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Deutsche Kraftstoffpreise: Abzocke oder angemessene Preisanpassung?

©2012 Bachelorarbeit 44 Seiten

Zusammenfassung

Die Preisentwicklung der Kraftstoffsorten an deutschen Straßen- und Bundesautobahntankstellen sowie die häufigen Preisschwankungen innerhalb eines Tages sind Zentrum einer breiten öffentlichen Diskussion.
Beschwerden aus der Bevölkerung über zu hohe Benzinpreise und Meldungen freier Tankstellenbetreiber über mögliches kollusives Verhalten großer deutscher Mineralölkonzerne veranlasste das Bundeskartellamt zu einer großangelegten Sektoruntersuchung vom 1.1.2007 bis 30.6.2010.Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind Grundlage und Ausgangspunkt der Analyse des vorliegenden Buches.
In dieser Studie werden die kollusiven Interaktionen der Kraftstoffoligopolisten (BP/Aral, Shell, Esso, Jet und Total) bezüglich ihrer Marktmacht, ihres Preissetzungsverhaltens und den daraus resultierenden Konsequenzen für Kraftstoffkunden analysiert. Dabei wird auch die Frage beantwortet, an welchen Wochentagen und zu welchen Uhrzeiten in Deutschland im Durchschnitt das Tanken am günstigsten ist.
Abschließend werden kartellrechtliche Eingriffsmöglichkeiten zur Entflechtung und Vorschläge zur Verbesserung des Wettbewerbs dargestellt und erläutert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Marktstufen im Mineralölhandel
Abbildung 2: Häufigkeitsverteilung der Anzahl der angegebenen Wettbewerbstankstellen
Abbildung 3: Beispiel einer Preiserhöhungsrunde durch den Initiator Aral
Abbildung 4: Zyklische Preisentwicklung im Ursprungsmodell von Maskin/ Tirole
Abbildung 5: Preis-Reaktionsdiagramm bei kollusivem Verhalten
Abbildung 6: Preis-Mengendiagramm bei imperfekter Kollusion der Oligopolisten

1. Oligopolistische Struktur auf dem deutschen Tankstellenmarkt
Die Preisentwicklung der Kraftstoffsorten an deutschen Straßen- und Bundes-
autobahntankstellen, sowie die häufigen Preisschwankungen innerhalb eines Tages sind
Zentrum einer breiten öffentlichen Diskussion.
1
Im Fokus dieser Diskussion hat das
Bundeskartellamt den Wettbewerb auf dem deutschen Tankstellenmarkt für Otto- und
Dieselkraftstoffe, getrennt in einer Sektoruntersuchung vom 1.1.2007 - 30.6.2010
analysiert.
2
Ursache dieser Untersuchung waren wettbewerbliche Probleme, Beschwerden aus der
Bevölkerung über zu hohe Benzinpreise und Meldungen freier Tankstellenbetreiber über
mögliches kollusives Verhalten großer deutscher Mineralölkonzerne.
3
Ziel war es
Marktstrukturen des Kraftstoffmarktes und deren Funktionsweise zu analysieren um
vertiefte Erkenntnisse über Machtverhältnisse und erzielte Preise zu generieren.
4
Wichtigstes Ergebnis der Sektoruntersuchung Kraftstoffe ist der Befund, das BP (Aral),
ConocoPhillips (Jet), ExxonMobile (Esso), Shell und Total ein kollektiv
marktbeherrschendes Oligopol (gem. §19 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 GWB
5
) auf dem
deutschen Tankstellenmarkt darstellen.
6
Ihr Marktanteil beläuft sich nach aktuellen Schätzungen des Hamburger Energiedienstes
EID auf 70, 5 %.
7
Aufbauend auf diesem Ergebnis sollen im folgendem der deutsche Kraftstoffmarkt räumlich
abgegrenzt werden, die kollusiven Interaktionen der Oligopolisten bezüglich ihrer
Marktmacht, ihres Preissetzungsverhaltens und den daraus resultierenden Konsequenzen
analysiert werden. Abschließend werden Kartellrechtliche Eingriffsmöglichkeiten zur
Entflechtung und zur Verbesserung des Wettbewerbs erläutert und dargestellt.
1
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Hintergrundpapier, Arbeitskreis Kartellrecht (2011, 4).
2
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe (2011, 75).
3
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe (2011, 12).
4
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe (2011, 12).
5
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114, 2009 I S.
3850), zuletzt geändert durch Art. 13 Abs. 21 des Gesetzes v. 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102).
6
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe (2011, 19).
7
Vgl. im Internet: Statista 2011, Marktanteil der Unternehmen auf dem Tankstellenmarkt in Deutschland
(Stand 1. Juli 2009).
1

2. Qualitative Analyse: Oligopol aus kartellrechtlicher Sicht
Kennzeichnend für die kollektive marktbeherrschende Stellung dieser fünf Unternehmen ist
ihre überragende Stellung gegenüber ihren Mitbewerbern und mangelnder Wettbewerb
zwischen diesen Unternehmen.
Ihr jährlicher Kraftstoffabsatz in Deutschland liegt bei rund 65% der insgesamt in
Deutschland abgesetzten Kraftstoffmenge.
8
Marktbeherrschung liegt per Gesetz vor, wenn
fünf oder weniger Unternehmen über einen Marktanteil von mehr als zwei Drittel besitzen.
9
Kennzeichnend für das vorliegende fünfer Oligopol ist ihre vertikale Integration entlang der
Wertschöpfungskette, der alleinige Zugang zu Raffineriekapazitäten, Lagerstätten und
einem bundesweiten strukturiertem Tankstellennetz. Die Mitbewerber der Oligopolisten sind
bis auf einzelne Mineralölunternehmen lokal-regional agierende Tankstellenbetreiber, die
nicht die wirtschaftliche Position besitzen, den Oligopolisten konkurrierend
gegenüberzutreten.
10
Oligopolistische Marktbeherrschung ist in homogenen Produkt-
märkten, wie vorliegend im Kraftstoffmarkt, eine volkswirtschaftliche Erscheinung bei der
sich marktführende Unternehmen parallel verhalte
n (,,koordinieren"), um einen höheren
Gewinn als in rein wettbewerblichem Verhalten zu erzielen.
11
Hierbei ist jedoch rechtlich der Begriff Oligopol von Kartell abzugrenzen. Ein Oligopol
erfüllt nicht den Tatbestand der wettbewerbswidrigen Preisabsprachen gem. §1 GWB, Art.
101 AEUV
12
. Zentraler Aspekt eines Oligopols ist ein bewusst, gleichgerichtetes, implizites
(ohne explizite Preisabsprachen) koordiniertes Parallelverhalten der marktführenden
Unternehmen. Ergebnis dieser oligopolistischen Marktbeherrschung sind überhöhte am
Markt realisierte Preise, überdurchschnittliche Gewinne der Oligopolisten und daraus
resultierende allokative Ineffizienzen.
13
8
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 25).
9
Vgl. §19 Abs. 2. Satz 2. GWB.
10
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 23).
11
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 49).
12
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung des Amsterdamer Vertrags v.
02.10.1997 (BGBl. 1998 II 386, 465, ber. 1999 II 416), zuletzt geändert durch den Vertrag von Lissabon v.
13.12.2007 (Konsolidierte Fassung ABl. 2010 C 83, S. 47).
13
Vgl. Kantzenbach/ Kruse (1989, 8).
2

2.1 Kennzeichen oligopolistischer Marktstrukturen
2.1.1 Marktmacht deutscher Kraftstoffanbieter
Bei BP (Aral), ConocoPhillips (Jet), ExxonMobile (Esso), Shell und Total handelt es sich
über alle Stufen und Prozesse der Wertschöpfungskette vertikal integrierte und verflechtete
Mineralölkonzerne.
14
Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2011 ist laut Veröffentlichung des Hamburger
Energiedienstes EID mit einem Marktanteil von 23,5 % und 2397 Tankstellen Aral (BP) vor
Shell mit 22 % und 2090 Tankstellen klar Marktführer. ConocoPhillips (Jet) ist mit 10 %
Marktanteil (743 Tankstellen) drittgrößter Kraftstoffanbieter vor Total und Esso mit je
einem Marktanteil von 7,5 % und 963 bzw. 1089 Tankstellen. Der Anteil der Marktgruppe
BFT, Bundesverband freier Tankstellen, beläuft sich mit 1793 angemeldeten Straßen-
tankstellen auf rund 9 %.
15
Es existieren noch weitere freie Tankstellen, die aber nicht in Verbänden oder Konzernen
organisiert sind. Diese Anzahl ist marktmachtpolitisch vernachlässigbar. Diese ver-
öffentlichten Werte über Marktanteile der großen Mineralölkonzerne stützen deutlich den
Oligopol Befund des Bundeskartellamtes.
Im Zentrum der Betrachtung der Marktmacht sind zwei wesentliche Ebenen hervorzuheben.
Ihre Interaktionen auf der Ebene des Produktionsprozesses (Raffinierung und Aufbereitung
von Kraftstoffen), und der bundesweiten Distributionsebene im Einzel- und Großhandel sind
klare Marktmacht stärkende Faktoren.
16
Durch den direkten Zugang zu Raffinerie- und Lagerkapazitäten und ihrem bundesweit
flächendeckendem Tankstellenvertriebsnetzes haben die Oligopolisten einen wettbewerblich
relevanten Vorteil gegenüber kleinen, freien Mineralölunternehmen. Diese sind zusätzlich
über fehlenden direkten Zugang zu Raffineriekapazitäten über Lieferverträge direkt von den
Preisentscheidungen der Oligopolisten abhängig. Es liegt nahe, dass freie Tankstellen-
betreiber nicht in der Lage sein werden, diese Form der Marktmacht und den
14
Vgl. im Internet: Brennstoffspiegel, 14729 deutsche Tankstellen- Markt stabil (2011, 1).
15
Vgl. im Internet: Brennstoffspiegel, 14729 deutsche Tankstellen- Markt stabil (2011, 1).
16
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 39).
3

Entscheidungsspielraum der Oligopolisten einzudämmen.
17
Die Marktmacht der
Oligopolisten lässt sich anhand geeigneter Konzentrationsmaße bestimmen. Für den
Wettbewerb im Kraftstoffsektor sind der Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI)
18
und die
Konzentrationsrate CR
5
am
besten geeignet. Um die Marktmacht bzw. die
Marktkonzentration im Kraftstoffmarkt zu überprüfen wird beim HHI eine Funktion der
einzelnen Marktteile der Unternehmen verwendet.
19
Der Herfindahl-Hirschmann-Index errechnet sich über die Summe aller quadrierten
Marktanteile a
i.
, wobe
i 0 H 1
In Abhängigkeit der Struktur des Angebots, ergeben sich folgende Standardwerte:
20
Monopol ( H = 1), Marktkonzentration 100 %, Duopol (H = 0,5) und für das Triopol ein
Herfindahl-Hirschmann Index von H= HHI = 1/3. Im Fall der Kraftstoffoligopolisten
errechnet sich ein HHI von 0,235
2
+ 0,225
2
+ 0,1
2
+ 0,075
2
+ 0,075
2
= 0,1271. Da in
konzentrierten Märkten der HHI sehr kleine Werte annehmen kann wird er von der
Monopolkommission des Bundeskartellamtes mit 10.000 multipliziert (1.271 für den
vorliegenden Fall). Der höchste zu erreichende Wert ist von einem Monopol das den
gesamten Marktanteil besitzt bei 10.000 erreicht. Bei einem HHI-Wert über 1.000
( 1.800)
gilt ein Markt als mäßig konzentriert.
Zur Bestimmung des am Absatz gemessenen Marktanteils, liegt für die fünf größten
Unternehmen im Kraftstoffmarkt die Concentration Ratio, also die Summe der Marktanteile
der größten Unternehmen, bei CR
5
= 23,5 % + 22,5 % + 10 % + 2*7,5 % = 71%. Aufgrund
der niedrigen Anforderungen an das Datenmaterial ist die Concentration Ratio zur
Bestimmung der Marktkonzentration im deutschen Kraftstoffmarkt sehr gut geeignet. Ein
Vorteil des HHI ist die Gewichtung der Marktanteile durch ihre Quadrierung.
Dies bedeutet, dass größere Unternehmen, wie z.B. Aral oder Shell einen größeren Einfluss
auf die Höhe des HHI, als kleinere Unternehmen besitzen.
17
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Zwischenbericht zur Sektoruntersuchung (2009, 3).
18
Vgl. Knieps (2008, 51).
19
Vgl. Knieps (2008, 51).
20
Vgl. Knieps (2008, 51).
4

2.1.2 Asymmetrische Markttransparenz
Für die Realisierung einer impliziten Kollusion durch die Oligopolisten ist es erforderlich
Überblick über den Wettbewerbsparameter Kraftstoffpreis zu besitzen. Nur durch die
Preisbeobachtung können sie ohne Absprachen das Verhalten ihrer Mitbewerber
beobachten, bewerten und abweichendes Verhalten durch Sanktionsmechanismen
bestrafen.
21
Der Kraftstoffmarkt ist durch seine flächendeckende Struktur hoch transparent.
Das bedeutet gem. § 8 PAngV
22
sind Kraftstoffpreise an Tankstellen so auszuweisen, dass
sie für Kunden klar lesbar und einsehbar sind. Dies geschieht in der Praxis durch
Monolithen, an denen die aktuell geltenden Preise der Kraftstoffsorten notiert sind.
23
Diese Form der Markttransparenz ist jedoch stark asymmetrisch geprägt, denn durch die
Preisauszeichnung erhalten die Kunden lediglich Auskunft über die geforderten Preise einer
Tankstelle. Sie erhalten keine Informationen über geltende Preise anderer Tankstellen.
Jedoch ist für die flächendeckend agierenden Oligopolisten das Preissetzungsverhalten ihrer
Konkurrenten und ihrer eigenen Preise sehr gut beobachtbar.
Dies erfolgt über ein Datenverarbeitungssystem in das Tankstellenmitarbeiter Informationen
zu aktuellen Preisen und Preisänderungen ihrer Mitbewerber mehrmals täglich erfassen und
zentral abspeichern.
24
Dies ermöglicht einen hohen Grad der Informationssymmetrie der Markttransparenz, die
eine mögliche verdeckte Kommunikation der Oligopolisten untereinander erleichtert und es
den Wettbewerbern ermöglicht zu erkennen, ob und inwieweit ein Anbieter sich selbst auf
ein bestimmtes zukünftiges Verhalten festlegt.
25
21
Vgl. Hahn (2003, 232).
22
Preisangabenverordnung in der Fassung der Bek. v. 18.10.2002 (BGBl. I 4197), zuletzt geändert durch Art. 4
des Gesetzes v. 24.07.2010 (BGBl. I 977).
23
Vgl. im Internet: Bundeskartellamt, Zwischenbericht zur Sektoruntersuchung (2009, 51).
24
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 51).
25
Vgl. Reiber (2009, 114).
5

2.1.3 Marktzutrittsschranken
Ein weiteres Merkmal der oligopolistischen Marktstruktur im deutschen Tankstellenmarkt
sind enorme Markteintrittsbarrieren, die für neue Marktteilnehmer mit hohen Fixkosten
verbunden sind. Diese Marktzutrittsbarrieren sind in der Industrieökonomik und der
Regulierungstheorie in zwei zentralen Konzepten zusammengefasst. Das Marktzutritts-
schrankenkonzept nach Bain und das regulierungstheoretische Konzept nach Stigler.
26
Diese Konzepte untersuchen grundlegend den Vorteil aktueller Marktteilnehmer gegenüber
potentiellen Neueintretern. In dem Konzept nach Bain wird auf Basis eines aktuellen
langfristigen Kostenkonzeptes untersucht ob Preise langfristig oberhalb der Durchschnitts-
kosten am Markt realisiert werden können ohne das Markzutritt rentabel ist. Bain
unterscheidet in seinem Konzept drei zentrale Ursachen von Marktzutrittsschranken.
27
Absolute Kostenvorteile, Betriebsgrößenvorteile (economies of scale
28
) und Produkt-
differenzierungsmöglichkeiten der bereits im Markt agierenden Wettbewerber.
29
Absolute Kostenvorteile als Markteintrittsbarrieren sind im Kraftstoffsektor der direkte
Zugang der Oligopolisten zu Raffinerie- und Lagerkapazitäten und die Möglichkeit in
folgenden Lieferverträgen zu Marktnewcomern ihre Kraftstoffpreise durchzusetzen. Ein
weiterer absoluter Kostenvorteil für die im Markt etablierten Oligopolisten ist, dass ein
Newcomer finanziell sehr stark sein muss, um Lieferverträge und Raffineriebeteiligungen an
Raffineriekapazitäten zu erwerben.
Größenvorteile in der Produktionskapazität über nachgefragte Kraftstoffmengen lassen sich
für Marktneulinge schwer umsetzen. Produktweiterentwicklungen und Innovationen als
Produktdifferenzierung lassen sich im starren, sehr homogenen, innovationsarmen
Kraftstoffmarkt nur durch sehr hohe Ausgaben für Entwicklungskosten realisieren.
Ein weiteres Problem in der Realisierung von Größenvorteilen liegt in dem Aufbau eines
eigenen Tankstellennetzes, das eine ökonomische Gewinnerwirtschaftung erst ermöglicht.
Dies ist durch das flächendeckende, gut strukturierte Tankstellennetz der Oligopolisten in
der gesamten Bundesrepublik fast ausgeschlossen.
26
Vgl. Knieps (2008, 15).
27
Vgl. Knieps (2008, 15).
28
Vgl. Scherer/ Ross (1990, 72).
29
Vgl. Schmidt (2007, 70).
6

Im Marktzutrittsschranken-Konzept nach Stigler ist der Marktzutritt für Marktneulinge
durch eine höhere Risikoprämie für Neueintreter gekennzeichnet.
30
Charakteristisch hierfür sind Kapitalbarrieren verbunden mit einer verwehrten effizienten
Ressourcenallokation durch die Kontrolle der Oligopolisten über begrenzt verfügbare
Inputfaktoren.
31
Dies ist im konkreten Fall die gemeinsame Nutzung der Raffineriekapazitäten, der Pipelines
und der gleichen Tanklager.
Wesentlicher Unterschied der beiden Konzepte ist, das Stigler Größenvorteile als Ursache
einer Markteintrittsbarriere ablehnt, wenn Marktneulinge Zugang zu gleichen Technologie-
und Kostenfunktionen haben.
32
2.1.4 Produkthomogenität im Kraftstoffmarkt
Bei Otto- und Dieselkraftstoffen im deutschen Kraftstoffmarkt handelt es sich um sehr
homogene Produkte. Dies ist in den Europäischen Normen EN 228 für Ottokraftstoffe mit
95 Oktan (Superbenzin) und EN 590 für Dieselkraftstoffe geregelt.
33
Diese Grundkraftstoffe
der verschiedenen Anbieter sind aus Perspektive der Nachfrager in den Eigenschaften
absolut identisch und sehr gut substituierbar. Ersichtlich ist dies an der hohen Preiselastizität
der Nachfrage und einem durchdachten Kundenbindungsprogramm der Kraftstoffanbieter.
34
Diese Produkthomogenität legt nahe, dass der entscheidende Parameter bei einer
Kaufentscheidung lediglich der Kraftstoffpreis ist. Andere Parameter der Produkt-
differenzierung fallen nicht ins Gewicht, da Innovationen im Kraftstoffsegment lediglich zu
Marketingzwecken eingesetzt werden und deren Absatz verhältnismäßig gering ist. Ziel der
oligopolistischen Marktbeherrschung von Aral, Jet, Esso, Shell und Total ist es, die
Überschneidung potentieller Nachfrager Gruppen so gering wie möglich auszugestalten, um
einer direkten Vergleichbarkeit im Wettbewerb auszuweichen.
35
30
Vgl. Knieps (2008, 18).
31
Vgl. Knieps (2008, 18).
32
Vgl. Knieps (2008, 18).
33
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 53).
34
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 53).
35
Vgl. Hahn (2003, 244).
7

Die Oligopolisten werden bei diesen homogenen Produkten versuchen sich starken
Reaktionsgeschwindigkeiten zu entziehen, um vermeintlich heterogene Produkte
anzubieten.
36
Dies geschieht durch Werbemaßnahmen für die Premiumprodukte von Aral (Ultimate 100)
und Shell (V-Power Racing 100).
37
2.1.5 Produkt- und markenspezifische Preiselastizität der Nachfrage
In der Mikroökonomie ist die Preiselastizität der Nachfrage definiert als, Verhältnis von
relativer Mengenänderung bei relativer Preisänderung.
38
Die direkte Preiselastizität der
Nachfrage ist die Änderung der Reaktion der Nachfrage bei relativen Preisänderungen. Im
Kraftstoffmarkt unterscheidet man die produktspezifische Elastizität der Nachfrage von der
markenspezifischen (unternehmensindividuellen) Preiselastizität. Die unternehmens-
individuelle Preiselastizität der Nachfrage drückt die Konkurrenzsituation der Anbieter
untereinander aus.
39
Die Formel der Preiselastizität der Nachfrage
lautet allgemein:
=
X / X
/
P/ P.
X und P bezeichnen hier die absoluten Änderungen der Menge und des Preises der
Kraftstoffe die ins Verhältnis zum Ausgangswert der Menge und der Preise gesetzt
werden.
40
Die produktspezifische Elastizität der Nachfrage nach Kraftstoffen im Sinne der
Energiepreiselastizität nach Erdmann/ Zweifel (2008) werden mengenmäßige Reaktionen
der Nachfrager auf Preisänderungen als sehr niedrig angesehen.
41
Bei einer marginalen
Änderung des Preises kommt es über die Jahresabsatzmengen an Kraftstoffen zu keinen
relevanten Rückgängen der Kraftstoffmenge. Ein Ausweichen auf alternative
Antriebsquellen, um Preissteigerungen und Preisinstabilität im Kraftstoffmarkt zu
verhindern wird nicht, oder nur durch vereinzelte Nachfrager in geringen Mengen vollzogen.
36
Vgl. Hahn (2003, 244).
37
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 53).
38
Vgl. Wildmann (2010, 135).
39
Vgl. Reiber (2009, 99).
40
Vgl. Wildmann (2010, 136).
41
Vgl. Erdmann/ Zweifel (2008, 103).
8

Man spricht von einem Verkäufermarkt, denn
,,bei einem (relativen) Energiepreisanstieg
reduziert sich die Energienachfrage proportional weniger stark als der Preisaufschlag, die
Umsatzerlöse der Energieanbieter steigen, womit deren Marktposition relativ stark ist.
"
42
Im
Gegensatz hierzu ist die markenspezifische Preiselastizität sehr hoch. Dies bedeutet, dass
spezifische Unterschiede in der Preissetzung zweier benachbarter, für Kunden direkt,
vergleichbaren Tankstellen die relativ gesehen teurere Tankstelle enorme Umsatzeinbußen
zu verzeichnen hat.
43
2
.1.6 Verflechtungen der Oligopolisten
Durch dependente Aktionen der fünf großen Tankstellenbetreiber in ihren Geschäfts-
bereichen des
Erzeugungs-, Transport-, und
Vertriebsmarktes können
sie gezielt
Informationen über Strategien und Ziele der Preissetzung, sowie gemeinsame
Entscheidungen zu Finanzierungen von Erzeugungs- und Pipelinekapazitäten treffen und
koordinieren. Durch ihre Verflechtungen der Eigentumsanteile an den Rohölpipelines der
Deutschen Transalpine Oelleitung GmbH (TAL), der Nord-West-Oelleitung GmbH (NWO)
und der Norddeutschen Oelleitunsgesellschaft mbH (NDO) sind alle Oligopolisten eng
miteinander in Vertragsbeziehungen verflochten.
44
Der Oligopolist bezieht durch Preis- bzw.
Absatzänderungen stets die Reaktionen seiner Mitbewerber/ Konkurrenten in seine Aktionen
mit ein und ruft dadurch interdependente Verflechtungen hervor.
45
Die deutschen Kraftstoffoligopolisten vereinen ebenfalls den Großteil aller Eigentumsanteile
der größten deutschen Raffinerien in Karlsruhe (MiRO Mineralölraffinerie Oberrhein
GmbH), Vohburg/ Neustadt (Bayernoil Raffineriegesellschaft mbH), Schwedt (PCK
Raffinerie GmbH) und in Gelsenkirchen mit der Ruhr Öl GmbH.
46
Als Konsequenz dieser
verflechteten Geschäftsstrukturen lässt sich ihre Interdependenz in Kontraktbeziehungen
und Lieferverträgen leicht zeigen. Marktermittlungen ergaben, dass rund 25 % der in
Deutschland abgesetzten Kraftstoffmenge durch Tauschverträge auf der Erzeuger- und
42
Erdmann/ Zweifel (2008, 103).
43
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 54).
44
Vgl. im Internet:
Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 54).
45
Vgl. Reiber (2009, 8).
46
Vgl. im Internet
: Bundeskartellamt, Bericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht (2011, 56).
9

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2012
ISBN (PDF)
9783863418809
ISBN (Paperback)
9783863413804
Dateigröße
306 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2,3
Schlagworte
oligopolistisch Kraftstoffanbieter Marktmacht Preissetzung Markttransparenz Preiswettbewerb BP

Autor

Der Autor des vorliegenden Buches Franz Brandlhuber, B.Sc., wurde 1988 in der Kreisstadt Aichach geboren. Nach dem Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife in Dachau 2007 am mathematisch-naturwissenschaftlichem Josef-Effner-Gymnasium studierte er an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg Informationsorientierte Betriebswirtschaftslehre. Im Februar 2012 schloss er das Studium dort erfolgreich mit dem akademischen Grad Bachelor of Science ab. Fasziniert durch wirtschaftspolitische Zusammenhänge in einer modernen Volkswirtschaft war der Autor motiviert, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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