Volkskrankheit Depression: Kann Sport Medikamente ersetzen?
Zusammenfassung
Die Wahrscheinlichkeit im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken liegt bei Männern bei 12% und bei Frauen sogar bei bis zu 26%. Die Zahl derer, die an einer chronischen, depressiven Störung leiden wird auf 30% geschätzt (Online Gesundheitsportal Vitanet).
Während in Deutschland die Krankenstände im Allgemeinen rückläufig sind, stieg die Zahl der durch Depressionen verursachten Krankheitstage im Zeitraum 2000-2004 um 42%. Laut dem Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger waren Depressionen 2003 die häufigste Ursache für eine Berentung (Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 2008).
Der Barmer Gesundheitsreport 2009 beschreibt, dass sich in den letzten fünf Jahren der Krankenstand in der Diagnosegruppe ‘Psychische und Verhaltensstörungen’ mehr als verdoppelt hat und inzwischen Platz 2 der wichtigsten Krankheiten einnimmt (Barmer, 2009).
Die Experten der WHO gehen weiterhin davon aus, dass im Jahre 2020 Depressionen neben Herz- Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und ‘verlorene Jahre’ sein werden. Somit handelt es sich hiermit um ein sehr bedeutendes gesellschaftliches und volkswirtschaftliches Problem, dass sich auf die verschiedensten Lebensbereiche des Betroffenen auswirkt und auch gesellschaftspolitisch von Interesse ist.
Vorliegende Studie beschäftigt sich eingehend und kritisch mit diesem Thema.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2.2 Abgrenzung zwischen normalen Tiefs und Depression
Die ersten schriftlichen Hinweise auf Depressionen gibt es bereits aus dem 8. Jahrhundert v. Chr.. Damals wurde von Kummer, Verzweiflung und Vereinsamung gesprochen. Erst viel später beschäftigten sich Ärzte zum ersten mal mit dem Thema dieser schmerzhaften, psychischen Veränderungen. In der ersten Sammlung medizinischer Abhandlungen aus Griechenland, den „Hippokratischen Schriften“ heißt es „Wenn Angst und Traurigkeit lange andauern, sonst handelt es sich um einen melancholischen Zustand“. Seither haben sich in der Medizingeschichte die Bezeichnungen für diesen Zustand mehrfach geändert. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Begriff Depression (Niedergeschlagenheit) (Hell, 2006, S. 28).
Es ist und bleibt problematisch den Begriff hinsichtlich verschiedener Schweregrade und Ausprägungsformen abzugrenzen, aber den Kernpunkt, nämlich das depressive Erleben hat es wohl schon immer gegeben und gehört zum Mensch sein dazu. Bis heute wird darüber gestritten, ob die Depression eine Ausnahmeerscheinung ist, die nur auf wenige Menschen zutrifft, oder ob es eine allgemeine menschliche Reaktion ist, die häufiger auftritt. Dies kann bis heute nicht eindeutig beantwortet werden, weil es von der Definition der Depression abhängt und auch davon wie umfassend die gesamte Bevölkerung auf Depression hin untersucht wird, denn wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde gibt es eine hohe Dunkelziffer der Erkrankung (Hell, 2006, S. 28).
Früher wurden nur die sehr schweren Verläufe depressiver Erkrankungen wahrgenommen. Das zeigt, das seit der Jahrhundertwende eingeführte Klassifizierungssystem, dass zum Teil heute noch gilt. Dort wurden nur schwer Depressive, manisch Depressive und Patienten, die unter zyklischen Depressionen litten aufgeführt. Erst viel später, als sich auch die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen mit dem Thema der psychischen Erkrankungen befassten, wurden die leichteren depressiven Verstimmungen mit einbezogen (Hell, 2006, S. 29).
Heute nach vielen epidemiologischen Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung stellt sich ein ganz anderes Bild dar. Die Patienten mit den schweren Depressionen, die zu Beginn den Begriff prägten, stellen nur noch eine Minderheit von einem Prozent dar. Die Mehrheit der Erkrankten hat leichtere Verläufe der Erkrankung (Hell, 2006, S. 29).
Durch repräsentative Befragungen zeigt sich, dass es zu einem Übergang zwischen gesundem Wohlbefinden und depressiver Verstimmung kommt. Das bedeutet, dass die Depression aus dem Gesunden heraus erwächst und eine mögliche Reaktionsweise auf eine Belastung darstellt. Es gibt also zum einen einen fließenden Übergang zwischen gesund und depressiv und zum anderen eine natürliche Reaktion auf eine Belastung, die Depressionen auslöst. Dies macht es so schwierig behandlungsbedürftige Depressionen zu erkennen (Hell, 2006, S. 30-31).
Selbst die Fachleute können nur sehr schwer die Grenze zwischen einer behandlungsbedürftigen Depression und einer lediglich gedrückten Stimmung als nachvollziehbare Reaktion auf ein belastendes Ereignis, ziehen. Die folgenden Symptome können bei der Abgrenzung jedoch hilfreich sein und dem Fachmann Aufschluss geben (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 35).
Ein Symptom der Depression ist die Affektstarre d.h. Der Depressive kann keine positiven Gefühle empfinden und auf positive Nachrichten mit positiven Gefühlen reagieren. Jemand der nur an einem Stimmungstief leidet, könnte sich zumindest kurzfristig über positive Ereignisse freuen. Ein depressiver Mensch kann dies nicht (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 35).
Ein weiteres Symptom, welches sich dazu eignet ein Stimmungstief von einer Depression abzugrenzen, ist die Gefühllosigkeit. Der Depressive ist unfähig Gefühle wie z.B. Trauer, Wut oder Enttäuschung zu empfinden. Wenn der Depressive wieder weinen kann ist dies ein erstes Zeichen der Besserung (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 35).
Bei einer echten Depression kommt es auch zu Tagesschwankungen der Stimmung. Die Betroffenen berichten meist darüber, dass sich die Stimmung im Laufe des Tages verbessert und die Symptome Abends fast verschwinden. Morgens starten Depressive hingegen meist mit einem Morgentief in den Tag (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 35).
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind unangemessene Schuldgefühle des Betroffenen, die überhaupt nicht zutreffen oder auch Wahnvorstellungen z.B. schwer krank zu sein oder die Angst zu haben völlig zu verarmen (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 35).
Und ein letztes Unterscheidungsmerkmal ist die Vorgeschichte des Patienten z.B. wenn es schon früher mal depressive Episoden gab, oder auch wenn Depressionen bei nahen Angehörigen vorliegen. Dann sollte der Arzt eher an eine Depression denken, als an ein normales Stimmungstief (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 35).
Im nächsten Kapitel geht es um die Ursachen, Auslöser und die Erklärungsmodelle einer Depression.
2.3 Ursachen, Auslöser und Erklärungsmodelle
Trotz intensiver Forschung, ist das Wissen um die Entstehung von Depressionen noch lückenhaft. Die Ursachen einer Depression scheinen genauso vielfältig zu sein, wie ihre Erscheinungsformen. Es gibt nicht nur die eine Ursache, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren kann die Entstehung einer Depression begünstigen. In diesem Fall sprechen wir von einem multifaktoriellen Geschehen (Schäfer, 2001, S. 35).
Bei den Erklärungsmodellen wird zwischen biologischen und psychologischen unterschieden. Die psychologischen Erklärungsmodelle unterscheiden sich in tiefenpsychologische und lerntheoretisch-kognitive Ansätze. Die Gemeinsamkeit der Modelle besteht darin, dass sie von einer negativen Ich-Bewertung ausgehen. Der Patient leidet unter einer Selbstwertstörung und es fehlt ihm häufig an sozialer Kompetenz, die sich darin äußert, dass der Patient z.B. schlecht „nein“ sagen kann, oder zu wenig auf seine eigenen Bedürfnisse achtet (Schäfer, 2001, S. 35).
Das lerntheoretisch-kognitive Modell geht davon aus, dass die Betroffenen keine Kontrolle über eigene wichtige Lebensbedingungen verspüren. Sie fühlen sich ausgeliefert, geben Verantwortung ab und erleben sich als hilflos. Das führt dazu, dass sie sich von ihrer Zukunft nichts mehr erwarten und sich dementsprechend passiv verhalten. Diese Patienten nehmen die Realität oftmals verfälscht wahr und sehen sich selbst und andere sehr negativ. Es kommt oft zu Verallgemeinerungen z.B. wird eine bestimmte Situation so bewertet, als ob dies immer so wäre. Depressive Menschen suchen nach diesem Modell die Fehler immer bei sich und sehen die Welt sehr subjektiv. Sie sehen nur das schlechte, nie das gute (Schäfer, 2001, S. 40).
Das tiefenpsychologische Modell geht davon aus, dass es in der Vergangenheit zu Verletzungen gekommen ist, die noch nicht verarbeitet wurden. Dieses Modell geht von mangelnder Wertschätzung und Anerkennung aus, oder auch von ständigen Überforderungen, gekoppelt an hohe Leistungserwartungen (Schäfer, 2001, S. 41).
Die biologischen Modelle gehen von genetischen Faktoren einerseits und andererseits von einer gestörten Neurotransmitter-Balance im Gehirn aus. In diesem Fall sind die Neurotransmitter wie z.B. Serotonin und Noradrenalin vermindert und zusätzlich besteht ein hormonelles Ungleichgewicht im Bereich des Hypothalamus und der Hypophyse sowie der Nebennierenrinde und der Schilddrüse (Schäfer, 2001, S. 35).
Der Einfluss von genetischen Faktoren wird auf ca. 41% geschätzt. Durch das Zusammenspiel anderer Risikofaktoren, kann es zum Ausbruch der Depression kommen. Deshalb ist es wichtig, die Familienanamnese mit in die Therapie einzubeziehen (Schäfer, 2001, S. 41).
Depressionen können in manchen Fällen auch scheinbar aus heiterem Himmel auftreten, ohne das es ein auslösendes Ereignis im Vorfeld der Erkrankung gibt (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 57).
So sind bei ca. einem Viertel aller depressiven Patienten keine auslösenden Lebensereignisse feststellbar (Schäfer, 2001, S. 44).
Meistens jedoch tritt eine Depression als einfache Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis, dass einen persönlich betrifft z.B. Arbeitsplatzverlust, Todesfall, oder Scheidung, auf. Jeder Mensch verarbeitet diese Ereignisse anders und die Trauerreaktion ist natürlich und erfolgt bei jedem Menschen (Lenne, 1976, S. 23).
Bei 10 bis 30% ist eine schwere psychische Belastung, oder eine Konfliktsituation der Auslöser einer Depression (Tölle, 2003, S. 46).
Wenn allerdings eine bestimmte Vulnerabilität bei einer Person vorliegt, dann kann es sein, dass diese Person auf ein entsprechendes Ereignis mit einer Depression reagiert. Wir sprechen dann von einer posttraumatischen Belastungsreaktion (Schäfer, 2001, S. 36).
Weitere Ursachen der Depression können wiederholte, oder lange andauernde Traumen sein, die zu einer psychischen Erschöpfung führen z.B. beruflicher Dauerstress oder Unzufriedenheit im Beruf. Hierbei sprechen wir von einer Erschöpfungsdepression. In unsere modernen Gesellschaft tritt diese leider sehr häufig auf, denn wir sind alle von Arbeitslosigkeit bedroht und müssen mit unserem Einsatz über unsere Grenzen hinausgehen. Wenn dann noch ungerechte Entlohnung oder schlechtes Betriebsklima hinzukommen ist die Erschöpfungsdepression meist vorprogrammiert (Faust, 1983, S. 10).
Von einer neurotischen Depression wird gesprochen, wenn die Ursache in verdrängten Schäden in der frühen Kindheit liegen. Diese Form der Depression ist für den Betroffenen meist besonders schwer zu verstehen und zu akzeptieren, weil die Ursachen dem Betroffenen nicht bewusst sind (Faust, 1983, S. 10).
Eine weitere Ursache für Depressionen sind körperliche Veränderungen z.B. in den Wechseljahren oder nach einer Schwangerschaft. Die hormonellen Veränderungen im Körper der Frau können Auslöser einer Depression sein (Faust, 1983, S. 10).
Frauen weisen ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko auf, als Männer und ebenfalls eine erhöhte Rückfallneigung. Die hormonellen Veränderungen sind ein Grund dafür. Ein weiterer Grund sind die psychosozialen Konfliktsituationen, denen die Frauen vermehrt ausgesetzt sind. Dazu zählen die Doppelbelastung von Familie und Beruf und der eigene, meist zu hohe Anspruch an sich selbst (Schäfer, 2001, S. 36-37).
Bei vielen Menschen tritt eine Depression erst im Alter auf, weil es einige Faktoren gibt, die Depressionen im Alter begünstigen z.B. die verminderte Produktion von Botenstoffen, körperliche Erkrankungen und die damit verbundenen Schmerzen. Zu den psychosozialen Auslösern zählen z.B. die Vereinsamung, der Rückzug aus dem Berufsleben, Hilflosigkeit, der Auszug der Kinder und Krankheiten (Schäfer, 2001, S. 36-38).
Oft zu finden als Ursache für Depressionen ist ein übertriebener Perfektionismus der Betroffenen. Viele Patienten, die an Depression erkranken können mit Fehlern und Unzulänglichkeiten nicht leben und wollen immer alles 200% machen. Dies führt dauerhaft zu einer großen Belastung und kann eine Depression begünstigen (Schäfer, 2001, S. 38).
Bei der oben genannten Vielzahl der Ursachen zeigt sich, dass die Experten von unterschiedlichen und zum Teil widersprüchlichen Erklärungsmodellen ausgehen. Die einen sehen als Ursache einer Depression eher Probleme in der Kindheit, die anderen eher gegenwärtige Belastungen z.B. Stress. Manche sehen als Ursache mangelnde Liebe und Wertschätzung und andere genau das Gegenteil, nämlich übermäßiges verwöhnen. Die einen gehen vom Individuum aus und sehen die Ursachen bei der erkrankten Person und die anderen sehen die Ursachen in den äußeren Umständen unserer Leistungsgesellschaft, die sich im Vergleich zu früher verändert hat und Probleme z.B. Vereinsamung und Leistungsdruck aufwirft, die für einige Menschen vielleicht zu belastend sind (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 61).
Im nächsten Kapitel geht es darum, wie der Arzt eine Depression, trotzt vielfältiger Symptome und Ursachen, diagnostizieren kann.
2.4 Diagnostik
Ganz wichtig ist es, dass der Patient oder die Angehörigen erkennen, dass sich hinter der Gemütsverfassung eine Depression verstecken könnte. Dann ist der erste Schritt seinen Hausarzt aufzusuchen und mit ihm ein vertrauensvolles Gespräch zu suchen. Nur dann hat der Patient die Chance auf eine wirkungsvolle Therapie. Das Gespräch und die Schilderung der Symptome ist die Grundlage der Diagnostik (Schäfer, 2001, S. 21).
Der Arzt muss auch immer beachten, dass sich eine Depression auch hinter körperlichen Symptomen verstecken kann. So können Kopfschmerzen, Schwindel und Verspannungen in Verbindung mit diffusen körperlichen Beschwerden wie z.B. Schlafstörungen ein Zeichen für eine Depression sein. Der Arzt muss hier gezielt nachfragen, um die richtige Diagnose zu finden (Schäfer, 2001, S. 21).
Zusätzlich zu den gesagten Worten des Patienten, kann der Arzt an der Mimik und Gestik des Patienten, einiges ablesen. Bei vielen Depressiven ist z.B. der Gesichtsausdruck starr und der Patient meidet den Blickkontakt. Außerdem ist die Sprache langsam und leise. Auch dies sind Anzeichen für eine Depression und müssen vom Arzt in die Diagnosefindung mit einbezogen werden (Schäfer, 2001, S. 21).
Auffallend ist auch eine Passivität und Bewegungsarmut des Patienten in Verbindung mit einer inneren Unruhe (Tölle, 2003, S. 42).
Im zweiten Schritt kann die Fremdanamnese erfolgen. Der Arzt befragt Verwandte des Betroffenen nach ihren Beobachtungen, z.B. ob der Patient sich in letzter Zeit zurückgezogen hat, oder seine Arbeit nicht mehr schafft. Diese Erkenntnisse sind sehr wichtig, weil der Patient sich meist selbst nicht so gut einschätzen kann. Beobachtungen seiner Umwelt sind für den Arzt bei der Diagnosefindung sehr wichtig (Schäfer, 2001, S. 21).
Danach sollte in jedem Fall auch eine körperliche Untersuchung sowohl internistisch als auch neurologisch erfolgen, weil die Depression auch eine Folge einer organischen Erkrankung sein kann. Die Blutuntersuchung kann wichtige Aufschlüsse über andere Erkrankungen geben, die ähnliche Symptome hervorrufen. In jedem Fall sollte auch ein EEG und ein EKG gemacht werden und bei Bedarf ein bildgebendes Verfahren z.B. MRT oder CT um Erkrankungen des Gehirns auszuschließen (Schäfer, 2001, S. 21).
Danach erfolgen Selbst- und Fremdbeurteilungsbögen. Der Patient und/oder seine Angehörigen füllen diese Bögen. auf denen Fragen mit bestimmten Skalen sind,.aus. So können einzelne Merkmale viel genauer erfasst werden, denn es wird nicht mehr nach dem ganzheitlichen Bild gefragt, dass sowieso schwer zu erfassen ist, sondern gezielter (Hell, 2006, S. 35).
Dieses Vorgehen ist heutzutage auch deshalb führend, weil die Weltgesundheitsorganisation und die Amerikanische Gesellschaft für Psychatrie für die Diagnose, das Vorliegen einer bestimmten Anzahl von Symptomen verlangt. Die WHO hat hierzu einen Katalog Haupt- oder Leitsymptomen und Zusatzsymptomen zusammengestellt. Die Symptome ähneln den bereits aufgeführten Symptomen, allerdings ist hier von der WHO eine Gewichtung der Symptome vorgenommen worden, denn zu den Leitsymptomen zählen hier:
- die depressive Verstimmung: die meiste Zeit des Tages, fast jeden Tag, mindestens zwei Wochen lang.
- der Verlust an Interessen und der verminderte Antrieb
- die gesteigerte Ermüdbarkeit
Zu den Zusatzsymptomen zählen:
- verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit (Selbstvorwürfe)
- negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Suizidgedanken, suizidales Verhalten, erfolgte Selbstverletzung
- Schlafstörungen
- Verminderter Appetit
Der Arzt fragt diese Punkte beim Patienten ab und kann somit zum einen feststellen, ob eine Depression vorliegt und wie schwer sie ist und zum anderen bei mehrmaliger Befragung auch eine Verbesserung der Symptome feststellen (Hell, 2006, S. 35-36).
Von einer leichten Depression wird gesprochen, wenn mindestens 2 Leitsymptome und 2 Zusatzsymptome vorliegen. Als mittelgradig wird die Depression eingeschätzt, wenn mindestens 2 Hauptsymptome und 3 Zusatzsymptome vorliegen und eine schwere Depression ist gekennzeichnet durch alle 3 Hauptsymptome und mindestens 4 Zusatzsymptome (Althaus, Hegerl, Reiners, 2005, S. 27)
Ein seit vielen Jahren angewandter und sich bewährter Fragebogen stammt von A. Beck und Mitarbeitern (1961). Der Fragebogen besteht aus 21 Fragen. Der Patient muss aus mehreren Aussagen die Aussage auswählen, die auf ihn am besten zutrifft. Die Aussagen haben unterschiedlich viele Punkte, die am Schluss addiert und ausgewertet werden. Eine Beispielfrage ist:
- Ich bin nicht traurig (0)
- Ich bin traurig (1)
- Ich bin immer traurig und kann es nicht abschütteln (2)
- Ich bin so traurig oder unglücklich, dass ich es nicht ertragen kann (3)
(Thiels, 1998, S. 20-21).
Wenn sich nach dem Fragebogen der Verdacht einer Depression erhärtet hat, wird im folgenden eine Problemanalyse aufgestellt. Dabei fragt der Psychiater nach dem aktuellen Verhalten und Handlungsabläufen. Es wird nach der Tages- und Wochenstruktur gefragt und auch unter welchen aktuellen Belastungen der Patient leidet. Danach wird nach dem Verhalten des Patienten gefragt, insbesondere danach, wann in welcher Situation, unerwünschtes Verhalten auftritt und welche Situation ein erwünschtes Verhalten hervorrufen. Dann sollte mit dem Patienten die Motivation etwas zu ändern besprochen werden und auch von wem der Patient Hilfestellungen bekommen kann. Der Psychiater sollte mit dem Patienten auch klären, was der Patient selber dazu beitragen kann, dass sich sein Zustand bessert. In diesem Zusammenhang sollte auch besprochen werden wie die Behandlung bis jetzt erfolgte und welche Bewältigungsstrategien dem Patienten zur Verfügung stehen. Danach sollte über das Umfeld des Patienten gesprochen werden. Ist der Patient sozial eingebunden, oder lebt er allein? Gibt es finanzielle Nöte, oder familiäre Probleme? (Schäfer, 2001, S. 22).
Erst wenn die Problemanalyse abgeschlossen ist, ist die Diagnose abgeschlossen und es kann mit der Therapie begonnen werden.
Nachdem der Arzt die Diagnose gestellt hat, soll es im nächster Kapitel um die Klassifizierung gehen, denn es gibt ca. 20 verschiedene depressive Krankheitsintensitäten (Gastpar, 2002, S. 25).
2.5 Klassifikation depressiver Erkrankungen
Bei der Einteilung der verschiedenen depressiven Störungen gab es in den letzten Jahren einige Änderungen. Früher wurde nach den vermuteten Ursachen (endogen, reaktiv, neurotisch) klassifiziert. Heute wird von der Symptomatik, dem Schweregrad und der Dauer der Depression ausgegangen (Weltgesundheitstag 2001).
Grundsätzlich zu unterscheiden sind die unipolaren, von den bipolaren affektiven Störungen. Bei den unipolaren, affektiven Störungen treten ausschließlich depressive Phasen auf und bei den unipolaren affektiven Störungen wechseln sich depressive und manische Phasen ab. In den manischen Phasen befinden sich die Patienten in einer unnatürlichen Gemütsverfassung. Sie sind hyperaktiv, euphorisch und glauben alles zu können, was für den Betroffenen und seine Umwelt sehr gefährlich werden kann. Die unipolaren Depressionen sind mit ca. 36% die häufigste Form der affektiven Störungen (Weltgesundheitstag 2001).
Die WHO unterscheidet in ihrer aktuellen Klassifizierung, der ICD-10-GM Version 2009 folgende affektive Störungen.
Zuerst werden die rein affektiven Störungen aufgelistet (F30-F39). Dies Gruppe enthält Störungen, bei denen das Hauptsymptom eine Veränderung der Stimmung ist oder bei denen eine Affektivität zu Depressionen, mit oder ohne begleitende Angst, oder zu gehobener Stimmung besteht. Begleitet wird dieser Stimmungswechsel meistens mit einer Veränderung des Aktivitätsniveaus. Bei dieser Art von Störung ist die Rückfallrate höher, als bei anderen depressiven Störungen. Ausgelöst werden die affektiven Störungen meist durch ein besonders, belastendes Ereignis z.B. Arbeitsplatzverlust oder der Tod eines Angehörigen.
In der Klassifizierung folgt nun die manische Episode (F30) die noch in verschiedene Untergruppen eingeteilt ist.
Zu den Untergruppen zählt auch die Hypomanie (F30.0), die sich durch eine anhaltende, leicht gehobene Stimmung, gesteigerten Antrieb und Aktivität auszeichnet. Patienten mit dieser Störung fallen oft durch ein Gefühl von Wohlbefinden und körperliche und seelische Leistungsfähigkeit auf. Weitere Kennzeichen dieser Störung sind unter anderem Selbstüberschätzung, Reizbarkeit, Gesprächigkeit, gesteigerte Libido und ein vermindertes Schlafbedürfnis. Diese Symptome halten sich allerdings soweit in Grenzen, dass es dadurch nicht zu einem Abbruch der Berufstätigkeit, oder zu sozialer Ausgrenzung kommt. Bei der Hypomanie kommt es nicht zu Halluzinationen oder Wahnvorstellungen.
Unter F30.1 wird die Manie, ohne psychotische Symptome, klassifiziert. Hierbei ist die Stimmung der Situation angemessen gehoben und kann zwischen sorgloser Heiterkeit und einer fast unkontrollierbarer Erregung schwanken. Die gehobene Stimmung wird begleitet durch einen vermehrten Antrieb, was zu Hyperaktivität, Rededrang und einem verminderten Schlafbedürfnis führen kann. Oft sind die Patienten auch stark ablenkbar, weil die Aufmerksamkeit nicht lange aufrechterhalten werden kann. Die Patienten können sich oft nicht gut selbst einschätzen. Sie neigen zu Größenideen, oder übertriebenem Optimismus. Dadurch, dass die Patienten ihre normalen sozialen Hemmungen verlieren, werden sie oft leichtsinnig, rücksichtslos und neigen zu unpassendem und persönlichkeitsfremden Verhalten.
In der Klassifizierung folgt die Manie mit psychotischen Symptomen (F30.2). Hierbei treten zusätzlich zu den Symptomen und Merkmalen, die bereits unter F30.1 beschrieben wurden noch Wahn, insbesondere Größenwahn oder Halluzinationen auf. Diese Patienten sind meist für eine normale Kommunikation unzugänglich, weil sie unter extrem ausgeprägter körperlicher Aktivität und Ideenflucht leiden.
Unter F31 finden sich die bipolaren affektiven Störungen. Diese Störung ist durch wenigstens zwei Episoden charakterisiert, in denen die Stimmung und das Aktivitätsniveau des Betroffenen stark gestört ist. Bei dieser Störung wechseln sich zwei unterschiedliche Phasen ab. Zum einen die Phase der gehobenen Stimmung, mit vermehrtem Antrieb und Aktivität und zum anderen die Phase der Stimmungssenkung gekennzeichnet durch den verminderten Antrieb und Aktivität. Wiederholte hypomanische oder manische Episoden sind ebenfalls als bipolar zu klassifizieren.
Die bipolaren affektiven Störungen sind noch einmal in insgesamt zehn Unterkategorien eingeteilt auf die in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden soll.
Unter F32 befinden sich die reinen depressiven Episoden. Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden leiden die Patienten unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Patienten haben die Fähigkeit sich über etwas zu freuen oder für etwas zu interessieren verloren und leiden und Konzentrationsschwierigkeiten. Außerdem können kleinste Aktivitäten eine ausgeprägte Müdigkeit auslösen. Oft treten auch Ein- und/oder Durchschlafstörungen auf. Der Appetit ist oft gemindert und das Selbstwertgefühl fast immer beeinträchtigt. Die gedrückte Stimmung hält über längere Zeit an und kann durch nichts aufgehellt werden. Je nachdem wie viele Symptome beim Patienten auftreten und wie stark diese Symptome ausgeprägt sind kann die depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer bezeichnet werden.
Die schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen wird unter F32.3 klassifiziert. Zusätzlich zu den unter F32.2 aufgeführten Symptomen kommen hier noch Halluzinationen, Wahnideen, psychomotorische Hemmungen oder ein Stupor so schwer ausgeprägt hinzu, dass alltägliche soziale Aktivitäten unmöglich sind und beim Patienten Lebensgefahr durch Suizid und mangelnde Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bestehen kann.
Unter Punkt F32.3 fällt auch die majore Depression, die psychogene depressive Psychose, die psychotische Depression und die reaktive depressive Psychose.
Die sonstigen depressiven Episoden finden sich unter F.32.8 und die depressive nicht näher bezeichnete Episode unter F32.9, wieder.
Unter F33 befinden sich die rezidivierenden depressiven Störungen. Hierbei handelt es sich um eine Störung, die sich durch wiederholte depressive Phasen charakterisiert. Bei dieser Form der Erkrankung treten keine manischen Phasen mit vermehrtem Antrieb auf, wohl aber Phasen mit leicht gehobener Stimmung, die meistens nach depressiven Phasen und nach einer antidepressiven Behandlung, auftreten. Die erste Episode dieser Form der Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, der Beginn kann akut aber auch schleichend sein, die Dauer kann einige Wochen aber auch viele Monate betragen. Es kann auch sein, dass nach vielen depressiven Episoden eine manische Phase auftritt, was dann dem Krankheitsbild der bipolaren affektiven Störungen entspricht.
Auch hier werden wieder verschiedene Schweregrade unterschieden. Bei den unter F33.0- F33.2 aufgeführten rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig leichter, mittelgradiger oder schwerer Episode handelt es sich um wiederholte depressive Episoden, bei der die aktuelle als leicht, mittelgradig bzw. schwer eingestuft wird und ohne dass es manische Episoden gibt.
Unter F34 geht es in der Klassifizierung weiter mit den anhaltenden affektiven Störungen. Hierbei handelt es sich um anhaltende und meist flukturierende Stimmungsstörungen, bei denen die Mehrzahl der einzelnen Episoden nicht schwer genug ist, um als hypomanisch oder leicht depressiv gelten zu können. Meistens dauern diese Störungen den größten Teil des Erwachsenenlebens an und der Betroffene muss ein beträchtliches subjektives Leiden und Beeinträchtigungen ertragen.
Unter F34.0 befinden sich die Zyklothymia, wobei es sich um eine andauernde Instabilität der Stimmung mit zahlreichen Episoden von Depression und leicht gehobener Stimmung handelt. Diese Phasen sind allerdings nicht schwer und anhaltend genug, um die Kriterien einer bipolaren affektiven Störung oder einer rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen.
Unter F34.1 wird die Dysthymia klassifiziert. Hierbei handelt es sich um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch anhaltend genug ist um als schwer, mittelgradig oder leicht rezidivierend eingestuft werden zu können.
Der letzte Punkt in der Liste der Klassifizierungen ist der, der anderen affektiven Störungen. Hierbei handelt es sich um eine Restkategorie für Stimmungsstörungen, die die Kriterien der bereits aufgeführten Kategorien in Bezug auf Ausprägung und Dauer nicht erfüllen.
Mit der ausführlichen Beschreibung, der Klassifizierungsliste soll aufgezeigt werden wie unterschiedlich das Krankheitsbild Depression ist und wie schwer es ist dem Patient die richtige Diagnose zu stellen, um ihn dann einer angemessenen und Erfolg versprechenden Therapie zuzuführen.
Im nächsten Kapitel geht es um Patienten bei denen mehr als eine spezifische Störung vorliegt, der sogenannten Komorbidität.
[...]
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2009
- ISBN (PDF)
- 9783863417147
- ISBN (Paperback)
- 9783863412142
- Dateigröße
- 238 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Paderborn
- Erscheinungsdatum
- 2013 (Juli)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- Sportwissenschaft Sporttherapie Psychologie psychische Störungen psychische Krankheit