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Der Internationalisierungsprozess von ALDI SÜD: Eine Überprüfung des Uppsala Modells

©2012 Bachelorarbeit 50 Seiten

Zusammenfassung

Die Homogenisierung der Welt durch technologischen Fortschritt, Deregulierung des Welthandels und schnelleren Zugriff auf Wissen bringt neben anderen Aspekten eine verstärkte internationale Expansion vieler Unternehmen mit sich. So sind Unternehmen nicht mehr ausschließlich in ihren Heimatmärkten tätig, sondern suchen vermehrt ausländische Märkte, die sie erfolgreich bearbeiten können. Aus diesem Grund hat die Wirtschaftsforschung in der Vergangenheit zahlreiche Modelle entwickelt, die die voranschreitende Internationalisierung von Unternehmen zu erklären versuchen. Einen der bekanntesten Ansätze stellt dabei das von JAN JOHANSON und JAN-ERIK VAHLNE entwickelte Uppsala Modell des Internationalisierungsprozesses von Unternehmen dar, welches 1977 vorgestellt wurde.
Außerdem lässt sich beobachten, dass der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland einem Wandel unterliegt. So ist ein zunehmender Konzentrationsprozess hin zu oligopolistischen Marktverhältnissen festzustellen. Immer weniger und größere Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen kontrollieren immer weniger und größere Geschäfte. Die zehn größten Lebensmitteleinzelhändler vereinen bspw. ca. 89% des gesamten Branchenumsatzes, während die Anzahl von Geschäften in den vergangenen Jahrzehnten um 105.000 auf 55.000 im Jahr 2007 sank. Der Wandel wurde zudem durch das Aufkommen von Lebensmitteldiscountern wie Aldi verstärkt, die das Konsumverhalten der Verbraucher änderten, den Wettbewerbsdruck steigerten und so zu einer weiteren Branchenkonsolidierung beitrugen. Der deutsche Markt hat somit aufgrund der Existenz weniger großer Unternehmen, des hohen Preiskampfes und einer hochkompetitiven Wettbewerbssituation einen hohen Sättigungsgrad erreicht. Infolgedessen suchen deutsche Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels vermehrt nach neuen Wachstumspotentialen im Ausland. Aldi Süd kommt dabei durch den frühen Beginn seiner Internationalisierung im Jahr 1968 eine klare Pionierstellung zu.
Das Buch behandelt daher den Internationalisierungsprozess des Lebensmitteleinzelhändlers Aldi Süd und überprüft dabei den Erklärungsgehalt des Uppsala Modells.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Das Internationalisierungsmuster

Das Internationalisierungsmuster ist auf empirische Untersuchungen von Johanson/Wiedersheim-Paul (1975) gegründet und wird in die zwei Merkmale „ Psychic Distance Chain “ und „ Establishment Chain “ unterteilt (Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). Anhand dieser beiden Merkmale wird die Entwicklung der Internationalisierung von Unternehmen einerseits aus räumlicher Perspektive über die Zeit hinweg (Psychic Distance Chain) und anderseits aus zeitlicher Perspektive (Establishment Chain) beschrieben (vgl. Kutschker/Schmid, 2011, S. 466 f.).

2.2.1 Psychic Distance Chain

Die Psychic Distance Chain beschreibt die in einer zeitlich bestimmten Reihenfolge ablaufende und schrittweise erfolgende Bearbeitung von Auslandsmärkten, ausgehend vom Heimatland hin zu psychisch immer weiter entfernten Märkten. Psychische Distanz wird dabei als „sum of factors preventing the flow of information from and to the market“ (Johanson/Vahlne, 1977, S. 24) verstanden. Zu diesen Faktoren zählen bspw. Kultur-, Sprach- oder Bildungsunterschiede, aber auch wirtschaftliche oder politische Unterschiede (vgl. Dow/Karunaratna, 2006, S. 582 f.; Johanson/Vahlne, 1977, S. 24).

Die wesentliche Annahme hierbei ist, dass Unternehmen neue Auslandsmärkte nur schrittweise mit größer werdender psychischer Distanz erschließen. Folglich gehen Johanson/Vahlne davon aus, dass Unternehmen zunächst vom Heimatmarkt aus gesehen psychisch nähere und vergleichsweise vertrautere Märkte bearbeiten. Dies hängt damit zusammen, dass Unternehmen die dort empfundene Marktunsicherheit als niedriger und einen Markteintritt als erfolgsversprechender einschätzen. Zudem bieten Aktivitäten in psychisch nahen Märkten den Unternehmen die Möglichkeit auf einfache Weise ihr Marktwissen zu vergrößern (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). Dies impliziert, dass es für ein Unternehmen umso schwieriger wird, erworbene Markterfahrung zu nutzen bzw. weiteres Marktwissen zu erlangen und dieses adäquat zu deuten, je weiter es sich auf der Psychic Distance Chain vom Heimatmarkt entfernt (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 341). Betrachtet man das Ganze als konzentrische Kreise lässt sich folgern, dass erst mit fortschreitender Zeit und wachsendem Marktwissen und dadurch schwindender Unsicherheit solche Märkte erschlossen werden, welche in entfernt liegenderen Kreisen beheimatet sind (vgl. Kutschker/Schmid, 2011, S. 467).

Des Weiteren kann die psychische Distanz auch ein Entscheidungsfaktor bei der Wahl der geeigneten Internationalisierungsform sein, welche im folgenden Unterkapitel, näher erläutert wird (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 341).

2.2.2 Establishment Chain

Den zweiten Bestandteil des Internationalisierungsmusters stellt die Establishment Chain dar. Diese beschreibt die Internationalisierung von Unternehmen mit Blick auf die graduelle Entwicklung der Marktbearbeitungsform über die Zeit hinweg, entlang der sog. Establishment Chain (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). Es wird angenommen, dass sich die Internationalisierung nicht anhand einzelner, größerer Sprünge vollzieht. Vielmehr geschieht sie in Form eines zeitlichen Verhaltensmusters in kleinen Schritten und verläuft dabei auf vier allgemeingültigen und aufeinanderfolgenden Internationalisierungsstufen (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 24). Dabei ist zu beachten, dass die jeweilige Stufe durch immer stärkere Marktbindung, gesteigerten Ressourceneinsatz und wachsendes Erfahrungswissen gekennzeichnet ist. Unternehmen erhöhen also ihr Engagement in den Auslandsmärkten schrittweise, entsprechend der Markterfahrung, die sie durch ihre Auslandstätigkeiten erlangen (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 341; Johanson/Vahlne, 1990, S. 13).

Die Internationalisierung hat nach dem Uppsala Modell ihren Ausgangspunkt auf der ersten Stufe, auf welcher Unternehmen noch nicht international tätig sind. Es findet höchstens gelegentlicher Export statt und die Unternehmen verfügen kaum über Marktwissen (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13).

Die zweite Stufe zeichnet sich durch regelmäßigeren Export, gewöhnlich mittels eigenständiger Zwischenhändler aus, welche das Unternehmen im Auslandsmarkt vertreten. Auf diese Weise erlangen Unternehmen Marktwissen, wobei zu beachten ist, dass diese Marktinformationen meist oberflächlich zu bewerten sind (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13). Außerdem ist auf dieser Stufe bereits eine gewisse Ressourcenbindung im Auslandsmarkt zu beobachten (vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul, 1975, S. 307).

Mit zunehmenden Verkaufszahlen und steigender Erfahrung sowie wachsendem Marktwissen wird die Exporttätigkeit mittels Zwischenhändler auf der dritten Stufe durch eine Verkaufsniederlassung im Ausland ersetzt, bevor die Gründung ausländischer Produktionsstätten auf der vierten Stufe die Establishment Chain abschließt (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 13).

Da Internationalisierungsformen wie bspw. eigene Produktionsniederlassungen ressourcenintensiver sind, lässt sich folgern, dass die Bindung von Ressourcen umso größer ist, je weiter ein Unternehmen auf der Establishment Chain fortgeschritten ist (vgl. Johanson/ Vahlne, 1990, S. 13; Johanson/Wiedersheim-Paul, 1975, S. 307).

Bei der Betrachtung der Establishment Chain sollte jedoch beachtet werden, dass sie lediglich den idealtypischen Verlauf aufzeigt. So kann es bspw. sein, dass Unternehmen bestimmte Stufen überspringen, da sie bereits über Erfahrungswissen aus anderen Auslandsengagements verfügen. Möglich ist auch, dass bestimmte Märkte schlicht zu klein sind, als dass die Bearbeitung durch ressourcenintensivere Stufen der Establishment Chain lohnend wäre (vgl. Johanson/Wiedersheim-Paul, 1975, S. 307).

2.3 Das Internationalisierungsmodell

Das Internationalisierungsmodell stellt den zweiten Teil des Uppsala Modells dar. Dieser soll die empirischen Überlegungen der Internationalisierungsmuster anhand eines dynamischen Modells theoretisch ausführen. Dabei stützt sich das Internationalisierungsmodell auf statische Zustandsgrößen (state aspects) und dynamische Entwicklungsgrößen (change aspects). Grundlegende Annahme des dynamischen Modells ist, dass das Ergebnis einer Entscheidung den Input der nächsten Entscheidung begründet (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 26). Die statischen Größen beinhalten die beiden Elemente Marktbindung (market commitment) und Marktwissen (market knowledge). Die dynamischen Größen werden nach (Markt)-Bindungsentscheidungen (commitment decisions) und laufenden Geschäftsaktivitäten (current activities) unterschieden.

Abb. 1 : Die Internationalisierung nach Johanson/Vahlne

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bäurle (1996), S. 69.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Internationalisierungsmodell wird in diesem Zusammenhang als ein interde-pendierendes Wechselspiel dieser vier Elemente angesehen. So beeinflussen Marktbindung und -wissen jene Entscheidungen, welche die Bindung des Unternehmens im Auslandsmarkt und die Durchführung der laufenden Geschäftsaktivitäten in der darauffolgenden Periode betreffen. Zu einem späteren Zeitpunkt haben diese wiederum Auswirkungen auf den Grad der Marktbindung und die Höhe des Marktwissens (vgl. Forsgren, 2002, S. 260).

Im Folgenden werden nun die statischen und dynamischen Elemente sowie der Aufbau und das Zusammenspiel der ihnen zugrundeliegenden Bestandteile näher betrachtet.

2.3.1 Statische Elemente

Marktverbundenheit und Marktwissen bilden die beiden Bausteine der statischen Elemente. Johanson/Vahlne nehmen dabei an, dass beide Aspekte Entscheidungen hinsichtlich der Ressourcenbindung und der laufenden Aktivitäten in ausländischen Märkten beeinflussen (vgl. Johanson/Vahlne, 1990; S. 11).

2.3.1.1 Marktbindung

Hintergrund des statischen Elements Marktverbundenheit bzw. -bindung ist die Annahme, dass Unternehmen, vorrangig in Abhängigkeit ihres Fortschritts auf der Establishment Chain, Ressourcen in einen Auslandsmarkt transferieren und dort binden (vgl. Kutschker/Schmid, 2011, S. 467). Dabei werden zwei Komponenten von Marktbindung genannt: Die Menge der gebundenen Ressourcen sowie der Grad der Ressourcen- und folglich der Marktbindung (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 27).

Der Grad der Marktbindung lässt sich nach Johanson/Vahlne dadurch bestimmen, wie leicht bzw. schwer sich Ressourcen von einem zum nächsten Markt transferieren und dort einsetzen lassen (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 340). Dies wird am Beispiel einer Marketingabteilung verdeutlicht, welche auf die Produkte des Unternehmens spezialisiert ist und starke Beziehungen zu den Kunden des Marktes entwickelt hat. Der Grad der Ressourcenbindung ist folglich hoch. Aufgrund dessen wäre es für das Unternehmen schwer, diese kurzfristig in andere Ländermärkte bzw. Geschäftsbereiche zu transferieren (vgl. Johanson/ Vahlne, 1977, S. 27). Anhand dieses Beispiels wird einerseits deutlich, dass der Grad der Marktverbundenheit umso höher ist, je mehr Ressourcen auch in anderen Märkten und Bereichen des Unternehmens gebunden sind. Andererseits hängt der Grad der Verbundenheit vom Spezialisierungsgrad ab, den diese Ressourcen in einem bestimmten Markt aufweisen. Ein Transfer bzw. eine Reduzierung der Ressourcen würde dementsprechend umso mehr erschwert werden, je höher die Marktverbundenheit ist (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 27).

Die zweite Komponente, die Menge an gebundenen Ressourcen, beschreibt die Investitionsgröße der Ressourcen in einem Markt. Dabei beinhalten Investitionen im weitesten Sinne Investitionen für Marketing und Personal, aber auch Kapital und Wissen (vgl. Holtbrügge, 2005, S. 6 f.; Johanson/Vahlne, 1977, S. 27).

2.3.1.2 Marktwissen

International tätige Unternehmen verfügen über besonderes Wissen ausländischer Märkte, welches sie, je nach Fortschritt auf der Psychic Distance Chain, durch neue Auslandsaktivitäten erworben haben (vgl. Kutschker/Schmid, 2011, S. 468). Dieses Marktwissen macht den zweiten Bestandteil der statischen Elemente aus und ist nach Johanson/Vahlne von besonderer Signifikanz für die Internationalisierung. Eine grundlegende Annahme des Uppsala Modells ist demnach auch, dass fehlendes Wissen über einen Auslandsmarkt eines der wesentlichen Hindernisse des Internationalisierungsprozesses von Unternehmen ist (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 23). Dies ist leicht nachzuvollziehen, betrachtet man einerseits Entscheidungen, die die Möglichkeiten und Gefahren für ein Unternehmens betreffen, und andererseits die Bewertung von Alternativen. Beide setzen Wissen über die entsprechenden Märkte sowie die Durchführung verschiedener Geschäftsaktivitäten voraus (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 27). Zudem sinken wahrgenommenes Risiko und Unsicherheit eines Auslandsmarktes schrittweise mit steigendem Wissen, welches ein Unternehmen inkrementell durch Auslandsaktivitäten darüber erworben hat. Je niedriger wiederum das wahrgenommene Marktrisiko eines Auslandsmarktes ist, desto höher werden die Auslandsinvestitionen eines Unternehmens ausfallen (vgl. Forsgren, 2002, S. 259).

Darüber hinaus wird dem Lernprozess bei der Internationalisierung von Unternehmen über die Zeit hinweg große Bedeutung beigemessen. So ist jeder Internationalisierungsschritt zwar auf das begrenzte Wissen des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt gegründet. Er ist indes aber auch Teil eines stetig fortschreitenden Prozesses. Dementsprechend geht mit jeder Aktivität in einem fremden Markt ein Lerngewinn und Erfahrungszuwachs einher, der die Basis für spätere Aktionen bilden kann (vgl. Johanson/Vahlne, 2003, S. 6).

Nach Penrose (1959) lassen sich dabei zwei grundlegende Unterscheidungen treffen: das objektive Wissen und das Erfahrungswissen. Objektives Wissen umschreibt jenes Wissen, welches gelehrt und gelernt werden kann (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S.12). Es zeichnet sich durch standardisierte Erhebungs- und Übertragungsmethoden aus und lässt sich verhältnismäßig einfach in andere Märkte bzw. Geschäftseinheiten transferieren (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 340).

Erfahrungswissen hingegen stellt den entscheidenderen Faktor des Marktwissens dar, da es nicht einfach erlernt und übertragen werden kann. Vielmehr zeichnet sich Erfahrungswissen durch ein Gefühl für die Möglichkeiten und Risiken bestimmter Situationen aus. Demnach ist es an einzelne Personen gebunden und muss durch deren eigene, spezifische Erfahrungen, welche bei Tätigkeiten im Ausland gesammelt werden, schrittweise erworben werden (vgl. Johanson/Vahlne, 1990, S. 12). Dies erschwert die Weitergabe und Übertragung an andere Personen des Unternehmens[1]. Aus diesem Grund wird das Erfahrungswissen als die treibende Kraft des Internationalisierungsprozesses und der Reduzierung von Unsicherheiten gesehen (vgl. Eriksson et al.; 1997, S. 342; Johanson/Vahlne, 1977, S. 28).

Johanson/Valhne nehmen noch eine weitere Abgrenzung von Marktwissen vor. So unterscheiden sie zwischen generellem und marktspezifischem Wissen. Während generelles Wissen durch allgemeine betriebswirtschaftliche Kenntnisse wie Marketing-methoden oder Wissen über die verschiedenen Kundentypen gekennzeichnet ist, umfasst marktspezifisches Wissen spezielle Kenntnisse eines bestimmten Ländermarktes. Dazu zählen neben Kenntnissen des Betriebsklimas oder kulturelle Besonderheiten eines Landes auch bedeutende Informationen über die dortigen Kunden. Während sich generelles Wissen leicht von einem Land ins andere übertragen lässt, wird marktspezifisches Wissen vornehmlich durch Tätigkeiten im jeweiligen Ländermarkt gewonnen und kann nur schwer in andere Länder transferiert werden (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 28).

In der Fachliteratur finden sich noch weitere Differenzierungsmöglichkeiten des Erfahrungswissens, z.B. ausländisches Geschäfts-, Institutions- und Internationalisierungs-wissen (vgl. Eriksson et al.; 1997, S. 344 f.). Infolge des begrenzten Umfang der Arbeit werden diese aber nicht weiter ausgeführt.

2.3.2 Dynamische Elemente

Laufende Geschäftsaktivitäten und Entscheidungen, die die Marktverbundenheit beeinflussen (commitment decisions), bilden zusammen die dynamischen Größen des Internationalisierungsmodells. Jede Entscheidung und die Art und Weise der Ausführung laufender Geschäftsaktivitäten haben Auswirkungen auf die statischen Größen Marktbindung und Marktwissen. Diese ändern sich entsprechend der getroffenen Entscheidungen bzw. der Tätigkeiten in der vorangehenden Periode (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 27).

2.3.2.1 Laufende Geschäftsaktivitäten

Das folgende Zitat unterstreicht die Bedeutung, welche Johanson/Vahlne den laufenden Geschäftsaktivitäten für ihr Modell und die graduelle Internationalisierung von Unternehmen beimessen: „In fact, the crucial role of current activities was the main reason why the model was labelled the internationalisation process modell […]“ (Johanson/Vahlne, 2003, S. 11).

Laufende Geschäftsaktivitäten wie die Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten oder anderen Geschäftspartnern machen den Großteil täglicher Arbeit international tätiger Unternehmen aus. Infolgedessen haben laufende Tätigkeiten dynamische Auswirkungen auf das Erfahrungswissen der involvierten Personen einerseits. Sie beeinflussen aber auch den Grad der Marktbindung des Unternehmens andererseits. Die tägliche Zusammenarbeit ermöglicht es Entscheidungsträgern, mehr über Strategien, Bedürfnisse sowie Geschäfts- bzw. Marktbedingungen der verschiedenen Interessengruppen bzw. des entsprechenden Auslandsmarktes zu lernen. Auf diese Weise stellen laufende Aktivitäten die Hauptquelle des Erfahrungswissens dar, welches dementsprechend stetig erweitert wird (vgl. Eriksson et al., 1997, S. 341). Ein größerer Fundus von Erfahrungswissen mindert wiederum die Unsicherheiten eines Marktes und erhöht das Vertrauen der Geschäftspartner. Dies führt dazu, wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, dass das Unternehmen die Risiken des Marktes niedriger, die Möglichkeiten jedoch höher einschätzt. Das Unternehmen ist somit eher bereit größere Investitionen einzugehen, was zu einer schrittweisen Steigerung der Marktverbundenheit führt und somit die weitere Internationalisierung eines Unternehmens vorantreibt. Im Anschluss beginnt ein neuer Zyklus ausgehend von einem höheren Internationalisierungsniveau (vgl.; Johanson/Vahlne, 1977, S. 28 f.; Johanson/Vahlne, 2003, S. 11).

Des Weiteren nehmen Johanson/Vahlne eine Unterscheidung des Erfahrungserwerbs durch laufende Aktivitäten zwischen Betriebs- und Marktwissen vor. Sie argumentieren, dass für Geschäftsaktivitäten an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Markt sowohl Betriebs- als auch Marktwissen erforderlich sind. Daher sei die Einstellung eines mit dem Markt vertrauten externen Entscheidungsträgers zu großen Teilen nutzlos. Dieser verfügt zwar über fundierte Kenntnisse des Marktes, ist aber gleichzeitig mit den Geschäftspraktiken des einstellenden Unternehmens weitestgehend unbekannt und muss diese erst erlernen. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Erwerb von Erfahrung durch laufende Geschäftsaktivitäten über längere Zeit hinweg einer der entscheidenden Gründe dafür ist, warum die Internationalisierung von Unternehmen in den meisten Fällen ein langsam voranschreitender Prozess ist (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 29).

In dem Modell gehen Johanson/Vahlne zudem auf einen weiteren Aspekt bezüglich laufender Geschäftsaktivitäten ein. Die Wirkungen laufender Tätigkeiten können erst mit gewisser zeitlicher Verzögerung realisiert werden. Der Grund der Verzögerung liegt darin, dass bestimmte Tätigkeiten erst mehrfach wiederholt werden müssen, bevor sie greifen. Da Verzögerungen mit höheren Investitionen einhergehen, resultiert aus einer längeren, zeitlichen Verzögerung eine größere Marktbindung (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 28).

2.3.2.2 Bindungsentscheidungen

Die Relevanz von Bindungsentscheidungen für das Uppsala Modell ist der Tatsache geschuldet, dass Unternehmen mit Beginn ihrer Internationalisierung durchgehend Entscheidungen treffen. Diese beeinflussen den zukünftigen Einsatz und die künftige Bindung von Ressourcen in Auslandmärkten. Zudem sollte das Uppsala Modell ein Element enthalten, das die Auswirkungen direkter Investitionen auf die Internationalisierung von Unternehmen beinhaltet (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 29). Allerdings sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Johanson/Vahlne auch hier den Fokus auf die verhaltenstheoretische Erklärung bindungsrelevanter Entscheidungen legen und ökonomische Faktoren weitestgehend unbeachtet bleiben (vgl. Johanson/Vahlne, 2003, S. 12).

Ausschlaggebend für ressourcenbindende Entscheidungen ist, welche Entscheidungsalternativen erhoben und wie diese ausgewählt werden. Entscheidungsalternativen ergeben sich dabei als Reaktion auf mögliche Chancen oder Risiken, die durch jene Entscheidungsträger wahrgenommen werden, welche auf dem entsprechenden Markt aktiv und für diesen verantwortlich sind. Dies ist einleuchtend, da die Entscheidungsträger durch ihre Arbeit auf dem jeweiligen Markt ein Bewusstsein für die Möglichkeiten und Probleme dieses Marktes, aber auch für entsprechende Lösungsansätze entwickelt haben. Aus diesem Grund hängen Bindungsentscheidungen stark von den spezifischen Erfahrungen und dem Wissen der im betreffenden Markt tätigen Personen ab. Neue Entscheidungen werden also von den Erfahrungen der Vergangenheit beeinflusst und dort getroffen, wo diese Erfahrungen gemacht wurden (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 29; Johanson/Vahlne, 2003, S. 12 f.).

Entscheidungsalternativen sind zudem immer mit laufenden Geschäftsaktivitäten verbunden. Deshalb ist es unerheblich, ob sie in Zusammenhang mit Problemen oder Möglichkeiten identifiziert werden. Wie im letzten Kapitel bereits gesehen, führen sie in jedem Fall zu einer Steigerung der Marktverbundenheit und einer Ausweitung der Tätigkeiten im Markt (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 29).

Des Weiteren gehen Johanson/Vahlne davon aus, dass jede weitere Marktbindung einen ökonomischen Effekt und einen Unsicherheitseffekt nach sich zieht (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 29). Ökonomische Effekte hängen mit Entscheidungen zusammen, die den Umfang der Auslandsaktivitäten, also der Marktbindung von Unternehmen steigern. Es wird angenommen, dass Unternehmen ihre bereits bestehenden Tätigkeiten in einem Markt schrittweise ausweiten, bis sie ihre maximal tolerierbare Risikogrenze erreicht haben. Dies bedeutet, dass Unternehmen dann derartige Entscheidungen treffen, wenn das tatsächlich existierende Marktrisiko kleiner als das maximal erträgliche Marktrisiko ist. Diese Entscheidungen gehen i.d.R. mit einer Abnahme der Marktunsicherheit einher, in erster Linie durch Neuerwerb von Marktwissen. Voraussetzung dafür sind jedoch stabile und heterogene Marktbedingungen, eine Steigerung der Ressourcen oder eine risikofreudigere Ausrichtung des Unternehmens (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 29 f.).

Unsicherheitseffekte stehen mit der vom Entscheidungsträger wahrgenommenen Unsicherheit des Auslandmarktes in Zusammenhang. Dabei wird angenommen, dass Unternehmen Schritte zur Verringerung der Marktunsicherheit dann einleiten, wenn das existierende Marktrisiko größer als das maximal tolerierbare Marktrisiko ist. Dieser unausgewogene Zustand kann daraus resultieren, dass das maximal tolerierbare Marktrisiko eines Unternehmens sinkt oder das tatsächlich existierende Marktrisiko steigt. Gründe für einen Anstieg des tatsächlich existierenden Marktrisikos können in einer Zunahme der Marktbindung oder -unsicherheit liegen. Um dem entgegen zu wirken, werden Unternehmen derartige Schritte einleiten, welche die Interaktion und die Integration mit dem als unsicher empfundenen Marktumfeld erhöhen (z.B. Verbesserung der Kundenkommunikation) (vgl. Johanson/Vahlne, 1977, S. 29 f.).

Abschließend schränken Johanson/Vahlne den beschriebenen, graduell postulierten Ablauf anhand dreier Ausnahmen ein, bei denen eine Internationalisierung in größeren Schritten möglich ist:

1. Unternehmen verfügen über sehr große Ressourcen: Die Wirkungen einer zusätzlichen Marktbindung und somit der Marktunsicherheit würden entsprechend geringer ausfallen. Daraus lässt sich schließen, dass i.d.R. große Unternehmen größere Internationalisierungsschritte vollziehen können, da sie gewöhnlich über größere Ressourcen verfügen (vgl. .
2. Marktbedingungen des Auslandsmarktes sind stabil und homogen: Marktwissen kann problemlos auf andere Art und Weise als nur über Erfahrungswissen erlangt werden. Dies ermöglicht eine Reduzierung der Marktunsicherheit des Auslandsmarktes in kurzer Zeit und beschleunigt somit die Internationalisierung (vgl. .
3. Unternehmen bringen Erfahrungen aus gleichartigen Auslandsmärkten mit: Die Übertragung von Erfahrungen aus bereits bearbeiteten Märkten auf einen neuen Markt ist aufgrund gleichartiger Rahmenbedingungen problemlos möglich. Infolgedessen werden Marktunsicherheit und Risiko in kurzer Zeit reduziert und so der Internationalisierungsprozess beschleunigt (vgl. .

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Johanson/Vahlne geglückt ist, ein Modell zu entwickeln, das den Internationalisierungsprozess von Unternehmen anschaulich beschreibt. Dabei brachten sie sowohl die verschiedenen Ausprägungen der Internationalisierung, als auch die Elemente derselben in einen plausiblen interdependenten Zusammenhang. In der Wissenschaft wurde das Modell besonders aufgrund seiner Einfachheit und seiner spezifischen Berücksichtigung der Determinanten Erfahrung und Lernen gewürdigt. Das ursprüngliche Modell hat allerdings auch seine Einschränkungen und stieß in der Wissenschaft nicht ausschließlich auf Zustimmung. Der nächste Unterpunkt behandelt daher die Grenzen und die Kritik am Uppsala Modell.

[...]


[1] Vgl. Kapitel 2.3.2.1

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863417093
ISBN (Paperback)
9783863412098
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
Lebensmitteleinzelhandel Internationalisierungsstrategien Internationalisierung Globalisierung Kulturdimensionen psychische Distanz
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