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Geld ist Männersache: Investieren Männer anders als Frauen?

©2011 Bachelorarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Oft wird behauptet, dass es unterschiedliche Anlagestrukturen zwischen Frauen und Männern gibt. Frauen investieren mit weniger Risiko, also eher in 'sichere' Staatsanleihen oder sonstige vermeintlich sichere Papiere. Männer dagegen hoffen auf hohe Renditen und Gewinne und investieren daher in riskantere Portfolios.
Wie sich dies jedoch in der Realität verhält, wird in dieser Arbeit untersucht. Um die Ergebnisse aus früheren Studien zu bestätigen oder zu widerlegen, wurden zwei neue Studien durchgeführt, welche ebenfalls interessante Ergebnisse über das geschlechterspezifische Anlageverhalten liefern. Ob es schließlich eine bessere Anlagestrategie gibt, soll ebenfalls ein Punkt sein, welcher betrachtet wird.
Da sich diese Untersuchungen auf die Theorien der Behavioral Finance stützen, werden auch diese kurz betrachtet. Hier wird vor allem auf den Begriff der 'Overconfidence' eingegangen, welcher eine nicht unentscheidende Rolle im Anlageverhalten spielt.
Zusätzlich werden zum Schluss noch Modelle vorgestellt, anhand welcher die erwartete Rendite und das Portfoliorisiko von Männern und Frauen berechnet werden. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem sogenannten Zweifaktorenmodell, welches sich aus den von Fama und Fench entwickelten Multifaktorenmodellen ableitet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



Kapitel
1
Einleitung
aglich investieren Millionen von Menschen in die unterschiedlichsten Finanzanlagen.
Ob privat oder gesch¨aftlich, es gibt viele verschiedene M¨oglichkeiten sein Geld anzulegen.
Aktien, Investmentfonds, Zertifikate, Futures und Optionen aber eben auch weniger ris-
kante Anleihen oder Sparkonten sind nur einige dieser M¨oglichkeiten. Jeder Anleger sucht
also ein f¨
ur sich m¨oglichst passendes Produkt oder eine m¨oglichst passende Kombination
solcher Produkte. Jeder will mit seinem Portfolio auch die f¨
ur ihn perfekte Mischung
zwischen Rendite und Risiko finden. H¨
oheres Risiko entspricht in der Regel auch einer
oheren (erwarteten) Rendite, allerdings bedeutet dies auch ein erh¨
ohtes Risiko auf
m¨ogliche Verluste. Als Anleger hat man also selbst die M¨oglichkeit das Ausfallrisiko der
Anlage zu bestimmen. Man kann selbst mitentscheiden, wie viel Risiko man bereit ist auf
sich zu nehmen, um bei positivem Verlauf eine h¨ohere Rendite erzielen zu k¨onnen. Jeder
Anleger entscheidet individuell. Nun ergibt sich die Frage, ob sich diese Entscheidung
geschlechterspezifisch unterscheidet. Gibt es also Produkte, welche eher von Frauen oder
eben eher von M¨
annern bevorzugt werden und wenn ja, worin unterscheiden sich die
Anlagen?
In den letzten Jahren hat die Frage, ob Frauen sich m¨
oglicherweise in ihrem Anlage-
verhalten von dem der M¨
anner unterscheiden, an praktischem und wissenschaftlichem
Interesse gewonnen. Zahlreiche Studien liegen in diesem Bereich vor. Nahezu immer
uhrt das Ergebnis in die gleiche Richtung. F¨
ur M¨
anner besteht die perfekte Mischung
eines Anlageportfolios aus etwas mehr Risiko. M¨
anner erhoffen sich dadurch also eine
ohere Rendite. Frauen verzichten dagegen eher auf zus¨
atzliches Risiko und investieren
in risiko¨
armere, folglich sicherere Anlagen mit demensprechend kleineren erwarteten
Renditen. Frauen sind also risikoscheuer, bzw. risikoaverser als M¨
anner. Doch sind sie
damit auch erfolgreicher oder wie wirkt sich das unterschiedliche Investitionsverhalten
auf die erzielten Renditen aus?
Die hier vorliegende Arbeit hat das Ziel m¨
ogliche Unterschiede im Investitionsverhalten
von Frauen und M¨
annern zu untersuchen und darzustellen. Ausgangspunkt bildet die
Analyse der theoretischen und empirischen Literatur zweier Disziplinen. Es werden die
1

1 Einleitung
¨
okonomischen Aspekte hinsichtlich der Anlagewahl untersucht, aber auch psychologische
Aspekte im Bereich der Behavioral Finance liefern aufschlussreiche und interessante
Ergebnisse. Mit einer eigens durchgef¨
uhrten Studie wird zus¨
atzlich das unterschiedliche
Risikoverhalten von Frauen und M¨
annern untersucht und mit verschiedenen fr¨
uher
erforschten Ergebnissen in diesem Bereich vergleichen.
Im ersten Teil der Arbeit soll zun¨
achst erkl¨
art werden, was der noch sehr junge For-
schungszweig der
"
Behavioral Finance" bedeutet und was die Ziele sind, die mit dieser
neuen Denkweise erreicht werden. Einer der am h¨
aufigsten untersuchten Begriffe, der
im Zusammenhang mit der Behavioral Finance und dem Anlageverhalten steht, ist die
sogenannte
"
Overconfidence" (= Selbst¨
ubersch¨
atzung). Da diese Selbst¨
ubersch¨
atzung
Einfluss auf das Anlageverhalten hat, wird in Kapitel 2 auch diese zun¨
achst etwas
genauer definiert und erkl¨
art. Es zeigt sich im Verlauf der Arbeit, dass M¨
anner sich
selbst mehr ¨
ubersch¨
atzen als dies Frauen machen, vor allem eben auch im Bereich der
Finanzentscheidungen. Dies f¨
uhrt schließlich zu mehr Transaktionen bzw. zu h¨aufigerem
Handeln am Markt und hat somit wiederum Auswirkungen auf die erzielte Rendite. Auch
diese Beobachtungen und Einfl¨
usse der Overconfidence auf das Anlageverhalten werden
genauer beschrieben und auf geschlechterspezifische Unterschiede untersucht.
Den Hauptteil der Arbeit bildet Kapitel 3. In diesem werden die geschlechterspezifi-
schen Unterschiede bei Anlageentscheidungen beschrieben und die daraus resultierenden
Unterschiede bei der erzielten Rendite aufgezeigt. Da die Anlagewahl sehr von dem
Risiko abh¨
angt, welches man bereit ist einzugehen, um gewisse Renditen zu erzielen,
wird zun¨achst allgemein auf die Risikoeinstellung von Frauen und M¨annern eingegangen.
Hier wurde auch eine Umfrage durchgef¨
uhrt, welche die Risikoneigungen von Studenten
untersucht und nach Geschlecht differenziert. Die Ergebnisse daraus stimmen mit der
Mehrheit der Studien ¨
uberein und zeigen, dass Frauen tendenziell weniger risikoreich
bzw. vorsichtiger sind als M¨
anner. Ob im Straßenverkehr, im Casino oder eben bei der
Geldanlage ist es der Mann, der mehr Risiko geht.
Der zweite Teil dieses Kapitels ist in zwei Hauptpunkte unterteilt. Zun¨achst wird ausf¨
uhr-
lich untersucht, wie sich die unterschiedlichen Risikoneigungen auf das Anlageverhalten
auswirken. Welche Arten von Anlagen werden von Frauen bevorzugt, welche von M¨annern
und welche Renditen werden dadurch erhofft und schließlich erzielt? Da aber neben
Geschlecht auch weitere Variablen Einfluss auf das Anlageverhalten haben, gilt es oft
als umstritten, beim Anlageverhalten nur auf Geschlecht zu unterscheiden. Der neben
dem Geschlecht wohl wichtigste Einflussfaktor ist das Einkommen bzw. das vorhandene
Verm¨
ogen der Anleger. Dies kann bei der Anlagewahl auch eine Rolle spielen, da man
ur einige Finanzprodukte ¨
uber gewisse finanzielle Mittel verf¨
ugen muss um in diese
¨
uberhaupt investieren zu k¨
onnen. Da es durchaus Unterschiede im Verm¨
ogen zwischen
Frauen und M¨
annern gibt, wird in Kapitel 3 auch auf diesen Punkt kurz eingegangen
werden. Das zweite Unterkapitel zeigt, wie sich die unterschiedliche Anlagewahl auf die
erzielte Rendite auswirkt. Es l¨
asst sich nur schwer sagen, ob M¨
anner mit den risikorei-
chen Produkten besser abschneiden als die Frauen oder eben umgekehrt, da es je nach
Konjunkturphase Unterschiede gibt. Um die Ergebnisse besser zu differenzieren, wird
in der vorliegenden Arbeit unterschieden, ob die Renditen in Phasen steigender Kurse
2

1 Einleitung
(Hausse) oder in Phasen sinkender Kurse (Baisse) erzielt wurden.
Im letzten Kapitel werden schließlich noch verschiedene Modelle vorgestellt, welche es er-
m¨oglichen, die Risikomerkmale und die erwartete Rendite bei gew¨ohnlichen Aktienanlagen
zu bestimmen, bzw. abzusch¨atzen. Obwohl dieser Teil nicht zentraler Punkt der Arbeit ist,
soll dieser kurz erw¨ahnt werden, da man anhand von diesen Modellen Ergebnisse erzielen
kann, welche zeigen, dass Frauen weniger riskante Positionen bei ihren Aktienanlagen
halten als M¨
anner dies tun. Mit diesen Modellen wird also empirisch dargestellt, was
man anhand verf¨
ugbarer Daten nur sch¨atzen kann. Dass Frauen weniger risikoreich sind
als M¨anner, soll anhand des Zweifaktorenmodells mit den Berechnungen von Barber und
Odean nochmals best¨atigt werden. Barber und Odean machten ihre Studie mit Hilfe des
Zweifaktorenmodells. Dieses ist eine Abwandlung des Dreifaktorenmodells nach Fama
und French. Da der Fokus in dieser Arbeit jedoch auf dem Zweifaktorenmodell liegt, soll
dieses in Kapitel 4 zuerst genauer dargestellt und erkl¨
art werden, bevor noch kurz auf
die wesentlichen Unterschiede zum Dreifaktorenmodell eingegangen wird.
3

Kapitel
2
Behavioral Finance
2.1 Gegenstand und Ziele der Behavioral Finance
Als Behavioral Finance (deutsch: Verhaltensorientierte Finanzierungslehre) bezeichnet
man eine Unterkategorie der Verhaltens¨okonomie (Behavioral economics), welche Kennt-
nisse aus der Psychologie und der Soziologie in ihre Theorien mit einbezieht [BeFi,
2004]. In der Vergangenheit wurde wirtschaftliches Handeln gerne mit der Gestalt des
Homo oeconomicus dargestellt und erkl¨
art. Dabei wurde von vollkommen rationalem
und ¨
uberlegtem Vorgehen bzw. Handeln ausgegangen, durch welches der Mensch mit
minimalem Mitteleinsatz einen maximalen Gewinn anstrebt [BfD, 2009]. Klar ist, dass
diese Sichtweise von reinem rationalen Verhalten das Wirtschaftsgeschehen alleine nicht
erkl¨
aren kann, da viele weitere Einfl¨
usse hinzukommen, wie eben auch das individuelle
Verhalten vieler Anleger. Und genau dieses Verhalten zu untersuchen und die daraus
entstehenden Auswirkungen f¨
ur jegliche Bereiche des Finanzwesens herauszufinden, ist
Ziel der Behavioral Finance.
Schon in den 80er Jahren setzten sich in den USA Psychologen, Soziologen, Natio-
nal¨
okonomen und Finanzwissenschaftler zusammen, um gemeinsam Schl¨
usse ¨
uber das
Entscheidungsverhalten verschiedenster Anleger treffen zu k¨onnen. Nach und nach finden
sich inzwischen auch in Europa immer mehr Anh¨anger dieser noch relativ neuen Theorie.
Da Aktienkurse oft ¨
okonomisch kaum nachvollziehbare Schwankungen aufweisen und
diese Kursschwankungen auch nicht im Zusammenhang von Kurs und Fundamentaldaten
stehen, wurden die jahrelang dominierenden Modelle der Kapitalmarkttheorie als zuneh-
mend unbefriedigend angesehen. Im Vergleich zur vorherrschenden Kapitalmarkttheorie
handelt es sich bei der Behavioral Finance um einen Forschungsansatz, bei dem versucht
wird, durch Einbeziehen der menschlichen Verhaltensweisen das Geschehen auf den
M¨arkten exakter zu erkl¨aren. So wird im Gegensatz zur Kapitalmarkttheorie, bei welcher
die Faktoren Risiko und Rendite die zentrale Rolle bei der Preisbildung spielen, auch
neben diesen ¨
okonomischen Aspekten, Erkenntnisse der Psychologie und der Soziologie
ber¨
ucksichtigt.
4

2 Behavioral Finance
Zentraler Ausgangspunkt der Behavioral Finance ist, dass der Mensch nicht nur im
Sinne vom Homo oeconomicus handelt und somit auch von seinem rationalen Verhalten
aufgrund psychischer und mentaler Einfl¨
ussen abweicht. Dieses irrationale Verhalten
wird schon in den 50er Jahren in der auf Simon zur¨
uckgehenden
"
Theory of Bounded
Rationality" [Simon, 1957] begr¨
undet. Nach Simon handelt der Marktteilnehmer zu
großen Teilen rational, nichtsdestotrotz existieren gelegentlich Situationen, bei denen
aufgrund ¨
außerer Einfl¨
usse irrationales Handeln vorteilhaft sein kann. Einer der wohl
wichtigsten und dadurch auch am h¨aufigsten untersuchten Einflussfaktoren, welcher das
psychische Verhalten bei Entscheidungen beeinflusst, ist die sogenannte
"
Overconfidence"
(deutsch: Selbst¨
ubersch¨
atzung, Vermessenheit). Wie sich diese Selbst¨
ubersch¨
atzung vor
allem eben auch im Bereich der Finanzen auswirkt, wird in Kapitel 2.2 noch genauer
erkl¨
art.
Wie bereits erw¨
ahnt ist das Hauptziel der Behavioral Finance, eine weiterentwickelte
Finanzmarkttheorie bzw. eine Weiterentwicklung zur Kapitalmarkttheorie zu finden,
welche auch verhaltenswissenschaftliche Bez¨
uge in ihren Modellen beinhaltet. In Kapi-
tel 4 werden Modelle vorgestellt, welche versuchen, mehrere Faktoren in Betracht zu
ziehen, wie das CAPM, welches eines der wichtigsten Modelle der Kapitalmarkttheorie
ist. Durch eine solche Theorie und durch solche Modelle soll das Geschehen auf den
Finanzm¨
arkten und somit die Schwankungen der M¨
arkte effektiver erkl¨
art werden, um
bessere Vorhersagen machen zu k¨
onnen. Die praktische Umsetzbarkeit der bisherigen
Erkenntnisse der Behavioral Finance muss in den kommenden Jahren erst noch bewiesen
werden. Auf jeden Fall aber dienen diese ersten Ans¨
atze schon jetzt den Akteuren auf
den Finanzm¨
arkten, ihre eigenen Verhaltensmechanismen zu verdeutlichen und kann
somit zu rationalerem Anlageverhalten f¨
uhren [BehavFin, 2001].
Diese Ans¨
atze und Sichtweisen der Verhaltens¨
okonomie werden in den kommenden
Kapiteln eine wichtige Rolle spielen um das unterschiedliche Anlageverhalten von Frauen
und M¨
annern zu untersuchen und darzustellen und schließlich auf Abweichungen in der
Risikowahl und der erwarteten Rendite zu verglichen.
2.2 Overconfidence
Wie schon im vorigen Unterkapitel erw¨
ahnt, ist
Overconfidence eine der wichtigsten
psychischen Einflussfaktoren im Anlageverhalten.
Overconfidence (deutsch: Vermessen-
heitsverzerrung, Selbst¨
ubersch¨
atzung) ist ein Begriff aus der Psychologie, welcher oft
in Verbindung mit der Behavioral Finance gebracht wird. Eine g¨
angige Definition ist
folgende:
"
Overconfidence ist eine ¨
Ubersch¨atzung der Richtigkeit der eigenen Urteile. Wenn Perso-
nen gefragt werden, wie sicher sie sich ihrer Antworten sind, ¨
ubersch¨atzen sie systematisch
die Sicherheit, mit der sie richtige Urteile oder Antworten geben" [Lexikon der Psycholo-
gie].
Nach Glaser, N¨oth, Weber wird Overconfidence gew¨ohnlich auch als ¨
Ubersch¨atzung der
5

2 Behavioral Finance
Exaktheit von privaten Informationen definiert [Glaser, N¨
oth und Weber, 2004].
Bezogen auf den Finanzmarkt bedeutet dies, dass Investoren ihr Wissen oder die Genau-
igkeit ihres Wissens ¨
uber die jeweiligen Aktien- bzw. Finanzm¨arkte ¨
ubersch¨atzen [Alpert
und Raiffa, 1982]. Barber und Odean bringen dies sehr sch¨on auf den Punkt. So w¨
urden
sich Menschen in ihren F¨
ahigkeiten, ihrem Wissen und in ihren Zukunftsaussichten
falsch einsch¨
atzen bzw. diese ¨
ubersch¨
atzen [Barber und Odean, 2001]. Trotz zahlreicher
Statistiken und Daten, die t¨
aglich analysiert und ausgewertet werden, gibt es zu viele
Einflussfaktoren die nicht vorhersehbar sind und welche den Markt in ungeahnter Weise
ver¨andern k¨onnen. Solche Ereignisse bzw. Kursschwankungen lassen sich allerdings nicht
vorhersagen.
Wie wirkt sich dies hinwieder auf Finanzentscheidungen aus, bzw. warum beeinflusst
diese
"
Overconfidence" die Entscheidungsf¨ahigkeit im Bereich der Finanzen? Um Aktien
auszuw¨ahlen, welche die Performance des Marktes ¨
ubertreffen, ben¨otigt man sehr genaue
Informationen dar¨
uber. Diese Informationen m¨
ussen sehr aktuell sein und sind daher
(noch) nicht f¨
ur alle Marktteilnehmer offensichtlich und haben dadurch in der Regel
einen hohen Preis. Doch selbst wenn man ¨
uber solche Informationen verf¨
ugt, bleibt
es noch immer eine schwierige Aufgabe, den Markt zu ¨
ubertreffen. Barber und Odean
begr¨
unden dies damit, dass Vorhersagen sehr ungenau und vor allem unsicher sind und
einem derartigen Unternehmen im Nachhinein ein schnelles und klares Feedback fehlt
[Barber und Odean, 2001]. Doch genau in diesem Bereich, also f¨
ur Vorhersagen mit
geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und fehlendem schnellen Feedback, ¨
ubersch¨
atzen
sich die Menschen sogar am meisten. Hier ist die Neigung zur Overconfidence also am
gr¨
oßten [Barber und Odean, 1999]. Solche vermessene bzw. zu selbstsichere Anleger
¨
ubersch¨
atzen die M¨
oglichkeiten, dass die von ihnen berechneten Sicherheitswerte ¨
uber
Eintrittswahrscheinlichkeiten genauer und besser sind, als die Bewertungen von Anderen.
So kommt es, dass solche Investoren mehr an ihre eigenen Bewertungen glauben und
sich daher weniger f¨
ur Meinungen von anderen Investoren interessieren und sich somit
hohe Renditen erhoffen. Aus diesem selbstsicheren Agieren resultieren Meinungsverschie-
denheiten unter den Anlegern und eben solche Meinungsverschiedenheiten f¨
uhren zu
vermehrtem Handel [Barber und Odean, 2001].
Vergleicht man nun rationale Investoren mit Investoren die zu Overconfidence neigen,
so handeln oder kaufen rationale Investoren Informationen nur dann, wenn ihr erwar-
teter Nutzen dadurch auch erh¨
oht wird [Grossman und Stiglitz, 1980], die hingegen zu
selbstsicheren Investoren verringern ihren erwarteten Nutzen durch zu h¨aufiges Handeln.
Nach Odean ist das Handelsvolumen eines Investors umso h¨
oher, je gr¨
oßer seine
"
Over-
confidence" ist. Grund hierf¨
ur ist die realit¨
atsferne ¨
Uberzeugung dar¨
uber, wie hoch die
Ertr¨age sein werden und wie exakt diese bestimmt werden k¨onnen. Außerdem investieren
solche Anleger zu viel Geld und verbringen zu viel Zeit damit, an konkrete, neue Informa-
tionen zu kommen. Ebenso halten solch vermessene Anleger im Vergleich zu rationalen
Investoren riskantere Portfolios, wenn man von gleicher Risikoaversion ausgeht [Odean,
1998].
In ihrem Artikel
"
Boys will be Boys: Gender, Overconfidence, and Common Stock Invest-
ment" behaupten Barber und Odean, dass sowohl M¨anner als auch Frauen
"
overconfident"
6

2 Behavioral Finance
sind, M¨
anner jedoch wesentlich st¨
arker [Barber und Odean, 2001]. Ein Ergebnis ihrer
Studie zeigt, dass M¨anner in einem Jahr 45 Prozent mehr handeln als Frauen. Bei Allein-
stehenden ist die Differenz sogar noch gr¨oßer. So handeln alleinstehende M¨anner im Jahr
um 67 Prozent mehr als alleinstehende Frauen. Auch Auswertungen von Psychologen
zeigen Ergebnisse, welche den eben genannten sehr nahe kommen. Diese kommen zum
Ergebnis, dass M¨
anner gerade im Finanzbereich oder anderen f¨
ur den Mann typischen
Bereichen sich mehr ¨
ubersch¨
atzen als dies Frauen machen. In wie fern diese geschlech-
terspezifischen Unterschiede im Bereich der Overconfidence wirklich zutreffen, und wie
diese sich auf das Anlageverhalten der Individuen auswirken, ist Teil der empirischen
Analyse in Kapitel 3.
7

Kapitel
3
Geschlechterspezifische Unterschiede bei
Anlageentscheidungen
Bereits 1996 machten Nancy Ammon Jianakoplos und Alexandra Bernasek die erste
empirische Studie auf ¨okonomischer Basis, welche Unterschiede im Anlageverhalten von
M¨annern und Frauen untersuchte [Jianakoplos und Bernasek, 1996]. Das damalige Ergeb-
nis war, dass Frauen im Bezug auf Finanzentscheidungen risikoaverser sind als M¨
anner.
In ihrer Studie bezogen sich Jianakoplos und Bernasek auf die Daten der 1989 Survey
of Consumer Finances (SCF89), einer ausf¨
uhrlichen Umfrage von US-amerikanischen
Haushalten die alle drei Jahre durchgef¨
uhrt wird. Ein zentrales Ergebnis daraus zeigt,
dass Frauen 40 Prozent und M¨anner 46 Prozent ihres Verm¨ogens in risikoreichen Anlagen
investiert haben [Jianakoplos und Bernasek, 1996]. Auch Barber und Odean, welche
viele verschiedene Studien in diesem Bereich gemacht und auch zentrale Ergebnisse
geliefert haben, kommen zu dem Ergebnis, dass Frauen in Finanzentscheidungen weniger
Risiko gehen und begr¨
unden dies unter anderem durch die H¨
aufigkeit des Handelns.
Dieses wiederum wird von dem ¨
uberm¨
aßigen Selbstvertrauen der Anleger beeinflusst
(= Overconfidence). Die Ergebnisse von Barber und Odean bezogen auf das Portfoliorisi-
ko, sind Ergebnisse aus linearen Zeitreihen-Regressionen, die mit Hilfe eines Zwei-Faktoren
Modells durchgef¨
uhrt werden. Dieses Modell werden wir uns in Kapitel 4 noch genauer
anschauen, um die Ergebnisse von Barber und Odean besser nachvollziehen zu k¨
onnen.
Das Zwei-Faktoren Modell wird also Kapitel 4.1 dargestellt und erkl¨
art.
Vertraut man auf Jianakoplos und Bernasek oder auch auf Barber und Odean, welche
sich ebenfalls ausf¨
uhrlich mit dieser Thematik besch¨aftigen, lassen sich also Unterschiede
im Anlageverhalten zwischen Frauen und M¨anner erkennen. Allgemein gilt jedoch auch,
dass Frauen mehr risikoavers sind als M¨
anner. Dieses Ergebnis, wird in Kapitel 3.1.2
mittels einer eigenen Studie nochmals untersucht. Die Studie soll zeigen, ob Frauen
wirklich risikoscheuer sind als M¨
anner. Welche Auswirkungen die unterschiedlichen
Risikoneigungen dann schließlich auf das Anlageverhalten der Individuen haben, wird
dann in Kapitel 3.3 beschrieben.
8

3 Geschlechterspezifische Unterschiede bei Anlageentscheidungen
3.1 Geschlechterspezifische Unterschiede in der Risikoneigung
In diesem Kapitel wird zuerst auf Basis empirischer Befunde untersucht, ob es Unter-
schiede in der Risikoneigung bei M¨annern und Frauen gibt und wie sich diese bemerkbar
machen. Danach werden diese Erkenntnisse anhand einer eigens durchgef¨
uhrten Studie
¨
uberpr¨
uft und die Ergebnisse dargestellt.
3.1.1 Literaturanalyse
In der Sozialpsychologie wurden viele Experimente und Umfragen durchgef¨
uhrt, um
geschlechterspezifische Unterschiede in der Risikoneigung zu finden und diese zu belegen.
Ein dadurch h¨
aufig best¨
atigter Befund zeigt deutlich, dass Frauen weniger Risiko bei
Entscheidungen auf sich nehmen, als M¨anner. Um nur einige von diesen Ergebnissen zu
nennen, so fahren Frauen mit weniger Risiko Auto oder auch Motorrad [Bosak, 2006], sie
benutzen im Vergleich zu den M¨annern h¨aufiger einen Sicherheitsgurt im Auto und gehen
auch weniger Risiko in der Gesundheitsvorsorge ein [Hersch, 1996][Sibert, 2009]. Andere
Studien, die sich mehr auf das Finanzwesen beziehen zeigen, dass Frauen im Vergleich
zu M¨
annern Wertpapiere mit weniger Risiko w¨
ahlen [Jianakoplos und Bernasek, 1996]
[Bernasek und Shwiff, 2001] oder allgemein bei Geldanlagen eher konservativ investieren
und das Risiko meiden [Niessen und Ruenzi, 2007]. Ebenso sind Frauen risikoaverser,
wenn es um die finanziellen M¨
oglichkeiten im Ruhestand geht. So investieren Frauen
in ihre Pensionen wesentlich zur¨
uckhaltender und vorsichtiger, als dies M¨
anner machen
[Bajtelsmit und Bernasek, 1996].
Oftmals wird diese unterschiedliche Risikoneigung durch die schon in Kapitel 1 beschrie-
bene Selbst¨
ubersch¨
atzung (=Overconfidence) erkl¨
art, durch welche die Anleger vom
rationalen Ideal abweichen. Sowohl M¨
anner als auch Frauen gelten als
"
overconfident",
anner allerdings zeigen eine gr¨
oßere Selbst¨
ubersch¨
atzung [Lundeberg, Fox und Pun-
cochar, 1994] vor allem eben auch bei finanziellen Angelegenheiten, im Sport oder anderen
Bereichen die gerade f¨
ur M¨anner typisch und interessant sind. Barber und Odean haben
dies schon in den 90er-Jahren untersucht und behaupten, dass M¨
anner wesentlich mehr
Zeit und Geld f¨
ur die Sicherheitsanalyse ihrer Anlagen aufbringen, sich jedoch weniger
von anderen beraten lassen oder weniger auf die Beratung h¨
oren. Dies ist auch ein
Ergebnis aus einer aktuellen Studie der GLS Bank und Green City Energy. M¨anner lassen
sich bei ihren Entscheidungen f¨
ur eine Geldanlage gerne von den eigenen Erfahrungen
leiten. Der Rat des Verm¨
ogensberaters dagegen ist f¨
ur Frauen wichtiger, als er dies f¨
ur
anner ist (52% vs. 44%) [GLS Bank und Green City Energy, 2011].
Eine weitere Beobachtung ist, dass M¨
anner wesentlich ¨
ofters am Markt handeln. Sie
glauben an eine bessere bzw. sicherere Vorhersage der Ertr¨age und erwarten dadurch auch
h¨ohere m¨ogliche Ertr¨age als Frauen [Barber und Odean, 2001]. Und eben genau in diesen
Verhaltensweisen zeigen M¨
anner eine h¨
ohere Selbst¨
ubersch¨
atzung bzw. Vermessenheit
im Vergleich zu den Frauen. Wie genau sich diese
"
Overconfidence" schließlich auf die
erwarteten Renditen, bzw. auf die erzielten Renditen auswirkt, ist in Kapitel 3.2 zu
finden.
9

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783863418243
ISBN (Paperback)
9783863413248
Dateigröße
685 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Ulm
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
behavioral finance overconfidence CAPM Investitionsverhalten Barber Odean

Autor

Andreas Fürst, B.Sc., wurde 1988 in Bad Saulgau geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Ulm mit einem Aufenthalt an der Universität La Laguna (Spanien) schloss der Autor im Jahre 20011 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Science erfolgreich ab. Durch seinen Schwerpunkt im Bereich der Finanzwirtschaft während des Studiums sowie durch verschiedene Praktika sammelte der Autor umfassende Erfahrungen im Bereich der Anlageentscheidungen. Dies motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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Titel: Geld ist Männersache: Investieren Männer anders als Frauen?
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