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Krafttraining im Ausdauersport: Auswirkungen von Krafttraining auf die Leistungsfähigkeit im Radsport

©2011 Bachelorarbeit 52 Seiten

Zusammenfassung

Für diese Arbeit wurden Studienergebnisse aus den Bereichen des Ausdauer- und Krafttrainings zusammengetragen, interpretiert und auf das Spektrum des Radsports bezogen.
Gerade im Radsport sind die Leistungsreserven des Sportlers aufgrund des hohen Trainingniveaus gering, so dass neben der Kondition auch eine Steigerung des Kraftniveaus eine Leistungssteigerung bewirken könnte. Es wird die Frage geklärt, ob und inwieweit durch ein begleitendes Krafttraining die Ausdauerleistung unterstützt, die Leistung im Allgemeinen verbessert und das Muskelpotenzial ausgeschöpft werden, ohne dabei den muskulären Querschnitt zu vergrößern, welcher mit einer Gewichtszunahme verbunden ist.
Auf diesem Weg wird dem Leser ein Einblick in die Grundlagentheorien von Ausdauer- und Krafttrainingsmethoden gewährt. Es wird in die Thematik der Leistungssteigerung im Radsport eingeführt und ein Bezug zwischen Ausdauer- und Krafttrainingsmethoden hergestellt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Physiologische Grundlagen

Die Leistungsfähigkeit eines Organismus wird durch die physische Kondition beschrieben. Sie umfasst die Ausdauer, die Beweglichkeit, die Schnelligkeit, die Kraft sowie die Koordination (vgl. WEINECK, 2007).

Im Rahmen dieser Arbeit werden vornehmlich die konditionellen Eigenschaften Ausdauer sowie Kraft beleuchtet, da sie für Radsportler diejenigen Komponenten sind, die leistungslimitierend wirken können. Erste Priorität nimmt hierbei die reine Ausdauerfähigkeit des Sportlers ein. Die Verbesserung der Leistung im Ausdauerleistung durch Krafttraining erfolgt auf der nächsten Ebene und kann sinnvoll eingesetzt leistungsverbessernd wirken, wie im Folgenden erläutert werden wird.

2.1 Die konditionelle Grundeigenschaft Ausdauer

2.1.1 Definitionen der Ausdauer

Der Begriff „Ausdauer“ wird in verschiedenen Leistungssituationen unterschiedlich verstanden und definiert. Grundlegend versteht man unter dieser Bezeichnung die Fähigkeit des Organismus, einer aufkommende Leistungsminderung und schließlich dem Aktivitätsabbruch möglichst lange widerstehen zu können. Von HOLLMANN & STRÜDER wird die Ausdauer als eine „gegebene Leistung (die) über einen möglichst langen Zeitraum durch(ge)halten (werden kann)“ verstanden (vgl. HOLLMANN & STRÜDER, 2009). bezeichnen diese konditionelle Fähigkeit als „Ermüdungswiderstandsfähigkeit“ (vgl. ZINTL & EISENHUT, 2004). Um diesen von ZINTL & EISENHUT verwendeten Begriff zur Beschreibung der „Ausdauer“ verstehen zu können, ist es notwendig den Begriff „Ermüdung“ genauer zu betrachten:

„Wir definieren Ermüdung in Anlehnung an Lehmann (1953) als die reversible Herabsetzung der Funktionsfähigkeit infolge einer muskulären Tätigkeit.“ (vgl. HOLLMANN & STRÜDER, 2009)

Ausgeschlossen von dieser Definition wird laut den Autoren die „im anorganischen Bereich vorkommende sogenannte Materialermüdung“. Hierbei gibt es bisher keine exakten messbaren Größen, die verschiedene Ermüdungsniveaus festlegen. Vielmehr findet sich der Begriff der Ermüdung in der allgemeingebräuchlichen Verwendung, wie z.B. auch die Begriffe Übermüdung, Erschöpfung usw.. Es werden zwei Stadien der Ermüdung von einander unterschieden:

Die akute Form der Ermüdung tritt direkt nach intensiven muskulären Beanspruchungen auf, ganz im Gegensatz zur chronischen Form, die sogar noch Tage oder Wochen nach einer Intensivbelastung festgestellt werden kann. Eine ermüdende Situation kann an jedem Element der Funktionskette einer willkürlich ausgelösten Muskelkontraktion auftauchen.

Sie findet sich je nach Belastung:

- im Frontalhirn
- im Rückenmark
- im peripheren Nerv
- in der Muskelfasermembran
- im tranversalen Tubulussystem
- in der Kalzium-Freisetzung
- in der Aktin-Myosin-Interaktion
- bei der Entleerung der Kreatinphsophatspeicher in der Muskelzelle
- bei der Laktatanhäufung in der Muskelzelle
- bei der Entleerung von intramuskulären Glykogenspeichern
- beim Anstieg von Ammoniak
- beim Absinken des Blutzuckerspiegels
- beim intrazellulärer Kaliumverlust,
- bei hormonellen Dysbalancen (HOLLMANN & STRÜDER, 2009).

Zusammenfassend entsteht Ermüdung sowohl zentral als auch peripher abhängig von der Belastungsart- und Dauer der Muskelkontraktion. Elemente der Ermüdung sind vor allem eine Erschöpfung der Energiereserven, eine Abnahme der Fermentaktivität und Störungen im Wasser- und Elektrolytstoffwechsel. Im Folgenden wird die Begrifflichkeit „Ausdauer“ abhängig von verschiedenen Faktoren einer Belastung differenziert dargestellt (HOLLMANN & STRÜDER, 2009).

2.1.2 Muskuläre Adaptionen an ein Ausdauertraining

Die Studien von BAUMANN weisen eine Abnahme der Typ-IIx-Fasern von 13% auf 9% durch ein alleiniges Ausdauertraining nach, ohne dass eine Zunahme von Typ-I-Fasern oder Typ-IIa-Fasern stattgefunden habe (BAUMANN, 1987). Untersuchungen von KRAEMER dagegen stellen eine Zunahme der Typ-IIc- und IIa-Fasern und eine Reduktion Typ-IIb-Fasern, wie eine Reduktion der Typ-I- und Typ-IIc-Querschnittsfläche fest (KRAEMER, 1995).[1]

2.1.3 Struktur der Ausdauer

Die Unterteilung des so oft verwendeten Begriffs der „Ausdauer“ erscheint notwendig, führt man sich die unterschiedlichen Teilaspekte sportlicher Leistungsfähigkeit und deren Untersuchung vor Augen. Auch zur Trainingssteuerung bedarf es eines umfassenden Grundwissens darüber, wie Ausdauer definiert wird, welche Strukturierungsansätze vorhanden sind und wie sich die Energiebereitstellung zur Ausführung einer sportlichen Leistung auf unterschiedlichen Intensitätsniveaus gestaltet.

2.1.3.1 Umfang der arbeitenden Muskulatur

SAZIORSKI unterteilt die Ausdauer in 3 Komponenten auf morphologischer Ebene. Die lokale Ausdauer wird mit weniger als 1/3 der Skelettmuskulatur ausgeübt, bei 1/3 bis 2/3 der Skelettmuskulatur beansprucht der Sportler die regionale Ausdauer und darüber die globale Ausdauer (vgl. SAZIORSKI, 1987). Bei der Differenzierung der Ausdauer seitens HOLLMANN & STRÜDER wird zwischen einem Anteil der Skelettmuskulatur von unter 1/6 bis 1/7 und einem Anteil darüber unterschieden. „Die Muskelmenge von weniger als 1/6 bis 1/7 entspricht in etwa einem Bein“ (ZINTL & EISENHUT, 2004, S.34).

Unter 1/6 bis 1/7 der gesamten Muskelmenge ist die Leistungsfähigkeit der beanspruchten Muskulatur maßgeblich abhängig vom kardiopulmonalen System, das unter Verwendung von Sauerstoff Energie nachliefert. Ein Belastungsabbruch wird in diesem Zusammenhang von anderen leistungsbestimmenden Faktoren im Falle einer Ermüdung gefordert (Vgl. HOLLMANN & STRÜDER, 2009).

2.1.3.2 Art der hauptsächlichen Energiebereitstellung

Geht man davon aus, dass der Sportler zu jeder Zeit der Belastung keinen Nährstoffmangel erfährt, unterscheidet man grundsätzlich drei Stoffwechselsysteme zur Energiegewinnung. Eine Übersicht findet sich bei HOLLMANN & STÜDER (2009) und ist in nachfolgender Skizze dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Vereinfachte, schematische Darstellung des anaeroben und aeroben Stoffwechsels (HOLLMANN & STRÜDER, 2009, S. 68)[2]

Bei körperlicher Belastung verbrauchte Energie wird durch gespaltenes Adenosintriphosphat (ATP) [in Adenosindiphosphat (ADP) + Phosphat (P) + Energie] freigesetzt. Um weiterhin Energie produzieren zu können, muss das in ADP+P gespaltene ATP wieder resynthetisiert werden. Hierbei werden je nach Belastungslänge und Intensität ADP und Creatinphosphat, Glukose und ADP im anaeroben Bereich oder Fettsäuren und Glukose und ADP unter Verwendung von Sauerstoff zu ATP mit seinen je nach Stoffwechselweg spezifischen Abfallprodukten resynthetisiert. Das entstehende Produkt ist im alaktaziden anaeroben Bereich (Verwendung von Creatinphosphat) Creatin. Die laktazide anaerobe Energiegewinnung führt neben der Resynthese von ATP zu einem Anstieg von Laktat in der Muskulatur und im Blut (vgl. HOTTENROTT, 2009). Die Unterteilung der Ausdauer in verschiedene Arten der Energiebereitstellung bzw. in die unterschiedlich entstehenden Mischverhältnisse an arbeitenden energieliefernden Systemen in unterschiedlichen Belastungssituationen wird je nach Autor anders dargestellt. So weisen HOTTENROTT & NEUMANN auf eine Unterscheidung in eine alaktazid- anaerobe Startphase als Phase I, eine aerobe Phase als Phase II, eine aerob-anaerobe Phase als Phase III und eine rein anaerobe Phase hin (HOTTENROTT & NEUMANN, 2008)

Phase 0 weist in den ersten 10 Sekunden einer intensiven Belastung eine Nutzung der Energievorräte von ATP und Creatinphosphat mit 50% sowie von Glykolyse mit 47% und von Glykolyse auf aerober Basis mit 3% auf. Die Energienutzung nach 30 Sekunden intensiver Belastungen wird ohne maßgebliche Laktatanhäufung zu 25% abgedeckt. Die restlichen 75% der Energiegewinnung werden zu 45% anaerob-laktazid und zu 30% aerob gewonnen.

In Phase I wird der Organismus maßgeblich über die aeroben bzw. anaerob-laktaziden Stoffwechselwege mit Energie versorgt. Je weniger intensiv die Belastungsintensität gewählt wird, desto mehr Energie kann über die aeroben Wege gelangen. Steigt die Belastungsintensität an, wird vermehrt auf anaerobem Weg Energie bereitgestellt, was eine Anhäufung von Laktat im Muskel und Blut zur Folge hat. In der anaeroben Phase wird Energie aus Creatinphosphat und Glukose bei absolutem Sauerstoffmangel gewonnen. Dieser Stoffwechselweg wird bei höchster Belastungsintensität und sehr kurzer Dauer genutzt. Muss diese Form der Energiebeschaffung im Organismus aufgrund der hohen Belastungsintensität beibehalten werden, wird mehr und mehr Laktat angehäuft, was letztendlich durch das ansteigende physiologische Ungleichgewicht zwischen Laktatanhäufung und –abbau zum Belastungsabbruch führt (vgl. HOTTENROTT & NEUMANN, 2008). ZINTL & EISENHUT strukturieren die Ausdauer auf dem Gebiet der Energiebereitstellung in aerobe und anaerobe Bereiche der Stoffwechselsysteme. Hierbei unterscheiden sie jeweils in einen Kurz-, Mittel- und Langzeitbereich der jeweiligen Art der Energiebereitstellung (vgl. ZINTL & EISENHUT, 2004). Wie auch von HOTTENROTT & NEUMANN beschrieben, stellen ZINTL & EISENHUT die Energiebeschaffung im Organismus als ein sich ständig veränderndes Konstrukt dar, welches immer durch ein Mischverhältnis gekennzeichnet ist. „In reiner Form kommen die Ausdauerformen in der Praxis eher selten vor.“ (vgl. HOTTENROTT, NEUMANN, 2008)

Vorwiegend leistungsbestimmend sind in der anaeroben Energiebereitstellung das Niveau der anaeroben Kapazität, das Niveau der zellulären Glykogen-Vorräte, die Stoffwechselkapazität der Enzyme der anaeroben Glykolyse, die Fähigkeit dieser Enzyme, auch bei hoher Belastungsazidose noch arbeiten zu können (vgl. WEINECK, 2007).

Bei Ausdauerbelastungen handelt es sich in erster Linie um Kohlenhydrate und Fette, die zur Wiederherstellung der energiereichen Verbindung ATP herangezogen werden. Diese werden unter Verwendung von Sauerstoff verstoffwechselt. Fette werden in Form von Lipidtröpchen in den Muskelzellen durch die Lipolyse zu Fettsäuren und Glycerin abgebaut. Die freien Fettsäuren werden anschließend in den Mitochondrien oxidiert und Energie ebenfalls zur Wiederherstellung von ATP freigesetzt. Die Oxidation von Kohlenhydraten wird durch Glucoseoxidation ebenfalls zur Resynthese von ATP herangezogen. Die Kohlenhydratspeicher sind im Vergleich zu den Fettspeichern recht begrenzt.

Die Energiegewinnung unter Verwendung von Sauerstoff wird als aerobe Form der Energiebereitstellung bezeichnet. Sauerstoffaufnahme und –verbrauch stehen im Gleichgewicht. Es herrscht ein „Steady-State“ ohne Sauerstoffschuld. Werden die Belastungen intensiver, wird dieses Gleichgewicht zerstört, so dass nicht mehr genug Sauerstoff vorhanden ist, um die Energieversorgung auf diesem Weg zu decken. Nimmt die Belastung wieder ab, kann das herrschende Ungleichgewicht leicht verzögert durch verstärkte Atmung ausgeglichen werden.

Die Leistung wird maßgeblich von der Fähigkeit des Sportlers bestimmt, eine möglichst große Menge an aufgenommenem Sauerstoff zur Peripherie zu transportieren und ihn dort zu verarbeiten.

„The maximal oxygen intake, or maximal aerobic power, is a measure of the body’s ability to transport oxygen from the ambient air to the exercising muscles. It is thus one of the more important determinants of endurance performance.” (SHEPHARD et al. 2003, S. 301)

Vorwiegend leistungsbestimmend sind im aeroben Bereich:

- Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems
- Stoffwechselparameter wie Energiespeicher und mitochondriale Kapazität

(vgl. WEINECK, 2007)

2.1.3.3 Arbeitsweise der Skelettmuskulatur

Grundlegend unterscheiden sich dynamische und statische Ausdauer im Druckaufbau innerhalb des arbeitenden Muskels und die damit verbundene Art der Energiebereitstellung. Bei hohen Belastungen, die auf die arbeitende Muskulatur trifft, baut sich bei statischer Arbeit ein Muskelinnendruck auf, der das Zufließen von Blut und damit auch des Sauerstoffs von außen verhindert. Schon ab einem prozentualen Anteil von 15% der maximalen Muskelspannung wird der Blutzufluss behindert. Steigt die Belastung weiter bis auf 50% an, so kann keine Versorgung von Sauerstoff über das Blut gewährleistet werden. Die Energie muss aus den muskelinneren Speichern auf anaerober Basis zugeführt werden. Ein solcher Druckaufbau entsteht bei dynamischen Belastungen nicht. Die Entspannungsphasen zwischen jeder Kontraktion reichen für eine Mitversorgung der Muskulatur durch das Blut aus, so dass sie auch unter Verwendung von Sauerstoff arbeiten kann (vgl. HOLLMANN & HETTINGER, 2000).

2.1.3.4 Zeitdauer der Beanspruchung

Die Differenzierung der Dauer einer körperlichen Beanspruchung für eine Zuordnung verschiedener Ausdauerarten erfolgt bei verschiedenen Autoren unterschiedlich. So wird die Ausdauerbelastung nach jeweiligem Zeitintervall, wie folgt definiert.

Kurze Ausdauerbelastungen von von ca. 0-35 Sekunden werden der Schnelligkeitsausdauer zugeteilt. Das nächstgrößere Zeitfenster beschreibt die Kurzeitausdauer mit 20-45 Sekunden bis 1-2 Minuten. Eine maximale Belastung im Bereich der Kurzzeitausdauer wird vorwiegend über anaerobe Prozesse charakterisiert, die Beisteuerung durch aerobe Anteile liegt bei etwa 30-35%. Ein Anstieg der aeroben Energiegewinnung von ca. 50% der Gesamtenergie bei ca. 2 Minuten Belastung bis sogar 80% der Gesamtenergie bei ca. 10 Minuten beschreibt das Niveau der Mittelzeitausdauer. Hält eine Belastung mehr als 10-11 Minuten an, spricht man von der Langzeitausdauer, die sich laut WEINECK in Langzeitausdauer I, II und III aufteilt.

Vorwiegend leistungsbestimmend sind im aeroben Bereich die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems und die Stoffwechselparameter wie Energiespeicher und mitochondriale Kapazität (vgl. WEINECK, 2007).

Ein wichtiges Aussagekriterium der Ausdauerfähigkeit ist die Sauerstoffaufnahmekapazität. Profiradsportler erreichen hierbei Werte von 70 – 80 ml /min/kg (vgl. LUCIA et al, 2001). Adaptionen durch Ausdauertraining erfahren die Trainierenden durch eine Hypertrophie des Herzmuskels verbunden mit einer Gewichtszunahme des Herzens und mit einer Dilatation (Erweiterung) der Herzhöhlen. Darüber hinaus finden sich beim Ausdauersportler eine vermehrte Anzahl von Mitochondrien. Parallel dazu werden die Enzyme des Zitratzyklus und der Atmungskette vermehrt (WEINECK, 2001). Der Unterschied zwischen Profiradfahrern und Elite Fahrern besteht u.a. in der Fähigkeit, höhere Leistungen zu erbringen bevor eine Milchsäureakkumulation entsteht und ein Leistungsabbruch erzwungen wird (vgl. LUCIA et al, 2001).

2.2 Die konditionelle Grundeigenschaft Kraft

2.2.1 Struktur

Die konditionelle Grundeigenschaft Kraft wird je nach Autor verschieden definiert. So beschreibt WANG die Kraft als körperliche Fähigkeit des Menschen, Bewegungsaufgaben zu lösen, bei denen Gegenstände oder der eigene Körper gehalten, beschleunigt oder abgebremst werden sollen. (vgl. WANG, 1999). Spezifischer wird die Definition bei GROSSER, STARITSCHKA & ZIMMERMANN (2004, S. 42):

„Kraft im Sport ist die Fähigkeit des Nerv-Muskelsystems, durch Innervations- und Stoffwechselprozesse mit Muskelkontraktionen Widerstände zu überwinden (konzentrische Arbeit), ihnen entgegenzuwirken (exzentrische Arbeit) bzw. sie zu halten (statische Arbeit)“.

Erweitert werden die drei Kontraktionsformen durch die exzentrisch-konzentrische Arbeitsweise, innerhalb der im DVZ (Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus) erst dem Widerstand nachgegeben und dieser anschließend überwunden wird. Der Intensitätsgrad beträgt nach GROSSER, STARITSCHKA, ZIMMERMANN mindestens 30% (GROSSER, STARITSCHKA & ZIMMERMANN, 2004). KOMI versteht die Begrifflichkeit Kraft wie folgt:

„Als muskuläre Kraft wird global die physikalische Kraft bezeichnet, die der Muskel auf bestimmte Körperabschnitte ausüben kann. Die muskuläre Kraft kann in unterschiedlicher Form realisiert werden, in Form einer isometrischen, konzentrischen oder exzentrischen Aktion. Bei gleicher Aktionsform können Bewegungen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausgeführt werden.“ ( KOMI et al., 1993).

Versucht man die Kraft in Komponenten einzuteilen, findet man verschiedene Möglichkeiten der Strukturierung. Sie kann nach Arbeits- und Kontraktionsformen, nach trainingsdidaktischen Gesichtspunkten sowie nach seinen Erscheinungsformen eingeteilt werden (LETZELTER, 1971; HARRE, 1973).

Nachfolgend werden die Erscheinungsformen der Kraft näher beleuchtet.

GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER differenzieren 1999 noch vielschichtiger nach den Komponenten Maximalkraft, Schnellkraft sowie Kraftausdauer und nach der Arbeitsweise der Muskulatur.

Die beiden Komponenten Schnellkraft und Kraftausdauer resultieren hierbei aus der Maximalkraft. So stellt die Maximalkraft die resultierende Kraftkomponente für die anderen beiden Elemente der Kraft dar.

Abbildung 2: Struktur der motorischen Eigenschaft Kraft (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Maximalkraft wird von GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER als „höchster realisierbarer Kraftwert dargestellt, der bei maximaler Willkürkontraktion gegen einen unüberwindlichen Widerstand erreicht wird“ (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999, S. 224) beschrieben. Der Aktivierungsgrad der Muskelfasern eines Muskels liegt bei Untrainierten bei ca. 70 % und bei Trainierten bei maximal 95% der Maximalkraft. Bei vollständiger Aktivierung spricht man von der „Absolutkraft“. Diese kann beispielsweise durch Elektrostimulation entfaltet werden (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999). Unterscheidet man zwischen statischer und konzentrisch-dynamischer Maximalkraft wird die Maximalkraft, wie folgt beschrieben:

„Die konzentrische Maximalkraft wird ermittelt als die höchste Last, die unter definierten Arbeitsbedingungen einmal gehoben werden kann (1er Maximum).“ (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999, S. 224)

Die isometrische Maximalkraft wird dynamometrisch gemessen. Dabei wird sie zunächst hinsichtlich der Arbeitsweise der Muskulatur differenziert:

„Die Trainingslehre differenziert die Maximalkraft traditionell entsprechend der überwindenden, haltenden und nachgebenden Arbeitsweise der Muskulatur und der dabei realisierten Kontraktionsformen in eine konzentrische, isometrische und exzentrische Dimension“ (MARTIN/CARL/LEHNERTZ 1993, 102).

SCHMIDTBLEICHER & GÜLLICH zweifeln allerdings die Unterscheidung zwischen isometrischer und konzentrisch-dynamischer Maximalkraft an:

„Wenn ein Sportler ein Gewicht hebt, beinhaltet die Kontraktion immer einen isometrischen und einen konzentrischen Anteil. Die Kontraktion bleibt so lange isometrisch, bis die muskulär entfaltete Kraft der zu bewältigenden Last entspricht. Erst wenn die Kraft darüber hinaus geht, bewegt sich das Gewicht.“ (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999, S. 312)

Also beginnt das Bewegen eines Widerstands mit einer isometrischen Arbeitsweise und setzt sich schließlich erst im Moment des Bewegens der Last in einer konzentrisch-dynamischen Arbeitsweise fort. Je höher die die Last des Widerstands, umso mehr verändert sich die konzentrisch-dynamische Arbeitsweise in Richtung einer isometrischen.

Die Kraftkomponenten Schnellkraft und Kraftausdauer hängen direkt von der Maximalkraft ab, d.h. mit einer Veränderung des maximalen Kraftniveaus verändert sich sowohl die Kraftausdauer als auch die Schnellkraft (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Um die Maximalkraft zu steigern, wird entweder ein Hypertrophietraining[3] oder ein Training mit maximalen Lasten angewandt.[4]

„Schnellkraft ist die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, einen möglichst großen Impuls (Kraftstoß) innerhalb einer verfügbaren Zeit zu entfalten.“ (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999, S.225)

Die Schnellkraft sowie die Kraftausdauer können sowohl isometrisch als auch konzentrisch oder im Dehnungsverkürzung-Zyklus (DVZ) vorkommen (konzentrisch oder exzentrisch). Eine isometrische Muskelaktion kennzeichnet sich dadurch, dass „keine äußere Arbeit geleistet wird, da keine Verkürzung stattfindet“ (KOMI, 1993).

Folglich zeichnet sich diese Kontraktionsform durch seinen Spannungszustand aus, ganz im Gegensatz zur konzentrischen Arbeitsweise, bei der Ansatz und Ursprung der Muskulatur zusammengeführt werden und eine äußere Last bewegt wird (vgl. HEMMLING, 1994). Die schnellkraftspezifische isometrische bzw. konzentrische Arbeitsform der Muskulatur wird maßgeblich von der Explosivkraft und dem dynamischen relativen Kraftmaximum bestimmt. Kommt die Schnellkraft im DVZ vor, geht eine zunächst nachgebende (exzentrische) Kontraktion einer überwindenden (konzentrischen) Kontraktion voraus. Diese wird als Reaktivkraft bezeichnet. Es wird zwischen Schnellkraftleistungen im kurzen DVZ (< ca. 200 ms) und im langen DVZ (> ca. 200 ms) unterschieden. Die Leistungen im langen DVZ werden überwiegend durch das dynamisch realisierte Kraftmaximum und somit durch die Maximalkraft bestimmt (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Die Explosivkraft wird als Fähigkeit bezeichnet, einen möglichst steilen Kraftanstieg in einer kurzen Zeitspanne zu erreichen. Damit sind diejenigen Zeiträume gemeint, die 200 Millisekunden unterschreiten. Je kürzer die Kontraktionszeit, desto mehr hängt die Leistung vom steilen Kraftanstieg und umso weniger vom Kraftmaximum ab (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Niedrigdosierter und mit größeren Wiederholzungszahlen gestaltet sich die Komponente Kraftausdauer. Um sie klar von den anderen Trainingsmethoden abzugrenzen bedarf es einer Definition derselben. HARRE beschreibt die Kraftausdauer wie folgt:

„Die Kraftausdauer ist die Ermüdungswiderstandsfähigkeit des Sportlers bei lang andauernden Kraftleistungen“ (HARRE 1986, 134). Exakter ist die Definition von SCHMIDTBLEICHER: „Die Kraftausdauer ist als „die Fähigkeit, eine möglichst große Impulssumme (Kraftstoßsumme) in einer gegebenen Zeit gegen höhere Lasten zu produzieren“ zu verstehen„ (SCHMIDTBLEICHER, 2003).

So wird die Kraftausdauerleistung von SCHMIDTBLEICHER 2003 als eine Belastung von längstens 2 Minuten und mehr als 50% des IRM (Einer-Wiederholungsmaximum) beschrieben. Hierbei wird die Kraftausdauer in zwei Komponenten aufgeteilt: Zum einen wird sie bestimmt durch die Fähigkeit, die Reduktion der Kraftstöße möglichst gering zu halten.. Zum anderen wird die Kraftausdauer durch die Größe der Einzelimpulse, die dem Maximal- bzw.- Explosivkraftniveau zugrunde liegen bestimmt. Legitimiert wird diese Fähigkeit durch die enzymatische Kapazität, also eine Verringerung der energiereichen Phosphate sowie die Reduktion der Flussrate sowie die Laktat- und H+-Ionenkonzentration (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

2.2.2 Einflussgrößen

Auf alle angesprochenen Muskelaktionen nehmen nach SCHMIDTBLEICHER et al. sowohl tendomuskuläre, als auch neuronale und anthropometrisch-biomechanische Faktoren Einfluss (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999). Weitere Komponenten, die Einfluss auf die Maximalkraft nehmen, sind motivationale sowie energetische Faktoren. Betrachten wir zunächst die morphologischen Einflussgrößen hinsichtlich der Maximalkraft, stellen sich notwendigerweise die Muskelmasse, die Filamentdichte und die Struktur der Muskelfaserzusammensetzung als vorrangig dar. Die Muskelmasse wird als Qualitätsmerkmal des Muskels hinsichtlich der maximal zu erbringenden Muskelkraft verstanden und durch den Muskelquerschnitt zu beschreiben versucht (vgl. BÜHRLE, 1989). Verschiedene Autoren belegen einen Zusammenhang zwischen Muskelquerschnitt und Maximalkraftniveau (vgl. HAVENER, 1970; WINTER, 1979). Dem gegenüber stehen Studien von Morris, der keine eindeutigen Aussagen zwischen Kraft und Muskelquerschnitt ermittelte (vgl. MORRIS, 1948). Die Filamentdichte wird durch die Anordnung der Muskelfilamente im Sarkomer bestimmt. Je kleiner die Abstände zwischen den Aktin- und Myosinfilamenten im Sarkomer sind, desto höher sind die Filamentdichte und die Anzahl der Querbrücken von Aktin zu Myosin. Dieser Umstand führt durch eine Erhöhung der Muskelspannung zu einer Verbesserung der Maximalkraft (vgl. WANG, 1999). Ob diese Dichte der Filamente trainierbar ist, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse diverser Studien nicht klar nachweisen (vgl. BÜHRLE, 1993, LARSSON, TESCH, 1986, PENMAN, 1970).

Verschiedene Muskelfasertypen leisten in verschiedenen Arbeitssituationen die Hauptarbeit durch unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich des Energieverbrauchs bei Muskelaktionen. Es werden nach bisherigem Kenntnisstand fünf Muskelfasertypen voneinander unterschieden, die sich bezüglich Energieverbrauch, Arbeitsdauer und Energieflussrate erheblich voneinander unterscheiden. Durch Betrachtung von Muskelgewebe in Lösungen unterschiedlicher Säuremilieus und bei Durchführung einer Myosin-ATPase-Reaktion lassen sich diese Typen unterscheiden. Bei einem PH-Wert von 10,6 lassen sich fast ausschließlich in den Typ-IIa-Fasern (fast-twitch) ATPase-Reaktionen nachweisen. Bei sauren Verhältnissen bei einem PH-Wert von 4,3 unter ansonsten identischen Verhältnissen zeigen nur langsame Muskelfasertypen eine ATPase-Reaktion (Typ-I-Fasern). Ein PH-Wert von 4,6 zeigt eine verzögerte Reaktion einzelner Typ-II-Fasern. Diese werden als Typ-IIb-Fasern bezeichnet (vgl. KOMI, 1994).

Die Muskelfasertypen weisen unterschiedliche Eigenschaften bei der Energieverwertung und der Energieflussrate auf. So enthalten langsame Muskelfasern (Typ-I-Fasern) mehr Mitochondrien mit Enzymen für die Kohlehydrat- und Fettverbrennung. Charakteristisch für Typ-I-Fasern sind der vorwiegend oxidative Energieumsatz, eine niedrige Energieflussrate, ein hoher Wirkungsgrad und eine hohe Ermüdungsresistenz. Die ATP-Regeneration wird vornehmlich durch Verbrauch von Laktat zu Pyruvat mit anschließender Oxidation in den Mitochondrien durchgeführt. Typ-II-Fasern sind vor allem gekennzeichnet durch die Anhäufung von Laktat aus dem Verbrauch des intramuskulären Glykogens. „Typ-II-Fasern regenerieren ihren ATP-Bedarf vornehmlich über die anaerobe Glykolyse mit dem Endprodukt des Lakats.“ (vgl. KOMI, 1994) Die geringe Anzahl an Mitochondrien lässt keine oxidative Regeneration des ATP-Bedarfs zu und führt über eine hohe Energieflussrate schnell zu einem Anstieg von Laktat und folglich durch eine ansteigende Konzentration von Wasserstoffionen und freiem Phosphat zur Ermüdung. Metabolisch liegen zwischen Typ-I- und Typ-II Fasern die intermediären Fasern des Typs-IIb (vgl. KOMI, 1994).

Rekrutiert werden die verschiedenen Muskelfasertypen je nach Belastungsintensität und Dauer. Dabei wird zunächst zwischen zwei Muskelfasertypen unterschieden.

Typ I-, die langsamen slow-twitch (im Folgenden ST-Fasern) und die schnellen Typ II – fast-twitch-Fasern (im Folgenden FT-Fasern). Diese unterscheiden sich. Bei niedrig intensiven Lasten werden zunächst die langsamen Typ-I-Fasern rekrutiert. Je höher die Intensität ist, desto mehr schnelle Typ-II-Fasern werden zur Kontraktion herangezogen. Hinsichtlich des Energiestoffwechsels wird weiter unterschieden in slow-oxidative- (im Folgenden SO-, Typ-I-Fasern), fast oxidative-glycolytic- (im Folgenden FOG-, Typ-IIa-Fasern) und fast-glycolytic-Fasern (im Folgenden FG-, Typ-IIb-Fasern) unterschieden. Desweiteren findet man Intermediärfasern (Typ IIC), die histochemisch schneller auf Antimyosine reagieren als langsame Muskelfasern. Für Muskelreflexe und Korrekturbewegungen sind besonders Typ-IIb-Fasern aktiv. Es wird angenommen, dass für Schnellkraftbelastungen sowohl Typ-I- als auch Typ-II-Fasern gleichzeitig rekrutiert werden. Noch ist nicht eindeutig bewiesen, ob sich grundlegende Unterschiede in der Muskelfaserzusammensetzung durch ein entsprechendes Training erreichen lassen. Zwar konnten Veränderungen von Typ-IIB zu Typ-IIA-Fasern, allerdings keine von Typ-II zu Typ-I-Fasern nachgewiesen werden (vgl. KOMI, 1994; GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Neben den bisher genannten Einflussgrößen spielt bei muskulärer Belastung die Innervierung des Muskelgewebes von Motoneuronen des Rückenmarks eine entscheidende Rolle. So werden innerhalb einer motorischen Einheit, bestehend aus einer Nervenzelle, dem zugehörigen motorischen Axon gleich mehrere Muskelfasern innerviert. Je nach Muskel werden zwischen 5 und 2000 Muskelfasern nur einem Motoneuron zugeordnet. (vgl. HARTMANN & TÜNNEMANN, 1990). Je mehr Muskelfasern hier einer motorischen Einheit angehören, desto grober wird auch die Bewegungsqualität sein. Hierbei werden alle zu einem Motoneuron zugeordneten Muskelfasern gleichzeitig innerviert (vgl. GOLLHOFER et al., 2003). Langsame Muskelfasertypen werden hierbei vornehmlich von Nervenfasern mit niedriger Reizschwelle, schnelle Muskelfasertypen von Nervenfasern mit einer hohen Reizschwelle innerviert (vgl. KOMI 1994). Eine von KERNELL durchgeführten Studie am m. peroneus longus der Katze ergab die Schlussfolgerung, dass die Muskelfaserzusammensetzung nicht von der Innervierung, sondern von der Genetik und von der Belastungsart abhängen. Zwar ist es kaum möglich, langsame Muskelfasern in schnelle umzuwandeln, anders herum scheint es allerdings möglich (vgl. KERNELL, 1990). ST-Fasern zeigen bei einem ausgeprägten Hypertrophietraining verhältnismäßig weniger Querschnittzuwachs als FT-Fasern. Es scheint daher möglich, durch gezieltes Training den Flächenanteil der FT-Fasern am Muskelquerschnitt zu vergrößern. Durch diese Verschiebung verändert sich die Verteilung der verschiedenen Fasern bezüglich des Muskelquerschnitts und folglich auch die Funktionalität des gesamten Muskels (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Die neuronale Fähigkeit, einen möglichst großen Anteil an motorischen Einheiten zu aktivieren und in Folge eine größere Muskelkraft zu entfalten wird durch eine „willkürliche neuronale Aktivierungsfähigkeit“ erreicht. Diese Aktivierungsfähigkeit kann von Untrainierten durch gezieltes Training von ca. 70% auf bis zu 95% gesteigert werden und wird durch Prozesse der Rekrutierung, Frequenzierung und Synchronisation determiniert (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999). Dabei folgt die Aktivierung der motorischen Einheiten dem „Größenordnungsprinzip“. So werden zunächst die kleinsten und schwächsten Muskelfasern rekrutiert. Mit zunehmender Last werden nach und nach gößere und stärkere Einheiten rekrutiert (vgl. ZATIORSKI, 2000). Erst bei etwa 90% der Maximalkraft werden die größten, stärksten Einheiten (Typ-II-Fasern) rekrutiert. Ab dieser Reizintensität wird ein weiterer Kraftanstieg durch die optimale Verwendung der rekrutierten Einheiten bestimmt. Da die „Time To Peak“ (Kontraktionszeit vom Kontraktionsbeginn bis zur Kraftspitze) der schnellsten Einheiten mit 55-65 Millisekunden fast halb so lang ist, wie die der langsamsten Einheiten, kontrahieren die schnellen Einheiten teilweise noch vor den Langsamen, obwohl diese früher rekrutiert wurden (vgl. GOLLHOFER et al., 2003). Die Prozesse der Frequenzierung und Synchronisation nehmen ab etwa 90% der Maximalkraft den bedeutenden Stellenwert bezüglich der Kraftentfaltung ein, da in diesem Stadium alle motorischen Einheiten rekrutiert worden sind (vgl. WANG, 1999). Die Frequenzierung bezeichnet die Abstufung der Frequenzen der Aktions­potenziale, die vom Motoneuron an die Muskelfasern gelangen und Einzel­zuckungen auslösen. Diese Innervationsfrequenz variiert anhängig von Muskelfaser- und Akivierungsart und bestimmt wesentlich den Kraftanstieg des Muskels. Während normalerweise Werte zwischen 10 und 60 Hz erreicht werden, kann es bei explosiver Kraftentfaltung zu Werten um 100 Hz kommen. Die Maximalkraft wird bereits bei Werten um 50 Hz erreicht (Komi, 1994). Schlussfolgernd ist eine hohe Frequenz der Aktionspotenziale weniger für das Erreichen der Maximalkraft, sondern vielmehr für einen explosiven, besonders steilen Kraftanstieg verantwortlich (vgl. AGAARD et. al, 2002; SALE 1994).

Durchleuchtet man die energetischen Einflußfaktoren auf die konditionelle Grundeigenschaft Kraft, so scheint der Weg der Energieversorgung für das Erreichen eines maximalen Kraftwerts festgelegt zu sein. Den Haupteinflussfaktor sehen EHLENZ et. al im anaerob-alaktaziden Stoffwechsel (vgl. EHLENZ, 1995).

„Maximalkraft-, Schnellkraft-, Reaktivkraft-Einsätze sind Angelegenheit des höchsten Energieflusses pro Zeit, also der Phosphatspaltung (ATP+KP) und der Phosphatspeichergröße (maximale Einsatzdauer 6-8s; im Einzelfall nach Trainingsanpassung bis 20s. […] Größe bzw. vergrößerte Phosphatspeicher sind also wesentlich für das Aufrechterhalten maximaler Kontraktionsintensitäten“(EHLENZ, 1995, S.49f).

2.2.3 Vorstellung verschiedener „Krafttrainingsmethoden“ und deren Adaptionen

Kraftausdauertraining

Komponenten der Kraftausdauer sind Maximalkraft, Schnellkraft und Ermüdungsresistenz. (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Die Bandbreite zwischen Kraftausdauer und Hypertrophie liegt zwischen 30% und 80% der Maximalkraft (vgl. LAMES et al., 2003). SCHMIDTBLEICHER definiert die Kraftausdauer als eine Belastung von längstens 2 Minuten mit einer Intensität von >50 % des IRM. Trainingsreize für das Kraftausdauertraining werden zwischen 60% und 80% der Maximalkraft bei 20 – 25 Wiederholungen gesetzt. Die Belastungsformen von über 20-25 Wiederholungen unter einer Intensität von 50% des IRM sind laut SCHMIDTBLEICHER reine Ausdauerleistungen und nicht mehr dem Kraftausdauerbegriff zuzuordnen. (vgl. SCHMIDTBLEICHER, 2003).

Eine Verbesserung der Kraftausdauer geht entweder mit einer Leistungssteigerung hinsichtlich der Kraftkomponente oder einer Verbesserung der Ermüdungsresistenz einher. Besonders im Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus nimmt die Kraftausdauer eine entscheidende Rolle ein. Hierbei können besonders durch reaktives Training mit Zusatzlasten eine Leistungssteigerung erreicht werden (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Hypertrophietraining – Training mit submaximalen Lasten

Ziel des Hypertrophietrainings ist es, eine Vergrößerung des Muskelquerschnittes herbeizuführen. Es wird davon ausgegangen, dass dies vor allem durch einen möglichst hohen muskulären Spannungszustand, eine möglichst hohe H+-Konzentration und damit einhergehende Übersäuerung und Ausschöpfung der energiereichen Phosphate in der Muskelzelle erreicht wird, um ein Wachstum der Muskulatur auszulösen. Mikrotraumata gehen einem Neuaufbau der Sarkomere voraus. Laut Schmidtbleicher trainiert der Athlet bei einer Intensität zwischen 60% und 85% bei 6-20 Wiederholungen und 5-6 Serien. Zwischen den Serien sollte eine Pause von jeweils 2-3 Minuten gewählt werden. Die Kontraktionen werden langsam bis zügig ausgeführt. Die Arbeitsweise der Muskulatur kann konzentrisch oder exzentrisch erfolgen. Mikrotraumata werden laut den Autoren mit exzentrischer Kontraktionsweise effektiver ausgelöst als während konzentrischen Kontraktionen. Diese Methode dient der Heranführung an das Training mit maximalen Lasten und zur Vergrößerung der Muskelmasse im Allgemeinen (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Durch ein Training mit submaximalen Lasten werden die folgenden kurzfristigen und langfristigen histochemischen und biochemischen Adaptionen im Skelettmuskel erreicht: Die Hauptenergie während eines Hypertrophietrainings liefern die energiereichen Phosphate ATP und Kreatinphosphat (vgl. KEUL et al., 1978). Kurzfristige vorrangige Anpassungen an ein Hypertrophietraining sind eine Abnahme des muskulären Gehalts an Adenosintriphosphat, Kreatinphosphat (vgl. TESCH, 1987). Die Intensität eines Hypertrophietrainings setzt die Rekrutierung aller Muskelfasern voraus. So werden ST-Fasern wie auch FT-Fasern zur Kraftentfaltung hinzugezogen. Allerdings wurde ein weitaus höherer Glykogenabbau innerhalb der FT-Fasern festgestellt (vgl. KOMI et al., 1993), was darauf hinweisen könnte, dass bei sehr intensiven Belastungen vornehmlich FT-Fasern zur Kraftentfaltung herangezogen werden. Studien belegen eine Verschiebung der FT-Fasern von Typ-IIb zu Typ-IIa Fasern (GUSTAVSSON, et al., 1990). Im Zuge eines Hypertrophietrainings werden schon nach kurzfristigen Trainingsphasen Maximalkraftzuwächse erreicht. Dies lässt sich durch eine anfängliche Optimierung der Kraftproduktion erklären, welche vermutlich auf einer neuronalen Ebene stattfindet, da noch keine Querschnittzuwächse zu verzeichnen sind (vgl. KOMI et al., 1993).

Nach KOMI wird vermutet, dass Hypertrophietraining kurzfristig möglicherweise zu einer Reduktion der Sauerstoffextraktionfähigkeit führen kann, was eine Einschränkung der aeroben Leistungsfähigkeit bedeuten könnte (vgl. KOMI et al., 1993).

Auf Grund der Erhöhung des Muskelquerschnitts sind mehr kontraktile Elemente vorhanden, dadurch kann der Muskel mehr Kraft erzeugen Auch die Kraftausdauer wird in geringem Maße durch submaximale Kontraktionen verbessert (vgl. KOMI et al., 1993). Im Gegensatz zur maximalen Trainingsmethode sind die neuronalen Anpassungen gering und das entscheidende Moment bei dieser Trainingsform bleibt die Zunahme an Muskelmasse (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999; SCHMIDTBLEICHER 2003). Bei submaximalen Belastungstests wurde eine erhöhte Laktatkonzentration im Blut nachgewiesen. Ähnliche Ergebnisse ergaben die Studien von DANIELLE et al. (2005). Sie stellten eine signifikante Verbesserung des 1 IRM durch ein Hypertrophietraining der Beinstreckmuskulatur fest. Die Peak Power als der größte gemessene Kraftwert während eines Stufentests verbesserte sich signifikant von 305 ±14 W auf 315 ±16W (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999; SCHMIDTBLEICHER, 2003).

Training mit maximalen Lasten

Es werden Intensitäten von 90-100% bei 1-3 Wiederholungen innerhalb einer Trainingsserie gewählt. Pro Muskelgruppe und Trainingseinheit werden in 3-6 Serien trainiert. Dabei sollte die Serienpause mindestens 6 Minuten betragen. Die Bewegungsausführung erfolgt explosiv. Nach 4-6 Wochen sollte ein Methodenwechsel stattfinden, um weiterhin adäquate Reize zu setzen. Zusätzlich zum allgemeinen Training sollte nur eine zusätzliche Krafteinheit mit maximalen Lasten gewählt werden (vgl. SCHMIDTBLEICHER & SANDIG, 2006).

„Die Methoden der maximalen, explosiven Kontraktionen lösen vorrangig Anpassungen in der willkürlichen neuromuskulären Aktivierungsfähigkeit aus, die wiederum mit Steigerungen insbesondere in der Explosivkraft einhergehen“ (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999). Durch ein Training mit maximalen Lasten werden vorwiegend die neuronale Ansteuerung, sowie die willkürliche Aktivierung neben Voraktivierung, Reflexaktivierung und Inhibitionsabbau verbessert. Es wird eine Vergrößerung des Muskelquerschnitts sowie des Muskelfaseranteils mit Fast-Twitch-Fasern erreicht. Die Elastizität des Muskels mit Sehnen wird vor allem durch supramaximale exzentrische Kontraktionen aber in geringerem Maße auch mit maximalen Kontraktionen (90 – 100 %, explosiv) verbessert. Durch die schnelle Kraftentfaltung während bzw. vor einer Muskelkontraktion stellen sich auch innerhalb der Schnellkraft mit Hilfe des Maximalkrafttrainings hochgradige Verbesserungen ein. Dabei wird der größte Anteil der Schnellkraft durch die Explosivkraft bestimmt (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Nach COYLE (2000) findet sich bei der Rekrutierung der Muskelfasern kein Unterschied zwischen einer Ausdauer- und einer kraftbetonten Belastung. Bei maximalen Ausdauerbelastungen werden nach COYLE (2000) vornehmlich Typ-IIb-Muskelfasern rekrutiert, bei 65% Vo2max hauptsächlich Typ-I und Typ-IIa-Fasern. Hierbei scheint für die Kraftproduktion vor allem eine höhere Frequentierung der Muskelfasern von Bedeutung zu sein. Innerhalb der Untersuchungen von IZQUIERO et al. (2003) bezüglich maximaler und submaximaler Ausdauerleistungen wiesen die Probanden eine verbesserte Maximalleistung um p<0,001 auf (IZQUIERO, M et al., 2003).

Reaktivkrafttraining

Die Reaktivkraft wird vornehmlich durch Countermovement Jumps (langer DVZ) sowie Drop Jumps (kurzer DVZ) trainiert. Hierbei gilt es die neuromuskuläre Aktivierung anzusprechen, was impliziert, dass bei jedem Versuch eine möglichst hohe Intensität erreicht werden muss, um adäquat zu trainieren. Im Fall des Radsportlers, wäre hier ein Training ausgerichtet auf den langen DVZ angeraten (Countermovement Jumps, siehe Tabelle). Innerhalb der Sätze sollten dabei Pausen von mehr als 6 Sekunden eingelegt werden (vgl. GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999).

Tabelle 1 (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999, S. 231)

Die Schnellkraft wird im Dehnungsverkürzungzyklus mit dem Begriff „Reaktivkraft“ bezeichnet (GÜLLICH & SCHMIDTBLEICHER, 1999). Hierbei nimmt die Fähigkeit der Muskulatur, in möglichst kurzer Zeit eine große Kraft entgegengerichtet zu einer zuvor nachgebend abbremsenden Bewegung entfalten zu können (FREY & HILDENBRAND, 2002). Einer exzentrische Muskelbelastung folgt eine konzentrische Kontraktion. Während der exzentrischen Muskelbelastung wird der Muskel gedehnt, um im Anschluss zu kontrahieren (KOMI,1985).

[...]


[1] (siehe Kapitel 2.2 Physiologische Grundlagen/S.19)

[2] „Als aerob bezeichnet man die in Verbindung mit Sauerstoff vonstatten gehenden Stoffwechselprozesse, welche sich in den Mitochondrien abspielen (intramitochondrialer Stoffwechsel), während der anaerobe Metabolismus außerhalb der Mitochondien staffindet (extramitochondrialer Stoffwechsel)“ (HOLLMANN & STRÜDER, 2009). Der Energiestoffwechsel kann in drei Stoffwechselsysteme unterschieden werden: anaerob-alaktazid, anaerob-laktazid und aerob (HOLLMANN & STRÜDER, 2009).

[3] Führt zu einer Querschnittzunahme der Muskelfaser (vgl. KOMI, 1993)

[4] Führt zu einer Verbesserung der neuronalen Prozesse zum Ausnutzen des bestehenden Muskelpotenzials (vgl. KOMI, 1993)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783863418977
ISBN (Paperback)
9783863413972
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
2
Schlagworte
Fahrrad Ausdauer Kraft Training Ausdauerleistung Ausdauertraining

Autor

Ines Janßen wurde 1981 in Hanau geboren. Ihr Studium der Sportwissenschaft in Frankfurt am Main schloss die Autorin im Jahre 2011 erfolgreich ab. Während des Studiums sammelte die Autorin praktische Erfahrungen in der Fitnessbranche, insbesondere im Krafttrainingsbereich. Im Jahr 2012 schloss sie das Studium des Lehramts im Bereich Sport und Kunst erfolgreich ab. Sie arbeitet seit über 5 Jahren selbstständig als Fitness- und Personalcoach und ist spezialisiert auf funktionelles und medizinisches Training zum Ausgleich von Haltungs- und koordinativen Defiziten sowie muskulären Dysbalancen.
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Titel: Krafttraining im Ausdauersport: Auswirkungen von Krafttraining auf die Leistungsfähigkeit im Radsport
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