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Die Privatisierung des Militärs: Das Beispiel Blackwater

©2008 Bachelorarbeit 41 Seiten

Zusammenfassung

Die Gesamtwirtschaft eines Staates setzt sich zusammen aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Allgemein kann man für den öffentlichen Sektor festhalten, dass der Staat für die Bürger bestimmte Dienstleistungen erbringt, die von den Bürgern durch die entrichteten Steuern finanziert werden.
Im Gegensatz dazu bieten im privaten Sektor gewinnorientierte Privatunternehmen Güter und Dienstleistungen auf dem Markt an, die von den Verbrauchern erworben werden können. Das bedeutet, dass sich die beiden Sektoren in Bezug auf ihre Finanzierungsquellen, das Verhältnis zwischen Anbietern und Verbrauchern und den rechtlichen Status des Anbieters grundsätzlich voneinander unterscheiden.
Seit den 1990er Jahren erobern privatwirtschaftliche, gewinnorientierte Unternehmen einen Bereich des öffentlichen Sektors, der bis dato ausschließlich dem Staat vorbehalten war - den Bereich des Militärs. Die Unternehmen, die sich in diesem Bereich etablieren, bezeichnet man als Private Military Companies, kurz PMCs.
Die zunehmende Privatisierung des militärischen Bereichs verändert nicht nur das Akteurspektrum, sondern auch das Wesen von Kriegen. Der Einzug von Begriffen wie Privatisierung und Outsourcing im täglichen Sprachgebrauch von Verteidigungsministern suggeriert, dass Krieg nicht mehr als ultima ratio verstanden wird - als letztes Mittel nach Ausschöpfung aller anderen Mittel -, sondern als eine Dienstleistung, die von privatwirtschaftlichen Unternehmen im Auftrag von Staaten erbracht wird.
Der rasante Aufstieg der PMC-Branche im Allgemeinen und des Unternehmens Blackwater im Besonderen, das aus einem der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige noch herausragt, wirft eine Reihe von Fragen auf: Was unterscheidet Söldner von PMCs? Wie kann man PMCs definieren, um sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen? Welche Faktoren haben zum Aufstieg von PMCs beigetragen? Wie gelingt es Blackwater, aus der Fülle der PMCs eine exponierte Stellung einzunehmen?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Söldner versus Private Military Companies (PMCs)

Private Military Companies (PMCs) wie Blackwater gelten als die Söldner des 21. Jahrhunderts. Dies liegt einerseits daran, dass sowohl Söldner als auch Angestellte von PMCs häufig ehemalige Angehörige von Spezialeinheiten nationaler Streitkräfte sind, andererseits aber auch daran, dass selbst anerkannte Militärhistoriker wie Martin van Crefeld die Begriffe Söldner und PMCs synonym verwenden (vgl. van Crefeld 2008). Ob diese Synonymität berechtigt ist, erscheint fraglich, da es trotz mehrerer Analogien zwischen PMCs und Söldnern zahlreiche Unterscheidungsmerkmale gibt, die auch völkerrechtlicher Natur sind.

2.1. Wer oder was sind Söldner?

Um PMCs und Söldner voneinander abzugrenzen, ist es in einem ersten Schritt notwendig zu definieren, wer oder was Söldner überhaupt sind und seit wann sie existieren.

David Isenberg beantwortet die Frage, seit wann Söldner existieren, folgendermaßen: “While they may not be the world’s oldest profession they are likely a very close second. […] They have existed since war began” (Isenberg 1997). Martin van Crefeld äußert sich ähnlich, indem er sagt: “Söldner […] gehören zu den ältesten Truppen überhaupt” (van Crefeld 2008). Er führt aus, dass bereits König David Söldner an seiner Seite hatte. Auch andere Herrscher haben sich bis heute immer wieder der Dienste von Söldnern bedient, um ihre Macht zu behaupten.

Eine erste völkerrechtlich relevante Definition für Söldner gibt Artikel 47 des ersten Zusatzprotokolls 1977 zu den Genfer Konventionen 1949. Dort heißt es:

“Als Söldner gilt,

a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,
b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,
c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung,
d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,
e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und
f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.” (1. Zusatzprotokoll 8. Juni 1977)

Diese sechs Merkmale müssen kumulativ erfüllt sein, um als Söldner zu gelten. Genau dies ist einer der Hauptkritikpunkte an dieser Kategorisierung. Die Definition ist so eng, dass “es äußerst schwierig, wenn nicht nahezu unmöglich [ist], Individuen als Söldner zu klassifizieren” (Birke 2007: 66). Ferner gibt es weitere Aspekte, die Artikel 47 entkräften. Zum einen wurde die Vereinbarung nicht von allen Staaten ratifiziert[1] – neben anderen versagten die USA und Großbritannien ihre Zustimmung –, zum anderen ist Artikel 47 nur für internationale Konflikte gültig. Somit werden Söldneraktivitäten bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen, wie sie z.B. in den Bürgerkriegen 1995 in Sierra Leone durch Executive Outcomes (EO) (vgl. Fuchs 2007: 109) oder 1997 in Papua-Neuguinea durch Sandline[2] (vgl. Uesseler 2006: 15) stattgefunden haben, durch Artikel 47 nicht reglementiert, obwohl gerade diese Konflikte die Hauptbetätigungsfelder von Söldnern darstellen.

Darüber hinaus befasst sich Artikel 47 nur mit Söldnern, nicht aber mit dem Söldnertum als Gesamtkonzept, das die Verantwortung von Staaten und Organisationen, die an Söldneraktivitäten beteiligt sind, beinhaltet. Dies stellt ein Versäumnis im Bestreben nach Eindämmung des Söldnertums dar.

Überhaupt verbietet Artikel 47 Söldner nicht explizit. In Absatz 1 wird Söldnern lediglich der “Anspruch auf den Status eines Kombattanten oder eines Kriegsgefangenen” (1. Zusatzprotokoll 1977) entzogen. Diese gesetzliche Regelung wirft in Bezug auf den Status von Söldnern allerdings weitere Fragen auf, so dass Söldner nach internationalem Recht mit hoher Wahrscheinlichkeit als illegale Kombattanten angesehen werden müssen (Näheres bei Birke 2007: 49f.).

Neben Artikel 47 des ersten Zusatzprotokolls gibt es in Bezug auf Söldner zwei weitere gesetzliche Regelungen internationalen Rechts. Einerseits gibt es die OAU Convention for the Elimination of Mercenarism in Africa aus dem Jahr 1977, andererseits die International Convention Against the Recruitment, Use, Financing and Training of Mercenaries der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1989. Trotz ihres Anspruches, “Söldner zu verbieten und gänzlich von den Konflikt- und Kriegsschauplätzen zu verbannen” (Birke 2007: 67), haben sie Artikel 47 nahezu unverändert übernommen. Während die OAU Convention einzig Gültigkeit für den afrikanischen Kontinent besitzt, ist die VN Convention zwar nicht geographisch eingeschränkt, allerdings ist sie bis zum Jahr 2005 erst von 26 Staaten ratifiziert worden (vgl. Vereinte Nationen 2004), so dass auch hier keine Allgemeingültigkeit gegeben ist.

Laut Peter Singer sind die Definitionen der internationalen Regelungen zu eingeschränkt, so dass man “eine analytisch fundiertere und ausgewogenere Definition des Söldners” (Singer 2006: 78) benötigt, um Söldner von PMCs zu unterscheiden[3]. Seiner Meinung nach gibt es sechs wesentliche Merkmale, durch die sich moderne Söldner von anderen Kombattanten und Angehörigen militärischer Organisationen unterscheiden:

Staatsangehörigkeit: Söldner sind in der Regel keine Bürger oder Bewohner des Landes, in dem sie kämpfen.

Unabhängigkeit: Söldner sind durch keine dauerhafte Zugehörigkeit mit irgendwelchen nationalen Streitkräften oder Truppen verbunden; sie haben vielmehr den Status von Angestellten auf Zeit.

Motivation: Söldnern geht es um individuelle und kurzfristige wirtschaftliche Vorteile, sie kämpfen nicht für politische oder religiöse Ziele.

Rekrutierung: Söldner werden auf verschlungenen und verdeckten Wegen angeworben und bleiben möglichst anonym, um die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zu minimieren.

Organisation: Söldnertruppen sind temporäre, ad hoc zusammengestellte Gruppen von Einzelkämpfern.

Leistungsumfang: Da Söldner immer erst unmittelbar vor Beginn einer Operation rekrutiert werden, beschränkt sich ihre Dienstleistung auf Kampfeinsätze für den jeweiligen Auftraggeber” (ebd.: 81).

Wenn im Weiteren der Begriff des Söldners verwendet wird, bezieht sich der Begriff auf die von Peter Singer gegebene Definition.

2.2. Was sind PMCs?

Manche Kritiker sind der Überzeugung, dass man zwischen PMCs und Söldnern nicht unterscheiden könne: “[T]hose left of center typically insist that “private security contractors” in places like Iraq are mercenaries” (Pelton 2006: 302). Doch dieser Ansicht hat der VN-Sonderbeauftragte für Söldnertum, Enrique Ballesteros, bereits 1997 widersprochen, als er sagte: “[T]he contracts which private military […] companies conclude with States and the personnel working for these companies have some mercenary traits but cannot be described as being wholly mercenary” (Vereinte Nationen 1997). Laut Singer verkörpern PMCs “einen neuen Schritt in der Evolution der privaten Militärdienstleister […], die parallel zu den Entwicklungen in der modernen Unternehmenswelt verläuft” (Singer 2006: 84).

Wie Kapitel 2.1 bereits gezeigt hat, ist es trotz internationaler Regelungen schwierig, Söldner unmissverständlich als eben solche zu definieren und dabei die Komplexität ihres Handelns wie auch ihres Aufgabenbereichs zu erfassen. Die Probleme einer Begriffbestimmung von PMCs sind ähnlicher Natur. Hier liegen die Probleme jedoch nicht in zu engen Formulierungen des humanitären Völkerrechts oder anderer internationaler Regelungen, sondern in der Tatsache, dass PMCs einerseits relativ neue Akteure im Bereich von Militärdienstleistungen sind; andererseits bereitet die breite Fächerung ihrer Angebotspalette Probleme, PMCs in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

2.2.1. Definitionen von PMCs

Christopher Kinsey unterscheidet vier verschiedene Typen von privaten Militärunternehmen – Private Combat Companies (PCCs), Private Military Companies (PMCs), Proxy Military Companies (Proxy PMCs) und Private Security Companies (PSCs).

Die einzige Aufgabe von PCCs seien Kampfeinsätze, so Nic van den Berg, Operations Manager von Sandline (vgl. Kinsey 2006: 13). Kampfunterstützung und logistische Aufgaben würden PMCs überlassen. “[T]he idea behind a PCC is to assemble a fighting force […] to suppress an aggressor with military force” (ebd.). Mit anderen Worten kann man sagen, dass PCCs nichts anderes sind als Söldnerverbände, die aber laut Kinsey momentan nicht existieren. Seiner Meinung nach seien EO und Sandline in den 1990er Jahren diesem Konzept am nächsten gekommen (vgl. ebd.).

Die Aufgabe von PMCs nach Kinsey besteht in der Bereitstellung von “military expertise, including training and equipment. They provide local forces […] with customised offensive capabilities that may have a strategic or operational advantage necessary to suppress non-state armed groups” (ebd.: 14). Dies bedeutet, dass PMCs eine offensive aktive Rolle an der Seite der Klienten-Streitmächte einnehmen. Ihre Auftraggeber sind größtenteils (anerkannte) Regierungen.

Proxy PMCs sind eine Unterkategorie von PMCs. Sie agieren als Berater und Ausbilder, ohne jedoch selbst an Kampfhandlungen beteiligt zu sein. So untersagt das Unternehmen Military Professional Resources Incorporated (MPRI) seinen Mitarbeitern das Tragen von Waffen und lehnt Aufträge ab, die das Tragen von Waffen erforderlich machen (vgl. ebd.: 15). Es gibt auf Weisung des US-Verteidigungsministeriums fremden Regierungen militärische Unterstützung und Training. MPRI bietet somit die gleichen Dienste wie das US-Militär an, mit dem Unterschied, dass sie preiswerter sind und dass der Staat nicht offiziell in Erscheinung tritt[4]. Somit ist MPRI ein Stellvertreter (Proxy) des US-Militärs. Als Beispiel seien hier die Ausbildungslehrgänge von MPRI für kroatische Offiziere genannt, die einen wesentlichen Anteil am Erfolg der kroatischen Armee 1995 hatten (vgl. Singer 2006: 24f.).

PSCs unterscheiden sich laut Kinsey von PMCs im Wesentlichen darin, dass sie keine offensive, sondern eine defensive Rolle innehaben und somit nicht an Kampfhandlungen anderer Streitmächte beteiligt sind, weder aktiv noch passiv. “The tasks they undertake range from […] armed guards to protect government and commercial installations and persons, and finally security advisers for multinational companies operating in the more volatile areas of the world” (Kinsey 2006: 16). Die Auftraggeber von PSCs sind hauptsächlich multinationale Unternehmen oder humanitäre Organisationen, also privatwirtschaftliche Akteure (vgl. Gruber 2003: 2). Kinsey räumt allerdings ein, dass durch den Einsatz neuester Technologien die Aufträge von PSCs militärhafte Züge bekommen (Kinsey 2006: 17).

Ein weiteres Problem der Unterscheidung besteht darin, dass es immer wieder zu Überschneidungen kommt. Die britische PSC Defence Systems Ltd. (heute ArmorGroup) beschützte nicht nur die Einrichtungen der Ölfirma BP in Kolumbien, sondern bildete parallel dazu Sicherheitskräfte der kolumbianischen Regierung aus (vgl. Weingartner 2004). Andererseits hat die US-amerikanische DynCorp, deren Hauptaugenmerk anfangs auf Beratungs- und Trainingsaufgaben lag, die Bewachung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsei übernommen (vgl. ebd.). Dies zeigt das Dilemma dieser Klassifizierung auf: Es gibt keine klaren Konturen und Abgrenzungen, vor allem nicht bei der Unterscheidung von PMCs und PSCs. Daher ist das Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI) zu dem Schluss gekommen, “dass eine eindeutige Unterscheidung zwischen beiden nicht mehr möglich ist” (Uesseler 2006: 36f.). Somit ist eine Klassifizierung der Militärdienstleister aufgrund ihres Tätigkeitsbereichs nicht geeignet.

Einen anderen Ansatz verfolgt Peter Singer mit der Klassifizierung der PMCs nach ihrem Einsatzort. In einem ersten Schritt gibt er an, um was es sich bei PMCs allgemein handelt:

“Es handelt sich um Unternehmen, die auf dem Markt professionelle Dienste anbieten, die sehr eng mit der Kriegführung zusammenhängen. Diese Firmen haben sich auf militärische Dienstleistungen spezialisiert, die von der Erarbeitung strategischer Pläne und nachrichtendienstlicher Operationen bis hin zur Durchführung von Kampfeinsätzen reichen; sie bieten auch Risikoabschätzung, operative Unterstützung, militärische Ausbildung und technisches Know-How an. […] [PMCs] sind also private Wirtschaftsunternehmen, die ein breites Spektrum von Militär- und Sicherheitsdienstleistungen anbieten, von denen man früher annahm, sie gehörten selbstverständlich und ausschließlich in die Hände des Staates” (Singer 2006: 29f.).

Die Eigenschaften von PMCs, die als historische Neuerungen für private Militärunternehmen gelten und durch die sich PMCs von Söldnern unterscheiden, definiert Singer folgendermaßen:

Organisationsform: vorrangig Unternehmensstrukturen, Konzernbildung

Motivation: Gewinnorientierung (weniger auf individueller als auf Firmenebene)

Offener Markt: Gesetzeskonformität, Rechenschaftspflicht

Leistungsspektrum: breite Leistungspalette, heterogene Kundenstruktur

Mitarbeiterrekrutierung: öffentlich

Einbettung: Verflechtung mit Holdinggesellschaften und Finanzmärkten” (ebd.: 87)

In einem zweiten Schritt unterscheidet Singer die verschiedenen Ausrichtungen von PMCs anhand der von ihm so bezeichneten Speerspitzen-Typologie:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Speerspitzen-Typologie nach Singer (Singer 2001: 200)

In dieser unterteilt er PMCs anhand ihrer Nähe zu Kampfhandlungen in drei Kategorien:

1. Militärdienstleister (Sandline, EO)
2. militärische Beratungsfirmen (MPRI, DynCorp)
3. militärnahe Dienstleister (KBR, Boeing Services).

Der Vorteil dieses Modells ist, dass es der Typisierung der zivilen wirtschaftlichen Outsourcing-Branche entspricht, die auch nach dem Typus der Dienstleistung und nach dem Platz dieser Dienstleistung in der Organisation des Auftraggebers unterscheidet.

“[D]ie Einstufung einer militärischen Einheit nach ihrem Operationsort […] entspricht der Klassifizierung von Outsourcing-Dienstleistern gemäß der Stelle, an der sie in die geschäftlichen Abläufe eingreifen” (ebd.: 158).

Somit hat Singer eine Typologie der verschiedenen PMCs erstellt, die ein präzises begriffliches Grundgerüst liefert, da sie wirtschaftliche und militärische Kontexte miteinander verknüpft und “letzten Endes auch theoretisch begründete Erkenntnisse liefert, die sowohl die politischen wie auch die wirtschaftlichen Bereiche umfassen” (ebd.).

2.2.2. Faktoren für den Aufstieg von PMCs

Das Gewaltmonopol des Staates ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts zum Bestandteil moderner Staaten geworden. Laut Max Weber zeichnet sich ein Staat dadurch aus, dass „sein Verwaltungsstab erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwanges für die Durchführung der Ordnungen in Anspruch nimmt“ (Weber 1919: 8). Wenn nun ein Staat freiwillig auf sein Gewaltmonopol verzichtet, muss hinterfragt werden, welche Umstände dieser Entscheidung zugrunde liegen. Bei der folgenden Analyse liegt mein Fokus auf den USA, da Blackwater eine US-amerikanische PMC ist.

Der Aufstieg der PMCs begann nach dem Ende des Kalten Krieges. Durch den Zerfall des Warschauer Paktes ergab sich für sämtliche Staaten, die am Kalten Krieg beteiligt waren, die Notwendigkeit, ihre Verteidigungsbudgets nachhaltig zu kürzen. Eine der Einsparmaßnahmen bestand in der Reduzierung der Streitkräfte, die letztendlich den Arbeitsplatzverlust von weltweit sieben Millionen Soldaten bedingte (vgl. Uesseler 2006: 101). Allein die US-Truppenstärke ist zwischen 1990 und 1995 um mehr als 500.000 Soldaten gesunken (vgl. PBS NOW 2005). Parallel zur Streitkräftereduzierung fand die Verringerung der Waffenarsenale statt. So bekamen nichtstaatliche Akteure – unter ihnen PMCs – die einmalige Gelegenheit, gut ausgebildete Ex-Soldaten aufgrund des Überangebots zu niedrigen Preisen anzuwerben und mit moderner Waffentechnik auszurüsten.

Ein weiterer Aspekt ist die fortschreitende Technisierung der Kriegführung. Die heutigen Waffensysteme sind so komplex, “dass das zur Entwicklung, Wartung und Bedienung von Waffen- […] und Datenverwaltungssystemen notwendige Know-how zu großen Teilen vom privaten Sektor monopolisiert wird” (Schneiker 2007: 75). Diese Monopolisierung liegt unter anderem darin begründet, dass “die Leute, die die Waffen gebaut haben, die einzigen [sind], die sie reparieren können” (Singer 2006: 114). Ein Vorteil der Monopolisierung liegt in niedrigeren Kosten für den Staat:

“[O]utsourcing is motivated by a desire to increase flexibility by targeting qualified labor for specific project goals without carrying long-term costs for training and maintaining personnel” (Kelty, Segal 2007: 215).

Nach den Ereignissen 1993 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu ist die Bereitschaft der USA und anderer westlicher Regierungen zurückgegangen, Soldaten für solche Peacekeeping-Einsätze abzustellen, die weder der internationalen Sicherheit noch den nationalen Interessen dienen (vgl. Uesseler 2006: 104). Aufgrund dieser Zurückhaltung werden vermehrt PMCs beauftragt, humanitäre Hilfsorganisationen in Krisengebieten zu unterstützen. Zu den Organisationen, die auf die Dienste von PMCs zurückgreifen, gehören unter anderem die Vereinten Nationen, CARE, das WFP (World Food Programme) oder die Europäische Kommission (vgl. Gerhardt 2005).

Mogadischu hat aber auch gezeigt, dass es nicht mehr nur Staaten sind, die Kriege führen. Seit dem Ende des Kalten Krieges treten nichtstaatliche Akteure wie Warlords, Drogenkartelle oder Guerillabanden immer häufiger als Kriegstreiber in asymmetrischen Kriegen [5] (auch low intensity conflicts genannt) in Erscheinung. Ihre Beweggründe zur Kriegführung liegen nicht mehr in der Durchsetzung politischer oder territorialer Ziele, sondern sind einerseits in der privaten materiellen Bereicherung zu finden, z.B. durch die Aneignung von Bodenschätzen wie im Kongo oder Sierra Leone oder in der Absicherung des Drogenhandels wie in Kolumbien oder Tadschikistan. Andererseits liegen die Beweggründe aber auch in der Besetzung “der immateriellen Felder der Wahrnehmung” (Schmitz 2003: 68) und nicht mehr in der Besetzung des gegnerischen Territoriums, wie es Clausewitz noch gefordert hat. Eine solche Besetzung der Wahrnehmung ist z.B. “der Angriff Steine schleudernder Jugendlicher auf schwer bewaffnete Soldaten, bei dem der einzige Schutz der Angreifer die Kameras der Weltpresse sind, die die ungleichen Bedingungen des Kampfes in alle Welt verbreiten” (Münkler 2004: 49). Diese asymmetrischen Kriege bringen “eine neue Dynamik hervor, die ihrerseits einen Beitrag zur Konjunktur der privaten Militärfirmen [leisten]” (Singer 2006: 117).

Einen bedeutenden Faktor für den Aufstieg von PMCs stellen die neoliberalen Restrukturierungsprozesse dar, die zu Beginn der 90er Jahre “einen schlanken Staat durch Privatisierung [beinhalteten] und Kostenersparnis und Effizienzsteigerung [versprachen] (Schneiker 2007: 75). Um bei einem stetig schrumpfenden Verteidigungsbudget die US-Armee auf die neuen Bedrohungspotentiale der asymmetrischen Kriege ausrichten zu können, beauftragte der damalige Verteidigungsminister Cheney 1992 das Halliburton-Subunternehmen Brown & Root Services (BRS, später KBR) mit einer Geheimstudie über die Privatisierung militärischer Versorgungsleistungen in internationalen Kampfgebieten. Größter Nutznießer dieser Studie war BRS selbst, denn seitdem ist BRS zum Hauptlogistikpartner der US-Streitkräfte aufgestiegen (Näheres bei Singer 2006, 234-242).

Trotz weiterer Outsourcing-Aufträge betrugen die Ausgaben, die nicht in den Bereichen “military readiness” und “force modernization” lagen, 1997 noch immer 60% des US-Verteidigungsbudgets (vgl. Ballard 2007: 47). Bemerkenswert ist, dass die Privatisierung von beiden politischen Lagern der USA vorangetrieben wurde; auf demokratischer Seite empfahl die National Performance Review ein Outsourcing von “[n]on-core Department of Defense Functions” (NPR Appendix A), während sich auf republikanischer Seite das neokonservative American Enterprise Institute “für eine beschleunigte Privatisierung […] des Militärs” (Scahill 2008, 16) starkmachte. Insgesamt wurden in den 90er Jahren Aufträge im Wert von 100 Milliarden US-Dollar an private Firmen vergeben, die bis dahin von staatlichen Behörden erbracht wurden (vgl. Singer 2006: 120).

Nach dem 11. September 2001 wurde das US-Militär zu radikalen Veränderungen gezwungen. Die notwendigen Veränderungen formulierte Verteidigungsminister Rumsfeld folgendermaßen:

“Our challenge in the twenty-first century is to defend our cities, friends, allies and deployed forces […] from new forms of attack, while projecting force over long distances to fight new adversaries. This will require rapidly deployable, fully integrated joint forces, capable of reaching distant theatres quickly” (Rumsfeld 2002: 27).

Der Outsourcing-Prozess ging unter Rumsfeld so weit, dass im Quadrennial Defense Review Report 2006 die PMCs, die sogenannten contractors, erstmals als Teil der Gesamtstreitmacht der USA, der Total Force, erwähnt werden und somit als eigenständiger Truppenteil offiziell anerkannt wurden (vgl. QDR 2006: 75).

Diese Neuausrichtung des Militärs, die als Rumsfeld-Doktrin bekannt wurde, markierte den Beginn “einer der grundlegendsten Veränderungen der modernen Kriegsführung – dem Einsatz von Privatunternehmen in allen Bereichen des Krieges – bis hin zu Kampfhandlungen” (Scahill 2008: 15).

Bis hierhin kann man festhalten, dass sich PMCs wesentlich von Söldnern unterscheiden. Gibt es in Bezug auf Söldner noch einigermaßen konkrete, wenn auch sehr limitierte, rechtliche internationale Regelungen, ist die Branche der PMCs in internationalem Recht gänzlich unreglementiert. Ein Hauptunterscheidungsmerkmal liegt darin, dass Söldner immer natürliche Personen sind, während es sich bei PMCs um juristische Personen, also Unternehmen, handelt. Dadurch unterscheidet sich auch die jeweilige Zielsetzung – Söldner streben nach individuellen wirtschaftlichen Vorteilen, wohingegen für PMCs der Unternehmensgewinn im Vordergrund steht. Um PMCs untereinander zu kategorisieren, ist es sinnvoll, sie anhand ihrer Nähe zu Kampfhandlungen zu unterscheiden, also anhand der Stelle, an der sie in die Arbeitsabläufe des Auftraggebers eingreifen. Diese Kategorisierung erweist sich als sinnvoller als eine Unterscheidung der PMCs nach ihren Tätigkeiten, da sich Überschneidungen der verschiedenen Bereiche kaum unterscheiden lassen und somit die Kategorisierung ständig erneuert werden müsste. Der Erfolg von PMCs ist eng mit diversen Faktoren verknüpft. Die zwei wichtigsten für US-PMCs sind das Ende des Kalten Krieges und die Restrukturierung der US-Streitkräfte. Beide Faktoren sind Ursprünge für weitere Veränderungen, wie z.B. die gestiegene Verfügbarkeit von Ex-Soldaten und Waffen oder die fortschreitende Technisierung der Streitkräfte.

[...]


[1] Bis zum 12. April 2005 ist das erste Zusatzprotokoll von 163 Staaten ratifiziert worden (vgl. Drews 2007: 332).

[2] Executive Outcomes und Sandline sind zwar PMCs, doch sind ihre Aktivitäten eindeutig söldnerischer Natur gewesen, wie in Kapitel 2.2 dargelegt wird.

[3] Solch eine Unterscheidung dient nur der theoretischen Abgrenzung voneinander. In der Praxis ist eine Unterscheidung abhängig vom Anwendungsfall, z.B. ob der Söldner bzw. PMC-Mitarbeiter vor einem Militärgericht oder vor der dem Internationalen Gerichtshof steht.

[4] Im Rahmen des IFOR-Einsatzes der NATO durften die USA die bosnische Armee nicht ausbilden. Beteiligt waren die USA dennoch: „Bosnian Muslims hired MPRI using money that was provided by a group of Islamic nations, including Saudi Arabia, Kuwait, Brunei, the United Arab Emirates and Malaysia. These nations deposited money in the United States Treasury, which MPRI drew against” (Wayne 2002).

[5] In seinem Buch “Die Neuen Kriege” beschreibt Herfried Münkler die Asymmetrisierung kriegerischer Gewalt als eine Auseinandersetzung, bei der “in der Regel nicht gleichartige Gegner miteinander kämpfen” (Münkler 2004: 11). Die Gewalt richtet sich gegen die Zivilbevölkerung und liegt darin begründet, dass die nichtstaatlichen Akteure nicht von “funktionsfähigen Staaten ausgerüstet und besoldet [werden] […]. Das hat zu einem unmittelbaren Anstieg der Gewalt besonders gegen Zivilisten geführt, ist sie doch das einzige Mittel, über das die Bewaffneten verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern” (ebd.: 34f.).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2008
ISBN (PDF)
9783863417925
ISBN (Paperback)
9783863412920
Dateigröße
368 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Private Military Company PMC Söldner Privatisierung Krieg

Autor

Jochen Kosel wurde 1974 in Aachen geboren. Sein Studium der Politischen Wissenschaft und English Studies an der RWTH Aachen schloss der Autor im Jahr 2011 als Master of Arts (M.A.) ab. Bereits vor seiner Zeit an der RWTH Aachen befasste er sich tiefgreifend mit internationalen Beziehungen auf ökonomischer Ebene an der Maastricht University, die eine sehr gute Ergänzung zu seinem thematischen Schwerpunkt der Internationalen Beziehungen der Politischen Wissenschaft darstellten. Das Interesse an diesen beiden Wissensgebieten, in Verbindung mit einem natürlichen Interesse für militärisches Handeln, bildet die Grundlage für seine Spezialisierung auf dem Gebiet der Privatisierung des militärischen Sektors.
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Titel: Die Privatisierung des Militärs: Das Beispiel Blackwater
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