Strom in Deutschland - Ist die erzeugungsseitige Versorgungssicherheit bis zum Jahr 2022 gewährleistet?
©2011
Masterarbeit
79 Seiten
Zusammenfassung
Die gesicherte Versorgung mit Elektrizität gehört zu den bedeutendsten Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum, Wertschöpfung und eine hohe Lebensqualität. In der Vergangenheit zeichnete sich Deutschland durch eine hohe Versorgungssicherheit aus. Besonders der Rückgang der Kraftwerkskapazitäten durch den Kernenergieausstieg bis 2022 und der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien stellen jedoch große Herausforderungen für die zukünftige Versorgungssicherheit dar.
Die vorliegende Studie beantwortet die Frage, ob die erzeugungsseitige Versorgungssicherheit bis zum Jahr 2022 gewährleistet ist. Die erzeugungsseitige Versorgungssicherheit muss sicherstellen, dass die gesicherte Erzeugungsleistung jederzeit größer ist als die Jahreshöchstlast. Die Entwicklung der gesicherten Erzeugungsleistung wird durch die Addition des Zubaus fossiler Kraftwerke und erneuerbarer Energien sowie der Subtraktion der zukünftig abgeschalteter Kraftwerke ermittelt. Durch den verstärkten Abbau nuklearer Kraftwerkskapazitäten sinkt die gesicherte Leistung besonders stark in den Jahren 2021 und 2022.
Die erneuerbaren Energien können zukünftig trotz des starken Ausbaus von Windkraftanlagen und Photovoltaik aufgrund der meteorologischen Abhängigkeiten nur ein Viertel des Zubaus an gesicherten Kapazitäten beitragen. Die Gegenüberstellung der gesicherten Leistung mit der Jahreshöchstlast gibt in vier Szenarien Auskunft über die Entwicklung der erzeugungsseitigen Versorgungssicherheit. Rechnerisch reicht die gesicherte Kraftwerksleistung Deutschlands in drei der vier Szenarien aus, um die Jahreshöchstlast in den Jahren 2011 bis 2022 zu decken. Allein Szenario 1 kann in den Jahren 2021 und 2022 die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten.
Aus dem Ergebnis der Analyse lassen sich mehrere Ansätze ableiten, die zu einer zusätzlichen Erhöhung der Versorgungssicherheit führen können. Diese bestehen vor allem darin, den Anteil der gesicherten Leistung bei erneuerbaren Energien zu erhöhen (z.B. durch Speicher, virtuelle Kraftwerke), die Jahreshöchstlast abzusenken und neue Investitionsanreize für Kraftwerksneubau zu generieren.
Die vorliegende Studie beantwortet die Frage, ob die erzeugungsseitige Versorgungssicherheit bis zum Jahr 2022 gewährleistet ist. Die erzeugungsseitige Versorgungssicherheit muss sicherstellen, dass die gesicherte Erzeugungsleistung jederzeit größer ist als die Jahreshöchstlast. Die Entwicklung der gesicherten Erzeugungsleistung wird durch die Addition des Zubaus fossiler Kraftwerke und erneuerbarer Energien sowie der Subtraktion der zukünftig abgeschalteter Kraftwerke ermittelt. Durch den verstärkten Abbau nuklearer Kraftwerkskapazitäten sinkt die gesicherte Leistung besonders stark in den Jahren 2021 und 2022.
Die erneuerbaren Energien können zukünftig trotz des starken Ausbaus von Windkraftanlagen und Photovoltaik aufgrund der meteorologischen Abhängigkeiten nur ein Viertel des Zubaus an gesicherten Kapazitäten beitragen. Die Gegenüberstellung der gesicherten Leistung mit der Jahreshöchstlast gibt in vier Szenarien Auskunft über die Entwicklung der erzeugungsseitigen Versorgungssicherheit. Rechnerisch reicht die gesicherte Kraftwerksleistung Deutschlands in drei der vier Szenarien aus, um die Jahreshöchstlast in den Jahren 2011 bis 2022 zu decken. Allein Szenario 1 kann in den Jahren 2021 und 2022 die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten.
Aus dem Ergebnis der Analyse lassen sich mehrere Ansätze ableiten, die zu einer zusätzlichen Erhöhung der Versorgungssicherheit führen können. Diese bestehen vor allem darin, den Anteil der gesicherten Leistung bei erneuerbaren Energien zu erhöhen (z.B. durch Speicher, virtuelle Kraftwerke), die Jahreshöchstlast abzusenken und neue Investitionsanreize für Kraftwerksneubau zu generieren.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kraftwerkskapazität und Nettostromerzeugung in Deutschland ... 3
Abbildung 2: Einteilung der Lastprofile ... 4
Abbildung 3: Marktteilnehmer entlang der Wertschöpfungsstufen ... 8
Abbildung 4: Unternehmen auf dem deutschen Markt für Stromerzeugung 2009... 9
Abbildung 5: Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland ... 10
Abbildung 6: Merit Order in Deutschland ... 12
Abbildung 7: Spezifische CO
2
-Emissionen der Stromerzeugungstechnologien ... 13
Abbildung 8: Versorgungssicherheit entlang der Wertschöpfungsstufen ... 20
Abbildung 9: Ermittlung der gesicherten Kraftwerkskapazität ... 21
Abbildung 10: Länder mit Kapazitätsmärkten ... 26
Abbildung 11: Konservatives Zubauszenario der summierten gesicherter Leistung ... 35
Abbildung 12: Progressives Zubauszenario der summierten gesicherter Leistung ... 36
Abbildung 13: Zubau der gesicherten Leistung (erneuerbare Energien)... 40
Abbildung 14: Entwicklung der Sterbelinie bis 2022... 43
Abbildung 15: Entwicklung der gesicherten Kapazitäten bis 2022 ... 45
Abbildung 16: Methodik zur Ermittlung der erzeugungs. Versorgungssicherheit ... 46
Abbildung 17: Entwicklung der Stromnachfrage in Deutschland ... 48
Abbildung 18: Entwicklung der Jahreshöchstlast ... 49
Abbildung 19: Kennzahlen zur Bewertung der erzeugungs. Versorgungssicherheit... 51
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Einsatzbereiche von Kraftwerken ... 5
Tabelle 2: Typischer Anteil der gesicherten Leistung von Kraftwerken ... 29
Tabelle 3: Installierte und gesicherte Kraftwerkskapazitäten (fossil, nuklear) ... 30
Tabelle 4: Kraftwerksprojekte in Bau oder bereits genehmigt bis 2022... 33
Tabelle 5: Kraftwerksprojekte im Genehmigungsverfahren bis 2022 ... 34
Tabelle 6: Kraftwerksprojekte geplant 2016 bis 2022 ... 35
Tabelle 7: Typischer Anteil der gesicherten Leistung erneuerbarer Energien ... 37
Tabelle 8: Installierte und gesicherte Kraftwerkskapazitäten (erneuerbare Energien) . 37
Tabelle 9:Zubau der inst. Leistung erneuerbarer Energien bis 2022 (kumuliert)... 39
Tabelle 10:Zubau der gesichrt. Leistung erneuerbarer Energien bis 2022 (kumuliert). 39
Tabelle 11: Typische Kraftwerksnutzungsdauer ... 41
Tabelle 12: Sterbelinie fossiler Kraftwerke (installierte Leistung) ... 41
Tabelle 13: Sterbelinie fossiler Kraftwerke (gesicherte Leistung) ... 42
Tabelle 14: Stilllegungszeitpunkte bestehender Kernkraftwerke ... 43
Tabelle 15: Überblick über die Entwicklung der gesicherten Kapazitäten bis 2022 ... 44
Tabelle 16: Entwicklung der Stromnachfrage und der Jahreshöchstlast ... 49
Tabelle 17: Kennzahlen zur Bewertung der erzeugungs. Versorgungssicherheit ... 51
Abkürzungsverzeichnis
a
annum
BDEW
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.
BMU
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
BMWi
Bundesministerium
für
Wirtschaft
CO2
Kohlenstoffdioxid
DIN
Deutsche
Industrienorm
EE
Erneuerbare
Energien
EEG
Erneuerbare-Energien-Gesetz
EU
Europäische
Union
ENTSO-E
European Network of Transmission System Operators Electricity
EnWG
Energiewirtschaftsgesetz
EVU
Energieversorgungsunternehmen
GuD
Gas-
und
Dampfkraftwerk
GW
Gigawatt
h
Stunde
i.d.R
in
der
Regel
ISO
Internationale Organisation für Standardisierung
MW
Megawatt
NREAP
nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energien
§
Paragraph
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Das deutsche Energiewirtschaftsgesetz fordert in §1 eine ,,[...] möglichst sichere, preis-
günstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene
Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas".
2
Die gesicherte Versorgung mit
Elektrizität ist eine der bedeutendsten Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und
Wertschöpfung in einer Volkswirtschaft und beeinflusst die Lebensqualität aller Ver-
braucher entscheidend. Deutschland zeichnete sich in der Vergangenheit, unter ande-
rem bedingt durch die monopolistisch gewachsenen Strukturen, durch Überkapazitäten
und ein hohes Maß an Versorgungssicherheit aus.
3
Derzeit steht Deutschland vor einem grundlegenden Umbau der Energieversorgung.
Die Reaktorkatastrophe in Fukushima führte zu einer Neubewertung der zukünftigen
Nutzung von Kernenergie in Deutschland. Die deutsche Bundesregierung hat im Juni
2011 Grundlagen für die zukünftige Energiepolitik beschlossen. Dazu gehören vor al-
lem der Kernenergieausstieg bis zum Jahr 2022 sowie ein schnellerer Ausbau von er-
neuerbaren Energien. Bis 2020 soll der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien am Bruttostromverbrauch mindestens 35% betragen, bis 2030 werden 50%
angestrebt, und bis 2050 sollen 80% erreicht werden.
4
Neben dem Rückgang der Kraftwerkskapazitäten durch den Kernenergieausstieg stellt
der Ausbau der erneuerbaren Energien eine besondere Herausforderung für die zu-
künftige Versorgungssicherheit dar. Erneuerbare Energien, insbesondere Wind- und
Solarenergie, sind aufgrund ihrer meteorologischen Abhängigkeiten unbeständig. Aus
Gründen der Versorgungssicherheit muss jedoch gewährleistet sein, dass die Strom-
nachfrage zu jedem Zeitpunkt gedeckt werden kann.
5
Dazu müssen zu jeder Zeit aus-
reichende und angemessene Kapazitäten für die Stromerzeugung und Stromverteilung
zur Verfügung stehen.
6
Will Deutschland das hohe Niveau der Versorgungssicherheit beibehalten, so muss der
Kraftwerkspark unter Berücksichtigung des Ausbaus von erneuerbaren Energien sowie
2
EnWG (2011), §1
3
Vgl. BMWi (2008), S. II
4
Vgl. EEG-Erfahrungsbericht, 2011
5
Vgl. BMWi, (2011), S.9
6
Vgl. BMWi (Mai 2011)
1
dem Kernenergieausstieg angepasst und ausgebaut werden. Experten zweifeln jedoch
daran, dass das derzeitige Marktdesign, das auf einem grenzkostenbasierten Preisbil-
dungsmechanismus beruht, ausreichend Investitionsanreize für den Bau der benötig-
ten Erzeugungskapazitäten bietet.
7
Aufgrund dieser Problematik soll die nachfolgende Arbeit folgende Fragen beantwor-
ten:
- Wie entwickeln sich die gesicherten Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland
bis 2022?
- Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die erzeugungsseitige Versorgungssi-
cherheit?
- Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um die erzeugungsseitige Versor-
gungssicherheit auch zukünftig zu gewährleisten?
1.2
Methodik und Aufbau
Nach der Problemstellung in Kapitel 1 folgt eine theoretische Einführung in das Thema.
In Kapitel 2 werden die Grundlagen und Besonderheiten des Stromerzeugungssektors
in Deutschland erläutert. Das 3. Kapitel beleuchtet den theoretischen Hintergrund zu
den relevanten Aspekten der Versorgungssicherheit. Kapitel 4 beschreibt anschließend
die Entwicklungen der gesicherten Stromerzeugungskapazitäten bis zum Jahr 2022.
Dazu gehören unter anderem die Betrachtung vorhandener Kapazitäten, die Entwick-
lung der Kraftwerksneubauten sowie die Entwicklung der Sterbelinie. Nach der Metho-
dik der ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity)
werden in Kapitel 5 die prognostizierten Stromerzeugungskapazitäten mit der progno-
stizierten Jahreshöchstlast verglichen. Die verbleibende Leistung gibt Auskunft über
die Entwicklung der erzeugungsseitigen Versorgungssicherheit. Die Entwicklung der
Versorgungssicherheit wird anhand von vier Szenarien betrachtet. Die Szenarien un-
terscheiden sich durch ein konservatives oder progressives Zubausszenario und eine
konstante oder sinkende Entwicklung der Höchstlast. Im 6. Kapitel werden, abgeleitet
vom Ergebnis in Kapitel 5, Maßnahmen für eine Erhöhung der erzeugungsseitigen
Versorgungssicherheit beschrieben. Die Arbeit schließt mit einem Fazit in Kapitel 7.
7
Vgl. Kearney (2011)
2
2
Grundlagen der deutschen Stromerzeugung
Kapitel 2 gibt einen Überblick über die Stromerzeugung in Deutschland. Es beginnt mit
einer Vorstellung und Einteilung der relevanten Stromerzeugungstechnologien. An-
schließend werden die Marktstruktur im deutschen Stromerzeugungssektor sowie die
politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert.
2.1
Technologien der Stromerzeugung
Die Stromerzeugung in Deutschland besteht aus einem breiten Mix unterschiedlicher
Energieträger. Bisher basiert der Kraftwerkspark, mit einer installierten Leistung von
149 GW im Jahre 2010,
8
hauptsächlich auf Kohle- und Kernenergienutzung, die zu-
nehmend durch erneuerbare Energien ergänzt wird. Die nachfolgende Grafik zeigt die
Anteile der Energieträger an der Kraftwerkskapazität und Nettostromerzeugung im Jahr
2010.
9
Abbildung 1:
10
Kraftwerkskapazität und Nettostromerzeugung in Deutschland
8
Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien - Statistik (2011), S. 11; Umweltbundesamt (08.04.2011), S.3ff
9
Vgl. Deutsche Energie Agentur (2011)
10
BDEW (Juli, 2011), S. 6, eigene Darstellung
16%
6%
10%
2%
6%
9%
11%
5%
15%
14%
17%
18%
12%
23%
12%
23%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Kraftwerkskapazität Nettostromerzeugung
Prozent
Kernenergie
Braunkohle
Steinkohle
Erdgas
Öl, Pumpspeicher und
Sonst.
Biomasse und sonst.
erneuerbare Energien
Photovoltaik
Wind
3
Die deutschen Kraftwerke werden aus Kosten-, Effizienz- und technischen Gründen
unterschiedlich zur Stromerzeugung eingesetzt. Die Anteile der einzelnen Primärener-
gien an der Kraftwerkskapazität und an der Nettostromerzeugung weichen daher stark
von einander ab.
Bei erneuerbaren Energien, insbesondere bei Energie aus Wind und
Sonne, wird die Abweichung auch durch die Abhängigkeit von Umweltfaktoren verur-
sacht. Windkraftanlagen tragen beispielsweise nur sechs Prozent zur Stromerzeugung
bei, machen aber 16% der Kraftwerkskapazität aus.
11
Die verschiedenen Kraftwerkstypen in Deutschland sind unterteilbar in ihre Einsatzbe-
reiche Grundlast, Mittellast und Spitzenlast. In der folgenden Abbildung sind die drei
Bereiche grafisch dargestellt.
Abbildung 2:
12
Einteilung der Lastprofile
Die Grundlast ist die Belastung des Stromnetzes, die während eines Tages oder einer
bestimmten Nutzungsdauer nicht unterschritten wird. Die Grundlast macht etwa 60%
der Kapazität und 5200h der Gesamtjahresstunden (8.760h) aus.
13
Wird die Grundlast
überschritten, werden zur Deckung des zusätzlichen Bedarfs Mittel- und Spitzenlast-
kraftwerke verwendet. Die normalen periodischen Schwankungen werden von Mittel-
lastkraftwerken abgedeckt. Sie lassen sich besser regeln als Grundlastkraftwerke. Die
Nachfragen im Bereich bis zu 4000h werden als Mittellast bezeichnet und benötigen
30% der Kapazität. Wenn diese Leistung nicht mehr ausreicht, werden die sehr flexi-
blen Spitzenlastkraftwerke eingesetzt, um die kurzfristigen Lastspitzen abzudecken.
Für die Spitzenlast mit einer Dauer bis zu 1500h sind etwa 10% der Kapazität erforder-
11
Vgl. Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 25
12
Deutsche Physikalische Gesellschaft e.V. (2011)
13
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.218 ff.
4
lich.
14
Die nachfolgende Tabelle zeigt die verschiedenen Einsatzbereiche der Energie-
träger und ihre spezifischen Merkmale im Überblick:
15
Art
Volllastbe-
triebsstun-
den
Brennstoff-
kosten
Investitions-
kosten
Energie-
träger
Grundlast
> 6000 h/a
niedrig
hoch
Kernenergie
Braunkohle
Laufwasser
Mittellast
1500 - 6000
h/a
mittel
mittel
Steinkohle
Spitzenlast
< 1500 h/a
hoch
niedrig
Speicher-
wasser
Erdgas
Tabelle 1:
16
Einsatzbereiche von Kraftwerken
In Deutschland werden derzeit hauptsächlich thermische Kraftwerke zur Stromerzeu-
gung eingesetzt. Bei thermischen Kraftwerken wird durch die Verbrennung fossiler und
erneuerbarer Energieträger oder der Fission Wärme hergestellt, die Dampf erzeugt.
Der Dampf treibt durch eine Turbine einen Generator an. Das Verhältnis der eingesetz-
ten Primärenergie zur erzeugten Elektrizität ist dabei relativ gering und liegt bei einem
durchschnittlichen Wirkungsgrad zwischen 35 und 60%.
17
Die in Deutschland hauptsächlich eingesetzten Kraftwerkstypen werden nachfolgend
erläutert :
18
Grundlastkraftwerke
- Braunkohlekraftwerke sind Dampfkraftwerke und werden für die Grundlast einge-
setzt. Sie werden nah an Braunkohlevorkommen gebaut, da der hohe Wasserge-
halt im Brennstoff einen Transport sehr unwirtschaftlich macht. Braunkohlekraft-
werke laufen mehr als 6000 Volllastbetriebsstunden pro Jahr und zeichnen sich
durch hohe Investitionskosten und geringe Brennstoffkosten aus. Bei einem Wir-
kungsgrad von ca. 43% liegt die durchschnittliche Leistung bei 1000 MW.
19
14
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.218 ff.
15
Vgl. Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 25
16
Vgl. Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
17
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220
18
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220; Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
19
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220; Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
5
- Kernkraftwerke funktionieren ebenfalls nach dem Prinzip von Dampfkraftwerken.
Durch die Spaltung von radioaktivem Material wird Wärme freigesetzt und Dampf
erzeugt. Kernkraftwerke haben sehr lange Anlaufzeiten. Wie bei anderen Grund-
lastkraftwerken sind die Brennstoffkosten gering und die Investitionskosten als
hoch einzustufen. Der Wirkungsgrad beträgt ca. 33%, wobei die durchschnittliche
installierte Leistung bei 1200 - 1500 MW liegt.
20
- Laufwasserkraftwerke nutzen die Wasserkraft von Flüssen. Der Fluss wird aufge-
staut und das vom oberen in das untere Becken strömende Wasser durch Turbinen
geleitet. Da Laufwasserkraftwerke keine Brennstoffkosten haben und ununterbro-
chen Energie liefern können, gehören sie zu den Grundlastkraftwerken.
21
Mittellastkraftwerke
- Das Steinkohlekraftwerk ist ebenfalls ein Dampfkraftwerk, welches mit Steinkohle
befeuert wird. Bei dem Mittellastkraftwerk liegen die Volllastbetriebsstunden pro
Jahr im Bereich von 1500 bis 6000h. Der Wirkungsgrad beträgt in etwa 45%. Die
Anfahrtszeiten liegen mit zwei bis vier Stunden ebenso wie die Brennstoff- und In-
vestitionskosten im mittleren Bereich. Die installierte Leistung eines Kohlekraft-
werks liegt bei etwa 600-800 MW.
22
Spitzenlastkraftwerk
- Bei Gasturbinenkraftwerken wird durch das Verbrennen von Gas Luft erhitzt. Die
heiße Luft strömt durch eine Turbine, die dadurch einen Generator antreibt. In Gas-
und Dampfkraftwerken (GuD-Kraftwerke) wird die Abwärme zur nachträglichen
Dampferzeugung genutzt. Im Vergleich zu reinen Gasturbinenkraftwerken mit ei-
nem Wirkungsgrad von ca. 36% kann eine GuD-Anlage bis zu 60% erreichen. Gas-
turbinenkraftwerke gehören zu den Spitzenlastkraftwerken und zeichnen sich durch
eine sehr gute Steuerbarkeit und kurze Anfahrzeiten aus. Die Volllastbetriebsstun-
den liegen unter 1500h im Jahr. Die Investitionskosten sind als gering und die
Brennstoffkosten als hoch einzustufen. Die installierten Leistungen betragen für ein
Gasturbinenkraftwerk zwischen 150 und 250 MW und für ein GuD zwischen 300
und 400 MW.
23
20
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220; Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
21
Vgl. Deutsche Energie Agentur (Juni 2011)
22
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220; Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
23
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220; Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
6
- Pump- und Speicherwasserkraftwerke gehören ebenfalls zu den Spitzenlastkraft-
werken. Bei Speicherwasserkraftwerken kann aufgestautes Wasser kontrolliert ab-
gelassen werden. Pumpspeicherwasserkraftwerke sind außerdem in der Lage,
Wasser in ein höher gelegenes Reservoir zu pumpen. Dafür kann günstiger Strom
in Zeiten geringer Nachfrage verwendet werden. Diese Lageenergie kann bei Spit-
zenlasten abgerufen werden.
24
Fluktuierende erneuerbare Energie
Aufgrund ihrer meteorologischen Abhängigkeiten können die Kraftwerke der Energie-
quellen Wind und Sonne keinem bestimmten Lastbereich zugeordnet werden.
- Windkraftanlagen werden durch die kinetische Energie des Windes angetrieben,
die in einem Generator zu Elektrizität umgewandelt wird. Die installierte Leistung
einer Windanlage liegt zwischen 0,8 und 5 MW.
25
- Sonneneinstrahlung kann mit Hilfe von Photovoltaikanlagen durch eine elektro-
chemische Reaktion direkt in Elektrizität umgewandelt werden. Zum anderen kann
Sonnenenergie in Dampfkraftwerken zur Erzeugung von Dampf verwendet wer-
den.
26
2.2 Marktstruktur
In diesem Kapitel wird die Marktstruktur des deutschen Stromerzeugungssektors un-
tersucht. Dabei werden zunächst die besonderen Eigenschaften der Ware Strom und
die Marktteilnehmer vorgestellt und anschließend die relevanten ökonomischen und
ökologischen Bedingungen erläutert.
2.2.1 Eigenschaften der Ware Strom
Die Ware Strom weist gegenüber anderen Gütern einige Besonderheiten auf, die in
speziellen Anforderungen an die Elektrizitätswirtschaft resultieren. Zu den besonderen
Eigenschaften gehört, dass die Ware Strom leitungsgebunden ist und die Verfügbarkeit
deshalb ein Transport- und Verteilnetz voraussetzt. Verteil- und Transportnetze unter-
liegen den Bedingungen eines natürlichen Monopols und werden reguliert. Eine weite-
re Herausforderung des Gutes Strom ist die fehlende großtechnische Speicherbarkeit.
24
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220; Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
25
vgl. Deutsche Energie Agentur (Juli 2011)
26
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.220; Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 9), S. 28
7
Als Folge muss die Elektrizität zeitgleich mit der Nachfrage erzeugt werden. Tageszeit-
liche und saisonale Schwankungen der Nachfrage und des Angebots erschweren dies.
Die Verfügbarkeit des Gutes Strom ist die Voraussetzung für eine Reihe darauf basie-
render Güter und Leistungen grundlegender Art. Die Betriebsmittel müssen deshalb
nach Spitzenlast ausgelegt werden und den Bedarf jederzeit decken. Die geringe Sub-
stitutionsfähigkeit von Strom erklärt den starken Interventionsgrad der Politik.
27
Die
besonderen Eigenschaften des Gutes Strom sind bestimmend für die Marktstruktur.
2.2.2 Marktteilnehmer
Die Wertschöpfungskette des Elektrizitätsmarktes beginnt mit der Exploration und För-
derung von Ressourcen, gefolgt von Erzeugung von Elektrizität, dem Transport mit
Übertragungsnetzen und der Verteilung über die Verteilnetze bis zum Endverbraucher.
Anschließend folgen der Handel mit Elektrizität an der Börse und Over the Counter
sowie das Kundenmanagement und der Vertrieb. Die nachfolgende Grafik zeigt ent-
lang der Wertschöpfungskette einen Überblick über die Marktteilnehmer in Deutsch-
land.
Abbildung 3:
28
Marktteilnehmer entlang der Wertschöpfungsstufen
Die Marktteilnehmer sind in alte und neue Teilnehmer unterteilt. Zu den alten Marktteil-
nehmern gehören die Verbundunternehmen, Regionalversorger und industrielle Eigen-
27
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.204
28
Winje (SS 2009, EVM-Vorlesung 4), S. 12
8
erzeuger. In Deutschland gibt es vier Verbundunternehmen E.ON, RWE, EnBW und
Vattenfall, die über die gesamten Wertschöpfungsstufen integriert sind. Weitere Teil-
nehmer sind die Regionalversorger, zu denen ungefähr 25 große Stadtwerke, 700 mitt-
lere und kleine Stadt- und Gemeindewerke und ca. 100 kleinere private Lokalversorger
gehören. Diese sind auf den Stufen Erzeugung, Verteilung, Handel und Vertrieb tätig.
An einer Vielzahl von Stadtwerken und Stromanbietern halten die vier großen Energie-
versorgungsunternehmen Beteiligungen. Auf der Stufe der Erzeugung sind außerdem
Industrieunternehmen tätig, die für die Eigenversorgung Strom erzeugen.
29
Obwohl in
letzter Zeit insbesondere E.ON Kapazitäten und Stadtwerksbeteiligungen in nicht uner-
heblichem Umfang abgegeben hat, teilen sich die vier Verbundunternehmen gut 80
% des Erstabsatzmarktes.
30
Erzeuger
Kapazitätsverteilung
Gesamteinspeisung
EnBW
14%
14%
E.ON
19%
21%
RWE
31%
31%
Vattenfall
16%
16%
Summe
80%
82%
Abbildung 4:
31
Unternehmen auf dem deutschen Markt für Stromerzeugung 2009
Mit der Energiemarktliberalisierung von 1998 wurden neue Akteure auf den deregulier-
ten Wertschöpfungsstufen aktiv. Zu den deregulierten Wertschöpfungsstufen gehören
alle Stufen bis auf Transport und Verteilung. Auf der Erzeugungsstufe ist neben den
alten Marktteilnehmern der Independent Power Producer als neuer Marktteilnehmer zu
finden. Independent Power Producer sind unabhängige Kraftwerksbetreiber, die Strom
und Wärme erzeugen, ohne über ein eigenes Verteilnetz zum Kunden zu verfügen.
32
Die Wertschöpfungsstufen Transport und Verteilung unterliegen einem natürlichen Mo-
nopol und werden aus diesem Grund weiterhin vom Staat reguliert. Die deutschen
Übertragungsnetze (Transport) sind in vier Regelzonen unterteilt. E.ON und Vattenfall
haben ihre Übertragungsnetze bereits verkauft. RWE verkaufte die Mehrheit seines
Netzes im Juli 2011 an Finanzinvestoren und an Versorgungswerke. RWE selbst ist
noch mit 25,1 Prozent an dem Netzbetreiber beteiligt. Die EnBW ist das einzige voll
29
Vgl. Verbraucherverband Bundeszentrale (2007), S.1
30
Vgl. Bundeskartellamt (2011), S. 7
31
Vgl. Bundeskartellamt (2011), S. 7
32
Vgl. Stadtwerke Hannover GmbH (2011)
9
integrierte EVU, das noch im Besitz des Übertragungsnetzes ist. Regulatorische Vor-
gaben führen dazu, dass die Netze durch Unbundling (Entfelchtung) von den anderen
Wertschöpfungsstufen des Unternehmens getrennt werden müssen.
33
In der nachfol-
genden Grafik ist die regionale Aufteilung der Netze ersichtlich.
Abbildung 5:
34
Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland
Auf der Wertschöpfungsstufe Verteilung sind derzeit rund 900 Marktteilnehmer aktiv,
welche die Aufgabe haben, den Strom über die Verteilnetze zu den Endverbrauchern
zu leiten. Im Bereich Handel sind ca. 120 Unternehmen als Stromhändler oder Broker
tätig. Stark wirkte sich die Deregulierung auch auf die Wertschöpfungsstufe Vertrieb
aus, wo inzwischen etwa 1050 Unternehmen Strom an Privat-, Gewerbe- und Indu-
striekunden verkaufen.
35
2.2.3 Ökonomische
Bedingungen
Grundlage für alle Elektrizitätsmärkte bildet die Nachfrage durch Kunden nach Dienst-
leistungen auf Basis elektrischer Energie und der sich daraus ergebenden Zahlungsbe-
reitschaft. Die Nachfrage besteht aus der Summe aller Verbraucher und kann mit Hilfe
einer Bottom-Up-Analyse bestimmt werden. Sie ergibt sich aus einer Vielzahl von Ef-
fekten:
36
- Tages-,
Wochenrhythmus
- Temperatur
- Helligkeit
- Energiepreise
- genutzte
Industriemaschinen
33
Vgl. Redaktion weser-ems.business-on.de (2011)
34
Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 8), S. 8
35
Vgl. BDEW (Februar 2011)
36
Vgl. Ehlers (2011), S.7
10
- Haushaltsgeräte
- Heizungen/ Klimaanlagen
- installierte
Lichtleistung
- Preiselastizität der Kunden
- Sondereffekte
Der zeitliche Verlauf der Nachfrage ist weltweit ähnlich und wird hauptsächlich durch
einen zeitunabhängigen Grundlastanteil und einen dem menschlichen Tagesrhythmus
entsprechenden Mittel- und Spitzenlastanteil bestimmt.
37
Aus der Gesamtzahl der von
den Nachfragern betriebenen Einrichtungen und deren Intensität wird die Netzbela-
stung ermittelt. Die Nachfrage weist eine hohe Schwankungsbreite auf, die durch eine
gemeinsame Versorgung etwas ausgeglichen wird.
38
Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, sind die Kraftwerke zur Deckung der Nachfrage in die
entsprechenden Lastbereiche eingeteilt. Es können jedoch nur Kraftwerke rentabel
sein, bei denen das Verhältnis der Kapitalkosten umgekehrt proportional zum Verhält-
nis der Brennstoffkosten ist. Ein Kraftwerk mit hohen Brennstoffkosten muss niedrige
Investitionskosten aufweisen. Nur so kann es gegenüber einem Kraftwerk mit hohen
Investitionskosten und geringen Brennstoffkosten konkurrenzfähig bleiben. Ein ideales
Kraftwerk mit niedrigen Investitions- und Brennstoffkosten existiert nicht, es würde
sonst alle anderen Kraftwerke dominieren. Der ideale Kraftwerkspark ergibt sich aus
der Kombination der Jahresdauerlinie und der Angebotsseite. Die Jahresdauerlinie
zeigt die Last über ein Jahr in absteigender Reihenfolge an. An ihr lässt sich ablesen,
welche Leistung für welche Dauer bereitgehalten werden muss.
39
Die kurzfristige Angebotsfunktion des Kraftwerksparks wird als Merit Order bezeichnet.
Die Kraftwerke werden hierbei aufsteigend nach ihren variablen Kosten angeordnet, da
bei einem Einsatz in dieser Reihenfolge die Kosten am niedrigsten sind. Kapitalkosten
oder andere Fixkosten sind für den kurzfristigen Einsatz eines Kraftwerks nicht rele-
vant. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Merit Order beispielhaft für Deutschland.
37
Vgl. Ehlers (2011), S.7
38
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.217
39
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.218
11
Abbildung 6:
40
Merit Order in Deutschland
Der Angebotspreis des letzten zur Deckung der Nachfrage erforderlichen Kraftwerks
bestimmt den Preis. Die erneuerbaren Energien werden aufgrund der gesetzlichen
Pflicht zur vorrangigen Einspeisung und der sehr geringen Grenzkosten zuerst einge-
setzt. Es folgen die fossilen Energieträger Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und Erdöl in
der Reihenfolge ihrer Grenzkosten. In der Abbildung ist die Nachfrage so hoch, dass
alle Kraftwerke bis zum Erdölbetriebenen Kraftwerk eingesetzt werden. Dieses Kraft-
werk wird als Grenzkraftwerk bezeichnet und ist preisbestimmend. Der Strompreis er-
gibt sich also je nach Höhe der Nachfrage aus den Grenzkosten des letzten eingesetz-
ten Kraftwerks. In der EU ist ein individueller CO
2
-Zuschlag auf die fossil betriebenen
Kraftwerke zu kalkulieren. Veränderungen der Merit Order, wie zum Beispiel der Aus-
fall von Grundlastkraftwerken, können große Preisveränderungen zur Folge haben.
41
In Deutschland erfolgt der Handel mit Strom auf miteinander verbundenen, aber abge-
grenzten Märkten. Der Handel findet an der Börse oder Over the Counter
42
über Spot-
und Terminmärkte statt.
43
2.2.4 Ökologische
Anforderungen
Bei der Förderung, dem Transport, der Verarbeitung und der Energieumwandlung von
Primärenergieträgern entstehen neben der gewünschten Erzeugung von Elektrizität
negative Umwelteffekte durch Emission von Schadstoffen und Treibhausgasen.
44
Da
40
Winje (WS 2010/2011, EVG-Vorlesung 10), S. 10
41
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.223ff.
42
außerbörslicher Handel
43
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.223ff.
44
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.66ff.
12
ein Umweltproblem sehr häufig von externen Effekten und dem Problem des öffentli-
chen Gutes gekennzeichnet ist, sind an dieser Stelle staatliche Interventionen nötig.
45
Bei der Erzeugung von Elektrizität durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen ent-
stehen Schadstoffemissionen in Form von Staub, Schwefeldioxid, Stickoxiden und
Kohlenmonoxid. Für deren Menge und Konzentration sind in der Technischen Anlei-
tung zur Reinhaltung der Luft für Anlagen bis zu einer Feuerungswärmeleistung von 50
MW und in der 13. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz entsprechende
Grenzwerte festgelegt. Die Höhe der Grenzwerte ist von der Art des Brennstoffes, der
Art der Feuerung und der Feuerungswärmeleistung abhängig.
CO
2
ist im eigentlichen Sinne kein Schadstoff, kann aber als Treibhausgas den natürli-
chen Treibhauseffekt verstärken und sich somit auf die globale Erwärmung und den
Klimawandel auswirken.
46
Im Jahr 2007 entfielen 42% der in Deutschland emittierten
Treibhausgase auf den Sektor Energiewirtschaft, der den mit Abstand größten Anteil
ausmacht. Auf die Stromerzeugung entfallen dabei rund 37% der Emissionen.
47
Die
Erzeugung von Strom verursacht einen wesentlichen Anteil an dem anthropogenen
Ausstoß von Treibhausgasen. In Abbildung 7 sind die spezifischen CO
2
-Emissionen
vorhandener Erzeugungstechnologien aufgeführt. Der fossile Energieträger Braunkohle
schneidet dabei gefolgt von Steinkohle und Erdgas am schlechtesten ab.
Abbildung 7:
48
Spezifische CO
2
-Emissionen der Stromerzeugungstechnologien
45
Vgl. Ströbele, Pfaffenberger, Heuterkes (2010), S.66ff.
46
Vgl. Konstantin (2009), S. 249
47
Vgl. Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe Gesellschaft für wiss.-technische Information mbH (2011)
48
Raschke (WS 2010/2011, EVT-Vorlesung 8), S. 12
13
Zur Reduzierung der Treibhausgase wurde 1992 die Klimarahmenkonvention in Rio de
Janeiro angenommen und seither von fast allen Staaten der Weltgemeinschaft ratifi-
ziert. Nach diesem Übereinkommen sind alle Unterzeichnerstaaten verpflichtet, natio-
nale Programme zur Verringerung der Treibhausgasemissionen auszuarbeiten und
regelmäßige Berichte vorzulegen. Das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll sowie die
Klimarahmenkonvention sind derzeit die einzigen internationalen Instrumente zur Be-
kämpfung der globalen Erwärmung und des Klimawandels. Sie sehen den Emissions-
handel, die gemeinsame Umsetzung und den Mechanismus für umweltverträgliche
Entwicklung als flexible Mechanismen zur Reduktion der Treibhausgase vor.
49
Deutschland hat das Ziel, seine Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2050 um 80%
zu senken. Dies soll vor allem mit Maßnahmen zur Energieeffizienz und dem Ausbau
der erneuerbaren Energien erreicht werden.
50
2.3 Politisch-rechtliche
Rahmenbedingungen
In diesem Kapitel werden die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die
deutsche Stromerzeugung untersucht. Dabei wird zwischen den europäischen und den
nationalen Rahmenbedingungen unterschieden.
2.3.1 Europäische
Rahmenbedingungen
Die wichtigsten energiepolitischen Eingriffe und Vorgaben werden inzwischen zu einem
großen Teil von der Europäischen Union (EU) und zu einem kleinen Teil vom deut-
schen Gesetzgeber festgesetzt. Die Regelungen der EU sind übergreifend wirksam,
wenn gemeinsame europäische Belange betroffen sind. Dies gilt für Wettbewerbsfra-
gen, Rahmenvorgaben für die Regulierung leitungsgebundener Energieträger, Um-
weltschutzstandards, Rahmenvorgaben der Klimapolitik und die Einführung des CO
2
-
Zertifikatehandels.
Die Betrachtung beginnt mit dem im März 2007 durch die Staats- und Regierungschefs
beschlossenen Aktionsplan zur EU-Energiepolitik. Bis zum Jahr 2020 sollen danach
der Endenergieverbrauch zu 20 % aus erneuerbaren Energien gedeckt, die Treibhaus-
gase um 20 % reduziert und die Energieeffizienz um 20 % gesteigert werden (gemes-
sen an 1990). Daraus folgend verabschiedeten der Energieministerrat und das Euro-
päische Parlament Regelungen zu den zentralen Themen. Dazu gehört beispielsweise
49
Vgl. Konstantin (2009), S. 119
50
Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2011)
14
das Dritte Binnenmarktpaket Strom und Gas, das aktuell umgesetzt wird, das Klima-
und Energiepaket und ein Gesetzespaket im Bereich der Krisenvorsorge und Energie-
effizienz. Im November 2010 schrieb die EU-Kommission den Energie-Aktionsplan von
2007 fort und entschied sich im Februar 2011 für die künftigen Schwerpunkte Energie-
binnenmarkt, Energieeffizienz, Verbraucherschutz, Forschung und Entwicklung sowie
die Energieaußenbeziehungen der EU.
51
Europäische Vorschriften wie die Richtlinien des Europäischen Parlaments und des
Europäischen Rates, welche die Vorschriften für den Binnenmarkt für Elektrizität bzw.
den Erdgasbinnenmarkt betreffen, sind von grundsätzlicher Bedeutung.
52
Diese EU-
Richtlinien müssen von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales
Recht umgesetzt werden.
53
2.3.2 Nationale Rahmenbedingungen
Zu den relevanten nationalen Gesetzen bezüglich der Stromerzeugung gehören insbe-
sondere das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und das Erneuerbare Energien Gesetz
(EEG).
Bis zur Novellierung im Jahr 1998 galt in Deutschland das EnWG von 1935. Das
EnWG von 1935 hatte das Ziel, durch staatlichen Einfluss eine sichere und günstige
Versorgung zu gewährleisten. Die Direktiven der EU für den europäischen Binnen-
markt für Elektrizität (1996) und Gas (1998) stellten die Weichen für die Deregulierung
und Liberalisierung der leitungsgebundenen Energiewirtschaft. Mit der Novelle des
EnWG vom 1998 wurden die Ausnahmeregelungen für die Strom- und Gaswirtschaft
im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufgehoben. Außerdem integrierte das
neue EnWG den Umweltschutz in den Zielkatalog der Energiepolitik und verringerte die
staatlichen Aufsichts- und Kontrollrechte auf ein Minimum.
Das EEG trat im März 2000 in Kraft und zielt darauf ab, den Anteil der erneuerbaren
Energien zu erhöhen.
54
Die für den Ausbauerfolg entscheidenden Elemente des EEG
sind:
55
51
Vgl. BMWi (Juli 2011)
52
Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2011)
53
Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2011)
54
Vgl. BMU (2010)
55
Vgl. Bundesregierung (Mai 2011)
15
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2011
- ISBN (PDF)
- 9783863417338
- ISBN (Paperback)
- 9783863412333
- Dateigröße
- 3 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Technische Universität Berlin
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Elektrizität Strommarkt Kraftwerk Kraftwerkskapazitäten erneuerbare Energie Windkraft Photovoltaik
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing