Lade Inhalt...

Atypische Beschäftigung: Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigung und Leiharbeit in Deutschland und Großbritannien

©2012 Bachelorarbeit 43 Seiten

Zusammenfassung

Atypische Beschäftigungsformen haben in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Der Anteil der Arbeitnehmer, die einer vom klassischen Normalarbeitsverhältnis abweichenden Tätigkeit nachgehen, nimmt stetig zu. Diese Trends sind europaweit zu beobachten. Dennoch sind vergleichende sozialwissenschaftliche Arbeiten, die theoretische Ansätze mit empirischen Daten vereinen, noch wenig verbreitet. Diese Lücke wird durch dieses Fachbuch geschlossen.
Es wird die Frage geklärt, ob es im Bereich der atypischen Beschäftigung zu einer Annäherung in liberalen und koordinierten Marktwirtschaften kommt. Dazu werden auf der einen Seite die Arbeitsmarktpolitiken von Deutschland und Großbritannien und auf der anderen Seite die quantitative Entwicklung von Teilzeitbeschäftigung, befristeter Beschäftigung und Leiharbeit in beiden Ländern untersucht.
Nach einer kurzen Vorstellung des Themas und des aktuellen Forschungsstandes erfolgt eine Einführung in die theoretischen Ansätze der Konvergenz und Divergenz politischer Ökonomien. Nach der Erläuterung des 'Varieties of Capitalism' Ansatzes und der Verortung Deutschlands und Großbritanniens wendet sich der Autor der Definition atypischer Beschäftigung und den hieraus entstehenden Problemen zu. Im ersten empirischen Teil wird die Entwicklung der Beschäftigunspolitiken im deutsch-britischen Vergleich diskutiert. Im zweiten empirischen Teil werden schließlich empirische Indikatoren dargestellt, welche die Konvergenz der meisten Beschäftigungsformen und auch der Arbeitsmarktpolitiken innerhalb des untersuchten Zeitraums zeigen. Abschließend fasst der Autor die Ergebnisse zusammen und diskutiert sie vor dem Hintergrund aktueller Forschung.
Dem Autor gelingt es, die theoretischen Ansätze von Konvergenz und Divergenz mit empirischen Daten aus beiden Marktwirtschaftsformen zu verbinden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tabellenverzeichnis
3.1
Zentrale Ergebnisse des Varieties of Capitalism-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
A.1 Kategorisierung der deutschen Arbeitsmarktreformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
A.2 Kategorisierung der britischen Arbeitsmarktreformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
A.3 Besch¨aftigungsdaten des deutschen und britischen Arbeitsmarkts . . . . . . . . . . . . . . . .
33
II

1 Einleitung
Atypische Besch¨aftigungsverh¨altnisse gewinnen in den westlichen Marktwirtschaften seit den 1970er
Jahren an Bedeutung (Kim & Kurz 2003: 167; Bosch 2004: Seifert 2011: 47). Unter dem Begriff
der atypischen Besch¨aftigungsverh¨altnisse findet man befristete, geringf¨ugige und Teilzeit-Besch¨afti-
gungsverh¨altnisse sowie Leiharbeit und Ein-Personen-Selbstst¨andigkeit. In der wissenschaftlichen
Literatur geht die Ausweitung atypischer Besch¨aftigungsverh¨altnisse mit einer Konvergenz der Ar-
beitsmarktpolitik einher (Funk 2007: 128; Kim & Kurz 2003: 169ff). Ursachen f¨ur die Ausweitung
atypischer Besch¨aftigung sind vielf¨altig und liegen zum einen in der Ver¨anderung des Bedarfs auf
Seiten der Unternehmen und der Arbeitnehmer (vgl. Neub¨aumer & Tretter 2008: 257f), zum anderen
in arbeitsmarktpolitischen Deregulierungsmaßnahmen und im sozio-¨okonomischen Strukturwandel
(vgl. Minssen 2012: 71).
Die vorliegende Arbeit untersucht, wie sich die atypische Besch¨aftigung in zwei unterschiedlichen
Typen der Marktwirtschaft in den vergangenen 20 Jahren entwickelte. Hierzu wird der Varieties of
Capitalism-Ansatz dieser Untersuchung zugrundegelegt. Es wird versucht aufzuzeigen, ob es zur
Konvergenz oder Divergenz hinsichtlich der inhaltlichen sowie quantitativen Dimension der atpyi-
schen Besch¨aftigung in liberalen Marktwirtschaften und koordinierten Marktwirtschaften kommt. F¨ur
die Analyse bieten sich Deutschland und Großbritannien an, da sie im Mittelpunkt des Varieties of
Capitalism-Ansatz stehen und damit große Unterschiede aber auch viele Gemeinsamkeiten besitzen.
International vergleichende Studien bez¨uglich atypischer Besch¨aftigung sind nicht weit verbreitet und
finden meistens am Rande von Arbeitsmarktanalysen Ber¨ucksichtigung. Die internationale Verbrei-
tung atypischer Besch¨aftigung wurde bereits von vielen Sozialwissenschaftlern untersucht (Bosch
2004; Leschke 2009; Seifert 2011; Schmid 2010). Auch die Konvergenztendenzen von Arbeitsmark-
treformen und Arbeitsmarkt zwischen Deutschland und Großbritannien wurden analysiert (Funk
2007; Turner & Green 2007; J¨akel 2010; Schweiger, 2010). Gerade in Bezug auf Konvergenzten-
denzen und den Varieties of Capitalism-Ansatz bildet die vorliegende Arbeit einen ersten Schritt in
eine neue Richtung und versucht einzelne Komponenten des Produktionssystems eing¨angig auf Kon-
vergenz bzw. Divergenz zu untersuchen. Diese Arbeit stellt eine intensive Analyse von Arbeitsmark-
treformen im Bereich der atypischen Besch¨aftigung und derern Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
1

1 Einleitung
dar.
Es wird untersucht, ob sich Deutschland und Großbritannien hinsichtlich der atypischen Besch¨aftig-
ungsformen ann¨ahern. Es besteht durchaus auch die M¨oglichkeit, dass sich die beiden L¨ander nicht
einander ann¨ahern, sondern ihre Position beibehalten, wie es der Varieties of Capitalism-Ansatz teil-
weise besagt. Dies soll ebenfalls analysiert werden.
Zus¨atzlich zu der vorgenannten Forschungsfrage wird am Rande darauf eingangen, ob die in fr¨uheren
Forschungsberichten (Funk 2007: 117; Schweiger 2010) vermutete deutsche Konvergenztendenz der
Arbeitsmarktpolitik in Richtung des britischen Systems mit dem Machtwechsel 1998 begonnen hat.
Zun¨achst wird im theoretischen Teil dieser Arbeit auf Konvergenz- sowie Divergenztheorien und
deren potentiellen Gr¨unden eingegangen. Hierbei findet auch der Dualismus-Ansatz Ber¨ucksichtigung.
Hiernach folgt die Darlegung der Operationalisierung. Im Anschluss werden die wesentlichen Kenn-
zeichen des Varieties of Capitalism-Ansatz skizziert und die Beschaffenheit der koordinierten und li-
beralen Marktwirtschaften erl¨autert. Zum besseren Verst¨andnis werden die Formen atypischer Besch¨af-
tigung definiert, die f¨ur die Analyse von Bedeutung sind. In der Folge werden die Arbeitsmarktrefor-
men der vergangenen 20 bis 30 Jahren untersucht und die quantitative Dimension anhand aktueller
Statistiken analysiert. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung und Diskussion, die die wich-
tigsten Ergebnisse festh¨alt.
2

2 Theoretischer Hintergrund
Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften, wie der Wirtschaftssoziologie, existieren drei unterschied-
liche Theorien bez¨uglich der Entwicklung nationaler Wirtschaftssysteme im internationalen Ver-
gleich. Vertreter der Konvergenztheorie sind der ¨
Uberzeugung, dass sich die nationalen Wirtschafts-
systeme aus unterschiedlichen Gr¨unden angleichen werden. Wissenschaftler, die die Divergenztheorie
verfolgen, sind davon ¨uberzeugt, dass sich die Wirtschaftssysteme aufgrund der nationalen Beson-
derheiten nicht aufeinander zu bewegen k¨onnen. Zwischen beiden Theorien hat sich im Zuge der
Forschung rund um den Varieties of Capitalism-Ansatz der Dualismus-Ansatz herausgebildet. Palier
& Thelen, als Vertreter des Dualismus-Ansatzes, analysieren die Entwicklungen in Deutschland und
Frankreich und kommen zum Schluss, dass es zu keiner gesamten Liberalisierung dieser koordinier-
ten Marktwirtschaften kommt (Palier & Thelen 2010: 139). Auf dem Arbeitsmarkt werden die Insider
gesch¨utzt, die Reformen und Flexibilisierung erfolgen am Rande und betreffen die Outsider, welche
eher in atypischen Besch¨aftigungsverh¨altnissen vorzufinden sind.
2.1 Konvergenz
Konvergenztheoretiker befassten sich bis in die zweite H¨alfte des 20. Jahrhundert nicht prim¨ar mit
dem Bereich der Wirtschaft. Marx, Weber und Durkheim etwa beschrieben Konvergenzerscheinun-
gen innerhalb der Gesellschaften bzw. zwischen Gesellschaften. Erst in der zweiten H¨alfte des 20.
Jahrhunderts wurden Konvergenzerscheinungen im Wirtschaftsbereich vermehrt untersucht.
Konvergenz im Bereich der Wirtschaft bzw. in der Wirtschaftspolitik tritt auf, sobald bestehende Un-
terschiede zwischen zwei oder mehreren Systemen geringer werden oder g¨anzlich verschwinden. In
der Nachkriegszeit bis in die 1970er-Jahre existierten zahlreiche Unterschiede im Bereich des Ar-
beitsmarkts und des Wohlfahrtsstaats zwischen den Marktwirtschaften (Funk 2007: 118). Danach
begann die Angleichung der unterschiedlichen Marktwirtschaftssysteme. Zu den Konvergenztheorien
geh¨ort u.a. die Race-to-the-bottom-Theorie, die in verschiedenen Bereichen eines Wirtschaftssystems
"
Abw¨artstrends" vorhersagt (Singh 2004: 5ff). Es handelt sich hierbei um einen Wettlauf um die
3

2 Theoretischer Hintergrund
niedrigsten Standards, sowohl im Arbeitsmarkt- und im Wohlfahrtsstaatsbereich als auch im Steu-
ersystem. Im Kontext der vorliegenden Arbeit wird auf den Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten
sowie den Anstieg von Flexibilit¨at auf dem Arbeitsmarkt Bezug genommen. Supiot (2011) macht f¨ur
den Abw¨artstrend neoliberale Reformbewegungen verantwortlich, die seit Ende der 1970er in immer
mehr Nationalstaaten umgesetzt werden.
Ausl¨oser f¨ur Konvergenz k¨onnen unterschiedlich sein. Turner und Green (2007: 7ff) bennen sieben
m¨ogliche Gr¨unde weshalb es in der inhaltlichen Dimension der Politik (
"
Policy") zu Konvergenz
kommen kann: (1) Politischer Druck vonseiten internationaler Institutionen durch Entzug finanzi-
eller Unterst¨utzung; (2) Verpflichtung durch internationale Gesetzgebung, wie z.B. durch den Eu-
rop¨aischen Gerichtshof; (3) steigender Wettbewerbsdruck / Deregulierungswettbewerb aufgrund Glo-
balisierung und steigender wirtschaftlichen Integration zwischen den Staaten; (4) l¨anderspezifische
Herausforderungen f¨uhren zur ¨
Ubernahme von Policies oder transnationaler Probleml¨osung; (5) Le-
gitimit¨atsdruck aufgrund schlechter wirtschaftlicher Entwicklung fordert Regierung zur ¨
Ubernahme
von Reformen; (6) die Globalsierung f¨uhrt durch die Zunahme des internationalen Geldverkehrs und
dem internationalen Handel zu Handlungsdruck bei nationalen Regierungen und Unternehmen; (7)
der Prozess der Europ¨aisierung beinhaltet die ¨
Ubernahme von Policies, Gesetzen und Strukturen.
2.2 Divergenz
Die Gegenposition zu den Konvergenztheorien vertreten Divergenztheorien. Vor allem der Varieties of
Capitalism-Ansatz (VoC-Ansatz) pr¨agt innerhalb dieser Theorie den wissenschaftlichen Diskurs im
Hinblick auf die Wirtschaftssoziologie. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht die Beharrlichkeit der
Unterschiede im System der nationalen politischen ¨
Okonomien. Gem¨aß dem VoC-Ansatz bestehen
die Unterschiede fort, da die verschiedenen Komponenten (Finanzierung, Industrielle Beziehungen,
Ausbildung, Unternehmensbeziehungen und Unternehmensf¨uhrung) des Systems einen komparativen
Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ver¨anderungen im Bereich einer Komponente f¨uhrt zu Abweichun-
gen im gesamten System und kann somit den komparativen Wettbewerbsvorteil sch¨adigen.
Anhand des Varieties of Capitalism-Ansatz wurden zwei Kapitalismusregime bzw. Produktionsre-
gime identifiziert, die in Kapitel 3 ausf¨uhrlich dargelegt werden.
Neben dem VoC-Ansatz exisitiert innerhalb der Divergenztheorien die Annahme, dass die Globali-
sierung unterschiedliche Auswirkungen in den Systemen ausl¨ost und es somit nicht zu Konvergenz
sondern zu manifestierender Divergenz kommt (Turner & Green 2007: 15). Liberale Marktwirtschaf-
ten sollen demnach mit mehr Deregulierung und Liberalisierung reagieren, koordinierte Marktwirt-
4

2 Theoretischer Hintergrund
schaften hingegen s¨ahen darin eine Gefahr (Hall & Soskice 2001: 56ff). Turner und Green (2007: 16)
bescheinigen, dass neben dem Weg der Vermarktlichung auch ein Weg des Korporatismus exisitert,
welcher eine ebenso plausible Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung sein kann.
Das Konzept der Pfadabh¨angigkeit z¨ahlt ebenfalls zu den Divergenztheorien. Gem¨aß diesem Konzept
wird die Entwicklung eines Systems durch die zuvor getroffenen Entscheidungen bedungen. Diese
Entscheidungen f¨uhren zu bestimmten Ergebnissen, die wiederum selbstverst¨arkend auf die Entschei-
dung wirken (ebd.: 17). Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ist die Reduzierung des K¨undigungs-
schutzes ein klassisches Beispiel f¨ur dieses Konzept: Eine negative Ver¨anderung des K¨undigungs-
schutzes w¨urde die Abwahl der Regierung zur Folge haben. Aufgrund des Machterhaltungswillens
wird demnach keine regierende Partei den K¨undigungsschutz f¨ur Arbeitnehmer existenziell ver¨andern.
2.3 Dualismus - Konvergenz und Divergenz
Neben den Konvergenz- und Divergenz-Theorien, hat sich in den vergangenen Jahren ein Ansatz des
Dualismus entwickelt (u.a. Streck, Hall, Thelen, Palier, Rueda). Die Vertreter dieses Ansatzes sind der
Ansicht, dass nicht alle Bereiche des Produktionsregimes einer Konvergenzbewegung unterliegen, die
zu einem einheitlichen System f¨uhren. Der Ansatz des Dualismus geht davon aus, dass im Hinblick
auf den Arbeitsmarkt eine Segmentierung stattfindet. Es entwickeln sich zwei Arbeitsm¨arkte. Auf
dem ersten Arbeitsmarkt ("core labour market
"
) befinden sich die Insider, diejenigen, die man dem
Normalarbeitsverh¨altnis zuordnen kann. Auf dem zweiten Arbeitsmarkt m¨ussen sich die Outsider be-
haupten. Das sind zumeist Menschen, die einer atypischen Besch¨aftigungsform nachgehen m¨ussen.
Palier und Thelen (2010) stellen in ihrer Arbeit fest, dass sich vor allem in Deutschland und Frank-
reich durch Einschnitte in der Arbeitsmarktpolitik ein solcher Dualismus institutionalisiert. Zwar wird
der Arbeitsmarkt als solcher nicht in seiner Gesamtheit dereguliert, jedoch w¨achst die Anzahl der
atypischen Besch¨aftigungsformen (Palier & Thelen, 2010: 119f). Konvergenztheorien w¨urden dage-
gen hinsichtlich des Arbeitsmarkts eine Reform der Flexibilisierung f¨ur alle Arbeitsmarktteilnehmer
vorhersagen. Palier und Thelen (2010: 126f) hingegen greifen die Entwicklungen in Deutschland
und Frankreich auf und zeigen, dass nicht alle Besch¨aftigte von den Arbeitsmarktreformen erfasst
werden, sodass die Insider des Arbeitsmarkts nach wie vor durch multiple Mechanismen gesch¨utzt
werden. Hall und Thelen (2009: 22) zeigen, dass es innerhalb der koordinierten Marktwirtschaften
einige Bereiche gibt, die dereguliert werden. Allerdings betrifft dies zumeist nur einzelne Aspekte
des gesamten Wirtschaftssystems.
1
1
Als Beispiel wird Frankreich genannt, das die Teilzeitbesch¨aftigung gef¨ordert hat, ohne den Mindestlohn zu k¨urzen oder
den K¨undigungsschutz zu verringern (Hall und Thelen 2009: 22).
5

2 Theoretischer Hintergrund
2.4 Operationalisierung
Bevor die inhaltliche und quantitative Dimension analysiert werden, muss festgehalten werden, an-
hand welcher Kriterien Konvergenz bzw. Divergenz im Bereich der atypischen Besch¨aftigung zwi-
schen Deutschland und Großbritannien gemessen werden soll.
In der vorliegenden Arbeit werden zwei unterschiedliche Dimensionen nach Konvergenz bzw. Di-
vergenz durchleuchtet. Auf der einen Seite wird in Kapitel 5 die inhaltliche Dimension der Arbeits-
marktreformen auf Konvergenz- bzw. Divergenzbewegung untersucht. Hierbei gilt festzuhalten, ob
eine Reform des Arbeitsmarkts zu mehr Regulierung oder Deregulierung f¨uhrt. In dieser Hinsicht
exisitieren f¨unf unterschiedliche M¨oglichkeiten, nach denen die untersuchten Arbeitsmarktreformen
zu gruppieren sind: (1) starke Deregulierung; (2) schwache Deregulierung; (3) weder Deregulierung
noch Regulierung; (4) schwache Regulierung; (5) starke Regulierung.
Konvergenz in der inhaltlichen Dimension liegt vor, wenn eines der L¨ander sich auf das andere zu
bewegt oder beide L¨ander sich einander ann¨ahern. Divergenz tritt auf, wenn sich die L¨ander nicht auf-
einander zu bewegen oder sich voneinander entfernen. Abbildung 2.1 verdeutlicht die f¨unf m¨oglichen
Szenarien. Konvergenz bedeutet jedoch nicht automatisch eine Ver¨anderung hin zu einem zuvor exis-
tierenden Typ, wie der liberalen Marktschaft. Es kann auch zu einer Konvergenz zu einem zuvor
unbekannten System geben.
Deutschland
(1)
''
(2)
(3);(4);(5)
Großbritannien
(5)
ww
(4)
~~
(1);(2);(3);
Divergenz
leichte Konvergenz
Konvergenz
leichte Konvergenz
Divergenz
Abbildung 2.1: Modell f¨ur Divergenz und Konvergenz der Arbeitsmarktreformen. Eigene Darstellung
Anmerkungen: (1) starke Deregulierung; (2) schwache Deregulierung; (3) weder De-
regulierung noch Regulierung; (4) schwache Regulierung; (5) starke Regulierung
Nachdem die Arbeitsmarktreformen auf Konvergenz bzw. Divergenz untersucht wurden wird in
Kapitel 6 die quantitative Dimension der atypischen Besch¨aftigung analysiert. Hierzu wird die Ent-
wicklung der atypischen Besch¨aftigungsformen auf dem britischen und deutschen Arbeitsmarkt der
vergangenen zwanzig Jahre veranschaulicht.
Zudem wird der OECD-Indikator
"
Strictness of employment protection - temporary employment"
der Jahre 1992 bis 2008 pr¨asentiert, der als ¨
Uberpr¨ufung der in Kapitel 5 gefundenen Ergebnisse
6

2 Theoretischer Hintergrund
wahrgenommen werden soll.
2.5 Hypothesen
Gem¨aß den eingangs erw¨ahnten Entwicklungen im Bereich der atypischen Besch¨aftigung und den
theoretischen ¨
Uberlegungen lassen sich zwei Hypothesen f¨ur diese Arbeit formulieren:
1. Die inhaltliche Dimension unterliegt einer Konvergenz.
Die Arbeitsmarktreformen unterliegen allesamt einer Deregulierung und n¨ahern sich somit dem
Typ der liberalen Marktwirtschaft an.
2. Die quantitative Dimension unterliegt ebenfalls einer Konvergenz.
7

3 Produktionssysteme nach dem Varieties of
Capitalism-Ansatz
F¨ur einen Vergleich im Bereich der atypischen Besch¨aftigung zwischen Deutschland und Großbritan-
nien spricht vor allem die unterschiedliche Gestaltung beider Wirtschaftssysteme. In diesem Kapitel
werden der Varieties-of-Capitalism-Ansatz (VoC-Ansatz) und die Befunde f¨ur beide L¨ander vorge-
stellt.
Bevor auf die Klassifizierung des britischen und deutschen Wirtschaftssystems eingegangen wird,
muss trotz der Unterschiede auf die Gemeinsamkeiten beider L¨ander eingegangen werden. Turner
und Green (2007: 1f) z¨ahlen die nachfolgenden Punkte zu den wichtigsten Gemeinsamkeiten im Hin-
blick auf Konvergenz im Bereich der Arbeitsmarktpolitik:
· geografisch ungleiche Verteilung der wirtschaftlichen Aktivit¨at;
· Schwierigkeiten des ¨offentlichen Haushalts seit den 1990er-Jahre;
· beide sind Handelsnationen
2
(Globalisierung und steigendem Kapitalfluss ausgesetzt)
· nachteilige demographische Entwicklungen f¨ur Arbeitsmarkt und Wohlfahrtsstaat
· beide sind seit den 1970er Einwanderungsl¨ander (v.a. Arbeitsmigration)
· Mitgliedsl¨ander der EU
3
und der OECD
· politischer Machtwechsel Ende der 1990er
Im Folgenden wird der VoC-Ansatz erl¨autert. Dieser untersucht institutionelle Differenzen und
versucht herauszuarbeiten, welche Unterschiede in den politische ¨
Okonomien f¨ur die ¨okonomische
Leistungsf¨ahigkeit verantwortlich sind (Hall 2006: 183).
Hall (2006: 182) stellt klar heraus, dass es bei der Arbeit zum VoC-Ansatz im Grunde um die
2
In den 1980er- und 1990er-Jahren lag sowohl Deutschland als auch Großbritannien unter den ersten f¨unf Exportl¨ander.
2010 lag Deutschland auf Platz 3 und Großbritannien auf Platz 10 (WTO, 2012). Ein großer Unterschied liegt in der
Handelsbilanz: Erwirtschaftete Deutschland 2011 Position 2 unter den ¨
Uberschussl¨andern (nach Saudi-Arabien), liegt
Großbritannien auf Platz 2 unter den Defizit-L¨andern (hinter den USA) (ebd.).
3
Die Mitgliedschaft in der Europ¨aischen Union f¨ordert die verhandelte und freiwillige Konvergenz (Turner & Green 2007:
1)
8

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863418960
ISBN (Paperback)
9783863413965
Dateigröße
279 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Mannheim
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
1
Schlagworte
Varieties of Capitalism Normalarbeitsverhältnis Flexibilisierung Konvergenz Arbeitsmarktreform Arbeitsmarkt

Autor

Mario Daum, geboren 1985 in Rastatt, erlangte nach seiner Ausbildung zum Versicherungskaufmann neben seiner Berufstätigkeit die allgemeine Hochschulreife auf dem Zweiten Bildungsweg. Dies ermöglichte ihm die Aufnahme des Studiums der Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Mannheim, welches er 2012 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts sehr erfolgreich abschloss. Derzeit absolviert er ein konsekutives Master-Studium der Soziologie. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die Bereiche Organisations- und Wirtschaftssoziologie, die Industriellen Beziehungen, Bildungssoziologie, Soziale Ungleichheit, Zeitsoziologie und die Soziologie des Wohlfahrtsstaates. Die im Studium, Privat- und Berufsleben gesammelten Eindrücke und Erkenntnisse motivierten ihn, sich der Thematik der vorliegenden Arbeit zu widmen.
Zurück

Titel: Atypische Beschäftigung: Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigung und Leiharbeit in Deutschland und Großbritannien
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
43 Seiten
Cookie-Einstellungen