre Ziel der MacSharry Reform lag in der Gewährleistung einer Stützung der Landwirte unabhängig von Preisen und produzierten Mengen[19], bspw. in Form von Produktionsverzichts­prämien, bezogen auf stillgelegte Anbauflächen oder verminderte Tierzahlen. Ein weiteres Ziel der Reform war die Erschließung neuer Einkommensquellen für die Landwirte. Darunter fiel beispielsweise die Produktion von Nicht-Nahrungsmitteln (nachwachsenden Rohstoffen) oder auch die Schaffung alternativer Beschäftigungs­quellen.[20]Ferner fand eine weitere Senkung der Interventionspreise in den MacSharry Reformen Berücksichtigung.[21]Aufgrund der Tatsache, dass die EU nach den Beitritten Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs im Jahr 1973, Griechenlands 1981, Portugals und Spaniens 1986 und Österreichs, Finnlands und Schwedens 1995 bereits auf 15 Mitgliedsstaaten an­gewachsen war und ferner weitere Beitrittswünsche zahlreicher mittel- und ost­europäischer Länder eingingen, wurde die GAP geradezu dazu gezwungen, über künftige Reformen nachzudenken. Deshalb legte die Kommission 1997 mit der Agenda 2000 einen weiteren Reformvorschlag vor, welcher in der Wahl der Instrumente der Agrarreform von 1992 sehr ähnelte. So sollten weiterhin die Interventionspreise gesenkt und Flächenstillungsprämien gezahlt werden, um die Produktion zurückzufahren. Zudem sollten Direktzahlungen als Preisausgleichszahlungen eingesetzt werden und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Produkte auf dem Weltmarkt ausgebaut werden.[22]Zunehmend spielten nun auch, insbesondere für die Verbraucher, umwelt­spezifische und qualitative Aspekte eine Rolle. Dies lag nicht zuletzt daran, dass in den 1990er Jahren zahlreiche Lebensmittelskandale[23]zu Tage kamen, die wiederum häufig langwierige Exportstopps nach sich zogen.[24]

Das Jahr 2003 ist durch die Luxemburger Beschlüsse gekennzeichnet. Diese umfassen die Loslösung der Erzeugereinkommen von der Produktionsmenge und die Einführung von Direktzahlungen, die auch schon für die Erhaltung eines "guten Zustandes" gezahlt werden.[25]Somit sind die Direktzahlungen nun an die Einhaltung bestimmter Standards gebunden. Es handelt sich hierbei um so genannte „Cross Compliance“.[26]Darüber hinaus wurden in dieser Reform Maßnahmen zur Förderungen des ländlichen Raums sowie ein weiterer Abbau der Markteingriffe durch die Gemeinschaft festgelegt.[27]Im Zuge eines so genannten Health Check im Jahr 2008 - ursprünglich „Midterm Review“ genannt - sollte die Erreichung der angestrebten Ziele aus den Luxemburger Reformen überprüft und Entscheidungen gegebenenfalls sich ändernden Rahmenbedingungen angepasst werden.[28]Eine geänderte Rahmenbedingung war es natürlich, dass sich in Folge des EU-Beitritts Zyperns, Estlands, der Tschechische Republik, Ungarns, Lettlands, Litauens, Maltas, Polens, der Slowakei und Sloweniens im Jahr 2004 sowie Bulgariens und Rumäniens im Jahr 2007 die Gesamt- und Ackerfläche der Union um 44% bzw. 55 % erweiterten.[29]

2.2 Die GAP- Aufbau, rechtliche Grundlage und Finanzierung

Dieses Kapitel soll dazu dienen, die Gemeinsame Agrarpolitik, in ihrer heutigen Form darzustellen. Zu diesem Zweck sollen zunächst einmal die rechtlichen Grundlagen der GAP aufgezeigt werden. Neben solchen, die im Gründungsvertrag der EWG fest­gehalten sind, werden hier auch wichtige spätere Ausweitungen Erwähnung finden. Im Zuge der rechtlichen Grundlage der GAP sind ebenfalls die Ziele zu nennen, die dort fest verankert sind. Anschließend soll der Aufbau, bzw. die Arbeitsweise der GAP erläutert werden. Zu diesem Zweck werden die beiden Säulen der GAP in diesem Kapitel inhaltlich vorgestellt.

2.2.1 Rechtliche Grundlage und Ziele der GAP

Die GAP unterliegt drei bedeutenden Grundprinzipien.[30]Nach dem Prinzip der Markteinheit unterliegen alle Staaten einer gemeinsamen Marktordnung und die Produkte können sich innerhalb der EU frei bewegen. Nach dem Prinzip der finan­ziellen Solidarität werden alle durch die Marktordnung entstehenden Kosten durch den gemeinsamen Haushalt finanziert. Schlussendlich legt das Prinzip der Gemeinschafts­präferenz fest, dass den EU-Erzeugnissen ein Preisvorteil gegenüber der Einfuhr von Agrarprodukten aus Drittländern eingeräumt werden muss. Der vierte Grundsatz der Mitverantwortung kam im Jahr 1979 hinzu und besagt, dass die Landwirte in einigen Sektoren an den durch die Überproduktion entstandenen Kosten beteiligt werden müssen. Die Tatsache, dass eine gemeinsame Tätigkeit der Europäischen Wirtschafts­gemeinschaft im Bereich der Agrarpolitik existiert, wurde bereits im Artikel 3 des Vertrags zur Gründung der EWG (EGV) verankert:

„Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 umfasst nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge: […] e) eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Fischerei“.[31]

Die Europäische Landwirtschaft unterliegt im Detail allerdings der gemeinschaftlichen Agrarpolitik, wie sie laut Artikel 32-38 des EG-Vertrages beschrieben wird. In Artikel 34 EGV sind beispielsweise die Optionen für die Organisation der Agrarmärkte zu finden.[32]Artikel 33 EGV gibt die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik wieder, die sowohl Erzeuger als auch Verbraucher betreffen. Selbige umfassen:[33]

- die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft,
- die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards für die Landwirte,
- die Stabilisierung der Märkte,
- die Sicherstellung der Versorgung sowie
- die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen.

Jedoch sind diese Ziele im Zuge der Reformen deutlich erweitert worden. So sind für die EU einige Ziele festgelegt worden, die auch im Rahmen der GAP zum Einsatz kommen, wie beispielsweise der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung (Art. 2 EG-Vertrag) oder auch:[34]

- Art. 6 EG-Vertrag:die Integration von Umwelterfordernissen bei der Festlegung und Durchführung konkreter Maßnahmen
- Art. 153 EG-Vertrag:die Berücksichtigung des Verbraucherschutzes
- Art. 174 EG-Vertrag:die Belange des Umweltschutzes und eine "umsichtige und rationelle" Verwendung der natürlichen Ressourcen
- Art. 157 EG-Vertrag:die Förderung benachteiligter ländlicher Gebiete, wofür ausdrücklich der Agrarhaushalt zur Verantwortung gezogen wird
- Art. 178 EG-Vertrag:die Berücksichtigung der nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Entwicklungsländer.

2.2.2 Die zwei Säulen der GAP

Die GAP wird gemäß ihrer Beschäftigungsbereiche in zwei Säulen gegliedert. Die erste Säule ist die der gemeinsamen Marktordnung. Sie befasst sich mit der Stabilisierung der Märkte. Auf diese Weise sichert sie die Einkommen der Landwirte und die Versorgung der Verbraucher. Die GAP bedient sich zahlreicher Instrumente zur Erreichung dieser Ziele. Dazu zählen Interventionen, Produktionsquoten, sowie Zölle und Subventionen, aber auch die bereits häufig erwähnten Direktzahlungen.[35]

An dieser Stelle sei darauf verweisen, dass diese Instrumente der GAP im dritten Kapitel ausführlich erläutert werden. Während die erste Säule seit Gründung der EWG besteht, wurde die zweite Säule der europäischen Agrarpolitik erst mit der verstärkten Konzentration auf umweltpolitische Aspekte der GAP, im Jahr 1992 ins Leben gerufen. Sie beschäftigt sich neben der Markt- und Einkommenspolitik auch mit der ländlichen Entwicklungspolitik innerhalb der GAP.[36]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Auswärtige Amt beschrieb die Funktion der 2. Säule auch als „einen integrierten Ansatz, der alle bisherigen Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums zusammenfasst.“[37]

Noch mehr an Bedeutung gewann die Einführung der zweiten Säule durch den Beitritt der 12 Mitgliedsstaaten in den 1990er Jahren, der zu einem Anstieg der ländlichen Gebiete und besonders der ländlichen Bevölkerung führte. So verdreifachte sich der Anteil der ländlichen Bevölkerung von ursprünglich 4% auf 12%.[38]Zu den Aufgaben der 2. Säule zählen vor allem die Umweltschutzmaßnahmen, die Diversifizierung der Einkommen im ländlichen Raum und der Schutz des ländlichen Kulturerbes.[39]Seit der Reform 2003 und der zur dieser Zeit eingeführten Modulation, fließen jährlich Finanzmittel aus der 1. Säule in die ländliche Entwicklung der 2. Säule, zu denen alle Mitgliedsstaaten verpflichtet sind.[40]Trotzdem ist die Finanzmittelverteilung zwischen den Säulen überaus asymmetrisch. Während die erste Säule mit 90% das Agrarbudget dominiert, werden lediglich die verbleibenden 10 % des Budgets für die zweite Säule aufgewendet.

2.2.3 Finanzierung der GAP

Für die Ausgaben der GAP gilt der Grundsatz der Gemeinschaftsfinanzierung. Zu diesem Zweck erfolgt die Finanzierung der GAP über den 1962 gegründeten Euro­päischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL). Dieser Fonds gliedert sich in zwei Abteilungen, die Abteilungen Garantie und Ausrichtung. Die Abteilung Garantie ist in erster Linie für die erste Säule, aber auch für einige Maßnahmen der zweiten Säule zuständig. Sie deckt die Marktorganisation für die verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse der EU und die Begleitmaßnahmen. So existiert, gemäß dem Grundsatz der Markteinheit, für die meisten europäischen Agrar­produkte eine gemeinsame Marktorganisation (GMO).[41]Die Abteilung Ausrichtung ist ausschließlich für die zweite Säule zuständig. Hier leistet sie finanzielle Beiträge zur Umstrukturierung und Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe und darüber hinaus Beiträge zum Schutz und zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung benachteiligter Gebiete.[42]Für das Jahr 2007 war in der Verordnung über die Finanzen der GAP die Einrichtung von zwei neuen Fonds vorgesehen. Zum einen dem EGL, dem Europäische Garantiefonds der Landwirtschaft, der ausschließlich für die Finanzierung der ersten Säule steht und zum anderen dem ELER, dem Europäische Landwirtschafts­fonds für die Entwicklung, der die Finanzierung der zweiten Säule umfasst.[43]

3. Herleitung der Fragestellung

Wie zuvor beschrieben, ist die Gemeinsame Agrarpolitik durch Instrumente des Markteingriffs gekennzeichnet. Abschnitt 3 der Untersuchung stellt Eingangs die, für die GAP, bedeutendsten Maßnahmen heraus. Dabei handelt es sich, neben den bereits genannten Zöllen, um Mindestpreise, Preisausgleichszahlungen und Exportsubven­tionen. Im Anschluss werden diese Instrumente in ein gemeinsames Modell überführt und so ein realitätsnäherer Marktzustand beschrieben. Aus der gewonnenen Darstellung lassen sich Profiteure und Leidtragende der beschriebenen Instrumente herausarbeiten sowie Auswirkungen für die Volkswirtschaft ableiten.

In Unterpunkt 3.2 werden anhand der GAP, die Folgen einer in 3.1 beschriebenen Politik aufgezeigt. Nach Herleitung der theoretischen Grundlage, führt die Untersuchung zu der im weiteren Verlauf untersuchten Fragestellung.

3.1 Instrumente der GAP

Protektionismus kommt aus dem englischen Sprachgebrauch – to protect – und bedeutet, etwas oder jemanden zu schützen, abzuschirmen. Eingebürgert hat sich der Begriff in der Volkswirtschaftslehre. Dort wird er als Markteingriff der Politik verstanden, der den Schutz nationaler Unternehmen vor internationaler Konkurrenz zum Ziel hat.[44]Es wird dabei zwischen tarifärem und nicht-tarifärem Protektionismus unterschieden. Ersteres beschreibt Export- und Importzölle, während nicht-tarifärer Protektionismus preis- und mengenpolitische Eingriffe umfasst.[45]

Protektionistische Markteingriffe schützen eine bestimmte Gruppe, zum Beispiel die Verbraucher eines Gutes oder einen Produktionssektor. Zugleich gibt es immer Leid­tragende dieser Politik. Wird ein Sektor geschützt, verliert ein anderer. Beispielsweise sehen sich nachgelagerte Industrien höheren Beschaffungspreisen ausgesetzt, wenn der Inlandspreis auf dem protektionierten Markt ansteigt. Zumeist sind die Konsumenten Verlierer einer solchen Politik, da diese nahezu immer eine Preissteigerung des geschützten Produktes zur Folge haben. Mithilfe einer Wohlfahrtsanalyse können die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen erfasst werden. Sie misst das entstandene Ergebnis in Form von Nutzen für die gesamte Volkswirtschaft (= Wohlfahrt).[46]In der Regel überwiegt der aus Schutzeffekten entgangene den gewonnenen Nutzen. Man spricht in einem solchen Fall von Wohlfahrtsverlusten. Das Ergebnis der politischen Maßnahme unterstützt eine oder wenige Gruppen, während der überwiegende Bevölkerungsanteil ökonomische Einbußen erleidet.[47]Neben protektionistischen Marktinterventionen bedient sich die EU weiterer Maßnahmen, um den Erwerbstätigen im Agrarsektor eine „angemessene Lebenserhaltung zu gewährleisten“.[48]Die be­deutendsten Instrumente der GAP werden im folgenden Gliederungspunkt erläutert.

3.1.1 Schutzzölle

In Kapitel 2.2 werden Zölle als eines der zentralen Mittel zum Schutz der europäischen Agrarproduzenten aufgeführt. Schützzölle stellen eine gängige Form dar, einen natio­nalen Sektor vor der Konkurrenz internationaler Unternehmen zu schützen.

Es wird zwischen Mengen- und Wertzöllen unterschieden. Ersterer ist eine festgesetzte Abgabe, die für jede Produkteinheit erhoben wird, letzterer ein prozentualer Satz des Produktwertes.[49]Unabhängig von der Ausprägung, führt die Erhebung eines Zolls zu einem Anstieg des Preises des bezollten Importgutes. Liegt der Preis inländischer Produkte über dem Einfuhrpreis ohne Zoll, so bewirkt tarifärer Protektionismus eine Anhebung des Binnenmarktpreises (Preis auf dem inländischen Markt). Folge ist eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit nationaler Hersteller und eine Belastung der Konsumenten aufgrund erhöhter Güterpreise.

3.1.2 Exportsubventionen

Mit Exportsubventionen wird das politische Ziel verfolgt, die Position nationaler Unternehmen auf dem Weltmarkt zu stärken und Einnahmen für die Produzenten durch Güterexport zu generieren. Sie stellen eine Zahlung für die Ausfuhr von Gütern dar und können wie bei einem Zoll abhängig vom Exportwert oder der Exportmenge geleistet werden. Eine Exportsubvention ermöglicht inländischen Unternehmen, ihre Güterpreise auf dem Weltmarkt zu senken. Somit werden Produzenten in eine günstigere Position versetzt, ihre Erzeugnisse international anzubieten. Das untenstehende Angebot- und Nachfragediagramm stellt die Auswirkungen einer Exportsubvention auf die Preise dar. Die Nachfragekurve D gibt die inländische Konsumentennachfrage an, die Gerade S das inländische Angebot, während die Preisgeraden (Preist0’ PreisInl und PreisExp) Angebotspreise der nationalen Unternehmen zeigen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der Ausgangssituation liegt der inländische Preis bei Preist0. Nationale Anbieter produzieren bis zu dem Punkt B. Güter im Umfang der Strecke 0A werden auf dem heimischen Markt verkauft, da hier das inländische Angebot gleich der inländischen Nachfrage ist. Die Menge AB kann nicht im Inland verkauft werden und wird exportiert.

Eine Exportsubvention treibt nun einen Keil zwischen Inlands- und Exportpreis. Der Ausfuhrpreis verringert sich von Preist0 auf PreisExp. Währenddessen steigt der Güterpreis auf dem Inlandsmarkt auf PreisInl, da die Produzenten ihre Güter solange exportieren, bis der inländische Preis auf den Wert des Exportpreises zuzüglich Subvention gestiegen ist. Die Folge ist ein Rückgang der Nachfrage auf dem Binnenmarkt (von A auf A’) und ein Anstieg der Exportmenge auf B’. Die Begünstigten der Exportsubvention sind die inländischen Produzenten, die Verlierer sind die Konsumenten des Exportlandes sowie der Staat, der die Subventionen finanziert.[50]

3.1.3 Mindestpreise

Neben protektionistischen Maßnahmen mit dem Ziel, die Position europäischer Agrarproduzenten gegenüber ausländischen Konkurrenten zu stärken, versucht die Europäische Union mit Mindestpreisen die Einkommen der Bauern zu sichern. Diese stellen eine Preisuntergrenze dar, um den Landwirten hohe Preise zu garantieren. Fällt der Preis für ein Agrarprodukt unter den festgesetzten Wert, betritt der Staat als Nach­frager den Markt und kauft eine ausreichende Menge des entsprechenden Produktes auf. Der Aufkauf führt zu einer Verknappung des Gutes. Die Reaktion des Marktes liegt in einem Anstieg des Preises, der somit wieder über die Preisuntergrenze steigt.[51]In entsprechender Höhe angesetzte Mindestpreise begünstigen die Produzenten, indem sie ihnen für ihre Erzeugnisse Preise sicherstellen, die sie bei einem freien Markt nicht erzielen würden. Zudem können die Landwirte ihre Absatzzahlen erhöhen, da zusätzlich zu den Konsumenten, der Staat als Nachfrager auftritt. Die Verbraucher stellen erneut die Verlierer dieser Politik dar. Sie sehen sich nicht nur überhöhten Preisen gegen­übergestellt, sie tragen als Steuerzahler auch die Aufkäufe des Staates mit.[52]Mindest­preise ergeben zudem den Anreiz der Überproduktion. Es erweist sich für Landwirte als profitabel, zusätzliche Gütereinheiten herzustellen, da ein gestiegenes Angebot zwar eine negative Auswirkung auf den Preis besitzt, sie aber nach wie vor die fest­geschriebene Vergütung für ihre Erzeugnisse erhalten. Sinkt nämlich der Preis infolge der Überproduktion, ist der Staat als Nachfrager gefordert, um mithilfe einer künst­lichen Verknappung des Gutes, den Mindestpreis aufrecht zu erhalten.

3.1.4 Preisausgleichszahlungen

Neben der Festsetzung eines Mindestpreises setzt die Europäische Union mit Preis­ausgleichszahlungen verstärkt auf ein weiteres preispolitisches Instrument. Diese sind dann zu entrichten, wenn der Marktpreis, trotzt Mengenregulierung, vom angestrebten Produktionspreis (Mindestpreis) abweicht. Entsteht eine Differenz zwischen dem höheren zugesicherten Preisniveau und dem (niedrigeren) tatsächlichen, so leistet die EU den Landwirten eine Ausgleichszahlung in der entsprechenden Höhe.[53]

Preisausgleichszahlungen garantieren somit die Einhaltung dieses Garantiepreises. Ihre Notwendigkeit besteht darin, dass es trotz aufmerksamster Mengensteuerung durch das zuständige Staatsorgan ein ausschließlich theoretischer Fall ist, dass Mindestpreis und Marktpreis einander stets entsprechen. Sowohl Erkennung der Preisänderung, als auch die Wirkung der Intervention finden nicht ohne Verzögerung statt und verhindern somit eine absolute Deckung der beiden Preisniveaus. Neben den ausführlich erläuterten Instrumenten der Agrarpolitik existieren weitere Interventionsinstrumente in diesem Politikfeld. Ein solches stellen Subventionen dar. Diese werden in der Regel Unter­nehmen gewährt und sind nicht mit Gegenleistungen verbunden. Es kann sich dabei sowohl um Zahlungen handeln, als auch um monetäre Begünstigungen.[54]In der GAP geleistete Direktzahlungen werden unabhängig von der produzierten Menge entrichtet. Sie sind mit Bodennutzung der Tierhaltung betreffenden Leistungen verknüpft.[55]Da diese Formen der Marktintervention für die Analyse des Agrarmarktes keinen zusätzlichen Erklärungswert besitzen, sind sie lediglich in der Tabelle 1 aufgeführt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.1.5 Zusammenführung der erläuterten Instrumente

Führt man die oben beschriebenen Marktinterventionen zusammen, lässt sich ein erster Überblick über die Auswirkungen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik ver­schaffen. Zur beispielhaften Verdeutlichung wird in Abbildung folgende Situation auf dem europäischen Milchmarkt betrachtet: Das Produkt wird innerhalb Europas kostenintensiver als auf dem Weltmarkt produziert. Zu beachten ist hierbei, dass in diesem (Partial-)Modell ausschließlich der europäische Markt analysiert wird. Preis- und Mengenbildung des Importangebots werden als exogen vorgegeben angesehen. Diese Annahme hat keine bedeutenden Veränderungen für den betrachteten Markt und dient lediglich der Vereinfachung.

Als Folge der Produktivitätsunterschiede liegt der Preis für inländische Milch (PreisInland) über dem Milchpreis ausländischer Erzeuger (PreisAusland). Europäische Landwirte beklagen Einnahmeeinbußen und werden in letzter Konsequenz vom Markt verdrängt. Um dieses Szenario abzuwenden, beschließt die EU eine Unterstützung der europäischen Landwirte. Zu diesem Zweck fasst sie drei Entschlüsse: Erstens die Errichtung eines Mindestpreises (Mindestpreis), mit dem Ziel, den Landwirten angemessene Preise zu garantieren zweitens die Erhebung von Zöllen. Diese sollen die Position der europäischen Milcherzeuger auf dem inländischen Markt stärken und drittens die Gewährung von Exportsubventionen, um den Landwirten Einnahmen auf dem Weltmarkt zu ermöglichen. Weiterhin wird Schritt 3 damit begründet, dass einer aus Mindestpreisen resultierenden Überproduktion mithilfe einer Absatzförderung auf dem internationalen Markt begegnet werden kann.

Die festgeschriebene Preisuntergrenze für das Agrarprodukt hebt den Preis für einen Liter Milch über das Niveau des Gleichgewichtspreises, der sich bei Freihandel einstellen würde (PreisInland). Ein Zoll soll garantieren, dass der Preis für Importe den Mindestpreis nicht unterschreitet, was für einen Ausgleich der Konkurrenzfähigkeit von inländischen Produzenten und Importeuren sorgt: Weltmarktpreis zuzüglich Zollabgaben liegen nun auf Niveau des Garantiepreises (PreisAusland = Mindestpreis). Dies ist jedoch kein stabiles Gleichgewicht, da es durch verschiedenste Umstände (z.B. Nachfragerückgang auf dem Weltmarkt) möglich ist, dass ausländische Produzenten einen niedrigeren Preis als den Mindestpreis verlangen. Es stellt sich der neue Marktpreis ein (Marktpreis). Eine solche Entwicklung hat ein Absenken des Marktpreises zur Folge, wodurch eine Lücke zwischen Garantie- und Mindestpreises entsteht. Die zugesicherten Ausgleichszahlungen sorgen dafür, dass die Landwirte Erstattung der Differenz von Mindest- zu Marktpreis erhalten.

Hierbei handelt es sich nicht nur um einen theoretischen Fall. Vielmehr bildet dieses Modell ein realitätsnahes Szenario ab, da wie zuvor bereits erläutert, eine absolute Übereinstimmung von Garantie- und Mindestpreises mit mengenpolitischer Intervention nicht zu erreichen ist. Die realisierten Produktionsmengen haben ihrerseits Aus­wirkungen auf das Exportangebot. Während die Menge A von den inländischen Konsumenten nachgefragt wird, produzieren die europäischen Landwirte die Menge E. Das Angebot liegt in Punkt E, da die Bauern soweit produzieren, bis ihre Kosten nicht weiter vom Mindestpreis gedeckt werden. Es ergibt sich somit ein Überschussangebot in Menge der Strecke DF. Diese Erzeugnisse werden nun exportiert. Da der Marktpreis im Europaraum jedoch über dem Weltmarktpreis (PreisAusland) liegt, subventioniert die EU jedes Exportgut mit der Differenz der beiden Preisniveaus, um ein Anhäufen der Überschüsse zu verhindern und ermöglicht den Bauern damit zusätzliche Einnahmen.

Betrachten wir nun die Folgen für die Volkswirtschaft: Die Konsumenten zahlen mehr als eigentlich nötig, da der Preis über dem Weltmarktpreis und sogar über dem inländischen Marktpreis bei Autarkie (Selbstversorgung durch inländische Produzenten) liegt. Sie fragen weniger von dem Agrarprodukt nach, da sie zu diesem Preis nur noch bereit sind, bis zu dem Punkt B zu konsumieren. Es lässt sich aufgrund der fallenden Nachfragekurve leicht ablesen, dass die Binnennachfrage bei niedrigeren Preisniveaus größer wäre. Die Landwirte hingegen steigern durch diese Politik ihre Einnahmen. Nicht nur, dass sie die ausländische Konkurrenz nicht mehr zu fürchten brauchen, sie können darüber hinaus Exporteinnahmen erwirtschaften. Der Zollsatz hebt den Preis ausländischer Produzenten an und verschafft ihnen im Inland gestiegene Wettbewerbs­fähigkeit, der Mindestpreis garantiert ihnen hohe Preise für ihre Produkte. Diese sind sogar höher, als sie es in einer Autarkiesituation wäre. Darüber hinaus weiten sie ihre produziere Menge aus, für die sie ebenfalls entlohnt werden. Dieses überschüssige Angebot exportieren sie mithilfe der Exportsubventionen, was zusätzliche Einnahmen generiert. Der Staat (bzw. die EU) erhält zwar Zolleinnahmen für die Importe, diese werden jedoch durch die zu leistenden Preisausgleichszahlungen, sowie die Export­unterstützung mehr als aufgewogen.

In der Summe lässt sich festhalten, dass lediglich die Landwirte als Profiteure aus diesen staatlichen Markteingriffen hervorgehen. Die Bürger der Europäischen Union werden in doppelter Hinsicht beschnitten. Zum einen durch gestiegene Preise und der daraus resultierenden sinkenden Nachfrage, aber auch weil sie die Kosten für die Staatsausgaben mit zu tragen haben.

Als Ergebnis dieser theoretischen Analyse der wirtschaftlichen Folgen der Gemein­samen Agrarpolitik stellt sich heraus, dass, mit den in der Landwirtschaft tätigen Personen, ein geringer Teil der Bevölkerung unterstützt wird, während das Gros öko­nomische Nachteile erfährt. Da diese den gewonnen Nutzen überwiegen, ist abzuleiten, dass die oben dargestellten Maßnahmen nicht zugunsten der Volkswirtschaft getätigt werden.[56]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2 Die GAP in Zahlen und Herleitung der Fragestellung

Aus geographischer Sicht betrachtet, spielt die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle in der Europäischen Union. 90 % der Fläche im Länderverbund wird in der Kategorie „ländliche Fläche“ geführt. Über die Hälfte davon wird landwirtschaftlich genutzt. Doch während ca. 60% der Bevölkerung in diesen Gebieten lebt, ist die wirtschaftliche Bedeutung des Agrarsektors vergleichsmäßig gering. Lediglich 3,4 % der Erwerbs­tätigen waren 2005 in der Landwirtschaft beschäftigt.[57]

Wie bereits im 2. Kapitel dargestellt, fällt die Agrarpolitik im Europaraum in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union. Dementsprechend groß ist ihr Anteil am EU-Haushalt. Im vergangenen Jahr betrug dieser ein Volumen von 120,3 Milliarden Euro, von dem die Gemeinsame Agrarpolitik im Jahre 2008 53 Milliarden Euro beanspruchte. Wie in Abbildung 4 zu sehen, stellt sie mit mehr als 44 % den finanzstärksten Politikbereich der Europäischen Union dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

34% des Haushaltes entfallen auf die klassische Agrarmarktpolitik einschließlich Direktzahlungen, den größten Verwendungszweck dieser Mittel.[58]Erstere ist auszugsweise im vorigen Kapitel beschrieben und umfasst sämtliche Maßnahmen des Markteingriffs. Die Wirtschaftsleistung des Agrarsektors hingegen ist als gering einzustufen. Der von diesem Produktionssektor erwirtschaftete Anteil am BIP des Jahres 2005 betrug lediglich 2%.[59]Dennoch handelt es sich bei dem Agrarmarkt um einen der am stärksten protektionierten Märkte in der EU. Die in Kapitel 3.1 vorgestellten Instrumente sind hauptsächlich für eine Schutzwirkung zugunsten europäischer Bauern verantwortlich. Als deren Folge klafft bei vielen Agrar­erzeugnissen eine große Lücke zwischen Weltmarkt- und Binnenpreis. Beispielsweise liegt der Preis von europäischem Zucker deutlich über dem des Weltmarktes.[60]Im Jahr 2006 betrug der Erzeugerpreis dieses Gutes in der EU das Dreifache des Preisniveaus auf den internationalen Märkten.[61]Die GAP unterstützt die europäischen Zucker­produzenten mittels der bereits aufgeführten Maßnahmen, die zu den vorgestellten Auswirkungen auf das Preisniveau führen. Die deutliche Anhebung des Inlandspreises über den Preis in anderen Ländern tragen die Konsumenten. Sie spüren die negativen Auswirkungen, die mit dem Schutz der Bauern verbunden sind. Der Zuckermarkt stellt bei einer solchen Betrachtung keine Ausnahme dar, die Situation bei den restlichen landwirtschaftlichen Erzeugnissen gestaltet sich überwiegend vergleichbar.

[...]


[1]Vgl. Maas/Schmitz, 2007, S. 94.

[2]Dies waren Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlanden und die Bundesrepublik Deutschland.

[3]Vgl. Europäische Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Die gemeinsame Agrarpolitik erklärt, S.3.

[4]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 568.

[5]Vgl. Bundesministerium für Finanzen, Gemeinsame Agrarpolitik (GAP).

[6]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 568.

[7]Vgl. Europäische Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Entwicklung der EU, 1960.

[8]Diese werden auch als Garantie- bzw. Interventionspreise betitelt.

[9]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 568. Näheres dazu in Kapitel 3.

[10]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 569.

[11]Vgl. Europäische Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Entwicklung der EU, 1970-1980.

[12]Vgl. Europäische Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Entwicklung der EU, 1984.

[13]Vgl. Schwarz/Pfeiffer, Die Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik. So wurden beispielsweise Ausgleichszahlungen verabschiedet, die gezahlt werden, wenn Landwirte einen Teil ihres Landes brach legen. Vgl. Europäische Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Entwicklung der EU, 1988.

[14]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 569.

[15]Vgl. Schwarz/Pfeiffer, Die Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik.

[16]Benannt nach dem damaligen irischen Landwirtschaftskommissar Ray MacSharry, welcher von 1989 bis 1993 im Amt war.

[17]Vgl. Bundesministerium für Finanzen, Die Luxemburger Beschlüsse zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU, 2004, S. 64.

[18]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 571.

[19]Vgl. Maas/Schmitz, 2007, S. 95.

[20]Unter alternative Beschäftigungsquellen fallen z.B. Dienstleistungen in Form von „Ferien auf dem Bauernhof“. Vgl. Schwarz/Pfeiffer, Die Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik.

[21]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 571.

[22]Vgl. Apolte et al., 2003, S. 571.

[23]In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die BSE-Krise, die Schweinepest oder auch die Maul- und Klauenseuche zu nennen.

[24]Vgl. Europäische Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Entwicklung der EU, 1992-1993.

[25]Vgl. Maas/Schmitz, 2007, S. 97.

[26]Cross Compliance bedeutet die Zusammenfassung aller Regelungen, gemäß zukünftiger Direktzahlungen innerhalb der GAP. Diese Direktzahlungen sind seit dem 1. Januar 2005 losgelöst von Produktionsmengen und stattdessen abhängig von der Einhaltung bestimmter Umwelt- Tier-, Verbraucher- oder Naturschutzmaßnahmen.

[27]Vgl. Bundesministerium für Finanzen, Die Luxemburger Beschlüsse, S. 64.

[28]Vgl. Goldberger/Großpötzl, Health Check: Wohin führt die gemeinsame Agrarpolitik?.

[29]Vgl. Bundesministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Entwicklung der EU, 2004 & 2007. Seit dem 3. Oktober 2005 steht ferner die Türkei in Beitrittsverhandlungen mit der EU.

[30]Vgl. Maas/Schmitz, 2007, S. 94.

[31]§ Artikel 3, EGV.

[32]Vgl. Bundesministerium für Finanzen, Gemeinsame Agrarpolitik (GAP).

[33]Vgl. Schwarz/Pfeiffer, Die Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik.

[34]Vgl. Schwarz/Pfeiffer, Die Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik.

[35]Vgl. Auswärtiges Amt, Gemeinsame Agrarpolitik.

[36]Vgl. Wehrheim, 2007, S. 17ff.

[37]Zitat Auswärtiges Amt, Gemeinsame Agrarpolitik.

[38]Vgl. Wehrheim, 2007, S. 17ff.

[39]Zitat Auswärtiges Amt, Gemeinsame Agrarpolitik.

[40]Vgl. Wehrheim, 2007, S. 17ff.

[41]Vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, 2005, S. 1136.

[42]Vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, 2005, S. 1136.

[43]Vgl. Europäische Kommission, Neue Perspektiven für die Entwicklung des ländlichen Raums in der EU.

[44]Vgl. Koch, 2006, S. 121.

[45]Vgl. Apolte, 2007, S. 517.

[46]Vgl. Botinger, 2003.

[47]Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2005, S. 3402.

[48]Zitat Wagener/Eger/Fritz, 2006, S. 440.

[49]Vgl. Apolte et al., 2007, S. 517.

[50]Vgl. Krugman/ Obstfeld, 2006, S. 252.

[51]Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2005, S. 2057.

[52]Vgl. Krugman/ Obstfeld, 2006, S. 253.

[53]Vgl. Wagener/ Eger/ Fritz, 2006, S. 440

[54]Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2005 , S. 2871.

[55]Vgl. Koester, 2003, S. 152.

[56]Vgl. Quelle der Basis: Krugman/ Obstfeld, 2006, S. 253-254.

[57]Bundeszentrale für politische Bildung, Gemeinsame Agrarpolitik (GAP).

[58]Vgl. Deutscher Bauernverband, 2008, S. 142.

[59]Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, Gemeinsame Agrarpolitik (GAP).

[60]Vgl. Nuss, 2007, Die WTO in Aktion: Hunger und Weltagrarmarkt.

[61]Vgl. Europäische Kommission, Die Europäische Zuckerwirtschaft, S. 4.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2009
ISBN (PDF)
9783955495480
ISBN (Paperback)
9783955490485
Dateigröße
776 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
1,7
Schlagworte
Lobbying Agrarpolitik GAP Lobbyist Landwirtschaft Subvention
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing
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Titel: Brennpunkt Gemeinsame Agrarpolitik: Die GAP der EU im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Ineffizienz und Interessen der Agrarlobby?
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