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Berufsvorbereitung in der Schule

©2011 Bachelorarbeit 34 Seiten

Zusammenfassung

Im Oktober 2010 veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie mit dem Titel ‘Jugendliche ohne Hauptschulabschluss’ und zeigte eine nicht neue, aber umso bedenklichere Entwicklung der innerdeutschen Gesellschaft auf: Zum Ende des Schuljahres 2007/2008 haben deutschlandweit fast 65.000 Jugendliche die Schulen ohne einen Hauptschulabschluss verlassen; das sind 7,5% dieses Jahrgangs (vgl. Klemm, S.4). Auch wenn Hamburg im gesamtdeutschen Vergleich im Mittelfeld liegt, waren es hier immerhin 8,9% aller Schulabgänger, die abschlusslos blieben (ebd. S.12). Demnach waren es 1349 Schüler mit deutscher oder ausländischer Staatsangehörigkeit, die 2008 am Ende ihrer Schullaufbahn kein Abschlusszeugnis vorzuweisen hatten (ebd. S.15: Tabelle 1). Aus einer Antwort des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg auf eine Große Anfrage von SPD-Abgeordneten betreffend ‘Schulabgänger im Schuljahr 2009/2010’ vom 11.01.2011 geht hervor, dass im Schuljahr 2009/2010 insgesamt 1224 Schüler die Hamburger Schulen ohne Abschlüsse verlassen haben (vgl. Bürgerschaftsdrucksache 19/8173, S.4). Die Folgen sind weitreichend und schwerwiegend für die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft. Junge Leute mit schlechtem oder gar keinem Abschluss haben es schwer, einen Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden. Die Konkurrenz unter den Bewerbern ist groß und ein Zeugnis oftmals der erste Eindruck, den sich Personalchefs machen. Eine ungünstige Ausgangssituation für diejenigen, die nichts oder nur wenig vorzuweisen haben. Im schlechtesten Fall bewerben sich die Jugendlichen häufig, aber erfolglos.
Natürlich sind die genannten Probleme seit langem bekannt, und es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Ansätzen, die Schulen und der Staat in die Wege geleitet haben. An dieser Stelle sollen nicht die Ergebnisse und Erfolge der verschiedenen Maßnahmen in Frage gestellt werden. Die Maßnahmen von Bund und Ländern sind wichtig und weitreichend. Trotzdem scheint es, als ob die größte Hürde zum Arbeitsmarkt der Übergang von der Schule in das Berufsleben ist. Hier setzt diese Arbeit an und will an einem praktisch orientierten Projektvorhaben zeigen, wie eine konkrete Vorbereitung auf einen Ausbildungsberuf mit konkretem Nutzen für alle Beteiligten gestaltet werden könnte.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


5
Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch SGB II
1
, was den Ländern direkte Kosten
verursacht. Im Jahr 2008 waren in Hamburg durchschnittlich pro Monat 6266 junge
Menschen zwischen 15 und 25 Jahren arbeitslos. Im Jahre 2009 stieg diese Zahl sogar auf
7532 Menschen pro Monat. (Statistisches Jahrbuch Hamburg 2010/2011, S.97) Unterstellt
man den Höchstbetrag von 885 Euro
2
, den die Leitungsempfänger erwarten können,
ergeben sich Ausgaben von ungefähr 6,7 Millionen Euro pro Monat für den Hamburger
Haushalt in 2009.
3
Doch die direkte Belastung des öffentlichen Haushaltes ist nur eine Seite, denn gleichzeitig
zahlen die betroffenen Leitungsempfänger nicht in die Rentenkasse und auch nicht in die
Arbeitslosenversicherung ein. Zudem verliert das Wirtschaftssystem produktive Kräfte, und
es entstehen Kosten für Verwaltung und für anfallende Fördermaßnahmen. Allein die Kosten
für Fördermaßnahmen in Deutschland im Jahr 2009 im Sinne von Nachqualifizierungen
beziffert Klemm auf 204 Millionen Euro pro Altersjahrgang und empfiehlt, dieses Geld für
präventive Maßnahmen einzusetzen (vgl. Klemm, S.6). Aber selbst wenn die Jugendlichen
vorerst eine Arbeitsstelle finden, bleibt ein erhöhtes Risiko der Arbeitslosigkeit für
diejenigen, die keine anerkannte Ausbildung haben; mittlerweile liegt die Arbeitslosenquote
in dieser Gruppe bei über 26%
(
vgl. Rademacker, S.112). Die Kosten für die Gesellschaft sind
also nur zeitverzögert. Der Zugang für Jugendliche ohne Abschluss in das schulberufliche
System war nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2008 nahezu geschlossen: gerade mal
0,6% der deutschen Jugendlichen und 0,4% der ausländischen Jugendlichen ohne Abschluss
besuchen eine Berufsschule. 75,6% bzw. 87,9% ohne Abschluss saßen hingegen in
berufsvorbereitenden Maßnahmen (vgl. Rademacker, S.116). Die persönlichen Folgen für
arbeitslose Jugendliche sind Frustration, mangelndes Selbstwertgefühl und psychische
Erkrankungen wie Depressionen, deren Folgekosten schwer zu beziffern sind. Mareike
Baumann hat in ihrer Dissertation ausführlich Krankheitsbilder und das Selbstwertgefühl von
1
Diese Sozialleitungen beziehen sich auf das Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich ,,Hartz IV": ,,Arbeitsfähige
bedürftige Personen von 15 bis unter 65 Jahren haben Anspruch auf Arbeitslosengeld II, den im gleiche Haushalt
wohnenden unter 65-jährigen Nichterwerbsfähigen steht Sozialgeld zu." (Statistisches Jahrbuch Hamburg
2010/2011; S.64)
2
Der Betrag ergibt sich aus: ALG II 342,45Euro + Sozialversicherungsbeiträge 150,39 Euro + Kosten für
Unterkunft 369,88 Euro + Sozialgeld 14,45 Euro und sonstigen Leistungen 6,84 Euro
(Behörde für Soziales et al.: Lebenslagenberichterstattungen, S.29)
3
Die Berechnung ist unpräzise und soll an dieser Stelle nur als Richtwert dienen. Der genaue Betrag, den die
Hansestadt in 2009 durchschnittlich für Leitungsempfänger ausgegeben hat, konnte leider nicht ermittelt
werden.

6
Arbeitslosen beschrieben (vgl. Baumann, 2010). Auch die Behörde für Soziales, Familie und
Integration in Hamburg verweist auf die Expertise des Robert-Koch-Institutes, welches
festgestellt hat, dass Arbeitslose häufiger von Krankheiten betroffen seien, sich ungesünder
verhalten würden und für sie eine erhöhte Mortalitätsrate gelte; all dies sind Folgen eines
Kausalzusammenhangs von Arbeitslosigkeit und eingeschränkter Gesundheit (vgl. Behörde
für Soziales, Familie und Integration, S.66). Dies sind die Schwierigkeiten, mit denen die
Jugendlichen weitestgehend selber umgehen müssen. Es stellt sich darüber hinaus die Frage,
ob sich diese schlechten Erfahrungen auch negativ auf die Kinder der Betroffenen auswirken
werden und dadurch eine Art Kreislauf im sozialen Abstieg ausgelöst wird.
Unbestritten ist der Zusammenhang zwischen Schulausbildung und Arbeitslosigkeit. Die
Behörde für Soziales, Familie und Integration weist im Rahmen ihrer
Lebenslagenberichterstattung auf folgendes hin:
,,Als zentraler Faktor für Hilfebedürftigkeit im Rechtskreis SGB II stellt sich mangelnde Bildung
dar. Im Dezember 2005 besaßen in Hamburg 30,3% der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II
keinen Schulabschluss. [...] Ebenso wie eine fehlende oder geringe Schulausbildung trägt eine
nicht vorhandene Berufsausbildung erheblich zum Risiko bei, SGB-II-Empfänger/-in zu werden.
Der Anteil jugendlicher SGB-II-Empfänger über 20 Jahre ohne abgeschlossene
Berufsausbildung beträgt in fast allen Hamburger Bezirken ca. 73%." (ebd., S.45ff.)
Heike Solga hat in ihrem Beitrag in der Zeitschrift ,,Aus Politik und Zeitgeschichte" (21/22-
2003) die verheerenden Folgen der Abschlusslosigkeit bei Jugendlichen beschrieben. Sie
weist darauf hin, dass die Optionen für diese Gruppe sehr gering sind: entweder der
Schulbesuch wird verlängert, da die Jugendlichen mangels Alternativen keinerlei Chance auf
dem Arbeitsmarkt haben, oder sie müssen Weiterbildungsmaßnahmen ergreifen, die
allerdings zu einer weiteren Stigmatisierung als Verlierer führen (vgl. Solga, S.20 ff). Sie
bezeichnet diesen Vorgang als ,,amtlichen Stempel des Defizitären" (ebd. S.22) und verweist
damit indirekt auf die Frage, die auch Klemm aufwirft: Ist es nicht sinnvoller und effektiver,
Ressourcen und Kräfte vor dem Schulabschluss für eine Ausbildungseignung zu aktivieren, da
die Maßnahmen hinterher eigentlich zu spät kommen? Solga beschreibt die Konsequenzen
sogar noch drastischer:
,,
Für viele von ihnen [Jugendliche ohne Abschluss; Anmerkung d. Verfassers] bedeutet dies
jedoch eine ,,Maßnahmenkarriere". Die Wettbewerbsfähigkeit dieser Jugendlichen erhöht sich
durch diese Sondermaßnahmen nur wenig [...]. Die Integration in das berufliche
Bildungssystem stellt daher für viele eine Verlängerung der ,,institutionellen Aussonderung" in

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der Schule dar; dies kann [...] paradoxerweise die Gefahren ihrer Ausgrenzung vom
Arbeitsmarkt erhöhen." (Solga, S. 25)
Betrachtet man die Kosten und sozialen Folgen, stellt sich die Frage, wie man schon vor
Beginn der verhängnisvollen Abfolge ,,schlechter/kein Schulabschluss
Ækeine
Ausbildung
ÆArbeitslosigkeit" intervenieren könnte. Ziel des Projektes ist es, einen Beitrag
zur Durchbrechung dieses Kreislaufs zu leisten. Beim Projekt werden nicht die Schulnoten
der Schüler hinterfragt, es geht vielmahr darum, die Jugendlichen trotz ihrer schlechten
Leistungen in den Schulfächern interessant für Ausbildungsbetriebe zu machen und zwar
durch gezieltes, regelmäßiges Training in Fertigkeiten, die sie in ihren Ausbildungsberufen
benötigen werden. Der Gedanke ist: ,,Wenn ich schon mit meinen Noten nicht überzeugen
kann, sollte ich andere Besonderheiten in meiner Bewerbungsmappe haben, die
beeindrucken könnten." Einen wichtigen Beitrag für die spätere Bewerbung leistet in der
Regel die Berufsvorbereitung an den jeweiligen Schulen. Daher wird im folgenden Abschnitt
die Berufsvorbereitung an Schulen genauer untersucht, denn hier gibt es ein sehr großes
Potenzial, notenschwachen Schülern Starthilfe für die Eingliederung in die Arbeitswelt zu
geben.
2.2.
Berufsvorbereitung an Schulen (bundesweit und in Hamburg)
Schon früh hat man in Deutschland erkannt, dass es für einen reibungslosen Übergang von
der Schule in die Berufswelt notwendig ist, unterstützende Strukturen für Jugendliche zu
schaffen, die ihnen bei der Berufswahl helfen sollen. Bereits 1953 entschied man, dass die
Schule die Institution sein sollte, die mit dieser Aufgabe zu betreuen wäre (vgl. Beinke, S.12).
Zunächst scheiterten die Versuche, den Pädagogen diese Aufgabe zu übertragen. Vier Jahre
später wurde erneut versucht, die Schule auf gleiche Augenhöhe mit der Bundesanstalt für
Arbeit zu bringen und als gleichberechtigte Institution für Berufsberatung von jungen Leuten
einzusetzen. Dies wurde schriftlich in dem Handbuch ,,Die Schule im Dienst der
Berufserziehung und Berufsberatung" fixiert. Die Inhalte waren damals schon prinzipiell den
heutigen Aufgaben der Schule in Bezug auf Berufsvorbereitung ähnlich. Die Schule sollte:
,,Die persönlichen Kräfte und Entwicklungsmöglichkeiten der Schüler abschätzen [...] und ein
Bild der Berufsschichtung und Wirtschaftsstruktur und Inhalte der Berufsbeschäftigung
bekannt machen." (ebd. S.119)

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Über die Erfolge kann hier leider nichts gesagt werden, es wurden keine verlässlichen
Einschätzungen zu der Wirkung der Berufsvorbereitung gefunden. Aber das Thema gewann
in den folgenden Jahren immer mehr an Bedeutung und es wurden weitere Entwicklungen
vorangetrieben:
,,Seit 1964 gibt es im curricularen Sinne einen schulischen Berufswahlunterricht. Das war der
Beginn des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen [...] Es war dieser
Teil zur Neugestaltung des deutschen Bildungswesens, der mit der Einrichtung des Faches
Arbeitslehre die Berufsorientierung etablierte." (ebd. S.14)
Im weiteren Verlauf kam es oftmals zu Veränderungen und Reformen. Immer wieder wurde
auch diskutiert, ob das Arbeitsamt eine Monopolstellung für die Berufsvorbereitung haben
sollte und immer wieder wurde die Frage nach der richtigen Methode zur
Unterrichtsgestaltung gestellt (ebd. S.120).
Aktuell findet Berufsvorbereitung in Schulen in verschiedenen Formen statt: Im Fach
Arbeitslehre werden Übersichten für verschiedene Berufsgruppen gegeben, meistens finden
zwischen der achten und zehnten Klassenstufe Betriebspraktika statt. Entweder tage- oder
wochenweise. Manche Schulen bieten im Zuge von Projektwochen
Informationsmöglichkeiten bezüglich möglicher Ausbildungsberufe in Zusammenarbeit mit
den örtlichen Agenturen für Arbeit.
In Hamburg beschreibt das Hamburger Schulgesetz gegenwärtig die Aufgabe und den
Umfang der Berufsvorbereitung:
,,Auf allen Schulstufen und in allen Schulformen der allgemeinbildenden Schulen ist in
altersgemäßer Form in die Arbeits- und Berufswelt einzuführen und eine umfassende
berufliche Orientierung zu gewährleisten. Dabei sind den Schülerinnen und Schülern
grundlegende Kenntnisse über die Struktur der Berufs- und Arbeitswelt und die Bedingungen
ihres Wandels zu vermitteln. Unterricht und Erziehung sind so zu gestalten, dass die
Schülerinnen und Schüler die für den Übergang in die berufliche Ausbildung erforderliche
Berufsreife erwerben." (vgl. HmbSG, §3, Absatz 2)
Im gemeinsamen Bildungsplan der Stadt Hamburg für die Haupt- und Realschule der
Jahrgangsstufen 5-10 finden sich an mehreren Stellen Vorgaben in Bezug auf
Berufsvorbereitung und Kompetenzerwerb für Ausbildungsberufe. So wird die
Berufsorientierung in den Lernbereichen Gesellschaft, Arbeit und Beruf und dem
Wahlpflichtfach Arbeitslehre angesprochen; sie wird ferner in den Vorschriften für die
allgemeinen Aufgabengebiete der Schulen (vgl. Behörde für Schule und Berufsbildung,

9
Klassenstufe 5-8) erfasst. Zu den Anforderungen an die Berufsorientierung gehört der
Erwerb von den Kompetenzen, die den Schülern einen erfolgreichen Wechsel vom
Schulleben in die Berufswelt ermöglichen sollen (vgl. ebd., Abschnitt ,,Aufgabengebiete",
S.10). Wenngleich der Schwerpunkt auf dem Verstehen der individuellen Rolle in der
Wirtschaftswelt und auf der Entfaltungsmöglichkeit der Schüler liegt und hierbei der
theoretische Rahmen überwiegt, wird aber auch betont, dass die Berufsorientierung dazu
verhelfen soll, eigene Interessen und Potenziale zu erkennen und daraus
selbstverantwortliche Entscheidungen zur Berufswahl entstehen zu lassen (ebd.). Die
konkrete Umsetzung bleibt jedoch der einzelnen Schule überlassen. In Hamburg arbeiten
Stadtteilschulen und Berufsschulen ab Jahrgang 8 verbindlich zusammen, um die
Voraussetzungen für den Übergang zu optimieren, ,,damit möglichst kein Jugendlicher an der
Schnittstelle von der Schule in den Beruf verloren geht" (vgl. Lumpe). In diesem Sinne wurde
zum Beispiel das Projekt transfer vom Berufsbildungswerk in Zusammenarbeit mit sechs
Hamburger Schulen ins Leben gerufen, bei dem die Lernstrukturen der neunten und zehnten
Jahrgangsstufe so verändert wurden, dass schulische und berufliche Ausbildung und
praktische Erfahrungen parallel verlaufen.
,,Es hat sich gezeigt, dass die jungen Menschen durch den engen Kontakt mit der beruflichen
Praxis und die anderen Lernstrukturen zu besseren Lernergebnissen motiviert werden. Sie
werden durch die gleichzeitige betriebliche Sozialisation zu einer fundierten Entscheidung
über ihren weiteren beruflichen Werdegang befähigt."
4
Es kann also gesagt werden, dass generell in Hamburg und an Hamburger Schulen die
Berufsvorbereitung einen hohen Stellenwert hat und zur Überwindung der Schnittstelle
Schule/Beruf dienen soll. In diesem Zusammenhang soll die Berufsvorbereitung an der Otto-
Hahn-Schule betrachtet werden.
2.3.
Die Berufsvorbereitung an der Otto-Hahn-Schule
An der Otto-Hahn-Schule (OHS) im Hamburger Stadtteil Jenfeld ist Berufsorientierung bereits
seit 2003 fester Bestandteil der Unterrichtsentwicklung. Mehrfach wurde die Schule für ihr
Konzept prämiert: zweimal gewann sie den Titel ,,Starke Schule" der Hertie-Stiftung und
4
(http://www.bbw-hamburg.de/front_content.php?idcat=129&idart=220)

10
2010 wurde sie als ,,Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung" zertifiziert. Bereits in der
Jahrgangsstufe 5 beginnt an dieser Schule eine allgemeine Orientierung über Berufs- und
Ausbildungsperspektiven. Die OHS bietet Lernentwicklungsgespräche und Potenzialanalysen
und hat als festen Bestandteil auch regelmäßige Besuche von außerschulischen Lernorten im
Programm der Berufsorientierung. Das Konzept sieht zudem zwei Betriebspraktika von 3
bzw. 2 Wochen vor. Darüber hinaus wird natürlich auch im Fach ,,Arbeitslehre" unterrichtet
und es gibt zahlreiche Orientierungshilfen wie Projekttage an der Universität Harburg,
Exkursionen zur Handelskammer Hamburg oder aber auch Praktikantenbörsen.
Besonders praktisch und lebensnah orientiert ist das Projekt der Schülerfirma: Hier arbeiten
jeden Donnerstag insgesamt 104 Schüler in sieben Abteilungen wie zum Beispiel in der
Schülerzeitung, der schuleigenen Imkerei, dem Bereich Marketing, dem OHS-Laden, einer
kreativen Metallverarbeitung (derzeit werden 120 Messingkugelschreiber für ein Hamburger
Unternehmen hergestellt), der Textilherstellung (in der zum Beispiel Bücherhüllen aus Stoff
gefertigt werden) und der Abteilung für Aktionen rund um Fahrräder. Verwaltungsaspekte
und administrative Aufgaben werden in der Abteilung ,,Personalentwicklung" umgesetzt.
Aktuell beschäftigt sich die OHS mit dem Vorhaben, die Ausbildungsreife und
Übergangssicherung von der Schule in einen Ausbildungsberuf für die leistungsschwächeren
Schüler zu verbessern. Der Kerngedanke ist die Etablierung eines intensiveren Praxisbezuges,
der regional in Kooperationsformen mit Betrieben und Berufsschulen sowie anderen Schulen
in der unmittelbaren Region umgesetzt wurde. Schüler und Schülerinnen absolvieren nun
halbjährlich wechselnde Praktika in Ausbildungsberufen, die real erreichbar für sie sind.
Dabei werden sie von Begleitern der Berufsorientierung unterstützt (vgl.
Lünenbürger/Kaufner, S. 12). Berufschultage, Betriebserkundungen und weiterführende
Beratungsgespräche runden das Angebot ab.
Bei einer ersten Evaluation zeigte sich, dass nur 8 von 47 Schülern den Berufschultag als
,,völlig überflüssig" einstuften. 28 Schüler waren dagegen der Meinung, dass dieser Tag
,,überhaupt nicht überflüssig war" (ebd, S.13). Interessant ist die Beurteilung der Schüler in
Hinblick auf den Lernerfolg: 18 von 47 Befragten sagten: ,,Alles, was ich gelernt habe, hätte
ich auch an meiner Schule lernen können" und nur 20 von 47 waren anderer Meinung (ebd.).
Dies mag ein Hinweis darauf sein, dass die Jugendlichen theoretische Lerninhalte generell
eher der Schule zuschreiben, beziehungsweise davon ausgehen, dass Theorie durchaus in

11
der eigenen Schule vermittelt werden könnte, unabhängig vom Thema. Spekulativ kann
sogar angenommen werden, dass ein anderer Schulort mit anders gestaltetem
Klassenzimmer für einen Schüler doch nur ein Klassenraum bleibt; fehlt ihm generell die
Motivation, sich mit den Inhalten des Unterrichts auseinander zu setzen, wird er auch ein
ähnliches Verhalten in einem anderen Klassenzimmer zeigen. Denn warum sollte sich seine
Einstellung zum Unterricht ändern, nur weil der Raum optisch minimal abweicht und die
sonstigen Strukturen gleich bleiben?
3.
Das Projekt: Grundsätzliche Überlegungen zum Projekt
Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung eines möglichst reibungslosen Übergangs der
Jugendlichen nach Abschluss der Schulzeit in das Berufsleben werden nachstehend die
wichtigsten gedanklichen Ansätze für das Projekt der Berufsvorbereitung noch in der
Schulzeit dargestellt.
Erste Überlegung: Was soll eine zielgerichtete und sehr praxisorientierte
Trainingsmaßnahme leisten?
Grundgedanke ist, den Schülern im laufenden Abschlussjahr eine Möglichkeit zu schaffen,
sich aktiv Fertigkeiten anzueignen, die sie in ihrem späteren Ausbildungsberuf brauchen
werden. Dabei soll sich das Training ganz gezielt an den jeweiligen Rahmenplänen der
Handwerkskammer orientieren, denn am Ende der Trainingseinheiten sollen die Schüler ein
aussagekräftiges Zertifikat erhalten, das darüber Auskunft gibt, welche Fertigkeiten trainiert
wurden. Damit greift das Training der Ausbildung bis zu einem gewissen Grad vor, aber dies
erleichtert einerseits für die Jugendlichen die Einstiegsphase der Ausbildung und macht sie
andererseits durch das Training interessant für die Betriebe. Der Vorteil für die Betriebe liegt
bei dem Basiswissen, welches der Jugendliche bereits hat und auf dem aufgebaut werden
kann. Somit kann Zeit freigesetzt werden, die vom Ausbilder anderweitig zu nutzen ist. Der
Schüler profitiert von einer Erweiterung seiner Bewerbungsmappe um ein Zeugnis über die
generelle Befähigung für den Ausbildungsberuf. Auch hat der Schüler die Möglichkeit, im
Vorstellungsgespräch ein Signal zu setzen: ,,Meine Disziplin in der Schule war nicht
besonders gut, allerdings habe ich gezeigt, dass ich die benötigten Fertigkeiten für diesen
Beruf erlernen kann."

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Zweite Überlegung: Welche Berufe eignen sich für das Training?
Es ist davon auszugehen, dass besonders die leistungsschwächeren und
abschlussgefährdeten Schüler am meisten von einem Berufstraining profitieren werden; ihr
Wissens- und Leistungsangebot sieht am Ende ihrer Schullaufbahn am schlechtesten aus,
daher wird sich jede belegte Weiterbildung oder Qualifikation positiv auf ihre Chance
auswirken. Natürlich soll das Training jedem offen stehen, auch leistungsstarken Schülern,
aber im Fokus sollten jene stehen, die ohne besondere Vorbereitung höchstwahrscheinlich
an der Schnittstelle Schule-Beruf ,,verloren" gehen würden.
Dadurch betrachte ich nur die Berufe, bei denen Schüler mit Hauptschulabschluss eine reelle
Chance haben. Alle Berufe, die einen höheren Schulabschluss verlangen, scheiden also von
vornherein aus. Bergmann/Selka führen in ihrem Buch ,,Berufsstart für Hauptschüler"
insgesamt 51 Berufe auf, die für Hauptschulabgänger geeignet sind. Darunter finden sich
hauptsächlich handwerklich orientierte Berufe, die sich für das Projekt am ehesten eignen.
Dritte Überlegung: Warum nur handwerkliche Berufe?
Zunächst einmal scheinen viele der Berufe, die für Hauptschüler geeignet sind, grundsätzlich
umsetzbar, da ihre Anforderungen und ihr didaktischer Gehalt generell in kleinen wie in
großen Maßstäben gleich bleiben. Als Beispiel: Für einen angehenden Koch ist während der
Ausbildung für die Herstellung eines Desserts die generelle Kenntnis der Zutaten und
Rezeptabläufe entscheidend, nicht aber die Menge, die hergestellt wird. Das bedeutet, dass
die Anleitungen für die Bearbeitung von Lebensmitteln und Herstellung von Speisen in einer
kleinen Küche für wenige Personen umsetzbar sind. In solchen Fällen spielen die
Größenordnungen keine entscheidende Rolle. Bei einigen Berufen ist allerdings die
Umsetzung der praktischen Lernumgebungen hinderlich: Für eine Fachkraft in der
Lagerverwaltung macht es wenig Sinn, wenn gerade mal die wöchentliche Lieferung der
Reinigungsmittel verwaltet werden soll. Ebenso ungeeignet sind natürlich auch Berufe wie
Straßenbauer oder Dachdecker, deren Arbeit ausschließlich in großen Maßstäben
stattfinden. Berufe, die aufgrund dieser Kriterien nicht umsetzbar sind, sollten auf den bisher
beschrittenen Wegen, wie z.B. dem Betriebspraktikum, erkundet werden.
Besonders geeignet scheinen Berufe, die im Schulbetrieb umsetzbar sind, weil sie in einer
relativ schnell errichteten Umgebung die Wirklichkeit ungefähr abbilden können. Tischler,

13
Friseur, Köchin, Gärtner, Maurer, Klempner oder Floristin zum Beispiel sind alles Berufe, die
simulierbar sind. Hierzu ist wichtig, dass im Vorfeld der Trainingskurse eine Evaluation mit
den Schülern stattfindet, die helfen soll, herauszufinden, für welche Berufe sich die Schüler
und Schülerinnen generell interessieren würden. Damit würde das Projekt effektiver an den
Interessen der Schüler orientiert werden, und diese wiederum würden sich in ihren
Vorstellungen ernst genommen fühlen.
Vierte Überlegung: In welcher Form soll das Projekt stattfinden?
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, die von der Ressource Zeit, dem finanzielle
Verfügungsrahmen und den Ausbildungsmöglichkeiten (Kapazitäten von Lehrkräften,
Kooperationsbetrieben etc.) abhängig sind. In jedem Fall sollte der Schwerpunkt auf einem
,,Werkstatt"-basierten Unterricht liegen. Mit dem Begriff ,,Werkstatt" ist eine Umgebung
angesprochen, welche versucht, die die spätere Ausbildungsumgebung realitätsnah abbildet:
Handwerkszeug und Werkstoffe sollten der späteren Realität entsprechen (zum Beispiel
Profikochherde anstatt Haushaltsgeräte), und das Training sollte auf Praxis fokussiert sein.
Die Möglichkeit für einen Wechsel aus der alltäglichen Schulumgebung in eine simulierte
Berufsumgebung wird sich positiv auf die Schüler auswirken. Schierholz bemerkt zum Effekt
des praktischen Unterrichts auf leistungsschwache Schüler:
,,Ein Teil der Jugendlichen unterhalb der Hauptschulabschluss-Schwelle hat in der Fachpraxis
im Berufsfeld erhebliche Stärken, ist hinsichtlich Fein- und Grobmotorik durchschnittlich
entwickelt, zeigt handwerkliches Geschick und ist überdurchschnittlich motiviert. Wenn hier
infolge von Sprach-, Lern- oder Leistungsdefiziten der Hauptschulabschluss nicht erreicht
werden kann, so könnte diesen Jugendlichen gegenüber die Botschaft vertreten werden:
Knöpft an eure Stärken an; der erfolgreiche Abschluss einer beruflichen Erstausbildung [...]
vermittelt zugleich automatisch den Hauptschulabschluss." (Schierholz, S.258)
Somit bietet die veränderte Umgebung und die andere Lernstruktur eine Möglichkeit, die
Schüler und Schülerinnen zu motivieren, gerade weil dieser Unterricht anders und, streng
genommen, losgelöst vom sonstigen Schulalltag wäre. Es bleibt die Frage nach der Dauer
und der Häufigkeit des Trainings; hierbei sind folgende Szenarien denkbar:
Szenario 1: Kurzfristige Veranstaltungen in Rahmen von Projektwochen. Hier könnten die
angebotenen Seminare im Zeitraum von einer Woche besucht werden. Der Vorteil für die
Fachpraxisanleiter (Trainer) wäre der längere, zusammenhängende Zeitraum, bei dem an
direkt hintereinander folgenden Tagen verschiedene produktive Prozesse sehr gut

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783863418519
ISBN (Paperback)
9783863413514
Dateigröße
267 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
2
Schlagworte
Projektarbeit Schulabschluss Lehrstelle Azubi Auszubildender Ausbildungsvertrag
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