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Vergütung von Vorstandsmitgliedern durch Dritte: Rechtlich zulässiges Instrument zur Auflösung des Principal-Agent-Konflikts in der Aktiengesellschaft?

©2011 Bachelorarbeit 70 Seiten

Zusammenfassung

In den letzten Jahren ist das Verhalten von Vorständen verstärkt zum Gegenstand öffentlicher Diskussion, sowie wissenschaftlicher Erörterung geworden. Den Anlass dafür bilden mehrere schlagzeilenträchtige Skandale, sowie das steigende Interesse an Aktien in allen Bevölkerungsschichten. Vor dem Hintergrund dieser Skandale nehmen gleichzeitig die Fragen zu, wie Vorstände zukünftig effektiver kontrolliert werden können. Als eine erste Antwort auf diese Fragen sind insbesondere die Bildung der Regierungskommission Corporate Governance und die Schaffung des Corporate Governance Kodex im Jahre 2002 zu nennen. Gleichzeitig ist auch der Gesetzgeber in den letzten Jahren in immer kürzeren Abständen tätig geworden. Damit ist nicht zuletzt der Versuch verbunden, die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Kontrolle und Haftung von Vorständen weiter zu verschärfen. Diese Maßnahmen reichen jedoch für die Disziplinierung des Managements häufig noch nicht aus.
Daher sind die Aktionäre vielfach zur anreizorientierten Vergütung von Vorstandsmitgliedern übergegangen, um den Vorstand auf diese Weise am unternehmerischen Risiko zu beteiligen oder zumindest die divergierenden Interessen zu einem Gleichlauf zu führen. Insbesondere im Rahmen von größeren Unternehmenstransaktionen kommt es dabei häufig vor, dass Aktionäre Bonuszahlungen ausloben, um die Unsicherheiten zu überwinden, denen die Anteilseigner und das Management in solchen Phasen der Veränderung ausgesetzt sind. Erstaunlich ist allerdings, dass angesichts der Verbreitung dieses Phänomens bislang noch kaum Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung existieren, zumal solche sogenannten ‘Drittvergütungen’ komplexe Rechtsfragen hinsichtlich grundlegender Prinzipien des Aktienrechts aufwerfen: So ist der Vorstand einer AG gemäß § 76 Abs. 1 AktG dazu verpflichtet, diese unabhängig und im Interesse der Gesellschaft zu leiten. Eine Weisungsabhängigkeit ist im Gegensatz zur GmbH (§§ 37, 45 GmbHG) gerade nicht vorgesehen. Gleichzeitig greift der Aktionär durch die Vergütung des Vorstands möglicherweise in die ansonsten allein dem Aufsichtsrat zustehende Vergütungskompetenz (§ 87 Abs. 1 AktG) ein.
Diese Konflikte sollen zum Anlass genommen werden, einen unverstellten Blick auf die Frage zu werfen, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Vorstand einer Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit finanzielle Zuwendungen durch Dritte, insbesondere durch Aktionäre, gewährt werden dürfen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

„Von den Direktoren einer solchen [Aktien]Gesellschaft, die ja bei weitem eher das Geld anderer Leute verwalten, kann man daher nicht gut erwarten, daß sie es mit der gleichen Sorgfalt einsetzen und überwachen würden, wie es die Partner einer privaten Handelsgesellschaft mit dem eigenen zu tun pflegen. Daher müssen Nachlässigkeit und Verschwendung in der Geschäftsführung einer solchen Gesellschaft stets mehr oder weniger vorherrschen.“ - Adam Smith (1776)[1] -

Wie bereits bei Adam Smith angeklungen, ist das Verhalten von Vorständen in den letzen Jahren verstärkt zum Gegenstand öffentlicher Diskussion sowie wissenschaftlicher Erörterung geworden. Den Anlass dafür bilden mehrere schlagzeilenträchtige Skandale,[2] sowie das steigende Interesse an Aktien in allen Bevölkerungsschichten. Vor dem Hintergrund dieser Skandale nehmen gleichzeitig die Fragen zu, wie Vorstände zukünftig effektiver kontrolliert werden können. Als eine erste Antwort auf diese Fragen sind insbesondere die Bildung der Regierungskommission Corporate Governance und die Schaffung des Corporate Governance Kodex im Jahre 2002 zu nennen. Gleichzeitig ist auch der Gesetzgeber in den letzten Jahren in immer kürzeren Abständen tätig geworden.[3] Damit ist nicht zuletzt der Versuch verbunden, die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Kontrolle und Haftung von Vorständen weiter zu verschärfen. Diese Maßnahmen reichen jedoch für die Disziplinierung des Managements häufig noch nicht aus.

Daher sind die Aktionäre vielfach zur anreizorientierten Vergütung von Vorstandsmitgliedern übergegangen, um den Vorstand auf diese Weise am unternehmerischen Risiko zu beteiligen oder zumindest die divergierenden Interessen zu einem Gleichlauf zu führen. Insbesondere im Rahmen von größeren Unternehmenstransaktionen kommt es dabei häufig vor, dass Aktionäre Bonuszahlungen ausloben, um die Unsicherheiten zu überwinden, denen die Anteilseigner und das Management in solchen Phasen der Veränderung ausgesetzt sind. Erstaunlich ist allerdings, dass angesichts der Verbreitung dieses Phänomens bislang noch kaum Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung existieren, zumal solche sogenannten „Drittvergütungen“[4] komplexe Rechtsfragen hinsichtlich grundlegender Prinzipien des Aktienrechts aufwerfen: So ist der Vorstand einer AG gemäß § 76 Abs. 1 AktG dazu verpflichtet, diese unabhängig und im Interesse der Gesellschaft zu leiten. Eine Weisungsabhängigkeit ist im Gegensatz zur GmbH (§§ 37, 45 GmbHG) gerade nicht vorgesehen. Gleichzeitig greift der Aktionär durch die Vergütung des Vorstands möglicherweise in die ansonsten allein dem Aufsichtsrat zustehende Vergütungskompetenz (§ 87 Abs. 1 AktG) ein. Diese Konflikte sollen zum Anlass genommen werden, einen unverstellten Blick auf die Frage zu werfen, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Vorstand einer Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit finanzielle Zuwendungen durch Dritte, insbesondere durch Aktionäre, gewährt werden dürfen.

Dazu soll die Ursache der Drittvergütung zunächst anhand des übergeordneten Strukturprinzips der Principal-Agent-Problematik veranschaulicht werden (B). Daran anschließend wird die rechtliche Zulässigkeit der Drittvergütung des Vorstands innerhalb der unabhängigen Aktiengesellschaft herausgearbeitet (C), sodass die dort gewonnenen Erkenntnisse für die Sonderkonstellation des Konzerns fruchtbar gemacht werden können (D). Um das Bedürfnis für Drittvergütungen in der Praxis deutlich zu machen, wird dabei jeweils zunächst die Interessenlage der beteiligten Parteien herausgearbeitet (C I / D II), um nach einem kurzen Überblick über den aktuellen Meinungsstand (C II / D III) sodann auf die rechtlichen Probleme einzugehen, die das Instrument der Drittvergütung hervorruft (C III / D IV).

B. Ursache der Drittvergütung: Die Principal-Agent-Problematik

Eine Agency-Situation liegt nach der weitesten Definition dann vor, wenn eine Person (Agent) Handlungen vornimmt oder Entscheidungen trifft, deren Konsequenzen nicht allein sie selbst, sondern auch andere (die Prinzipale) betreffen.[5] Weil der Agent seinen Handlungsspielraum im Regelfall im eigenen Interesse nutzen wird, besteht dabei die Gefahr, dass er bei seinen Entscheidungen die Interessen der Prinzipale außer Acht lässt. Wirklich problematisch wird diese Situation jedoch erst dann, wenn dem Prinzipal unmittelbare Eingriffe in die Handlungen des Agenten verwehrt sind und ihm als Steuerungsinstrumente nur vertragliche Vereinbarungen oder gesetzliche Vorgaben zur Verfügung stehen.[6]

Wie es sich bereits im von Berle und Means [7] untersuchten Ursprungsmodell der US-amerikanischen Kapitalgesellschaft andeutet, stellt das Verhältnis von Managern (Agent) zu ihren Aktionären (Prinzipale) daher das Musterbeispiel für einen Principal-Agent-Konflikt dar. Liegen bei personalistisch strukturierten Gesellschaften die unternehmerische Entscheidungsmacht und das damit verbundene Risiko bei den Anteilseignern, so führt die Trennung von Eigentum und Kontrolle in der AG dazu, dass bei den Anteilseignern lediglich das unternehmerische Risiko verbleibt, während die Entscheidungsmacht auf den Vorstand übergeht.[8] Nach dem Verhaltensmodell des homo oeconomicus, [9] das dieser Theorie zugrunde liegt, wird der Vorstand die Handlungsalternative präferieren, aus der er selbst den größten Nutzen ziehen kann.[10] Diese Maximierung des Eigennutzens und das fehlende unternehmerische Risiko des Vorstands führen im Ergebnis dazu, dass Aktionär und Vorstand regelmäßig unterschiedliche Ziele verfolgen werden.[11]

Um diese Divergenzen zu überwinden, stehen dem Aktionär nach Lutter grundsätzlich zwei unterschiedliche Handlungsoptionen zur Verfügung, nämlich: „Zuckerbrot und Peitsche .[12] Eine unmittelbare Überwachung des Vorstands durch den einzelnen Aktionär („Peitsche“) kommt im deutschen Aktienrecht aufgrund der Existenz des Aufsichtsrats, der gemäß § 111 Abs. 1 AktG selbst für die Überwachung zuständig ist, nicht in Betracht. Zwar könnte man aufgrund der Wahl des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG eine mittelbare Kontrollkompetenz der Aktionäre annehmen, jedoch wird dabei vernachlässigt, dass sich der Einfluss des einzelnen Aktionärs auf den Aufsichtsrat wegen dessen Weisungsunabhängigkeit in Grenzen halten wird und demnach zur Eindämmung des Agency-Konflikts noch nicht ausreichend ist.[13] Um dennoch einen Gleichlauf zwischen den eigenen Interessen und denen des Managements herzustellen, sehen sich die Aktionäre daher häufig gezwungen, auf die Variante des Zuckerbrots zurückzugreifen und den Vorstand durch die Auslobung finanzieller Anreize auf die eigene Zielkonzeption auszurichten. Der durch diese Drittvergütung des Aktionärs geschaffene Anreiz stellt demnach gewissermaßen das Antidot zum Gift des klassischen Principal-Agent-Konflikts in der AG dar.[14]

[...]


[1] Smith, Wohlstand der Nationen, Buch 5, Kapitel 1, Teil 3, Art. 1 (Paragraph V.1.107).

[2] Insbesondere sind in diesem Kontext die Fälle Enron und Mannesmann zu erwähnen.

[3] Siehe dazu nur: KonTraG, NaStraG, TransPuG, UMAG, VorstOG, ARUG und VorstAG.

[4] Definition: Drittvergütungen sind alle Vergütungen, die dem Vorstand nicht von der Gesellschaft selbst, sondern von Dritten (insbesondere von Aktionären) gewährt werden.

[5] Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305 (309); siehe auch: Arnold, Vorstandshandeln, S. 13; Götze, Aktienoptionen, S. 49 f; Weber, Transaktionsboni, S. 45 ff.

[6] Arnold, Vorstandshandeln, S. 13; vgl. auch: Schneider, ZfbF 1987, 431 (447 ff.).

[7] Berle/Means, The Modern Corporation, S. 47 ff.

[8] Berle/Means, The Modern Corporation, S. 66; Weber, Transaktionsboni, S. 53.

[9] Grundlegend: Becker, Ökonomischer Ansatz, S. 167 ff; Eidenmüller, JZ 2005, 216 (217 ff.).

[10] Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305 (308).

[11] Arnold, Vorstandshandeln, S. 51 ff ; Baums, FS Claussen, 3 (7); Berle/Means, The Modern Corporation, S. 122 ff; Spremann, ZfB 1990, 561 (564); Weber, Transaktionsboni, S. 47.

[12] Lutter, ZIP 2003, 737 (737); siehe dazu auch: Arnold, Vorstandshandeln, S. 15 f.

[13] Baums, ZIP 1995, 11 (12 ff.); Buchta/van Kann, DStR 2003, 1665 (1665 f.); Götze, Aktienoptionen, S. 50 f; Thüsing, ZGR 2003, 457 (475 ff.); Weber, Transaktionsboni, S. 57.

[14] Tröger, ZGR 2009, 447 (449); siehe dazu auch: Adams, ZIP 2002, 1325 (1330 f.); Pape, BB 2000, 711 (713); Vollmer, FS Großfeld, 1269 (1270); Weber, Transaktionsboni, S. 8.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783863418137
ISBN (Paperback)
9783863413132
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
BA Hessische Berufsakademie
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Schlagworte
Principal-Agent Unternehmensinteresse Shareholder-Value Stakeholder-Value Konzernrecht Aktienrecht Drittvergütung

Autor

Gerrit Bulgrin wurde 1989 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg auf und schloss dieses mit Schwerpunkt auf Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht im Jahre 2012 mit dem Baccalaureus Legum (LL.B.) erfolgreich ab. Im Rahmen dieses Schwerpunktbereichs ist auch das vorliegende Buch entstanden.
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