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Stresstesting – ein Instrument zur Krisenverhinderung: Durchführung von Stresstests in der Kreditrisikosteuerung

©2010 Bachelorarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Der Wandel an den nationalen und internationalen Finanzmärkten, bedingt durch die Globalisierung seit den 90er-Jahren, verursachte eine fundamentale Veränderung im Bankgeschäft, in der Risikosituation und der damit korrespondierenden Gesamtbanksteuerung. Insbesondere diese Entwicklung erfordert die Funktionstüchtigkeit der Systeme und Instrumente, die der Steuerung und Begrenzung von Risiken dienen.
Die wohl wesentlichste Risikoart der Kreditinstitute ist unzweifelhaft das Kreditrisiko. Kreditausfälle und Kreditrisiken sind nach wie vor eine der häufigsten Ursachen von Instabilitäten bei Kreditinstituten sowie dem Finanzsystem. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Stresstests in der Kreditrisikosteuerung, denen aufgrund bankaufsichtlicher Anforderungen im Rahmen der Solvabilitätsverordnung und der Mindestanforderungen an das Risikomanagement eine elementare Bedeutung zukommt.
Vor allem die verheerenden Auswirkungen der Finanzkrise, die zahlreiche schlagend gewordene Kreditrisiken verursachte, tragen maßgeblich zu der Signifikanz dieser Risikokategorie bei. Erst dadurch wurde offenkundig, dass insbesondere die bisher gängigen Kreditrisikomodelle, die größtenteils auf Annahmen basieren, unter solch extremen Marktbedingungen versagen.
Die aktuelle Krise der Finanzwelt ist die Triebfeder dafür, dass bislang gängige Risikosteuerungsmethoden in den Blickpunkt der Bankenaufsicht geraten sind. Die klassischen Risikosteuerungsmodelle entpuppten sich bei Extrementwicklungen als nicht mehr geeignet. Es wurden Methoden gesucht, die explizit solch unerwartete und vehemente Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld abbilden können, um die daraus resultierenden negativen Effekte vermeiden zu können. Das hierfür geeignete Instrument ist das Stresstesting.
Bereits in der vorigen Fassung der MaRisk konnten Stresstests im Rahmen des Risikomanagements als Bestandteil erwähnt werden, sie wurden jedoch in der Neufassung enorm präzisiert. Die wesentlichen Treiber, die die Neuerungen der MaRisk und die Signifikanz der Stresstests ausgelöst haben, sind internationale Regulierungsinitiativen, die während der Finanzmarktkrise entwickelt worden sind.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

Der Wandel an den nationalen und internationalen Finanzmärkten, bedingt durch die Globalisierung seit den 90er-Jahren, verursachte eine fundamentale Veränderung im Bankgeschäft, in der Risikosituation und der damit korrespondierenden Gesamtbanksteuerung. Insbesondere diese Entwicklung erfordert die Funktionstüchtigkeit der Systeme und Instrumente, die der Steuerung und Begrenzung von Risiken dienen.[1]

Die wohl wesentlichste Risikoart der Kreditinstitute ist unzweifelhaft das Kreditrisiko. Kreditausfälle und Kreditrisiken sind nach wie vor eine der häufigsten Ursachen von Instabilitäten bei Kreditinstituten sowie des Finanzsystems. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Stresstests in der Kreditrisikosteuerung, denen aufgrund bankaufsichtlicher Anforderungen im Rahmen der Solvabilitätsverordnung und der Mindestanforderungen an das Risikomanagement eine elementare Bedeutung zukommt.

Vor allem die verheerenden Auswirkungen der Finanzkrise, die zahlreiche schlagend gewordene Kreditrisiken verursachte, tragen maßgeblich zu der Signifikanz dieser Risikokategorie bei. Erst dadurch wurde offenkundig, dass insbesondere die bisher gängigen Kreditrisikomodelle, die größtenteils auf Annahmen basieren, unter solch extremen Marktbedingungen versagen.

Die aktuelle Krise der Finanzwelt ist die Triebfeder dafür, dass bislang gängige Risikosteuerungsmethoden in den Blickpunkt der Bankenaufsicht geraten sind. Die klassischen Risikosteuerungsmodelle entpuppten sich bei Extrementwicklungen als nicht mehr geeignet. Es wurden Methoden gesucht, die explizit solch unerwartete und vehemente Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld abbilden können, um die daraus resultierenden negativen Effekte vermeiden zu können. Das hierfür geeignete Instrument ist das Stresstesting.

Bereits in der vorigen Fassung der MaRisk konnten Stresstests im Rahmen des Risikomanagements als Bestandteil erwähnt werden, sie wurden jedoch in der Neufassung enorm präzisiert. Die wesentlichen Treiber, die die Neuerungen der MaRisk und die Signifikanz der Stresstests ausgelöst haben, sind internationale Regulierungsinitiativen, die während der Finanzmarktkrise entwickelt worden sind.

Die Frage, ob und inwiefern andere oder modifizierte Instrumente im Risikomanagement die Krise hätten vermeiden oder abmildern können, beschäftigte folglich Banken und Aufsichtsbehörden. Die Neuerungen in den internationalen und nationalen Rahmenwerken, welche die regelmäßige angemessene Durchführung von Stresstests für die wesentlichen Risiken innerhalb des Steuerungsprozesses verlangen, sind die Resultate aus dieser Fragestellung.[2]

Vor dem Hintergrund des Themas der Bachelorarbeit, bildet das Kapitel 2 eine Grundlage für den allgemeinen Kreditrisikomanagementprozess. Dabei wird explizit auf das Kreditrisiko, dessen Ausprägungen, Messung und Steuerung eingegangen. Den Kreditrisikotreibern wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da diese als Basis für die Parameterveränderungen der Stresstests fungieren. Das Kapitel schließt mit dem Nutzen und der Motivation für die Durchführung von Stresstests in der Kreditrisikosteuerung.

Das Kapitel 3 soll zunächst einen möglichst komprimierten Überblick über die diversen Kategorien der Stresstests vermitteln. Im weiteren Teil werden die bankaufsichtlichen Anforderungen bezüglich der Stresstests – fokussiert auf den Kreditrisikobereich – dargestellt, vorbereitend für den anschließenden Stresstestprozess.

Im vierten Abschnitt erfolgt die Parametrisierung der Stresstests in der Kreditrisikosteuerung am Praxisbeispiel der Sparkasse. Der Prozess orientiert sich an dem im vorangegangenen beschriebenen allgemeingültigen Ablauf, konkretisiert anhand der institutsspezifischen Risikosituation.

Die Arbeit schließt im Kapitel 5 mit einer Reflektion der Ergebnisse und wagt einen kurzen Ausblick auf künftige Entwicklungen.

2.Kreditrisikomanagement – Grundlagen und Definitionen von Kreditrisiken

Kreditrisiken können als das Risiko eines unerwarteten Verlustes oder entgangenen Gewinnes aufgrund eines Ausfalls eines Kontrahenten definiert werden.[3] Im Allgemeinen können sie als die Gefahr interpretiert werden, dass der tatsächlich eingetretene bonitätsbedingte Verlust von dem erwarteten Verlust, welcher durch die Zahlungsunwilligkeit oder –unfähigkeit eines Kreditnehmers entsteht, abweicht.[4] Die Kreditrisiken zählen zu den vier wesentlichen Risiken gemäß den MaRisk, deren Teilrisiken resultieren aus dem Kundenkreditgeschäft, dem Eigengeschäft und den Beteiligungsgeschäft.

2.1 Ausprägungen von Kreditrisiken

Das Kreditrisiko besitzt mehrere Ausprägungen: das Ausfallrisiko, das Recovery Risiko, das Bonitätsrisiko und das Spread-Risiko. Dabei bezieht sich das Ausfallrisiko auf die Gefahr, dass ein Kreditnehmer seinen Zins- und/oder Tilgungsverpflichten nicht nachkommt und folglich ein Ausfall eintritt.[5] Das Länderrisiko ist eine besondere Form des Ausfallrisikos.

Das Recovery Risiko besteht darin, dass die Höhe des Anteils, der im Ausfall noch bedient wird, unsicher ist.

In der Unsicherheit über eine Veränderung in der Bonität des Kreditnehmers existiert das Bonitätsrisiko.[6] Eine Herabstufung der Bonität bewirkt einen Rückgang des Marktwertes aufgrund der Diskontierung der noch ausstehenden Zahlungen mit dem durch entsprechende Bonitätsaufschläge erhöhten Kalkulationszins. Dabei ist zwischen einer bonitätsinduzierten und einer zinsinduzierten Marktwertveränderung zu unterscheiden.[7]

Das Spread-Risiko ist die potenzielle Ausweitung des Risikoaufschlags auf den risikolosen Zinssatz bei unveränderter Bonität des Kreditnehmers.

Ferner ist eine Differenzierung der Kreditrisiken in systematische und unsystematische Risiken möglich. Das systematische Risiko, auch nicht diversifizierbares Marktrisiko genannt, wird durch ökonomische Elemente beeinflusst, während das unsystematische, differenzierbare Risiko durch Bonitätsveränderungen des einzelnen Kreditnehmers begründet wird.

Nicht zu vernachlässigen sind die Klumpen- und Konzentrationsrisiken, die durch hohe Abhängigkeiten der Kreditnehmer eines Portfolios entstehen. Durch eine angemessene Granularität und daraus folgender Diversifikation des Portfolios kann diesen Risiken entgegengewirkt werden.[8]

2.2 Messung des Kreditrisikos

Die quantitative Kreditrisikomessung stellt im Rahmen der Kreditrisikosteuerung einen signifikanten Baustein dar, der sich zunächst aufgrund regulatorischer Anforderungen ergibt. Eine korrekte Messung bildet im Kreditrisikomanagement eine elementare Voraussetzung für die Begrenzung und Steuerung.[9] Des Weiteren soll die aus der Messung resultierende bessere Kenntnis der eigenen Risiken deren Eintrittswahrscheinlichkeiten reduzieren und ermöglichen, das Chancenpotenzial optimal auszuschöpfen.[10]

Drohende oder realisierte Kreditverluste können, wie in Tabelle 1[11] dargestellt, in erwartete und unerwartete Verluste separiert werden. Der erwartete Verlust ist hierbei die Risikoeinschätzung, die aus allen verfügbaren Informationen resultiert und durch die vom Kreditnehmer getragenen Risikoprämien abgedeckt werden soll.

Im Allgemeinen lässt sich der erwartete Verlust für das Ausfallrisiko anhand folgender Formel darstellen:

EL = PD x EAD x LGD

Formel 1: Berechnung des Expected Loss[12]

Der Expected Loss basiert demnach auf der erwarteten Höhe der Forderung zum Ausfallzeitpunkt (EAD), der Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und der Verlustquote bei Ausfall (LGD).[13]

Die Ausfallwahrscheinlichkeit, welche die Wahrscheinlichkeit beschreibt, dass ein Kreditnehmer innerhalb eines Jahres ausfällt, hängt maßgeblich von der Bonität des Kreditnehmers ab.[14] Das Rating kann in diesem Zusammenhang als Risikoabschätzung fungieren, welche durch externe und interne Informationen erfolgt, wobei eine objektive statistische Auswertung i.d.R. einer subjektiven Bonitätseinschätzung vorzuziehen ist.[15]

Die Verlustquote stellt den Anteil des Engagements dar, der bei einem Ausfall abgeschrieben werden muss und wird durch hinterlegte Sicherheiten beeinflusst.[16] Der Kreditbetrag bei Ausfall stellt den Nennwert der finanziellen Verpflichtung des Kreditnehmers dar.[17] Um den erwarteten Verlust auf Portfolioebene zu ermitteln, werden die durchschnittlichen Verluste der Einzelkredite addiert.[18]

Aufgrund der Interpretation, dass erwartete Verluste vorhersehbar sind und damit im Rahmen der Prämienberechnung mit einkalkuliert werden, können diese Verluste nicht als Risiko im eigentlichen Sinn betrachtet werden. Als Risikomaßstab ist der EL infolgedessen nicht geeignet, da sich dieser lediglich auf den durchschnittlichen Verlust aus dem Kreditgeschäft bezieht.[19]

Zur Quantifizierung des Kreditrisikos ist der unerwartete Verlust heranzuziehen, welcher beispielsweise als Standardabweichung oder als ein bestimmtes Quantil ermittelt werden kann. Der unerwartete Verlust ergibt sich aus der negativen Abweichung vom erwarteten Verlust zum tatsächlich eingetretenen Wertverlust und wird auf Kreditportfolioebene gemessen.[20] Die Standardabweichung kann allerdings lediglich als geeignetes Maß für den Unexpected Loss definiert werden, wenn die Annahme der Normalverteilung für Kreditverluste gilt. Diese Voraussetzung ist bei Kreditrisiken jedoch nicht zwangsläufig erfüllt, da deren Verteilungen i.d.R. die Besonderheit der Links-Schiefe aufweisen.[21] Die so genannten „fat tails“ der Verteilung sind die, im Vergleich zu einer Normalverteilung mit gleichen Parametern, signifikant höheren Verluste.[22]

Eine Möglichkeit stellt die Berechnung des Kreditrisikos aus Forderungen mittels Schätzgrößen dar. Es wird dazu beispielsweise die durchschnittliche Ausfallquote der letzten 10 Jahre, bezogen auf den aktuellen Bestand an Forderungen zum Berichtsstichtag, mit einem Faktor von 1,3 bzw. 2,3 multipliziert. Die durchschnittliche Ausfallquote entspricht dem Bewertungsergebnis Kredit im Verhältnis zu den Kundenforderungen. Der Multiplikator ergibt sich als Näherungswert für ein 99%-iges Konfidenzniveau. Eine kritische Reflexion der Annahmen dieser Methode wird im Kapitel 2.6 vorgestellt.

Darüber hinaus kann der unerwartete Verlust als Credit Value at Risk (CVaR) mittels Kreditrisikomodellen prognostiziert werden unter Berücksichtigung etwaiger Korrelationen zwischen den Kreditnehmern im Kreditportfolio. Auf diese Methode wird im folgenden Kapitel explizit eingegangen. Ziel ist die Darstellung der gesamten asymmetrischen Verlustverteilungsfunktion von Kreditrisiken.

Im Gegensatz zu der Berücksichtigung des erwarteten Verlustes in den Kreditrisikoprämien, muss der unerwartete Verlust, welcher demzufolge als wirkliches Kreditrisiko fungiert, mit Eigenkapital unterlegt werden.[23]

Im Rahmen der Risikotragfähigkeitskonzeption wird auf diesen Aspekt gesondert eingegangen . [24] Bedeutend ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung der Korrelationen zwischen den einzelnen Kreditengagements bei der Berechnung des unerwarteten Verlustes auf Portfolioebene. Gut diversifizierte Kreditportfolios weisen ein niedrigeres Verlust­potenzial und somit ein geringeres Klumpenrisiko auf als die kumulierten Risiken auf Einzelebene.[25]

2.3 Kreditportfoliomodelle

Kreditportfoliomodelle eignen sich insbesondere um das aggregierte Kreditrisiko unter der Berücksichtigung von Diversifikationseffekten zu quantifizieren. Mittels dieser Modelle erfolgt die Messung des CVaR, ein anerkanntes Maß für den unerwarteten Verlust im Rahmen der Kreditrisikosteuerung, basierend auf den VaR für Marktpreisrisiken mit dem Unterschied der Messung in absoluten Werten.[26]

Ermittelt wird durch den CVaR der Betrag eines Portfolios, welcher innerhalb eines definierten Zeitraums mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.[27] Als Zeitraum wird gewöhnlich ein Jahr gewählt, das Konfidenzniveau als Sicherheitsniveau wird mit 99 % angesetzt.[28]

Zu den bedeutendsten Kreditportfoliomodellen zählen CreditMetrics von JP Morgan, CreditRisk von Credit Suisse Financial Products sowie Credit Portfolio View von McKinsey. Dabei können diese Modelle neben der Unterscheidung in Asset-Wert-basierte und Ausfallraten-basierte Modelle nach folgenden diversen Aspekten differenziert werden: Risikodefinition, technische Konzeption und verwendete empirische Datenbasis.

Die Risikodefinition bestimmt, welche der Risikoarten in den Kreditportfoliomodellen erfasst werden. Der formale Rahmen des Modells, in welchem die Verteilungsannahmen und die Berechnungs- bzw. Schätzungsverfahren festgelegt werden, wird durch die technische Konzeption dargestellt. Die empirische Datenbasis beschreibt den Datenpool, der für die Approximation der im Modell verwendeten Parameter herangezogen wird.

CreditMetrics zählt zu den Asset-Wert- bzw. Strukturmodellen, die auf dem Vergleich von Unternehmenswerten mit den Verbindlichkeiten basieren und somit auf Veränderungen von Marktwerten aufbauen. Dabei wird die Entwicklung der Aktiva unter Zugrundelegung der geometrischen Brownschen Bewegung modelliert. Diese kann als geometrischer Prozess beschrieben werden, in dem sich die Zufallsvariablen kontinuierlich und damit stetig verändern. Aufgrund der Unabhängigkeit der künftigen Veränderungen von der vergangenen Realisierung, kann die Brownsche Bewegung auch als kontinuierlicher Markov-Prozess bezeichnet werden.[29]

Demgegenüber gehören CreditRisk und Credit Portfolio View zu den Ausfallraten- bzw. Reduktionsmodellen. Diese modellieren das Ausfallereignis unter Bezugnahme von Ausfallwahrscheinlichkeiten, welche auf Basis historischer Daten geschätzt werden.[30]

Kreditrisikomodelle basieren auf Variablen, die im Allgemeinen zu schätzen sind. Daraus resultieren diverse Problematiken, die im Kapitel 2.6 kritisch reflektiert werden.

2.4 Risikotreiber von Kreditrisiken und Ursachen für deren Veränderungen

Für den Zweck der frühzeitigen Risikoerkennung sind auf Basis quantitativer und qualitativer Ausprägungen Risikofaktoren zu bestimmen, deren Variation eine Veränderung des Risikos verursacht.[31] Die Kreditrisikotreiber dienen im Stresstestprozess der Herleitung von geeigneten Stressszenarien.

Im Folgenden sind beispielhafte Risikofaktoren der Kreditrisiken sowie potenzielle Veränderungen genannt.[32]

- Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default):

Erhöhung der Ausfallraten und/oder der Volatilitäten der Ausfallraten für die Risikosegmente (Branchen) durch die Ableitung aus Ratings

- Rating:

Bonitätsveränderungen einzelner oder aller Kreditnehmer unter Berücksichtigung unternehmensinterner und –externer Parameter

- Loss Given Default:

Erhöhung der Volatilitäten und/oder Verringerung der Verwertungs- und Einbringungsquoten; Erhöhung des Blankokreditvolumens

- Exposure at Default:

Erhöhung der Forderung durch Inanspruchnahme von Kreditlinien und Kreditzusagen vor dem Eintreten einer Insolvenz

- Sicherheiten:

Verminderungen der Werte von Sicherheiten

- Risikokonzentrationen:

Relative Anteile von Engagements; Ausfall des größten Kreditengagements

- Verhalten:

Veränderungen des Zahlungsverhaltens oder des Informationsverhaltens des Kreditnehmers

Über die Risikoparameter erfolgt die Darstellung der Risikofaktoren in den implementierten Steuerungsinstrumenten und –modellen, die der Berechnung der Kreditrisiken dienen. Veränderungen der Risikofaktoren ziehen Veränderungen in den spezifischen Risikoparametern nach sich. So führt eine Verschlechterung des Risikofaktors „Bonität“ zu einer Verschlechterung der Risikoparameter „Rating bzw. Ausfallwahrscheinlichkeit“.

2.5 Steuerung und Überwachung der Kreditrisiken

Gemäß den MaRisk sind alle Geschäftsleiter für die ordnungsgemäße Steuerung und Überwachung der Risiken aus dem Kreditgeschäft verantwortlich. Die wesentlichen Risiken sind frühzeitig zu erkennen, vollständig zu erfassen, in angemessener Weise zu quantifizieren, darzustellen und zu überwachen. In die Steuerung und Überwachung werden gesamtgeschäftsbezogene Risiken wie Branchen- und Länderrisiken sowie sonstige Konzentrationen mit einbezogen.[33]

Der Kreditrisikomanagementprozess erfolgt auf Basis des allgemeinen Prozesses der Risikosteuerung und umfasst die Verfahren zur Identifizierung und Bewertung der Risiken, die Festlegung von geeigneten Steuerungsmaßnahmen und die notwendigen Kontrollprozesse.[34]

Gemäß den Mindestanforderungen für den Steuerungsprozess der Kreditrisiken sind Verfahren zur Früherkennung, zur Steuerung im Rahmen des Kreditrisikomanagement und zur Überwachung im Rahmen des Kreditrisikocontrollings einzurichten. Eingebettet in ein übergreifendes Verfahren der Gesamtbanksteuerung, können damit Interdependenzen unterschiedlicher Risikoarten berücksichtigt werden.[35] Die zu Zwecken der Steuerung und Überwachung entwickelten Maßnahmen sind stets unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit zu strukturieren.[36]

2.5.1 Früherkennung von Risiken

Zur frühzeitigen Identifizierung von potenziellen Risiken im Kreditbereich sind Verfahren einzurichten, die der Größenordnung, der Komplexität und dem Risikogehalt der vorhandenen Kreditgeschäfte entsprechen. Der Prozess der Risikofrüherkennung dient insbesondere der rechtzeitigen Identifizierung von Kreditnehmern, deren Engagements erhöhte Risiken aufzeigen. Dadurch soll es den Kreditinstituten ermöglicht werden, bereits in einem frühen Stadium Maßnahmen der Gegensteuerung einzuleiten und somit Verluste zu vermeiden oder abzudämpfen.[37]

Die Verfahren zur Früherkennung von Risiken werden definiert als strukturierte Verfahren mit Handlungsanweisungen und Prozessen zur standardisierten Sammlung von risikorelevanten Informationen, Transformation in Risikokategorien und daraus resultierende Ableitung von Gegensteuerungsmaßnahmen.

Um den Anforderungen der MaRisk Rechnung zu tragen, hat das Institut Indikatoren für eine frühzeitige Risikoidentifizierung zu entwickeln, dessen Basis sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien sein sollten. Die Funktion der Früherkennung von Risiken kann auch durch ein adäquates Risikoklassifizierungsverfahren erfolgen, sofern dessen Frühwarnindikatoren auf Basis geeigneter Merkmale beruhen.

Das Risikoklassifizierungsverfahren dient der Bestimmung des Adressenausfallrisikos und ist zumindest für das risikorelevante Geschäft anzuwenden, wobei die Zuordnung zum risikorelevanten Geschäft institutsindividuell ist.[38]

2.5.2 Kreditrisikomanagement

Elementare Aufgabe des Kreditrisikomanagements ist die Begrenzung der Kreditrisiken und die Optimierung des Rendite-Risiko-Verhältnisses.[39] Das integrierte Kreditrisikomanagement auf Gesamtportfolioebene ist der Schlüssel im Hinblick auf die interne Steuerung des Kreditrisikos.

Signifikante Werkzeuge für ein modernes Kreditrisikomanagement auf Gesamtportfolioebene stellen die im Kapitel 2.3 erläuterten Kreditportfoliomodelle dar. Mittels der daraus resultierenden Ergebnisse der Risikomessung können ineffieziente Teilportfolios identifiziert werden und entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden.[40]

Die Steuerung und weiterführende Überwachung identifizierter Risiken erfolgt mittels geeigneter Maßnahmen im Rahmen des Risikomanagements und des Risikocontrollings. Zu den Steuerungsinstrumenten zählen die Strategien, Limitierungen und die risikogerechte Konditionengestaltung.

Gemäß den MaRisk ist durch adäquate Maßnahmen sicherzustellen, dass die Risiken im Kreditgeschäft begrenzt werden können. Es dürfen nur Geschäfte getätigt werden, für die ein kreditnehmerbezogenes Limit festgesetzt wurde. Im Gegensatz dazu werden für die gesamtgeschäftsbezogenen Risiken keine Limite gefordert, sondern nur Maßnahmen, die solche Risiken steuern und überwachen.

Ein Kreditbeschluss ist eine Limitsetzung, wobei eine enge Verzahnung mit dem Kompetenzsystem besteht. Aufgrund dieser Eigenschaft ist eine Kompatibilität von Limitierung und Kompetenzsystem unentbehrlich.

Der Risikogehalt der Kreditgeschäfte bestimmt die angemessene Überwachung der Einhaltung der kreditnehmerbezogenen Limite, auf welche alle Geschäfte unverzüglich anzurechnen sind.

Ziel der Limitierung ist die Vorbeugung der Bildung von Klumpenrisiken, wodurch eine angemessene Diversifikation der Kreditaktivitäten erreicht werden soll.

Die Erstellung eines Risikoberichts hat in regelmäßigen Abständen, gemäß bankaufsichtlicher Empfehlung quartalsweise, zu erfolgen. Elementare Inhalte sind in Abhängigkeit von der institutsspezifischen Risikosituation die wesentlichen strukturellen Merkmale des Kreditgeschäfts. Anhand der Reports soll die Geschäftsleitung frühzeitig über bedrohliche Risiken informiert werden um entsprechend reagieren zu können.[41]

2.5.3 Risikotragfähigkeitskonzeption

Ziel der Risikotragfähigkeitskonzeption ist die Darbietung einer strukturierten Übersicht über die RTF des Kreditinstituts sowie die Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforderungen. Risikotragfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, dass Verluste aus der Geschäftstätigkeit durch ein festgelegtes Risikodeckungskapital aufgefangen werden können, so dass eine Fortführung des Kreditinstituts gewährleistet wird. Dieses Risikodeckungskapital stellt das gesamte realisierbare Vermögen dar und wird mit Hilfe von Allokationsstrategien in Form von Risikolimiten auf die verschiedenen Risikokategorien verteilt.[42]

Die RTF stellt das Limit für unerwartete Verluste dar und sollte mittels vergleichbarer Verfahren für alle relevanten Risiken ermittelt werden. Die Ermittlung der aktuellen Auslastung erfolgt monatlich oder quartalsweise.[43]

Hinsichtlich der Risikomessung und –steuerung im Kreditgeschäft werden seitens der MaRisk Volumenbeschränkungen bei der Begrenzung der gesamtgeschäftsbezogenen Risiken anerkannt. Da die RTF im betriebswirtschaftlichen Sinn jedoch nicht mit dem Kreditvolumen kongruent ist, wird die Nutzung von modernen Risikomaßen sowie Kreditrisikomodellen als zweckmäßiger erachtet.[44]

Die Höhe des unerwarteten Verlustes bestimmt folglich den Betrag, der mit Eigenkapital in der Risikodeckungsmasse zu unterlegen ist.[45] Die laufende RTF ist gegeben, sofern die quantifizierbaren Risiken den definierten Anteil am Risikodeckungspotenzial unter­schreiten.[46] Indes stehen nicht sämtliche Komponenten des Risikodeckungskapitals in unbeschränkter Höhe zur Deckung der Risiken zur Verfügung, sondern nur diejenigen, welche für eine Fortführung des Kreditinstituts nicht unabdingbar sind.

Die RTF kann aus drei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden: periodisch, wertorientiert und regulatorisch. Wobei die wertorientierte und periodische Sichtweise eine betriebswirtschaftliche Ausrichtung beinhalten und in sich ergänzend in der RTF dargestellt werden können. Die regulatorische Sichtweise orientiert sich primär an der SolvV und ist diejenige, die aufsichtrechtlich verlangt wird.

Die wertorientierte Sichtweise ist vorherrschend am Vermögen eines Kreditinstituts ausgerichtet, welches elementar durch die Markt- oder Barwerte der einzelnen Vermögens­positionen determiniert wird. Risiken in der wertorientierten Betrachtung entsprechen dem potenziellen Vermögensverlust gegenüber dem erwarteten Vermögenswert zum Ende des Planungshorizonts in Form des VaR.

In der periodischen Sichtweise stehen die Betriebsergebnis- und Erfolgsspannenrechnung wie auch die Bilanz im Fokus. Sie orientiert sich an einer Abstufung der zur Verfügung stehenden Eigenmittel.[47] Der potenzielle Verlust, sprich das Risiko, entspricht in der periodischen Betrachtung der negativen Abweichung vom geplanten Verlust bzw. Ergebnis.

Die regulatorische Sichtweise der RTF wird, ergänzend zu den den o.g. Sichtweisen, auf Basis der SolvV dargstellt. Dabei lassen sich die Wirkungsweisen der periodischen Kenn­ziffern zum Risikokapital und zur Risikoquantifizierung vereinfacht für die Solva-Gesamtkennziffer und die Kernkapitalquote abbilden.

Der im Folgenden dargestellte Prozess innerhalb der RTF stellt die Verbindung zwischen den Ebenen Gesamtkapital und Risikoprofil dar. In einem ersten Schritt wird das Gesamtvermögen bestimmt, welches als Risikodeckungskapital fungiert. Darauf folgt eine geschäftspolitische Entscheidung, wie hoch der Anteil am Risikodeckungspotenzial sein soll, welcher der Risikoabsorption dienen wird. Das Gesamtvermögen wird anschließend im Rahmen der Asset Allocation auf die einzelnen Risikokategorien aufgeteilt, bevor die Quantifizierung der einzelnen Risikoarten sowie die angrenzende Risikoaggregation erfolgen. Der finale Prozessschritt schafft die Verbindung zwischen der Quantifizierung der einzelnen Risikokategorien und dem eingesetzten Gesamtvermögen.

[...]


[1] Vgl. Wagner, Wimmer (2009), S. 1, 6

[2] Vgl. Gruber, Martin, Wehn (2010), S. 17, 41, 127 f.; Schlottmann, Vorgrimler (2009), S. 36

[3] Vgl. Everling, Goedeckemeyer (2004), S. 328

[4] Vgl. Thamm (2009), S. 2 f.

[5] Vgl. Kroon (2009), S.11 f.

[6] Vgl. Thamm (2009), S. 3

[7] Vgl. Kroon (2009), S.13

[8] Vgl. Thamm (2009), S. 3

[9] Vgl. Howland (2007), S. 15

[10] Vgl. Henking, Bluhm, Fahrmeir (2006), S. 5 f.

[11] Siehe Anhang, Tabelle 1

[12] Vgl. Lüscher-Marty (2007), S. 1.26

[13] Vgl. Klement (2007), S. 105

[14] Vgl. Wolke (2007), S. 153; Gruber, Martin, Wehn (2010), S. 131

[15] Vgl. Henking, Bluhm, Fahrmeir (2006), S. 6

[16] Vgl. Thamm (2009), S. 4

[17] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2003), S. 449

[18] Vgl. Thamm (2009), S. 4

[19] Vgl. Klement (2007), S.105, 137

[20] Vgl. Kroon (2009), S.15

[21] Vgl. Schuhmann, Daldrup (2003), S. 8

[22] Vgl. Lüscher-Marty (2007), S. 1.34

[23] Vgl. Klement (2007), S. 107, 137

[24] Vgl. Kapitel 2.5.3

[25] Vgl. Lüscher-Marty (2007), S. 1.34

[26] Vgl. Thamm (2009), S. 5

[27] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2001), S. 94

[28] Vgl. Lüscher-Marty (2007), S. 1.33

[29] Vgl. Henking, Bluhm, Fahrmeir (2006), S. 146 ff; Zurek (2009), S. 100 ff.

[30] Vgl. Klement (2007), S.138 f.

[31] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2003), S. 35

[32] Vgl. Klement (2007), S. 108 ff.

[33] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2003), S. 30, 36

[34] Vgl. Thamm (2009), S. 2

[35] Vgl. Everling, Theodore (2008), S. 308 f.

[36] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2003), S. 33, 36

[37] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2003), S. 34

[38] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2003), S. 31

[39] Vgl. Beinhauer (2008), S. 239

[40] Vgl. Lesko, Schlottmann (2006), S. 2

[41] Vgl. Eller, Gruber, Reif (2003), S. 35 ff.

[42] Vgl. Eller, Gruber, Reif (1999), S. 391

[43] Vgl. Everling (2009), S. 27

[44] Vgl. Kapitel 2.3

[45] Vgl. Thamm (2009), S. 6

[46] Vgl. Everling (2009), S. 26

[47] Vgl. Christians (2006), S. 267

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783863417949
ISBN (Paperback)
9783863412944
Dateigröße
2.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe Bonn
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Banksteuerung Risikomanagement Risikotragfähigkeit Finanzmarktkrise Bankaufsicht Regulierungsinitiative MaRisk

Autor

Rabea Hacker, B.Sc., wurde 1986 in Hagen geboren. Ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe - University of Applied Sciences - Bonn schloss die Autorin im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad Bachelor of Science erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Finanzbranche. Ihre Tätigkeit in einer regionalen Bank motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen. Seit dem Jahr 2011 absolviert die Autorin den Masterstudiengang Wirtschaftswissenschaft an der FernUniversität in Hagen, welchen sie voraussichtlich im Jahre 2014 mit dem akademischen Grad Master of Science (M.Sc.) mit dem Untertitel ‚Magistra der Wissenschaft‘ abschließen wird.
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