Lade Inhalt...

Die „Volkspartei“ schafft sich ab: Eine Analyse der Wahlverluste der ÖVP

©2011 Bachelorarbeit 77 Seiten

Zusammenfassung

Aufgrund der seit den 1970er Jahren stetig sinkenden Wahlergebnisse der ÖVP ist es fraglich, ob die Österreichische Volkspartei überhaupt eine 'Volkspartei' im eigentlichen Sinne des Namens ist. Auch Müller (2005) stellt sich die Frage, inwieweit die Namensgebung der Parteien als 'Volksparteien' Aussagekraft über die strategische Positionierung dieser für das gesamte 'Volk' hat. Ist die ÖVP 'Volkspartei', nur weil sie dessen Namen trägt?
Zu Beginn dieser Arbeit untersucht die Autorin, ob die Österreichische Volkspartei eine 'Volkspartei' im eigentlichen Sinne ihres Namens ist. Denn laut einer Analyse westeuropäischer 'Volksparteien', durchgeführt von Müller (2005), hat sich ergeben, dass der Begriff der 'Volkspartei' zusammen mit den verschiedensten ideologischen Richtungsbezeichnungen verwendet wird, die von linkssozialistischen über (wirtschafts-) liberale bis zu christdemokratischen und konservativen Parteien reichen. Während sich einige Parteien dabei als Vertreter von ethnischen Minderheiten nur auf einen jeweils geringen Teil des Staatsvolkes beziehen, wenden sich andere Volksparteien mit ihrer Politik an die Gesamtheit des Staatsvolkes.
Die bürgerlichen 'Volksparteien' wollen sich an das ganze Volk wenden, nicht nur an einzelne soziale Klassen oder Schichten wie beispielsweise Arbeiterparteien. Ob nun die ÖVP eine 'Volkspartei' darstellt oder nicht, wird die Autorin anhand der archetypischen Version einer 'Volkspartei', genauer gesagt an der Theorie der 'Catch-all Party' von Otto Kirchheimer (1966) durch die Heranziehung von literarischen Primär- und Sekundärquellen testen. Um im Weiteren die Gründe für die seit den 70er Jahren sinkenden Wahlergebnisse der ÖVP feststellen zu können, wird ein genaueres Augenmerk auf die innerparteiliche Organisationsstruktur der Österreichischen Volkspartei gelegt werden, die entlang der Länderorganisationen (föderale Struktur) sowie entlang der zentralen Bünde der ÖVP (funktionale Struktur) verläuft. Eine Analyse innerparteilicher Konfliktdimensionen, sowie teilweise Ausschnitte bisheriger Reformbestrebungen innerhalb der ÖVP sollen schließlich Antworten auf die im Buch gestellten Fragen und Hypothesen liefern.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.
CAP
-
Catch-all Party (synonym verwendet mit den Begriffen: ,,Volkspartei" bzw.
,,Allerweltspartei")
CDU - Christlich
Demokratische Union Deutschlands
CSU - Christlich
Soziale Union Deutschlands
FPÖ - Freiheitliche
Partei
Österreichs
JVP - Junge
ÖVP
KPÖ - Kommunistische
Partei
Österreichs
ÖAAB -
Österreichischer
Arbeiter- und Angestelltenbund
ÖBB - Österreichischer
Bauernbund
OECD
-
Organisation for Economic Co-operation and Development
ÖFB - Österreichische
Frauenbewegung
ÖGB - Österreichischer Gewerkschaftsbund
ÖSB - Österreichischer
Seniorenbund
ÖVP - Österreichische
Volkspartei
ÖWB - Österreichischer
Wirtschaftsbund
SPÖ - Sozialdemokratische Partei Österreichs
VdU - Verband
der
Unabhängigen
5

DANKSAGUNG.
Da ich mit dieser Arbeit nun am Ziel meines Bachelorstudiums
Politikwissenschaft stehe, ist es an der Zeit DANKE zu sagen.
Danke an alle Menschen, die mich bis zu diesem heutigen Tag begleitet, mich finanziell, wie
ideell unterstützt haben und mir immer wieder neuen Mut und Kraft gaben, weiter zu
machen.
Der vorderste Dank gebührt dabei meinem Freund und Studienkollegen Markus
Vogtenhuber. Ohne deine Hartnäckigkeit und Geduld würde ich mich sicher heute nicht an
diesem wundervollen Punkt meines Lebens befinden.
Weiters möchte ich meinen Eltern danken, die mir durch ihre finanzielle Untersützung ein
sorgenfreies Studium ermöglichten.
Auch meinem Betreuer, Herrn Mag. Dr. phil. Eric Miklin, gebührt ein besonderer Dank.
Danke für Ihre umfangreiche und kompetente Unterstützung während der ganzen Zeit der
Erstellung dieser Arbeit.
Zuletzt möchte ich mich noch bei jedem einzelnen Steuerzahler in Österreich bedanken, die
es mir ermöglicht haben, ein Studium ohne finanzielle Belastungen in Form von
Studiengebühren absolvieren zu dürfen und mir so die Möglichkeit gaben, mich voll und
ganz auf die Universität konzentrieren, sowie mich in meiner Freizeit umfassend
ehrenamtlich und politisch engagieren zu können.
Gampern, 20. April 2011
6

1.
EINLEITUNG.
1.1 DIE GESCHICHTE DER ÖSTERREICHISCHEN VOLKSPARTEI.
GRÜNDUNG 1945.
Die Österreichische Volkspartei wurde am 17. April 1945, ,,als neue, sich
von der Vergangenheit abgrenzende Partei"
1
, im Wiener Schottenstift gegründet. Diese
Namensänderung der Christlichsozialen Partei zu Beginn der Zweiten Republik in
,,Österreichische Volkspartei" passierte aus Gründen der Distanz zum politischen
Katholizismus und dem autoritären Ständestaat vergangener Jahre. Mit ihrer Neugründung
sollte die einvernehmliche, beiderseitige und vorsichtige Trennung zwischen Partei und
Kirche einhergehen. Die kirchlichen Organisationsformen wurden ebenso von jener der
Partei selbst entflochten.
2
Die ÖVP sah sich 1945 zwar noch als natürliche Heimat der Katholiken, jedoch nicht mehr als
,,politische Organisation des Kirchenvolkes"
3
. Sie sollte eine soziale Integrationspartei
darstellen, eine Volkspartei, losgelöst von der zu engen Verflechtung mit Klerus und
Hierarchie der katholischen Kirche.
4
Hinsichtlich ihrer Sozialstruktur baute die ÖVP aber
wieder auf die selben gesellschaftlichen Gruppen auf, die auch schon den Kern der
Christlichsozialen Partei gebildet hatten. Diese waren die Bauernschaft, die
Gewerbetreibenden, die Beamten und die Angestellten. Auch das kirchliche Vereinswesen,
als Vorfeld der Partei, war trotz Distanzierung nach wie vor wichtig für die ÖVP. Bis in die
1960er Jahre erfuhr die ÖVP zudem noch eine aktive Unterstützung durch die Kirche.
5
DIE ,,FUNKTIONALE STRUKTUR" DER ÖVP.
Nach der offiziellen Entflechtung von Kirche und
Partei 1945, musste die ÖVP selbst ein Netzwerk von Organisationen aufbauen, die
abgekoppelt von der Kirche die katholisch-konservative Partei mit Leben füllen würden. Aus
diesem Grund formierte die ÖVP 1945 ihre ,,bündische Struktur". ,,Sie gründete sich als
Dachverband, unter dem die nach ständischen Prinzipien konstruierten Bünde (Bauernbund,
1
Müller (2006), 341
2
Vgl. Pelinka (2005), 23, 38; Karner (2005), 24
3
Chorherr (2005), 31
4
Vgl. Khol/ Lopatka/ Molterer (2005), 8
5
Vgl. Müller (2006), 341
7

Wirtschaftsbund, Arbeiter- und Angestelltenbund) sowie geschlechts- und
generationsspezifische Teilorganisationen (Frauenbewegung, Seniorenbund, Junge
Volkspartei) ein autonomes politisches Leben führen sollten."
6
Die ÖVP wurde so zu einer, in
autonome Teilorganisationen gegliederte, Massen-Mitgliederpartei, die durch ihre
,,bündische Struktur" einen dezentralen Charakter aufwies und bei welcher die
Mitgliedschaft im Rahmen der ihr inhärenten Bünde erworben werden konnte.
7
Diese Bünde hatten auch unter der Zeit des Nationalsozialismus weiterhin bestehende
Verbindungen zwischen den einzelnen Funktionären und waren deshalb im April `45 sofort
handlungsfähig. Laut Protokoll des 1. Bundesparteitages der ÖVP 1947, wäre es ,,Wahnsinn
gewesen, hätte man von diesen schon vorhandenen Mitteln nicht Gebrauch gemacht."
8
Die
Bünde sind somit fast gleichzeitig mit der Gründung der Volkspartei formiert worden, waren
jedoch bereits vor der Gründung dieser vorhanden.
9
Personelle Repräsentanten für die Bünde in dieser Frühphase waren Lois Weinberger für den
Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖAAB), Leopold Figl für den
Österreichischen Bauernbund (ÖBB) und Julius Raab für den Österreichischen
Wirtschaftsbund (ÖWB). Die Gründung der ÖVP als soziale Integrationspartei sollte diese
unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Interessen zusammenführen. ,,Als
Generalsekretär fungierte Felix Hurdes. Ihm war es von Anfang an darum zu tun, den Bünden
und ihren divergierenden Interessen als einigendes Element organisatorisch und ideell die
Partei voranzustellen."
10
DIE ,,FÖDERALE STRUKTUR" DER ÖVP.
Die ÖVP wurde anfangs nur durch Exponenten aus
Wien und Niederösterreich gegründet und daher zu Beginn auch nur in Ostösterreich
akzeptiert. Darüber hinausgehende Teile Österreichs waren zu dieser Zeit noch unter
nationalsozialistischem Einfluss und später dann von den Alliierten besetzt.
Demarkationslinien erschwerten zusätzlich Reisen und jede Art von Kommunikation. Erst im
September 1945 wurden, im Rahmen einer gesamtösterreichischen Länderkonferenz,
wichtige Forderungen dieser Ländervertreter an die Bundesregierung berücksichtigt.
6
Pelinka (2005), 38
7
Vgl. Pelinka (2005), 37-38
8
Dax (2009), 34
9
Vgl. Chorherr (2005), 33
10
Dachs (2003), 92
8

Darunter unter anderem eine Erweiterung der Bundesregierung um die Ländervertreter. Erst
jetzt fand die Regierung Renner auch im Westen und Süden Österreichs bei den
Bundesländern grundsätzliche Zustimmung.
11
Laut Herbert Dachs
12
war genau diese
Vorgehensweise, dass die meisten Ländergruppen erst mit Verzögerung und aus freiem
Willen der ÖVP beigetreten sind, entscheidend für die innerparteiliche Entwicklung der ÖVP.
Denn waren diese, sowie dominierende Vertreter der drei Bünde, bisher formell nur
kooptiert, so rückten sie ab Herbst 1945 ins Zentrum der Partei. Sie besetzten auch
Führungspositionen im Parteipräsidium. So wurde Leopold Figl Parteiobmann, Julius Raab
und Lois Weinberger Stellvertreter.
,,Felix Hurdes, der als Generalsekretär schon immer die Vorstellung verfolgt hatte, dass die
Gesamtpartei aus zentralen, nichtbündisch strukturierten Organen gebildet und vor den
Sonderinteressen vertretenden Bünden rangieren sollte, blieb mit diesen seinen Plänen
hoffnungslos in der Minderheit. Die Bünde waren von da an für die parteiinterne
Machtverteilung auch offiziell konstitutiv."
13
Im Rahmen des ersten Bundesparteitages der
ÖVP 1947 wurde noch versucht, das brisante Verhältnis zwischen Bünden und Gesamtpartei
durch die Verabschiedung eines Parteistatutes festzulegen ,,sodass das Zusammenwirken der
Bünde untereinander und mit der Partei nicht von Zufälligkeiten oder den jeweiligen
persönlichen Einstellungen der Funktionäre der Partei oder der Bünde abhängig ist."
14
Auch die Verabschiedung einer Resolution wurde von Felix Hurdes angestrebt. Dieser
folgend hätten öffentliche Stellungnahmen der Bünde ,,nur unter dem Gesichtspunkt der
Einheitlichkeit der Partei" zu erfolgen: ,,Die Festlegung der programmatischen Grundsätze ist
Angelegenheit der Gesamtpartei. In allen politischen Fragen ist der unbedingte Primat der
Österreichischen Volkspartei anzuerkennen."
15
Doch weder Parteistatut noch Resolution fanden eine Mehrheit am Bundesparteitag.
16
SELBSTBEZEICHNUNG ALS ,,VOLKSPARTEI".
Neben ihrer Rolle als bürgerliche
Sammlungspartei der verschiedenen Berufsgruppen, verstand sich die ÖVP auch stets als
11
Vgl. Dachs (2003), 92-93
12
Vgl. (2003), 92-93
13
Dachs (2003), 93
14
Der erste Bundesparteitag der Österreichischen Volkspartei. Protokoll. 18. ­ 21. April 1947, S. 43
15
Dachs (2003), 94
16
Vgl. Dachs (2003), 94
9

Sammlungspartei der unterschiedlichsten Ideologien wie Konservatismus, Liberalismus und
Katholische Soziallehre.
17
Die ,,ersten Leitsätze" der Partei bei ihrer Gründung waren erstens
die Verfolgung einer streng antimarxistischen Linie und zweitens die Festlegung der Aufgabe
der Partei, als Kompromiss zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu
fungieren.
18
Auch der Name der neuen ,,Österreichischen Volkspartei" legt die Vermutung
nahe, dass das konservative Lager eine alle gesellschaftlichen Schichten umfassende Partei
der Mitte darstellen wollte.
19
Volkspartei statt Christlichsoziale Partei signalisierte Offenheit.
Offenheit auch Gruppen gegenüber, die nicht ausdrücklich dem kirchennahen oder gar
christlichen Bereich anhängig waren, um diese so schlussendlich zu integrieren.
20
1.2 RELEVANZ DES THEMAS.
,,VOLKSPARTEIEN" VERLIEREN AN WÄHLERZUSPRUCH.
Die Österreichische Volkspartei
erhebt den Anspruch, eine ,,Partei des Volkes für das Volk"
21
zu sein. Einhergehend mit
diesem Selbstverständnis dominierte die ÖVP die österreichische Politik ab dem Zeitpunkt
ihrer Gründung an, bis zum Ende der 1960er Jahre. Ihr war es möglich, von 1945 bis Ende der
`60er mandatsstärkste Partei und ­ mit Ausnahme der Periode 1953-1959 ­ auch
stimmenstärkste Partei in Österreich zu sein. Doch ab den 1970er Jahren begann für die
,,Partei des Volkes" eine lange Ära der Wahlniederlagen.
22
Bei der Nationalratswahl am 1. März 1970 wurde die Sozialdemokratische Partei Österreichs
(SPÖ) zum ersten Mal stimmen- und mandatsstärkste Partei. Im Gegensatz zur SPÖ, die
48,4% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte, erreichte die ÖVP nur mehr ein
Ergebnis von 44,7% der Stimmen. Dies bedeutet ein Minus von 3,6%-Punkten im Vergleich
zum 1966er Wahlergebnis der Volkspartei. Die ÖVP verlor die Regierungsbeteiligung sowie
die Kanzlerschaft.
23
Bei der nächsten Nationalratswahl im Jahr 1971 erlangte die SPÖ sogar
17
Vgl. Müller (2006), 341
18
Vgl. Chorherr (2005), 30
19
Vgl. Dax (2009), 38
20
Vgl. Sandgruber (2005), 261
21
Olt (2005), 163
22
Vgl. Müller (2006), 342; Stirnemann (1969), 1
23
Vgl. Dachs (2003), 100
10

Schaubild 1.2a: Nationalratswahlen in Österreich 1945-2008
24
Darstellung: Eigene. Quellen: Vgl. Plasser/Ulram (2006), 560; SORA - Wahlanalysen
25
Schaubild 1.2b: Mandatsverteilung in Österreich 1945-2008
26
Darstellung: Eigene. Quellen: Vgl. Khol/ Lopatka/ Molterer (2005), 362-363; SORA - Wahlanalysen
27
24
Für die Analyse relevante Parteien sind: ÖVP, SPÖ und FPÖ
25
Vgl. SORA Institute for Social Research and Consulting: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage:
http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)
26
Mandatsverteilung: 1945-1966: Basis insg. 165 Mandate; 1970-2008: Basis insg. 183 Mandate;
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
NATIONALRATSWAHLEN in Österreich 1945-2008
SPÖ
ÖVP
FPÖ
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
MANDATSVERTEILUNG in Österreich 1945-2008
SPÖ
ÖVP
FPÖ
11

Tabelle 1.2a: Nationalratswahlergebnisse in
Tabelle 1.2b: Mandatsverteilung in
Österreich 1945-2008 (Werte in %)
Österreich 1945-2008
NATIONALRATSWAHLERGEBNISSE
MANDATSVERTEILUNG
in Österreich 1945-2008
(Werte in %)
in Österreich 1945-2008
Darstellung: Eigene.
Darstellung: Eigene.
Quellen: Vgl. Plasser/Ulram (2006), 560;
Quellen: Vgl. Khol/ Lopatka/ Molterer
SORA - Wahlanalysen
28
(2005), SORA - Wahlanalysen
29
die absolute Mehrheit der Stimmen sowie Mandate. Es kam zu einer Alleinregierung der SPÖ
unter Bruno Kreisky, die bis 1983 andauern sollte. Bei der Nationalratswahl 1983 konnte die
ÖVP, mit kleinen Zugewinnen, die absolute Mehrheit der Sozialdemokratie brechen. 1986
hingegen erlitt die ÖVP erneute Wahlverluste (- 1,9%-Punkte), die jedoch im Gegensatz zu
den Einbußen der folgenden Wahl des Jahres 1990 minimal wirkten. Die ÖVP verlor auf
Kosten der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) unter Jörg Haider, 9,2%-Punkte ihrer
Stimmen. Auch 1994 büßte die ÖVP erneut Wählerstimmen ein. Die FPÖ wurde drittstärkste
27
Vgl. SORA: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage:
http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)
28
Vgl. SORA: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage:
http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)
29
Vgl. SORA: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage:
http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)
12

Partei im Lande. 1995, bei den vorgezogenen Nationalratswahlen erfuhr die Österreichische
Volkspartei eine erneute Enttäuschung. Sie gewann zwar ein Mandat (+ 0,6%-Punkte), die
SPÖ jedoch gewann 6 Mandate. Die ÖVP wird zugleich Juniorpartner in einer großen
Koalition mit der SPÖ. Bei den Wahlen 1999 kam es zu einem politischen Erdrutschsieg, doch
nicht für die ÖVP. Diese verlor 1,4%-Punkte, die FPÖ jedoch rückte mandatsmäßig gleich auf
zur ÖVP. Sie erreichte sogar mehr Stimmen als die Volkspartei.
Im September 2002 fand in Knittelfeld der außerordentliche Parteitag der FPÖ statt. Es kam
zu einem Umsturz innerhalb der FPÖ und die Partei, die Koalitionspartner in der Regierung
mit der ÖVP war, lag in Trümmern. Parteiobmann der Volkspartei, Wolfgang Schüssel, ließ
Neuwahlen abhalten, was taktisch wie auch strategisch als klug bezeichnet werden kann. Bei
den Nationalratswahlen 2002 wird die ÖVP mit 42,3% stimmenstärkste Partei. Die
Freiheitlichen büßten rund zwei Drittel ihrer Sitze ein.
30
Mit diesem Ergebnis verdrängte die
ÖVP, die SPÖ von der ersten Stelle in der Wählergunst. Das Plus von 15,4%-Punkten war das
größte, das je eine Partei der Zweiten Republik bei einer Nationalratswahl erreichen konnte.
Der riesige Wahlerfolg unter Wolfgang Schüssel war laut Fallend ein äußeres Ereignis, das
der Selbstzerstörung der FPÖ zu verdanken war. Denn diese Partei, die zuvor im Stil einer
populistischen Protestpartei Ressentiments gegen Ausländer, ,,Sozialschmarotzer" und die
beiden ,,Altparteien" schürte und damit ihren Wähleranteil sukzessive von Wahl zu Wahl
steigern konnte, kam mit dem Kompromisszwang in einer Regierung nicht zu Rande.
31
Bei der Nationalratswahl 2006 erlitt die ÖVP wieder starke Wahlverluste. Sie machte, im
Vergleich zum Erdrutschsieg 2002, ein Minus von 8%-Punkten und fiel somit wieder hinter
die SPÖ zurück. Auch 2008 ging es mit den Wahlergebnissen der Volkspartei weiter bergab.
Mit einem Verlust an Wählerstimmen von 8,3%-Punkten liegt die ÖVP heute sogar unter
ihrem Stand des Jahres 1999 und hat somit in Summe der Jahre 2006 bis 2008 mehr
Wählerstimmen verloren, als sie 2002 durch ihren, voluminösen Sieg erringen konnte.
Machte Müller
32
zu Ende seiner Arbeit die Feststellung, dass die ÖVP aufgrund der
Nationalratswahl 2002 es geschafft hätte, einen weiteren Abstieg beziehungsweise sogar
den Zerfall der Volkspartei auf längere Zeit verhindert haben zu können und die ÖVP nun
30
Vgl. Chorherr (2005), 53, 64, 70, 77, 80-85
31
Vgl. Fallend (2005), 186, 189, 199
32
Vgl. (2006), 362
13

zukünftig eine zentrale Rolle im Parteiensystem Österreichs spielen wird, so zeigt die heutige
reale Situation ein ganz anderes Bild.
Ohne Berücksichtigung des wahlpolitischen Ausreißers im Jahr 2002, bedingt durch die
Selbstzerstörung der Freiheitlichen Partei, könnte man sogar die fortwährende Linie der
Wahlverluste der ÖVP seit den 1970er Jahren zwischen den Nationalratswahlen 1999 und
2008 weiterzeichnen (siehe Schaubild 1.2a/b).
Zusammenfassend ergeben sich aus den bisherigen Überlegungen und in Bezug auf den
konkreten Fall der Österreichischen Volkspartei folgende, meine Forschung leitende, Fragen:
1.3 FORSCHUNGSLEITENDE FRAGESTELLUNGEN.
Aufgrund der seit den 1970er Jahren stetig sinkenden Wahlergebnisse der ÖVP, ist es
fraglich, ob die Österreichische Volkspartei überhaupt ,,Volkspartei" im eigentlichen
Sinne des Namens ist? Auch Müller
33
stellt sich die Frage, inwieweit die Namensgebung
der Parteien als ,,Volksparteien", Aussagekraft über die schlussendliche strategische
Positionierung dieser für das gesamte ,,Volk" hat. Ist die ÖVP ,,Volkspartei", nur weil sie
dessen Namen trägt?
Was sind die Gründe für die ab den 70er Jahren beginnenden Wahlverluste der
Österreichischen Volkspartei?
1.4 ARBEITSHYPOTHESE.
Je stärker sich die Österreichische Volkspartei am Modell einer ,,Volkspartei", also einer
Partei für ,,Alle", ausrichtet und je stärker innerparteiliche Konfliktdimensionen innerhalb
dieser ausgeprägt sind, sowie in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten, desto negativer
fallen für die betroffene Partei bundesweite Wahlerfolge aus.
1.5 VORGEHENSWEISE.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellungen zu
erreichen und damit eine Verifizierung beziehungsweise Falsifizierung meiner oben
aufgestellten Hypothese vornehmen zu können.
33
Vgl. (2005), 268
14

Zu Beginn dieser Arbeit werde ich untersuchen, ob die Österreichische Volkspartei,
überhaupt ,,Volkspartei" im eigentlichen Sinne ihres Namens ist. Denn laut einer Analyse
westeuropäischer ,,Volksparteien", durchgeführt von Müller
34
, hat sich ergeben, dass der
Begriff der ,,Volkspartei" zusammen mit den verschiedensten ideologischen
Richtungsbezeichnungen verwendet wird, die von linkssozialistischen über (wirtschafts-)
liberale bis zu christdemokratischen und konservativen Parteien reichen. Auch existieren laut
Müller bei den Parteien unterschiedliche Auffassungen über ,,das Volk". Während sich einige
Parteien als Vertreter von ethnischen Minderheiten nur auf einen jeweils geringen Teil des
Staatsvolkes beziehen, wenden sich andere Volksparteien mit ihrer Politik an die Gesamtheit
des Staatsvolkes. Resümee Müllers ist es, dass die Selbstbezeichnung der Parteien als
,,Volksparteien" also ,,keine tauglichen Anhaltspunkte für eine analytische Klassifizierung von
Parteien als ,Volksparteien`"
35
gibt. Müller
36
zitiert bei der Definition einer Volkspartei die
Begriffserklärung von Alf Mintzel, der schreibt, dass sich der Begriff der Volkspartei,
ausgehend von bürgerlichen Parteien (wie der ÖVP), polemisch gegen Arbeiterparteien
richtet, die sich als ,,Klassenparteien" verstanden. Diese bürgerlichen ,,Volksparteien" aber
wollen sich an das ganze Volk wenden, nicht nur an einzelne soziale Klassen oder Schichten.
Ob nun die ÖVP eine ,,Volkspartei" darstellt oder nicht, werde ich im Folgenden anhand der
archetypischen Version einer ,,Volkspartei", genauer gesagt an der Theorie der ,,Catch-all
Party"
37
von Otto Kirchheimer (1966), durch die Heranziehung von literarischen Primär- und
Sekundärquellen, testen.
Um im Weiteren die Gründe für die seit den 70er Jahren sinkenden Wahlergebnisse der ÖVP
feststellen zu können, werde ich genaueres Augenmerk auf die innerparteiliche
Organisationsstruktur der Österreichischen Volkspartei legen, die entlang der
Länderorganisationen (föderale Struktur), sowie entlang der zentralen Bünde der ÖVP
(funktionale Struktur) verläuft. Eine Analyse innerparteilicher Konfliktdimensionen, sowie
teilweise Ausschnitte bisheriger Reformbestrebungen innerhalb der ÖVP, sollen
schlussendlich Antworten auf die gestellten Fragen und die Hypothese liefern.
34
Vgl. (2005), 269
35
Müller (2005), 269
36
Vgl. (2005), 269
37
Otto Kirchheimer verwendet die Begriffe "Volkspartei" und "Allerweltspartei" synonym für die Bezeichnung
der ,,Catch-all Party".
15

2.
THEORETISCHE EINBETTUNG.
2.1 THEORIE DER ,,CATCH-ALL PARTY" VON OTTO
KIRCHHEIMER (1966).
In den Jahren der Nachkriegszeit ,,the mass integration party, product of an age with harder
class lines and more sharply protruding denominational structures, is transforming itself into
a catch-all ,people's party`"
38
. Anders als die Massenintegrationspartei, die in einer Zeit von
starken Klassenunterschieden und vorherrschenden Konfessionslinien entstanden war, gibt
die ,,Catch-all Party" den Versuch auf, sich die Massen geistig und moralisch einzugliedern.
Sie richtet ihr Augenmerk in viel stärkerem Maß auf die gesamte Wählerschaft.
39
,,Unter den gegenwärtigen Bedingungen einer Gesellschaft, die sich in immer größerem
Umfang an säkularen Vorstellungen und Massenkonsumgütern orientiert, in der sich die
Beziehungen zu den Klassen ändern und weniger scharf in Erscheinung treten, sind die
früheren Massenparteien auf Klassen- oder Konfessionsbasis einem Druck ausgesetzt, der sie
auf den Weg zur Allerweltspartei führt."
40
Vor allem (Massen-) Parteien mit klarem
Klassenstandpunkt (Arbeiter- und bürgerliche Parteien) in den westlichen Nationen machen
diesen Wandel durch.
Kirchheimers Catch-all Parteien öffnen ihr Programm so weit, dass sie nicht mehr nur das
eigene Klientel, die eigene Klasse beziehungsweise Basis ansprechen, sondern auch andere
Schichten für sich gewinnen können. Ziel ist es, für die Gesamtbevölkerung etwas anbieten
zu können und dadurch direkter zu Wahlerfolgen zu gelangen.
41
Die Ideologie der Partei wird
also gegen weite Ausstrahlung in der gesamten Bevölkerung und rasche Wahlerfolge
getauscht. Damalige Ziele der Massenintegrationsparteien werden laut Kirchheimer
42
von
der Volkspartei als ,,erfolgsmindernd" angesehen, weil diese Teile des potentiellen
Wählerklientels abschrecken könnten. Es folgt also ein Gang in Richtung mehr begrenzter
politischer Aufgabe. Kirchheimers Allerweltsparteien passen sich immer mehr einander an.
38
Kirchheimer (1966), 52
39
Vgl. Kirchheimer (1965), 27
40
Kirchheimer (1965), 32
41
Vgl. Kirchheimer (1966), 52
42
Vgl. (1965), 27
16

Dies bestätigt, dass das Phänomen Allerweltsparteien ein Phänomen des Wettbewerbs ist.
,,Eine Partei neigt dazu, sich dem erfolgreichen Stil ihres Kontrahenten anzupassen, weil sie
hofft, am Tag der Wahl gut abzuschneiden, oder weil sie befürchtet, Wähler zu verlieren."
43
Da es, wie bereits erwähnt, ihr Ziel ist, einen größtmöglichen Teil der potentiellen
Wählerschaft für sich zu gewinnen, muss die Allerweltspartei aber auch Forderungen
darbringen, die im Volk weithin Anklang finden. Da sie aber darüber hinaus noch bedacht ist,
in Regierungsfunktion zu bleiben, beziehungsweise diese zu übernehmen, muss sie ihre
politische Ausdrucksweise und ihre politische Funktion ,,mannigfachen Einschränkungen und
wechselnden taktischen Überlegungen unterwerfen"
44
. Die Rolle der Volkspartei erfordert
somit Anpassung und Zurückhaltung. Das bedeutet, dass die moderne Volkspartei einen
Zwischenweg zwischen der Rolle der Kritikerin und ihrer Rolle als Rückhalt des bestehenden
politischen Systems finden muss. Deshalb muss die Rolle der Volkspartei auf dem Gebiet der
Politik jene sein, welche auf dem Sektor Wirtschaft ein ,,überall gebrauchter und
standardisierter, weithin bekannter Marken- und Massenartikel ist"
45
.
,,Natürlich müssen die Unterscheidungsmerkmale so sein, dass der Artikel auf den ersten
Blick erkannt wird, aber der Grad der Unterschiedlichkeit darf niemals so groß sein, dass der
potentielle Käufer befürchten muss, als kompletter Außenseiter zu erscheinen."
46
Der Volkspartei inhärente Merkmale sind somit das Phänomen des Wettbewerbs, das
Stimmenmaximierungsprinzip, die Partei als Marken- und Massenartikel sowie die
Mobilisierung der Wähler für Handlungspräferenzen.
47
Die Catch-all Parteien orientieren sich nicht mehr nach den Vorstellungen eines
gesellschaftlichen Gemeinwohls oder an den ideologischen Prinzipien der Partei. ,,Sie stehen
vielmehr in einem von rationalen Wahlerfolgskalkülen geleiteten Wettstreit um
Wählerstimmen, und ihr eigentliches, das politische Verhalten steuerndes Ziel ist es, ihr
machtsicherndes Stimmenpotential zu steigern."
48
43
Kirchheimer (1965), 30
44
Kirchheimer (1965), 31
45
Kirchheimer (1965), 34
46
Kirchheimer (1965), 34
47
Vgl. Oberreuter (2007), 22
48
Prisching (1988), 528
17

Der Wandel von Interessenparteien zu Volksparteien, beziehungsweise von
Weltanschauungsparteien zu ,,Allerweltsparteien": ,,Catch-all Party", beinhaltet laut
Kirchheimer
49
folgende Veränderungen der Parteien:
2.2
DER WEG HIN ZUR ,,CATCH-ALL PARTY".
1.)
,,DRASTIC REDUCTION OF THE PARTY'S IDEOLOGICAL BAGGAGE."
50
Dieser Schritt beinhaltet eine Abkehr von der bisher dominierenden Ideologie einer
Partei. Stattdessen treten bei der Catch-all Partei kurzfristige taktische Überlegungen in
den Vordergrund.
2.)
,,FURTHER STRENGTHENING OF TOP LEADERSHIP GROUPS,
whose actions and
omissions are now judged from the viewpoint of their contribution to the efficiency of
the entire social system rather than identification with the goals of their particular
organization.
"
51
Das Modell einer Catch-all Partei sieht eine Stärkung der
Führungsgruppen in der Partei vor. Die Wirkung und Ausstrahlung der führenden
Politiker steht dabei an oberster Stelle.
3.)
,,DOWN-GRADING OF THE ROLE OF THE INDIVIDUAL PARTY MEMBER,
a role considered
a historical relic.
"
52
Mit der Zuwendung hin zum Modell einer Catch-all Partei kommt es
zu einem Einfluss-, Macht-, sowie zu einem Bedeutungsverlust der einzelnen
Parteimitglieder.
4.)
,,DE-EMPHASIS OF THE ,CLASSE GARDÉE', SPECIFIC SOCIAL-CLASS OR
DENOMINATIONAL CLIENTELE,
in favour of recruiting voters among the population at
large
."
53
Im Rahmen der Catch-all Partei kommt es zu einer Schwächung von
Klassenstandpunkten, einer Abwertung von Religion/ Konfession, sozialen Gruppen etc.
Dies alles passiert, um neue Wähler auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gewinnen zu
können.
5.)
,,SECURING ACCESS TO A VARIETY OF INTEREST GROUPS.
(...) secure electoral support
via interest-group intercession
."
54
Im Rahmen einer Catch-all Partei soll ein Gewinn an
49
Vgl. (1966), 58-59
50
Kirchheimer (1966), 58-59
51
Kirchheimer (1966), 58-59
52
Kirchheimer (1966), 58-59
53
Kirchheimer (1966), 58-59
54
Kirchheimer (1966), 58-59
18

Wählerstimmen auch über starke Verbindungen zu den verschiedensten
Interessengruppen eines Staates passieren. Dabei gibt es aber eine Abkehr von
bisherigen ideologisch geprägten Interessenverbänden, wie religiösen Verbindungen.
Als 6. Eigenschaft von Catch-all Parteien, beziehungsweise als eigenen Faktor, hebt Müller
55
(zusätzlich zu den bereits genannten 5 Teilaspekten von Kirchheimer) die Funktion der
,,Catch-all Party" im politischen System hervor:
6.)
FUNKTION DER CATCH-ALL PARTEI IM POLITISCHEN SYSTEM.
Kirchheimer sieht die politische Funktion der Catch-all Parteien im Untergang begriffen.
Catch-all Parteien richten ihren Fokus verstärkt nur mehr auf die Hervorbringung von
Führungspersönlichkeiten ­ anders ausgedrückt ­ auf die Nominierung von Kandidaten
für öffentliche Ämter. Unter diesem Teilaspekt fasst Müller
56
konkret die drei Bereiche:
,,Integrationsfunktion der CAP", ,,Festlegung politischer Handlungspräferenzen" und
,,Herausbildung von Führungspersönlichkeiten" zusammen, in der sich die Catch-all
Partei im politischen System von der früheren Massenintegrationspartei unterscheidet:
INTEGRATIONSFUNKTION DER ,,CAP".
Während Massenintegrationsparteien die
Bürger sehr eng an sich banden, deren Protest hörten und ihnen Schutz sowie eine
Zukunftsvision boten, erscheint die moderne Catch-all Partei heute eher
,,distanziert", bei Zeiten ,,halbamtlich" und fremdartig. Sie verzeichnet daher eine
abnehmende integrative Funktion.
FESTLEGUNG POLITISCHER HANDLUNGSPRÄFERENZEN.
Anstatt konkreter Ziele,
bleibt die moderne CAP eher allgemein. Dies tut sie, da es ihr ermöglicht, bei so
vielen Wählergruppen und Interessenvereinigungen wie möglich anzukommen.
HERAUSBILDUNG VON FÜHRUNGSPERSÖNLICHKEITEN.
Gleichzeitig mit der CAP kam
es laut Kirchheimer zu einer verstärkten Personalisierung der Politik sowie der
Wahlkämpfe. Wahlen wurden zu Schlachten zwischen Persönlichkeiten und nicht
zwischen Ideen und Themen. Die Frage: ,,Was soll die Regierung leisten?" wurde
durch die CAP mittlerweile ersetzt mit: ,,Wer soll regieren?". Kandidatennominierung
für politische Ämter wurde so zur wichtigsten Aufgabe der CAP.
55
Vgl. (1992), 183
56
Vgl. (1992), 183, 193-195
19

3.
EMPIRISCHE ÜBERPRÜFUNG.
3.1 ANALYSE DER ÖVP AN DER ,,CAP"-THEORIE
KIRCHHEIMERS.
Die ,,Volkspartei" zwingt, ganz im Gegenteil zum früheren Partikularismus und seiner
Verbreiterung der politischen Basis, zur Integration unterschiedlicher Interessen auf einer
gemeinsamen Plattform, um durch Attraktivität für ein größtmögliches Wählerpotential die
Regierungsmacht übernehmen zu können. Anstatt der früheren Intention, begrenzte,
minoritäre, soziologische beziehungsweise weltanschauliche oder interessenspezifisch
eingemauerte politische Positionen zu effektivieren, trat korrigierend der völlig neue Kurs
zur politischen Leitung und Gestaltung des Gesamtsystems.
57
Wie bereits eingangs aufgeführt und von Wolfgang C. Müller
58
bestätigt, stellt die
Selbstbezeichnung einer Partei als ,,Volkspartei", aber ,,keine tauglichen Anhaltspunkte für
eine analytische Klassifizierung von Parteien als ,Volksparteien`"
59
dar.
Ob die Österreichische Volkspartei nun eine ,,Volkspartei" im wörtlichen Sinne des Namens
ist, werde ich im Folgenden anhand der von Otto Kirchheimer ausgearbeiteten und im
vorhergehenden Kapitel dargestellten, Theorie der ,,Catch-all Partei", also der Volks- bzw.
Allerweltspartei, versuchen zu überprüfen. Ziel soll es sein, anhand der von Kirchheimer
aufgestellten und von Müller ergänzten Dimensionen einer Catch-all Partei, Schritt für Schritt
durch theoretische wie praktische Argumente eine genaue Bestimmung des Status der ÖVP
zu erreichen:
3.1.1 TEILASPEKT: IDEOLOGIE.
,,Die Großparteien haben ihre traditionelle Identität, die sie in der Vergangenheit zu dem
gemacht hat, was sie waren, schrittweise eingebüßt; ihre traditionelle Identität, die oft in das
Gegenteil des Gewohnten umschlägt, ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt, ohne dass eine
neue Identität und Kenntlichkeit sichtbar wäre oder sich auch nur ankündigte."
60
57
Vgl. Oberreuter (2007), 22
58
Vgl. (2005), 269
59
Müller (2005), 269
60
Leser (1988), 371
20

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783863417291
ISBN (Paperback)
9783863412296
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Salzburg
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
1
Schlagworte
Wahlergebnis Wahlniederlage Österreich Partei Wähler Politik
Zurück

Titel: Die „Volkspartei“ schafft sich ab: Eine Analyse der Wahlverluste der ÖVP
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
77 Seiten
Cookie-Einstellungen