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Von der Notwendigkeit seniorengerechter Hilfsmittel bis zur Markteinführung

©2012 Masterarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Technische Hilfsmittel werden in der Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Schon jetzt muss mit der Entwicklung begonnen werden. Andernfalls droht die Gefahr hilfebedürftige Senioren in der Zukunft nicht nach dem aktuellen Stand der Technik versorgen zu können. Exemplarisch wird in diesem Buch von einem Notfallassistenten für ältere Menschen ausgegangen.
In dem vorliegenden Buch geht es um die Entwicklung technischer Hilfsmittel für ältere Menschen. Die Notwendigkeit dieser Entwicklung wird u.a. mit dem demographischen Wandel und gesellschaftlichen Veränderungen beschrieben. Teilweise werden auch historische Entwicklungen bis zum heutigen Zeitpunkt beschrieben.
Zudem wird auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte, wie Entwicklungs- und Finanzierungsmöglichkeiten von Hilfsmitteln für ältere Menschen, eingegangen. Neben diesen werden auch rechtliche und ethische Fragestellungen erläutert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

Die hier vorgelegte Bachelorarbeit befasst sich mit einer Neukonstruktion und der rechnerischen Auslegung sowie der Optimierung eines medizinischen Gerätes.

Die Aufgabe dieser Arbeit soll die Erarbeitung eines neuen Designs für den Gangtrainer II sein. Zusätzlich soll eine neuartige funktionale Linearführung in das Gestell integriert werden.

Die Wisch Engineering GmbH produziert Sonderbauteile für Schienenfahrzeuge sowie Kofferraum- und Serviceklappen für den Fahrzeugbau.

Zusätzlich werden aufwendige Blechkonstruktionen, spezielle Rohrdrehmaschinen und unter anderem seit 1999 der Gangtrainer I (GT I) firmenintern entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit der Vertriebsfirma Reha-Stim wurden schon mehr als 150 Stück weltweit verkauft.

Andere Gangtrainer von namhaften Konkurrenten werden auf sehr hohem Niveau entwickelt und erfüllen meistens die geforderten medizinischen Erwartungen. Sie besitzen oftmals eine sehr komplizierte Motorsteuerung und aufwendige Bedienelemente. Durch diese Funktionen generieren sie einen hohen Wartungsaufwand. Die Kosten für solche medizinischen Geräte belaufen sich meist auf mehr als 100.000 Euro.

Der Gangtrainer der Wisch Engineering GmbH (Abb.1) erfüllt im Vergleich zu den Wettbewerbern alle gewünschten Anforderungen, ist jedoch in den Anschaffungskosten weitaus günstiger. Durch diesen günstigen Preis bei einer guten Qualität erlangt die Wisch Engineering GmbH ein Quasi-Monopol auf dem Markt.

Gangtrainer werden in der Medizin als Rehabilitationsgeräte verwendet. Die Patienten leiden oft an Rückenmarkverletzungen oder Schlaganfällen. Diese Krankheiten lösen in den meisten Fällen eine Gehbehinderung oder Gehunfähigkeit aus. Der Gangtrainer simuliert mit seinem Bewegungsablauf den Gang eines Menschen. Durch eine Stimulation im Gehirn erlernt der Patient so nach und nach das Laufen wieder. Der Nutzen solcher Geräte ist seit Jahren in medizinische Studien nachgewiesen.

Gangtrainer werden in den verschiedensten Formen und Ausführungen hergestellt. Es gibt beispielsweise Gangtrainer, die zusätzlich zum normalen Gehen einen Treppengang simulieren können. Andere funktionieren mit Hilfe eines Laufbandes und verzichten völlig auf eine Fußführung. Grundlegend unterscheiden sich die Gangtrainer in ihrem medizi­nischen Ansatz. Einige Firmen bevorzugen den Exoskelettansatz, die Wisch Engineering GmbH arbeitet beim GT I mit dem Endeffektoransatz. Der Unterschied beider Ansatz­systeme erklärt sich wie folgt:

„Im ersteren Fall trägt der Patient eine Art Ritterrüstung, deren externe Gelenke mit Antrieben ausgestattet sind, so dass die Hüft- und Kniegelenke aktiv in der Schwung­beinphase gebeugt werden. Dieser Ansatz ist technisch anspruchsvoll, bietet aber den Nachteil, dass eine komplexe Bewegung wie z.B. die des Kniegelenks nur eindimensional geführt wird. In der Konsequenz ergeben sich nach wissenschaftlichen Untersuchungen falsche Aktivierungsmuster der Beinmuskeln, und wohl dadurch bedingt keine eindeutige Überlegenheit des Ansatzes in kontrollierten Studien. Der Endeffektoransatz dagegen be­deutet, dass der Patient auf zwei Fußplatten steht, deren Bewegung die Stand- und Schwungbeinphase simuliert. Die Hüft- und Kniegelenke folgen der Bewegung der Füße.“[1]

2. Aufgabenstellung

Die Vertriebsfirma Reha-Stim möchte eine Überarbeitung des derzeit bestehenden Gangtrainers I. Im Vordergrund steht die Erarbeitung eines neueren Designs. Der weiterentwickelte Gangtrainer soll dem derzeitigen medizinischen Gerätestandard ent­sprechen und leicht bedienbar sein. Gegebene Maße, die aus dem alten Gangtrainer­gerüst resultieren, dürfen nur geringfügig geändert werden. Die Gangsimulation soll mit der Mechanik des ersten Modells realisiert werden. Für eine gute Handhabung und Funktionalität sollen andere Anwendungen so gut wie möglich übernommen oder weiterentwickelt werden.

Durch die zusätzliche Implementierung neuer elektronischer Bauelemente entstehen vermutlich weitere Kosten.

Zur Sicherstellung einer insgesamt wirtschaftlichen Lösung müssen im Rahmen der Neukonstruktion die Fertigungs- und Materialkosten gesenkt werden. Ein großes Einsparungspotenzial liegt in der Bearbeitungszeit des Materials und der Montagezeit.

Der Klappmechanismus, welcher benutzt wird, um den Patienten auf die Fußpedale zu stellen, soll durch eine Linearführung ersetzt werden. Der vorhandene Flaschenzug soll beibehalten werden.

Für die Problemlösung werden folgende Arbeitsschritte ausgeführt:

- Problemanalyse (Ist-Situation)
- Klärung der Randbedingungen für das neue Modell
- Entwicklung eines neuen Designs
- Überprüfung des Designs auf die technische Machbarkeit
- Erfüllung der Kriterien gemäß Lastenheft
- Nachweis der Statik und mechanischen Umsetzung
- Bewertung der Lösung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, technischer und berechnungsspezifischer Aspekte

3. Grundlagen

Der Gangtrainer I basiert auf einem Baukastenprinzip und besteht aus drei Teilen:

- Antriebsgehäuse
- Untergestell
- Obergestell

Das Antriebsgehäuse enthält die gesamte elektronische Steuereinheit. Diese ist in einem kleinen Schaltschrank untergebracht. Zusätzlich zur Steuereinheit findet die gesamte Mechanik des Gangtrainers im Antriebsgehäuse Platz. Sie funktioniert über eine gut aufeinander abgestimmte und robuste Mechanik, welche von einem Elektromotor angetrieben wird. Die Gangsimulation erfolgt über eine Getriebemechanik im hinteren Bereich. Sie steuert sowohl die Schrittgeschwindigkeit und Gangentlastung als auch die seitliche Hüftführung für den Patienten. Die Gangentlastung wird durch einen Exzenter im Motorbereich hergestellt. Durch mehrere Umlenkrollen kommt die Bewegung am Gurt als geringe Auf- und Abbewegung an. Sie ist nach dem Gangablauf eine der wichtigsten Funktionen am Gangtrainer.

Das Untergestell ist ein einfaches Gerüst, welches aus Vierkantprofilen zusammen­geschweißt wird. Die Geschwindigkeitssteuerung für den Gangablauf erfolgt über ein schwenkbares Bedienelement. Am Einstieg des Gerüstes sind Griffstangen zum Festhalten montiert. Zusätzlich kann vor dem Patienten eine weitere Griffstange befestigt werden. Im unteren Bereich des Gestells finden zwei Fußpedale ihren Platz. In ihnen wird der Patient mit den Füßen fixiert damit der Gangablauf durchgeführt werden kann.

Das Obergestell ist wie das Untergestell aus Profilen zusammengeschweißt.

Die Patientenbeförderung erfolgt über einen Kragarm. An ihm hängt ein Flaschenzug, der es ermöglicht, die Befestigungsgurte in der Höhe zu verstellen. In der Mitte befinden sich eine Gesäßstütze und ein Klappsitz.

Alle drei Baugruppen werden mit Schrauben und Stiften fest miteinander verbunden.

3.1 Handhabung

Die Vorteile des Gangtrainers finden sich maßgeblich in seiner Funktionalität, welche auf der einfachen Konstruktion beruht. Er ist sehr einfach bedienbar und benötigt somit keine aufwendigen Einweisungen. Auch der Wartungsaufwand hält sich durch die robuste Verarbeitung in Grenzen. Diese einfache Konstruktion lässt zudem noch einen niedrigen Herstellungspreis zu. Diese Vorteile soll der neue Gangtrainer fortführen.

Schwierigkeiten gibt es beim Einfahren des Patienten in den Gangtrainer. Dies erfolgt sehr nahe am Gerüst. Oftmals musste der Gurt sehr weit weg gezogen werden, da der Kragarm kaum über einen herangefahrenen Rollstuhl reicht. In der Hubphase musste der Patient vom Pflegepersonal geführt werden. Ohne Führung würde er gegen das Außengerüst geraten. Diese Problematik soll künftig durch eine lineare Führungs­einrichtung beseitigt werden. Eine einfachere Führung wird es dem Personal ermöglichen, mit geringem Kraftaufwand den Patienten in den Gangtrainer hinein zu befördern. Auch der Bereich, aus dem der Patient aufgenommen wird, vergrößert sich wesentlich.

Weitere Probleme bestehen bei den Fußaufnahmen und dem Podest. Sie sind sehr unförmig und bieten geringe Möglichkeiten zur Einstellung. Das Podest, welches sich vor dem Gangtrainer befindet, wurde oft vom bedienenden Personal nicht oder falsch benutzt.

Des Weiteren werden für den Aufbau des Gangtrainers vier Personen benötigt. Kompliziert ist dabei das Hochheben des Obergestells auf das Untergestell. Durch das Gewicht dieser Baugruppe kommt es oftmals zu Komplikationen beim Aufbau.

Technische Daten zum Gangtrainer I:

Abmaß:

- Höhe: 2830 mm
- Breite: 950 mm
- Tiefe: 2550 mm
- maximaler Überhang nach vorn: 369 mm

Gesamtgewicht: 409 kg

Anschluss: 230 VAC, 50 Hz, 10 A

Antriebsleistung: 750 W

3.2 Normen

Für die Entwicklung von neuen Geräten müssen in der EU klare Richtlinien und Vorschriften eingehalten werden. Für den Gangtrainer I werden diese Normen bei der Produktion eingehalten. Bei jeder Fertigstellung ist ein Prüfprotokoll anzufertigen. Danach wird eine Funktionsprüfung des gesamten Gerätes durchgeführt. Diese Normen gelten analog für den neuen GT II und müssen bedingungslos beibehalten werden.

Folgende zusätzliche Normen sind bei der Entwicklung des Gangtrainers II noch einzuhalten:

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG

- regelt die Bereitstellung von Produkten auf dem europäischen Markt.

Medizinrichtlinie 93/42/EWG

- eines der wichtigsten Regelungsinstrumente für die Sicherheit von Medizin­produkten.

DIN EN 980 (wurde beim GT I schon verwendet)

- regelt Symbole zur Kennzeichnung von Medizinprodukten

DIN EN 1041(wurde beim GT I schon verwendet)

- regelt Bereitstellung von Informationen durch den Hersteller von Medizinprodukten

DIN EN 62353

- Prüfungen von medizinischen elektrischen Geräten oder medizinischen elektrischen Systemen oder von Teilen derartiger Geräte oder Systeme

DIN EN 62366

- Anwendung der Gebrauchstauglichkeit auf Medizinprodukte

DIN EN ISO 13485

- ähnlich wie die ISO 9001; bezieht sich auf das Qualitätsmanagement

DIN EN ISO 14971

- regelt die Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte

Zusätzlich zu den technischen Normen sind weitere allgemeine Normen bei der Konstruktion zu beachten.

Aus der DIN 33402 für Körpergrößen geht hervor, dass der durchschnittliche deutsche Mann eine Körpergröße von 1733 mm hat[2]. Die Schulterbreite beträgt 398 mm. Die durchschnittliche deutsche Frau ist dagegen nur 1619 mm groß. Die Sitz- und Griffhöhen für die Patienten ergeben sich wie auch die Körpergrößen aus der DIN 33402 und sind für die weitere Konstruktion wichtiger Anbauteile zu beachten.

Durch Gespräche mit den Therapeuten ergibt sich, dass die Bauhöhe des neuen Gangtrainers keinesfalls höher oder die Breite schmaler als die des alten Gangtrainers werden sollte[3]. Das Gestell wird nicht höher als der alte Gangtrainer geplant (2800 mm), da eine Norm für Deckenhöhen nicht bekannt ist.

Der Überhang nach vorn wird von den gängigen Rollstuhlmaßen bestimmt[4]. Ein Rollstuhl ist durchschnittlich 1150 mm lang und 720 mm breit. Da der Patient in der Mitte des Rollstuhls sitzt, ergibt sich ein Überhang von mindestens 575 mm für das Gangtrainer­gerüst.

Für den Transport des Gangtrainers ist es erforderlich, gegebene Türmaße nicht zu überschreiten. In der Regel beträgt die Breite für genormte Türen 900 mm[5]. Kranken­haustüren dagegen müssen mindestens 1250 mm breit sein. Unabhängig davon werden alle Baugruppen des Gangtrainergerüstes so konstruiert, dass sie durch eine genormte Tür passen. Der Gangtrainer wird nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in nicht medizinischen Räumen benutzt. Die maximale Konstruktionsbreite von 900 mm ist daher zwingend einzuhalten.

Für den elektronischen Teil und die Steuerung des Gangtrainers müssen EU weit folgende Normen eingehalten werden:

- DIN EN 60601
- DIN EN 62304

Da der Gangtrainer auch in den USA vertrieben wird, sollen zusätzliche amerikanische Normen erfüllt werden. Dies betrifft im Allgemeinen die ANSI/AAMI HE48 und die ANSI/AAMI HE75[6].

4. Konzeptdesign für den GT II

Das Design soll aus zwei grundlegend unterschiedlichen Modellen erarbeitet werden, zum einen aus Rechteckprofilen und zum anderen aus Rohren (vgl. Abb. 2).

Die Getriebe- und Steuereinheit, welche den Gangablauf simuliert, wird von dem alten Gangtrainer I übernommen. Ausschließlich die Bauweise wird aufgrund der Platz­verhältnisse verändert. Einige Baugruppe erhalten einen besseren Platz. Somit wird Bauraum gespart und Abstände optimiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwürfe aus der Konzeptphase (Quelle: eigene Abbildung)

Das Unterteil soll aufgrund der Mechanik für alle Modelle gleich bleiben.

Um einen besseren Überblick zu behalten, wird eine Entscheidungstabelle (siehe Anhang Tab. 3) benutzt. Die Bewertung erfolgt nach dem Schulnotensystem. Bei der Bewertung wird eine zusätzliche Gewichtung dem Design und der Stabilität zugeordnet.

Im Ergebnis erwies sich die Variante mit Rechteckprofilen als funktional. Sie bringt eine bessere Trennbarkeit mit sich und lässt sich leichter verarbeiten. Da aber das Design als ausschlaggebendes Kriterium gilt, werden andere Entwürfe bevorzugt.

Als Favoriten ergeben sich die Entwürfe oben rechts und unten links in der Abbildung 2. Um eine bessere Statik zu generieren, erhalten diese Entwürfe an ihrem Ausleger Stangen zur Stabilisierung. Ohne diese Stabilisierung muss die Wandstärke der Rohre enorm erhöht werden. Dies führt zu einem höheren Preis und zu einer ungewollten Gewichtssteigerung der Bauteile.

4.1 Variantenuntersuchung

Bei der Designevaluierung gibt es folgende Probleme zu lösen:

Zu finden ist eine Lösung mit einem ansprechenden Design, einer guten Funktionalität und einer gleichzeitigen Gewährleistung wirtschaftlich niedriger Herstellungskosten. Zudem dürfen die gegebenen Baugrößen (Türmaße, Raumhöhe) nicht überschritten werden. Außerdem soll die Konstruktion in mehreren Bauteilen lieferbar sein, d. h. es müssen zusätzliche Trennmechanismen eingeplant werden.

Durch das ansprechende Aussehen wird von der Vertriebsfirma eine gemischte Form mit Rohren und Rechteckprofilen favorisiert.

Die Rechteckprofile dienen dabei als Standelement für den neuen Gangtrainer. Ein zusätzliches Element wird in der Mitte hochkant angeschraubt. Es bietet hervorragende Möglichkeiten, eine weitere Linearführung für einen höhenverstellbaren Sitz zu befestigen (vgl. Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Designentwürfe(Quelle: eigene Abbildung)

Die Weiterentwicklung der ersten Entwürfe bringt immer komplexere Formen mit sich. Durch die Anbringung der seitlichen Griffstangen lassen sich sehr abstrakte Formen herstellen. Die Biegungen der tragenden Elemente erfordern für die Statik einen größeren Querschnitt oder eine dickere Wandstärke für die Rohre. Dies führt im Gesamten betrachtet zu einem höheren Gewicht.

4.2 Vorzugsvariante

Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile wird das Design gemäß Abbildung 4 als Vorzugs­variante vorgeschlagen.

Die Variante vereint ein modernes Design mit der Funktionalität des alten Gangtrainers. Durch die Rohrbögen wird die harte eckige Form aufgelöst. Ein größerer Überhang wird durch den weiten Ausleger erreicht. Die Linearführung kann gut im oberen Bereich konstruktiv untergebracht werden. Außerdem bietet das Design genügend Platz für die Unterbringung der Getriebe- und Steuer­einheit. Durch die in der Mitte stehende Säule lassen sich eine höhenverstellbare Gesäßstütze sowie ein Klappsitz unterbringen.

Nach dem endgültigen Entschluss zu dem Design muss die Konstruktion aus einer fertigungstechnischen Perspektive überprüft werden. Dabei stehen die Funktionalität und Trennbarkeit im Vordergrund. Es wird dabei beachtet, dass eine einfache Montage ohne zusätzliche Hilfsmittel möglich ist.

4.3 Technische Ausführung

Das Gerüst wird in fünf voneinander trennbare Baugruppen unterteilt:

- Unterteil
- Oberteil
- Mittelsäule
- Rohrbogen
- Griffstangen (6 Stk.)

Als Basis für den Gangtrainer dient das Unterteil. Die Baugruppe besteht aus insgesamt 3 Rechteckprofilen (140 mm x 70 mm). Sie bietet gute Stabilität und stellt die Hauptauflage­fläche für das Gerüst dar. Die Profile haben jeweils einen Abstand von 415 mm voneinander. An ihnen werden die Mittelsäule, Griffstangen und Rohrbögen angeschraubt.

Die Rohrbögen werden am hinteren Ende des Unterteils mit einem Flansch angebracht und sind mit einem Querschnitt von 76 mm geplant. Der Rohrquerschnitt ergibt sich aus der DIN 2448 Reihe 1 für Stahlrohre[7]. Der Flansch ist mit einem Langloch versehen, damit die Bögen in z-Richtung noch verschiebbar sind. Diese Option muss gegeben sein, da es nicht möglich ist, die Rohrbögen exakt wie in dem 3D Modell herzustellen und nach den geplanten Winkeln zu biegen.

Die Mittelsäule stellt die Verbindung zwischen Ober- und Unterteil her. Sie wird in der Mitte mit zwei Bolzen verschraubt und an den Seiten mit Winkeln am Unterteil befestigt. Zusätzlich verbindet sie die Rohrbögen mit Hilfe von Rohradaptern mit dem Oberteil. Der Hauptkörper der Mittelsäule besteht aus einem Rechteckprofil (180 mm x 80 mm). An ihm sind zwei Standfüße und oben ein weiteres Profil angeschweißt. Das obere Profil bietet Anbindungsmöglichkeiten für die Rohradapter und einen Flansch vom Oberteil.

Das Oberteil besteht aus zusammengeschweißten Rohren. Durch den Schweißingenieur wurde eine Schweißnahtdicke von 3 mm festgelegt. Für das Zusammenschweißen von zwei Rohren aus dem Werkstoff S235 wird als Schweißmaterial W3Si1 benutzt[8].

Ein mittig angebrachtes Führungsrohr mit dem Durchmesser 60,3 mm bildet die Anschlussmöglichkeit für eine Linearführung. Zur Verstärkung werden vier Rohre, mit einem geplanten Querschnitt von 42,4 mm senkrecht zu den äußeren Rohrbögen eingesetzt. An der Front befindet sich ein Abdeckblech, welches ggf. mit einem Schriftzug belegt werden kann. Die Griffstangen werden am Ende der Rechteckprofile vom Unterteil eingeschoben. Zur weiteren Befestigung werden sie mit einem Abdeckblech verschraubt. Am oberen Ende werden die Stangen mit einem Verbindungsteil eingespannt. Die seitlichen Griffstangen werden mit T-Verbindern an den vorderen Griffstangen befestigt. Sie sind durch diese Anbindung in der Höhe variabel.

Die Verbindung zwischen den hinteren Rohrbögen und dem Oberteil erfordert viel Aufmerksamkeit. Da durch den Fertigungsprozess eine Herstellung ohne Toleranzen sehr schwierig oder sogar unmöglich ist, muss eine Abweichung konstruktiv abgefangen werden. Unbedingt notwendig für die Verbindung ist ein gerader Abschluss an beiden zueinander stehenden Enden der Rohre, damit der Mechanismus überhaupt funktioniert. Die Verbindung der beiden Rohre erfolgt mit einem Dorn, der an den Rohren des Oberteils fest geschweißt wird. Am oberen Ende der hinteren Rohre wird im Inneren eine Hülse verbaut. Diese werden bei der Montage einfach ineinander gesteckt und stellen somit eine feste Verbindung dar. Die Verbindung zur Mittelsäule erfolgt über ein abgekantetes Blech. Dieses ist zusätzlich in der Höhe (y-Achse) verschiebbar. Durch die Variabilität der beiden Baugruppen in z-Richtung kann das Gerüst bei Abweichungen, die durch den Fertigungsprozess entstanden sind, montiert werden.

4.4 Prüfung nach Lastenheft

Im nachfolgenden Abschnitt werden Problemlösungen erörtert und dargestellt, ob die Forderungen des Lastenheftes erfüllt werden.

Wichtig bei der konstruktiven Lösung ist es darauf zu achten, dass sie alle geforderten Punkte des Lastenheftes sicherstellt. Im weiteren Verlauf wird auf wesentliche Fragen geantwortet, die sich aus dem Lastenheft ergeben haben

Ist das Gerüst (konstruktiv gesehen) stabil?

Das Gerüst ist als Ganzes gesehen stabil. Aus statischer Sicht wird sich die Verbindung zwischen Oberteil und vorderen Griffstangen als kritisch erweisen. An dem Verbindungs­punkt wird auf einer kleinen Fläche eine große Druck- und Zugspannung herrschen. Es wird wahrscheinlich der Ort der höchsten Spannung und Momente sein. Nähere Erkenntnisse wird die Berechnung mit der FEM zeigen. Die Momente entstehen durch den Hebel um den Drehpunkt der Verbindung zwischen den vorderen Griffstangen und dem Oberteil.

Als erste Möglichkeit wird eine Verbindungsoption mit einem Schweißteil erarbeitet. Es soll am Rohr angeschweißt werden, damit die Griffstange von unten hinein geschoben werden kann.

Die Herstellung des Bauteils ist einfach und spart Zeit beim Aufbau des Gerüstes. Der Nachteil dieser Konstruktion ist ihre Anfälligkeit bei Bewegung. Außerdem wird durch den Schweißprozess zu viel Wärme in das Rohr eingeleitet. Diese Tatsache führt zu einem Stabilitätsverlust innerhalb des Rohres.

Als zweite Option wird ein Frästeil konstruiert. Es besteht aus zwei Teilen und basiert auf einem Klemmmechanismus. Dieser spannt die Rohre ein und überträgt die entstehenden Spannungen. Es ist definitiv schwieriger in der Herstellung und kostet durch die Bearbeitung an der Fräsmaschine mehr als die Schweißvariante. Durch seine extreme Stabilität und einfache Handhabung ist es jedoch gut für diese Funktion geeignet.

Um mehr Platz für die Befestigung des Bauteils zu haben, wird das Dach überarbeitet. Durch die Absenkung der seitlichen Rohre wird mehr Arbeitsraum an der oberen Baugruppe geschaffen. Zudem verbessert sich durch die Absenkung die Statik.

Besitzt das neue Gerüst ein deutlich neues Design?

Das Design des neuen Gerüstes unterscheidet sich deutlich von dem des alten Gang­trainers. Durch die Rundungen wirkt der Gangtrainer gefälliger und nicht mehr so kantig. Die eckigen Formen des alten Gerüstes sind nicht mehr zu erkennen. Die Motor­verkleidung wird aus GFK der Optik der hinteren Rundbögen angepasst.

Ist eine Trennbarkeit erreicht?

Eine Trennbarkeit wird durch Schraub-, Flansch- und Steckverbindungen ermöglicht.

Die Trennung der hinteren Rohrbögen zum Oberteil wird mittels eines Dorns realisiert (vgl. Abb. 5). Dieser wird in den Rohrenden des Oberteils fest verschweißt. Die dazu passende Hülse wird im oberen Ende der hinteren Rohrbögen eingepasst. Da aus­schließlich Lasten nach unten abgefangen werden sollen, sorgt diese Verbindung zusätzlich für Stabilität im Gerüst. Die Ver­bindung zur Mittelsäule wird durch ein Adapterblech geschaffen. Es wird um 45° zur Mittelsäule am Dorn angebracht.

Die Montage der hinteren Rohrbögen erleichtert ein Flansch, der an ihnen angebracht ist.

Dadurch dass das Frästeil am Oberteil erst später am Bauteil fixiert wird, ist auch dort eine Einstellmöglichkeit hinsichtlich der Verschiebbarkeit gegeben. Der Flansch, der das Oberteil mit der Mittelsäule verbindet, lässt diese Verschiebung ebenso zu.

Ist die variable Justierung der seitlichen Griffstangen gegeben?

Die variable Justierung der seitlichen Griffstangen wird als besonderer Wunsch der Patienten und des Pflegepersonals geäußert[9]. Dabei besteht die Herausforderung darin, dass sie für mehrere Positionen angebracht werden soll. Es sind verschiedene Höhen für die Haltegriffe zu realisieren. Diese Erkenntnis geht aus Gesprächen mit den Patienten hervor. Sie äußerten den Wunsch, sich an verschiedenen Punkten festzuhalten. Zusätzlich soll nach dem Einstieg in das Gerät eine Griffstange vor dem Patienten angebracht werden, damit er Halt nach vorn findet. Für höhenverstellbare Griffstangen werden T-Verbindungsstücke benutzt. Sie finden sich in öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn. Im Einkauf sind sie preiswert und für genormte Griffstangendurchmesser zu bekommen.

Bietet das Gerüst Anschlussmöglichkeiten für elektrische Anlagen?

Kabel für die Steuerung können in den Rechteckprofilen des Unterteils verlegt werden. An der Seite werden Seilführungen angebracht, die eine Kabelführung zur Steuereinheit ermöglichen. Eine zusätzliche Option bieten die Griffstangen. Es ist möglich, Geräte für die Visualisierung an ihnen anzubringen.

[...]


[1] Dr. Brandl-Hesse, Beate (2011): varia.doc, Reha-Stim

[2] Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing Schlick, Cristopher (2011): Einführung in die Arbeitswissenschaft, http://www.iaw.rwth-aachen.de/files/awi_le10_ss2011_folien+notizen.pdf

[3] Gesprächsnotiz von einem persönlichen Besuch im Medical Park Berlin Humboldtmühle

[4] http://nullbarriere.de/rullstuhl.htm (eingesehen am 15.2.2012)

[5] http://www.bsth.de/in/sites/BbgKPBauV-SynopseundBegruendung.pdf (eingesehen am 15.2.2012)

[6] http://use-lab.com (eingesehen am 15.2.2012)

[7] [KK]

[8] www.boehler-welding.com (eingesehen am 8.2.2012)

[9] Gesprächsnotiz von einem persönlichen Besuch im Medical Park Berlin Humboldtmühle

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863418403
ISBN (Paperback)
9783863413408
Dateigröße
363 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,6
Schlagworte
technische Hilfsmittel demographischer Wandel Notfallassistent AAL Ambient Assisted Living Altersgerechtigkeit
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