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Fair Value Accounting und Finanzkrise: Wenn Bankbilanzierungen zur Gefahr werden

©2011 Bachelorarbeit 40 Seiten

Zusammenfassung

Das mit der Schaffung von mehr Transparenz und marktorientierter Bilanzierung hoch gelobte Fair Value Accounting erfuhr durch die Finanzkrise eine harte Bestandsprobe.
Der Ausbruch der Krise 2008 wurde durch die Pleite der amerikanischen Bank Lehmann Brothers markiert.
Von da an waren nicht nur die Banken daran interessiert, Ursachen und rasche Lösungen zu finden, sondern auch die breite Öffentlichkeit.
Im Rampenlicht stand dabei die Bilanzierung von Banken und in diesem Sinne das Bewerten von Vermögensgegenständen zum beizulegenden Zeitwert - kurz dem Fair Value Accounting.
Welche Implikationen diese Rechungslegungsvorschrift auf die Bilanzierung der Finanzinstrumente bei Finanzinstituten hat und vor allem wie dies mit der Finanzkrise zusammenhängt, war dabei eine wichtige Fragestellung.
Durch die internationale Ausrichtung der großen Banken wurde das International Accounting Standards Board mit den von ihm festgelegten International Accounting Standards zum reglementierenden Institut. Da das Board den Fair Value als Bewertungsmaßstab für bestimmte Kategorien von Finanzinstrumenten heranzieht, wurde von ihm erwartet, das ‘Problem Finanzkrise‘ zu lösen.
In einer ‚Nacht-und-Nebel-Aktion’ wurden daraufhin Möglichkeiten der Umwidmung eingeführt, um die Fair Value Bilanzierung mithilfe der (fortgeführten) Anschaffungskosten zu umgehen.
Interessant wird es insbesondere, wenn man die daraus resultierenden Folgen für das bilanzielle Eigenkapital der Banken analysiert.
Die Ermittlung des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals auf Basis des IFRS-Konzernabschlusses, mit besonderer Berücksichtigung von „Prudential Filters“, der Eigenkapitalquote nach Basel II und der empirischen Befunde bei deutschen Banken in Bezug auf die Auswirkung der geänderten Möglichkeiten der Umwidmung, sollen in dieser Arbeit Aufschluss über den Zusammenhang von Finanzkrise und Fair Value Accounting geben.
Es stellt sich folglich die Frage, ob die Änderungen der ‚Nacht-und-Nebel-Aktion’ eine Grundlage für die Beseitigung der Finanzkrise gelegt haben, oder ob diese Aktion sie sogar noch verschärfte. Inwieweit die Bilanzierung zum beizulegenden Zeitwert dementsprechend rechtens oder ungerechtfertigt im Fokus der Kritik stand, soll anhand der Eigenkapitalregulierungen des Basel-II-Abkommens und der Prozyklizität des Finanzsystems gezeigt werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1
1. Problemstellung
Mit der Pleite der amerikanischen Bank Lehman Brothers im September 2008 schien die
mittlerweile vieldiskutierte Finanzkrise ihren Lauf zu nehmen. Die Bankkonzerne und somit
deren Bilanzen fielen ins besondere Augenmerk der Öffentlichkeit und prompt gab es
zahlreiche Thesen und Meinungen über die Ursachen und Auswirkungen der weltweiten
Krise. Es wurden Lösungen diskutiert, Bilanzierungsregeln kurzfristig geändert und
Wirtschaftsgipfel einberufen, um die Stabilität des globalen Finanzsystems sicherzustellen
und die drohende Rezession auf den Weltmärkten abzuwenden. Somit waren es vor allem die
in den Bilanzen der Finanzinstitute zu findenden Finanzinstrumente und deren Bewertung
zum beizulegenden Zeitwert, die in den Fokus der Kritik gerieten. Eine Vielzahl von
Vertretern öffentlichen Interesses machten das Fair Value Accounting (FVA), in anderen
Worten die Bilanzierung mit einem Bewertungsansatz zum beizulegenden Zeitwert,
verantwortlich für die Wirtschaftskrise und hofften auf eine baldige Rückkehr zur Bewertung
nach dem Anschaffungskostenprinzip, so wie es in Deutschland im Handelsgesetzbuch
(HGB) vorgesehen ist.
1
Es gibt einige Gegner der Fair Value (FV)-Bewertung, die davon
überzeugt sind, dass eben diese zur Finanzkrise beigetragen hat.
2
Durch die Abwendung vom
FV erhofften sie sich eine Loslösung der artifiziell erschaffenen Volatilität der Finanzmärkte
von den Bilanzen und damit einhergehend von der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV).
3
Im
Hinterkopf ist zu behalten, dass sich Anfang der 1990er Jahre viele deutsche und europäische
Unternehmen im Rahmen der Globalisierung an ein internationales Kapitalmarktpublikum
anpassen mussten und hierfür die vom damaligen International Accounting Standards
Committee (IASC) entwickelten International Accounting Standards (IAS) heranzogen.
4
Diese Entwicklung nahm die Europäische Kommission dann 2002 zum Anlass für ihre schon
früheren Bestrebungen zur gemeinsamen Harmonisierung der Rechnungslegungsvorschriften
in Europa und legte die zu diesem Zeitpunkt in International Financial Reporting Standards
(IFRS) umbenannten IAS als Grundlage fest.
5
Somit wurde das International Accounting
Standards Board (IASB) ­ damals IASC ­ zum reglementierenden Institut, welches auf die
Kritik und den politischen Druck im Rahmen der Finanzkrise in Bezug auf die FV-Bewertung
bei Finanzinstrumenten reagieren musste.
1
Vgl. zusammengetragene Meinungen in: Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 547.
2
Vgl. zusammengetragene Meinungen in: Laux/Leuz (2009), S. 826.
3
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 547.
4
Vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn (2009), S. 104.
5
Vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn (2009), S. 104.

2
Im Folgenden wird sich diese Bachelorarbeit mit der Fragestellung befassen, ob sich das FVA
durch die Finanzkrise und deren Implikationen auf die Finanzinstitute als ,,nicht tauglich"
herausgestellt hat. Dies soll anhand der Bilanzierung der Finanzinstrumente, deren Einfluss
auf das aufsichtsrechtliche Eigenkapital (EK) der Institute und wiederum deren Einfluss auf
die Finanzwirtschaft gezeigt werden.
Diese Arbeit wird mit einer Definition des FV zum einen und der Finanzinstrumenten zum
anderen im 2. Kapitel beginnen. Dabei werden Vor- bzw. vermeintliche Nachteile des FV
gegenüber den Anschaffungskosten (AK) diskutiert. Anschließend wird die Bewertung der
Finanzinstrumente zusammen mit deren Umgliederungsmöglichkeiten vor der Krise und
deren Änderungen der Umkategorisierung durch die ,,Nacht-und-Nebel-Aktion" des IASB
während der Finanzkrise vorgestellt. Das Kapitel schließt mit den daraus resultierenden
Folgen für das bilanzielle EK der Banken. Daran anschließend stellt das 3. Kapitel die
Ermittlung des aufsichtsrechtlichen EK auf Basis des IFRS-Konzernabschlusses dar. Hier
wird auf die ,,Prudential Filters", die Eigenkapitalquote nach Basel II und die empirischen
Befunde bei deutschen Banken in Bezug auf die Auswirkung der geänderten
Umgliederungsmöglichkeiten eingegangen. Es soll die Frage beantwortet werden, ob die
Änderungen der Nacht-und-Nebel-Aktion eine Grundlage für die Beseitigung der Finanzkrise
gelegt haben oder ob die Aktion sie sogar noch verschärfte und ob sich das FVA tatsächlich
als ,,Sündenbock" darstellen lässt. Im Anschluss wird auf die Prozyklizität des Finanzsystems
eingegangen, die von den Eigenkapitalregulierungen des Basel-II-Abkommens bedingt
werden. Weiterhin sollen die Auswirkungen des FVA auf die Eigenkapitalpuffer im Vergleich
zum deutschen HGB in die Diskussion mit eingebunden werden. Abschließend wird kurz auf
die Zukunft des FV eingegangen und von einem kritischen, zusammenfassenden Fazit
gefolgt.
2. Konzeption und Bedeutung des Fair Values für Finanzinstrumente nach IAS 39
Die nach IFRS aufgestellten Abschlüsse weichen grundlegend von den nach HGB
bilanzierten Abschlüssen in Hinblick auf die Ansatzvorschriften ab. Während die deutsche
Rechnungslegung auf dem Anschaffungskostenprinzip beruht, wurde mit der Einführung der
IFRS in Europa die FV-Bewertung, also ein Zeitwert, als Alternative zu den oben genannten
AK bzw. Herstellungskosten gesehen.
6
Das Rahmenkonzept des IASB legt seine
Zielsetzungen derart fest, dass die entscheidungsrelevante Informationsvermittlung ein
6
Vgl. Wagenhofer (2008), S.185.

3
primäres Anliegen darstellen soll.
7
Mithilfe des beizulegenden Zeitwertes soll diesem Ziel
Rechnung getragen werden. Der Zeitwert wird gemäß IASB als ein Wert definiert, zu dem
zwei Marktteilnehmer unter ,,normalen Umständen" eine planmäßige Transaktion
durchführen würden.
8
Eine vergleichbare, jedoch detailliertere Definition lässt sich bspw.
auch im IAS 39.9 finden. Die Ermittlung des FV stellt prinzipiell auf zwei Methoden ab. Zum
einen werden aktuelle Marktwerte zur Ermittlung herangezogen ,,(markt-to-market") und zum
anderen dürfen auf Bewertungsverfahren zurückgegriffen werden, falls keine Marktwerte
existieren bzw. der Markt inaktive ist (,,mark-to-model").
9
Folglich ist der FV ein fiktiver
Marktwert unter idealisierten Bedingungen. Die allgemeine FV-Ermittlungsmethodik folgt
einer hierarchischen Struktur in drei ,,Levels", die strikt absteigend je nach Verlässlichkeit der
Bewertungsparameter zu befolgen ist.
10
Hierzu hat das IASB im Zuge der Finanzkrise
unterstrichen, dass das bewertende Unternehmen eigene Annahmen über zukünftige
Zahlungsströme und risikoangepasste Diskontierungssätze zur Ermittlung heranziehen darf,
also den mark-to-model Ansatz, falls keine beobachtbaren Werte zur Verfügung stehen.
11
Der
FV wird gerade für die finanziellen Vermögenswerte und finanziellen Verbindlichkeiten
(Finanzinstrumente), sowohl gemäß den IFRS als auch gemäß United States Generally
Accepted Accounting Principles (US-GAAP), primär angewandt.
12
Gemäß IAS 32.11 ist ein
Finanzinstrument ,,ein Vertrag, der bei dem einen Unternehmen zu einem finanziellen
Vermögenswert und bei dem anderen zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem
Eigenkapitalinstrument führt."
13
In anderen Worten wird ein Vertrag, der zum Austausch von
liquiden Mitteln oder Eigenkapitaltiteln führt, ohne das im Vorfeld produziert oder abgesetzt
wurde, als Finanzinstrument bezeichnet.
14
Im Folgenden soll sich auf die Bilanzierung nach
IFRS konzentriert werden, da der gewählte Fokus auf dem europäischen und hier besonders
auf dem deutschen Raum liegt. Die Aussagen in Bezug auf die IFRS sind in der vorliegenden
Arbeit i.d.R. auch für die US-GAAP relevant, da sich in den USA ebenfalls eine komplette
Hinwendung zu den IFRS feststellen lässt
15
und die Definition des FV nach US-GAAP
(geregelt in FAS 157) kaum von der des IASB abweicht.
16
7
Vgl. Hecker/Klein-Wiele (2011), S. 152.
8
Vgl. IASB Press Release vom 14.10.2008.
9
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 1012.
10
Vgl. Burkhardt (2010), S. 44-47.
11
Vgl. IASB Press Release vom 14.10.2008.
12
Vgl. Laux/Leuz (2009), S. 827.
13
IAS 32.11. Falls nicht anders gekennzeichnet, wird im Folgenden für alle IAS die Gesetzesfassung von 2009
verwendet.
14
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 557.
15
Vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn (2009), S. 105.
16
Vgl. Laux/Leuz (2009) S. 827.

4
2.1
Allgemeine Vor - und Nachteile des Fair Value Accountings
In der Wirtschaftspresse tauchte vermehrt die Aussage auf, dass es einen herrschenden
Konsens darüber gebe, dass das FVA der Grund für die Finanzkrise sei.
17
Wieso aber kommt
dieser Vorwurf zustande, wenn man bedenkt, dass der FV in einem perfekten, sich im
Gleichgewicht befindlichen Markt allen geforderten Ansprüchen gerecht würde?
18
Befürworter des FVA sind entgegen diesem Vorwurf davon überzeugt, dass die jeweils
gegebenen Marktverhältnisse optimal abgebildet und somit zeitgenaue Informationen
widergespiegelt werden.
19
Aus diesem Argument heraus lassen sich ebenfalls ein
Transparenzzuwachs und eine bessere Grundlage für Marktentscheidungen ableiten.
20
Wie
bereits aufgeführt, zielt das IASB mit seinen Rechnungslegungsidealen genau auf diese
Anforderungen ab, denn die Informationen über die tatsächliche wirtschaftliche Lage stehen
hier im Vordergrund.
21
Wenn durch die Bilanzen die genauen Marktwerte jeder einzelnen
Aktiva- und Passivaposition dargestellt würden, gäbe es keine Informationsasymmetrien
mehr, sondern vollkommene Transparenz. Die Rechnungslegung könnte als perfekt
angesehen werden, was sie somit allerdings überflüssig machte. Da wir uns aber in der
Realität auf unvollkommenen Märkten befinden, kann das IASB lediglich versuchen, die
Informationsungenauigkeit so klein wie möglich zu halten, um Fehlentscheidungen zu
minimieren. Der FV wäre also hier das Mittel zum Zweck. Weitergehend lässt sich
konstatieren, dass aufgrund von Unvollkommenheiten alle Rechnungslegungsinstitute vor
dem Trade-off stehen, sich bei der Entwicklung von Standards zwischen Relevanz und
Verlässlichkeit entscheiden zu müssen.
22
Deshalb stützen Gegner des FVA ihre Argumente
auf die Fehlanreize, die von den Zeitwerten ausgehen, da es nicht immer relevante
Informationen bereitstellt. Dies trifft speziell dann zu, wenn Marktpreise wegen Arbitrage
oder Irrationalitäten nicht deckungsgleich mit den fundamentalen Preisen sind
23
und
verlässlichere Werte hier aussagekräftiger wären. Wie eingangs im Kapitel 2 beschrieben,
lässt die mark-to-model Methode zu, dass die beizulegenden Zeitwerte fehlerhaft und nicht
dem Markt entsprechend ermittelt werden könnten und somit zu einer Verzerrung der
tatsächlichen Lage führten,
24
insbesondere dann, wenn Märkte illiquiden oder inaktiven sind.
Um die Kritik an dem FVA angemessen beurteilen zu können, müssen diese im Kontrast zu
17
Vgl. Handelsblatt, Storbeck vom 03.11.2009.
18
Vgl. etwa Schildbach /Ballwieser/Küting (2004), S.530 f..
19
Vgl. Laux/Leux (2009) S. 827.
20
Vgl. Laux/Leux (2009) S. 827.
21
Vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn (2009), S. 109.
22
Vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn (2009), S. 107.
23
Vgl. Laux/Leux (2009), S. 828.
24
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 1012.

5
seiner vermeintlichen Alternative, der AK-Bewertung (HCA; aus dem Englischen Historical
Cost Accounting) betrachten werden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass
historische AK kein perfektes Gegenstück zu der FV-Bewertung darstellen. Amortisierte AK
können zwar verlässlich bestimmt werden, bieten aber nicht zu jeder Zeit relevante
Informationen.
25
Einer der Hauptkritikpunkte am FVA ist seine prozyklische Wirkung auf das Finanzsystem,
sowohl in Aufschwungs- als auch in Krisenzeiten.
26
Während HCA Zuschreibungen verbietet
und somit im Aufschwung stille Reserven bildet, auf die in Krisenzeiten zurückgegriffen
werden kann, sind gemäß dem FVA wertmäßige Steigerungen über die AK hinaus erlaubt.
27
Dadurch können Banken ihren Fremdverschuldungsgrad (Hebel) in wirtschaftlich guten
Zeiten steigern, was allerdings das Finanzsystem angreifbarer macht und angeblich
Finanzkrisen verstärkt.
28
Dazu muss man wissen, dass Wertschwankungen des FVA immer zu
Anpassungen führen, während Impairment Tests (Werthaltigkeitstests) für das HCA laxer
gehandhabt werden als beim FVA
29
. Die obige Behauptung wird unterstütz durch die
Betrachtung der Subprime-Krise in den USA, die als Ursprung der Finanzkrise gilt: Nachdem
die Immobilienpreise über einen längeren Zeitraum erheblich gestiegen waren, führte deren
rapider Fall im Anschluss dazu, dass viele Kreditnehmer ihre Raten nicht mehr begleichen
konnten, da entweder die Zinsen gestiegen waren oder ihnen das Einkommen fehlte.
30
Die
Subprime-Krise wurde folglich durch die Kreditvergabe an Schuldnern mit schlechter Bonität
ausgelöst und griff rasant auf etliche Finanzinstrumente über.
31
Daraufhin wurde eine
Vertrauenskrise innerhalb des Bankensektors angesichts der versteckten Risiken in den
Instrumenten ausgelöst, welche wiederum die Risikobereitschaft von privaten und
institutionellen Investoren erschütterte, die daraufhin dem Kapitalmarkt liquide Mittel
entzogen und die Preise für ausgewählte Finanzinstrumente abstürzen ließ.
32
Auf die sog.
,,Kreditklemme" - aufgrund des interbankären Vertrauensverlusts sich gegenseitig Geld zu
leihen und die fehlende Liquidität - haben die Banken mit Notverkäufen reagiert, was den
bindenden beizulegenden Marktwert natürlich weiter sinken ließ und somit die
Abwärtsspirale der Verluste weiter ankurbelte.
33
Aus diesen Ereignissen lässt sich die
25
Vgl. Laux/Leux (2009) S. 828.
26
Vgl. Laux/Leux (2009) S. 829.
27
Vgl. Laux/Leux (2009) S. 829.
28
Vgl. Laux/Leux (2009) S. 829.
29
Vgl. Laux/Leux (2009) S. 832.
30
Vgl. Hayn et al. (2009), S. 145.
31
Vgl. Hayn et al. (2009), S. 145.
32
Vgl. Hayn et al. (2009), S. 145.
33
Vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn (2009), S. 109.

6
prozyklische Wirkung des FVA ableiten, da Liquiditätsschocks Auswirkungen auf Preise
haben und Verträge oder Gesetzte an den FV geknüpft sind
34
, was im Endeffekt zu
realwirtschaftlichen bzw. für Manager und Investoren kurzfristig zu entscheidungsrelevanten
Konsequenzen führt.
35
Viele Kritiker des FV beenden hier ihre Argumentation und sprechen
sich aufgrund der Prozyklizität für das HCA aus. Jedoch muss man hier weiter gehen und
sagen, dass eben gerade durch das HCA Transparenz verloren geht. Deshalb könnten sich die
realwirtschaftlichen Konsequenzen mindestens genauso oder eher noch schlimmer äußern.
36
Ganz im Gegenteil muss man darlegen, dass das FVA in der Krise als Frühwarnsystem
gedient hat, welches die Härte der Finanzkrise eher abgeschwächt und die Banken dazu
gebracht hat, früher als unter HCA, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.
37
Konkret hat die
Abwertungsspirale unter FVA die Banken zum früheren Handeln gezwungen im Hinblick auf
die Notwendigkeit, ein bestimmtes EK vorzuhalten. Weiteres dazu folgt in Kapitel 3. Des
Weiteren wird Managern mit dem HCA dank der stillen Reserven die Möglichkeit gegeben,
die tatsächliche wirtschaftliche Lage zu verschleiern und auch vor den Aktionären geheim zu
halten.
38
An dieser Stelle soll noch einmal die Relevanz der Informationsfunktion
unterstrichen werden, wenn man bedenkt, dass es bspw. viel realistischer ist,
Kapitalanforderungen bei Kreditinstituten anhand der Erwartungen über zukünftige Verluste
zu verändern, so wie vom FVA impliziert und nicht wie beim HCA erst, wenn Verluste schon
realisiert sind.
39
Allerdings ist es richtig, dass im Vergleich zum Anschaffungskostenprinzip
dadurch auch eine größere Volatilität in die Bilanz und Ergebnisrechnung einfließt, weil
Zuschreibungen über die AK hinaus neben den beständigeren Abschreibungen nach unten die
Amplitude um einiges erhöht.
40
Diese erschaffene Volatilität auf die Bilanzen und den GuV
wollen Kritiker vermeiden und stehen deshalb für die Rückkehr des HCA ein, gerade weil es
Finanzinstrumente gibt, die hohen Wertschwankungen im Zeitablauf unterliegen.
41
Ein
weiteres Gegenargument ist die Ansteckungsgefahr auf den Finanzmärkten, die vom FVA
ausgeht. In Anbetracht der Tatsache, dass Banken teilweise Vermögensgegenstände unter
ihrem fundamentalen Wert verkaufen müssen und dieser Preis der neue FV für die
Gegenpartei bildet, die diesen Wert übernehmen muss,
42
sind Finanzmärkte deutlich
34
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 1014.
35
Vgl. Laux/Leux (2009), S. 827.
36
Vgl. Laux/Leux (2009), S. 827.
37
Vgl. Laux/Leux (2009), S. 829.
38
Vgl. Hecker/Klein-Wiele (2011), S. 152.
39
Vgl. Laux/Leux (2009), S. 828.
40
Vgl. Pellens/Crasselt/Sellhorn (2009), S. 108.
41
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 547.
42
Vgl. Laux/Leuz (2009), S. 829.

7
empfindlicher. Das AK-Prinzip entbindet von dieser Pflicht und somit auch von dieser
potentiellen Ansteckungsgefahr, immer niedrigere Werte in die Bilanz aufnehmen zu
müssen.
43
Trotzdem gibt es ein nicht zu unterschätzendes Problem mit den AK. Das sog.
,,Gains Trading" gibt den Banken einen Anreiz, unnötige Verkäufe von
Vermögensgegenständen vorzunehmen, indem sie einen Ertrag erzielen, wenn
Finanzinstrumente mit unrealisierten Gewinnen verkauft ([um somit stille Reserven
aufzuheben]) und solche mit Verlusten behalten werden.
44
Diese strategische Flexibilität
erklärt die Motivaton der Banken, sich konsequent gegen das FVA auszusprechen und lässt
die Glaubwürdigkeit ihrer Kritik am FVA dahingestellt sein.
45
Im Großen und Ganzen
zeichnet sich ab, dass die Kritik am FVA zwar seine Berechtigung hat, aber erstens teilweise
zu kurzsichtig gedacht ist und zweitens das HCA nicht als Lösung dienen kann.
2.2
Bewertung der Finanzinstrumente vor und ab der Krise
Das IASB hat schon bei der Festlegung der IAS für Finanzinstrumente einbezogen, dass
sowohl eine ,,Full-FV"-Behandlung als auch das reine HCA der Bilanzierung dieser
Instrumente nicht gerecht würde und sich für ein ,,mixed model approach" entschieden.
46
Dieses wird im Folgenden näher betrachtet. Dabei wurde logischerweise das
Entscheidungskalkül darauf bezogen, dass die AK bei manchen Finanzinstrumenten gar nicht
oder nur schwer zu ermitteln sind, es ihre Komplexität nicht zulässt, sie klar abzugrenzen oder
durch mehrfaches Bündeln eine Beliebigkeit in deren Gestaltung zugelassen würde.
47
Ebenfalls wäre die durchgängige Bilanzierung zum FV an einigen Stellen sehr
problematisch,
48
gerade dann, wenn keine aktiven Märkte existieren.
2.2.1
Klassifizierung und Umwidmung vor der Krise
Prinzipiell schreibt IAS 39.43 den erstmaligen bilanziellen Ansatz aller finanziellen
Vermögenswerte zum FV vor, bei dem zusätzlich die direkt zurechenbaren
Transaktionskosten mit einbezogen werden müssen, solange wir uns nicht in der Kategorie
,,At FV through Profit or Loss" befinden.
49
Darüber hinaus müssen sie einer der vier in IAS
39.9 definierten Kategorien zugeteilt werden. Diese fordern jeweils einen unterschiedlichen
43
Vgl. Laux/Leuz (2009), S. 829.
44
Vgl. Laux/Leuz (2009), S. 830.
45
Vgl. Laux/Leuz (2009), S. 832.
46
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 553.
47
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 550-551.
48
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 551-553.
49
Vgl. Hecker/Klein-Wiele (2011), S. 153.

8
bilanziellen Wertansatz sowie einen unterschiedlichen Ausweis der Ergebnisse im ,,Profit or
Loss" (PoL) oder im ,,Other Comprehensive Income" (OCI).
50
Gemäß IAS 39.45 hat die
Zuordnung der finanziellen Vermögenswerte zu erfolgen in:
1.
At Fair Value through Profit or Loss (At FV through PoL)
Hier können solche Vermögenswerte eingeordnet werden, die freiwillig als sog. FV Option
entweder die Voraussetzung erfüllen, dass durch die Zuweisung zu dieser Kategorie unter
bestimmten Umständen relevantere Informationen übermittelt werden oder es sich gemäß IAS
39.11A um einen bestimmten zusammengesetzten Vertrag handelt, der eingebettete
Derivate
beinhaltet.
51
Zum anderen müssen hier Finanzinstrumente des Handelsbestandes, also solche
die zu Handelszwecke gehalten werden (engl. Hold for Trading Financial Assets (HfT)),
kategorisiert werden.
52
Die Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert schlägt sich laut IAS
39.46 i.V.m. IAS 39.55 erfolgswirksam in der GuV nieder. Da die laufende Bewertung der
finanziellen Vermögenswerte At FV through PoL immer erfolgswirksam zum FV
stattfindet,
53
ist ein Impairment irrelevant.
54
Weitere Erläuterungen hierzu folgen weiter unten.
2.
Available for Sale Financial Assets (AfS)
Die zweite Kategorie wird ebenfalls zum beizulegenden Zeitwert folgebewertet und gilt für
alle nicht-derivativen finanziellen Vermögenswerte.
55
Nach IAS 39.9 sind hier alle
finanziellen Vermögenswerte zuzuordnen, die nicht unter die Definition der anderen
Kategorien fallen bzw. dort freiwillig zugeordnet werden. Es ergibt sich allerdings ein
Unterschied zur ersten Kategorie in der Verbuchung der Wertschwankungen. Diese werden
erfolgsneutral im EK unter der Position Other Comprehensive Income (OCI) eingestellt und
als Eigenkapitalrücklage (auch AfS-Rücklage) ausgewiesen.
56
Erst bei der vollständigen
Ausbuchung des finanziellen Vermögenswertes wird die Rücklage gemäß IAS 39.26
erfolgswirksam aufgelöst bzw. recycelt.
57
Hervorzuheben sei, dass sobald objektive Hinweise
auf eine dauerhafte Wertminderung bekannt werden, der Wert des Finanzinstruments auf den
neu ermittelten Betrag gemindert werden muss (Impairment) und es somit zu einer über die
GuV erfolgswirksamen, vorzeitigen Auflösung der Rücklage in Höhe dieser Minderung
kommt.
58
In der eben beschriebenen Kategorie sowie in den beiden darauf folgenden, müssen
50
Vgl. Hecker/ Klein-Wiele (2011), S. 153.
51
Vgl. Hayn et al. (2009), S.149.
52
Vgl. Pellens /Fülbier/Gassen/Sellhorn (2011), S. 569.
53
Vgl. IAS 39.55(a).
54
Vgl. Schildbach (2008), S. 2381.
55
Vgl. Hayn et al. (2009), S.149.
56
Vgl. IAS 39.55.
57
Vgl. Hecker/Klein-Wiele (2011), S. 153.
58
Vgl. IAS 39.67.

9
die Zinsen, welche mithilfe der Effektivzinsmethode ermittelt werden, direkt in das
Periodenergebnis gebucht werden.
59
3.
Held to Maturity Investments (HtM)
Die hier eingegliederten Finanzinstrumente haben die Eigenschaft, dass bei dem
bilanzierenden Unternehmen die Absicht und Fähigkeit vorliegt, die finanziellen
Vermögenswerte bis zu ihrer Endfälligkeit halten zu können bzw. zu wollen und diese dann
gemäß IAS 39.46(b) zu fortgeführten AK bewertet werden müssen.
60
Folglich sind die
Finanzinstrumente durch eine feste oder zumindest bestimmbare Laufzeit charakterisiert und
somit meist zinstragende Wertpapiere.
61
Sollte der Fall eintreten, dass ein HtM vor seiner
Endfälligkeit verkauft wird, so müssen alle in dieser Kategorie eingegliederten
Finanzinvestitionen für die laufende und die zwei darauf folgenden Perioden in AfS
umgegliedert werden, was als sog. ,,Tainting Rule" bezeichnet wird.
62
4.
Loans and Receivables (LaR)
Auch Kredite und Forderungen, die einen nicht-derivativen Charakter aufweisen, feste oder
bestimmbare Zahlungen nach sich ziehen und auch nicht auf einem aktiven Markt gehandelt
werden, sind mit fortgeführten AK folgezubewerten.
63
Ein ermittelter ,,Impairment Loss", der
sich aus objektiven Hinweisen eines Wertverlusts ergibt, wird erfolgswirksam behandelt und
sollte sich im Nachhinein eine Wertaufholung ergeben, wird diese ebenso in das
Periodenergebnis gebucht.
64
Liegt ein Impairment für diese Kategorie oder für HtM vor, so
muss auf die zukünftig erwarteten Cashflows, diskontiert mit dem ursprünglich implizierten
internen Zinssatz, abgeschrieben werden.
65
Umgliederungen vor der Nacht-und-Nebel-Aktion vom 14.10.2008 des IASB waren nur in
einem sehr eingeschränkten Rahmen möglich: Eine Umwidmung aus oder in die Kategorie At
FV through PoL war verboten
66
und eine Umklassifizierung von HtM in AfS durfte gemäß
IAS 39.52 i.V.m IAS 39.51 nur unter der Prämisse stattfinden, dass alle HtM genauso
umgewidmet wurden und für zwei Jahre keine Zuordnung in HtM mehr zulässig war.
Ebenfalls war und ist es zulässig, Finanzinstrumente aus der Kategorie AfS in HtM
59
Vgl. Hecker/Klein-Wiele (2011), S. 153 sowie dort genannt: IAS 39.55 und IAS 39.9 i.V.m. IAS 18.30.
60
Vgl. Hayn et al. (2009), S. 149.
61
Vgl. Auerbach/Klotzbach (2008), S. 552.
62
Vgl. Hayn et al. (2009), S. 149.
63
Vgl. Hayn et al. (2009), S. 149.
64
Vgl. Hecker/Klein-Wiele (2011), S. 153.
65
Vgl. IAS 39.63.
66
Vgl. IAS 39.50 a.F. (2007).

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Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2011
ISBN (PDF)
9783863417772
ISBN (Paperback)
9783863412777
Dateigröße
844 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
internationale Rechnungslegung Bankbilanzierung Bilanzierung Vermögenswer finanziell Prozyklizität
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Elisa Selina Kaupel, B. Sc., wurde 1988 in Würzburg geboren. Ihr Studium der International Business Administration an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen schloss die Autorin im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad Bachelor of Science erfolgreich ab. Bereits zu Beginn des Studiums war die Autorin fasziniert von Rechnungslegung und absolvierte deswegen ein Praktikum bei einer global erfolgreichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und konnte dort umfangreiche, praktische Erfahrungen sammeln. Ihre Tätigkeit als Tutorin für Rechnungswesen und diverse akademische Veranstaltungen in Internationaler Rechnungslegung motivierten sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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Titel: Fair Value Accounting und Finanzkrise: Wenn Bankbilanzierungen zur Gefahr werden
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