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Einflüsse von sozialen Faktoren auf die Genesung: Analyse anhand einer Studie in einem Kinderheim in Südafrika

©2012 Bachelorarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Afrika wird oft als einer der reichsten Kontinente in Bezug auf die natürlichen Ressourcen bezeichnet, ist zur gleichen Zeit aber einer der ärmsten Erdteile in der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung. Die Folgen dieser Armut konnte die Autorin während verschiedener Aufenthalte in Südafrika beobachten, als sie in zwei Kinderheimen für Waisenkinder arbeitete. Die Mittellosigkeit und die damit verbundenen Schwierigkeiten wie Krankheiten oder der Verlust der Eltern sind schlimme Schicksale, von denen ein Großteil der Kinder im Heim betroffen ist und aus denen psychische sowie physische Schäden folgen. Die zentrale Frage der Arbeit ist, mit welchen Möglichkeiten den geistigen und körperlichen Defiziten bei Kindern in südafrikanischen sozialen Einrichtungen so früh wie möglich entgegen gewirkt werden kann. Dabei wird das Konzept der Salutogenese auf die Schwierigkeiten in Südafrika angewandt und gezeigt, dass durch ihre Anwendung soziale Probleme verbessert bzw. gelöst werden können.
Um das Konzept kennenzulernen, arbeitete die Verfasserin vier Monate freiwillig in der Non-Profit Einrichtung 'Themba Care' in Athlone, ca. 25 Kilometer außerhalb von Kapstadt. Zusätzlich wurden Interviews mit der zuständigen Ärztin und der Sozialarbeiterin geführt, um das Programm und die Resultate besser zu verstehen. Im Laufe dieses Buches werden das Modell der Salutogenese und deren Perspektiven, die Besonderheiten von Südafrika, dessen landestypischen Schwierigkeiten und vorherrschenden Einstellungen dargestellt. Zudem stehen im Fokus dieser Arbeit die Einrichtung 'Themba Care' und deren Kriterien in Bezug auf die Salutogenese. Die Ergebnisse aus Südafrika werden auf die Situation in Deutschland übertragen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


II
Darstellungsverzeichnis
Abb. 1: Symptome vs. Ressourcen ... 2
Abb. 2: Salutogenetischer Trias ... 11
Abb. 3: Glaubensrichtungen in Südafrika ... 25
Abb. 4: Das Modell des sozioemotionalen Rückhalts ... 28
Tab. 1: Tuberkulose Neuerkrankungen in Südafrika ... 37

1
1. Einleitung
Afrika wird oft als einer der reichsten Kontinente in Bezug auf die natürli-
chen Ressourcen bezeichnet, ist zur gleichen Zeit aber nahezu eines der
ärmsten Erdteile in der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung.
Afrikas Öl und Gas ist eine der zentralen Stellen für Investoren und die
Gewinne in den Ländern Afrikas für Bergbauindustrie steigen - während der
Anteil der Menschen, die in Armut leben, sich während der letzten Jahre
kaum verändert hat. So galt z.B. Südafrika von 1905 bis 2007 ununterbro-
chen als weltweit größter Goldproduzent,
1
doch geriet durch die Apartheid
weltweit in die negativen Schlagzeilen. Durch die strikte Rassentrennung,
Ungerechtigkeit gegenüber der afrikanischen Bevölkerung und den
Verstößen gegen die Menschenrechte von 1948 bis 1994 sind noch heute
die Folgen im Land zu spüren. Von den Auswirkungen der Verarmung ist
besonders die schwarze Bevölkerungsgruppe betroffen.
Die Folgen dieser Armut konnte ich bei meinen letzten Aufenthalten in
Südafrika selbst wahrnehmen, als ich in zwei Kinderheimen für Waisenkin-
der gearbeitet habe. Die Mittellosigkeit und die damit verbundenen Schwie-
rigkeiten wie z.B. Krankheiten, Arbeitslosigkeit oder der Verlust der Eltern
sind schlimme Schicksale, von denen ein Großteil der Kinder im Heim
betroffen sind und psychische sowie physische Folgen mit sich bringt. Eine
interessante Frage hierbei ist, mit welchen Möglichkeiten diesen geistigen
und körperlichen Konsequenzen bei Kindern in südafrikanischen sozialen
Einrichtungen so früh wie möglich entgegen gewirkt werden kann.
Mir schien dafür das Konzept der Salutogenese, welches ich im Laufe
meines Studiums kennengelernt habe und bei mir einen bleibenden
positiven Eindruck hinterlassen hat, als sehr geeignet.
Abb. 1 gibt vorab einen kleinen Einblick, worum es sich bei der Salutoge-
nese handelt. Der Blickwinkel der Betrachtung stellt den entscheidenden
Unterschied dar: Symptome belasten Menschen mit einer Bürde, machen
ihn träge und mutlos - ganz im Gegenteil zu Ressourcen, die den Betroffe-
nen Mut, Zuversicht und Hoffnung geben oder ganz einfach gesagt
,beflügeln` lassen.
1
Kapstadt-News, 2008: Australien löste 2007 Südafrika als weltweit größten Goldprodu-
zent ab, Beitrag Nr.: 460.

2
Abb. 1: Symptome vs. Ressourcen
2
Mein Anliegen ist es, die Salutogenese mit den Problemen in Südafrika zu
verbinden und aufzuzeigen, dass durch seine Anwendung soziale Proble-
me verbessert bzw. gelöst werden können.
Auf der Suche nach einer passenden Einrichtung stieß ich auf ,Themba
Care` in Athlone, ca. 25 Kilometer außerhalb von Kapstadt in Südafrika. Es
handelt sich dabei um eine Non-Profit-Einrichtung, in der ich für vier
Monate als freiwillige Mitarbeiterin gearbeitet habe um das dort einmalige
Konzept kennenzulernen. Um deren Programm und Auswirkungen besser
zu verdeutlichen, wurde jeweils ein Interview mit der zuständigen Ärztin
und der Sozialarbeiterin durchgeführt, welches im Anhang zu finden ist. Im
Laufe dieser Arbeit werde ich auf dieses Interview verweisen, um bestimm-
te südafrikanische Perspektiven zu verdeutlichen.
Mit dieser Arbeit soll analysiert werden, in wie weit der Salutogenetische
Ansatz in der südafrikanischen Einrichtung zutrifft, auch wenn die Saluto-
genese nicht konkret im Konzept der Einrichtung aufgeführt ist und nicht
bewusst danach gehandelt wird. Die Frage dieser Arbeit lautet deshalb
,,Salutogenetische Aspekte am Beispiel Südafrika", wobei ich im ersten
Abschnitt der Arbeit auf das Modell der Salutogenese und deren Perspekti-
ven eingehe. Der zweite Hauptteil beschäftigt sich mit dem Land Südafrika,
welche landestypischen Schwierigkeiten es dort gibt und welche bestimm-
ten Einstellungen dort vorherrschen. Im späteren Verlauf werde ich auf die
Einrichtung Themba Care zusprechen kommen, nach welchen Kriterien
dort gearbeitet wird und ob die Betrachtungsweisen der Salutogenese dort
zutreffen. Zum Ende der Arbeit werden die Ergebnisse aus Südafrika auf
2
Katiza, Anna, 2007: Symptome vs. Ressourcen.

3
die Situation in Deutschland übertragen und geklärt, ob ein Vergleich
überhaupt sinnvoll ist.
Dem Glauben wird in Südafrika eine besonders starke Bedeutung zuge-
wiesen und kann in das Konzept der Salutogenese mit eingebunden
werden. Ich greife diesen Aspekt in der Arbeit umfassend auf, wobei ich
durch die nahezu ausnahmslos christlich vertretene Glaubensrichtung
lediglich auf die Christliche Religion eingehen werde.

4
2. Definitionen
Um das Konzept der Salutogenese zu verstehen ist es notwendig, die Be-
deutung und Abgrenzung von Gesundheit und Krankheit zu kennen und
darzulegen. Im Folgenden werden verschiedene Definitionen der beiden
Begriffe aufgeführt, die eine Vorstellung der vorherrschenden Ansichten
geben sollen.
2.1 Was ist Gesundheit?
Die weitverbreitetste und umfassendste Definition für Gesundheit ist die der
WHO, die 1946 bei der internationalen Gesundheitskonferenz eine allge-
meingültige Formulierung wie folgt abgegeben hat:
,,ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohl-
ergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen"
3
(WHO 1946)
Der Gesundheitsbegriff umfasst hier nicht nur die biomedizinische (körper-
liche) Ebene, sondern bezieht sich darüber hinaus auf die geistige und
soziale Dimension des Wohlergehens, was die psychosozialen Einflussfak-
toren zur Geltung bringt und eine ganzheitliche Perspektive begründet.
Zudem wird Gesundheit durch ,subjektives Empfinden` dargestellt, was
wiederum bedeutet, dass sie nicht durch den Befund eines professionellen
Experten, z.B. einem Arzt, sondern durch die eigene Wahrnehmung und
das individuelle Gefühl bestimmt wird. Folglich wird die Selbstbestimmung
und Selbstverantwortung in Bezug auf die Gesundheit gekräftigt, welche
die Verdeutlichung von positiven Emotionen wie Freude, Vitalität, Hoffnung
und Zuneigung sowie den Genuss einschließt und gleichzeitig die Vermei-
dung von enthaltsamen Verhaltensvorschriften ausschließt.
4
Kurze Zeit später wurde durch den Autor Karl Jaspers (1967) Kritik laut. Er
äußert sich über die Formulierung der WHO folgendermaßen: ,,Solche
Gesundheit gibt es nicht. Nach diesem Begriff sind in der Tat alle Men-
schen jederzeit und irgendwie krank" (Jaspers 1967: 111).
3
Originaltext: ,,Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not
merely the absence of disease or infirmity"
4
Vgl. Kaluza, Gert, 2011: Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen
Gesundheitsförderung, S. 6.

5
Auch Ilona Kickbusch (1982) macht ihren Unmut über die Utopie dieser
Definition breit: ,,etwas so Unerreichbares führe zu falschen Erwartungen
und negiere bestehende gesellschaftliche Verhältnisse und Ungleichheiten"
(Kickbusch 1982: 267). Zudem greift sie an, dass die Formulierung der
WHO zu zeitlos wäre und nicht darlegt, ,,unter welchen Gesellschaftlichen
Bedingungen ein derart vollkommener Zustand zu erwarten ist" (ebd.: 267).
Darüber hinaus wird der Begriff ,Gesundheit` durch ,Wohlbefinden` ersetzt,
welches einen sehr umfassenden und ungenauen Zustand formuliert, der
eine gewisse Unklarheit ausdrückt.
5
2.2 Was ist Krankheit?
Krankheit wird oft als Gegenteil von Gesundheit formuliert, womit es
professionellen Fachkräften erlaubt wird, einen ,kranken` Menschen in sei-
nen vorigen ,gesunden` Zustand zurückzuhelfen, je nach dem, was durch
die Naturwissenschaft und der Gesellschaft unter dem Begriff Gesundheit
festgelegt wurde. Der Verein für Sozialgeschichte der Medizin erfasst
Krankheit als einen bewertenden Begriff, ,,da mit ihm ein Zustand beschrie-
ben wird, der als unerwünscht und veränderungsbedürftig angesehen wird"
(Verein für Sozialgeschichte der Medizin 2004: 52) und infolgedessen zu
einer weiteren Handlung bzw. Behandlung auffordert.
6
Hans-Ulrich Dall-
mann übernimmt in seinem Aufsatz ,,Das Recht auf Krankheit. Ein Beitrag
zur Kritik der präventiven Vernunft" Rothschuhs Betrachtungsweise, dass
Krankheit immer ,,im Schnittfeld von kranken Menschen, Gesellschaft und
Arzt" gesehen werden muss, da sich dadurch ,,mehrere Beziehungs- und
Bedeutungsebenen ergeben, die sich mit der klassischen Terminologie
weitgehend decken" (Dallmann 2005: 239). Damit ist die unterschiedliche
Betrachtungsweise aus verschiedenen Blickwinkeln bzw. Perspektiven ge-
meint, z.B. stellt Krankheit für den Erkrankten ein subjektives Befinden
nach Hilfe, für den Arzt einen klinischen Befund und für die Gesellschaft
Hilfebedürftigkeit dar.
7
Johannes Siegrist hat diese drei verschiedenen Blickwinkel unter den damit
verbundenen englischen Begriffen in Betracht genommen, mit denen sich
5
Vgl. ebd., S. 7.
6
Vgl. Verein für Sozialgeschichte der Medizin, 2004: Virus. Beiträge zur Sozialgeschichte
der Medizin 4, S. 52.
7
Vgl. Siegrist, Johannes: 2005: Medizinische Soziologie, S. 18.

6
eine Krankheit aus den heterogenen Betrachtungsweisen der Selbstwahr-
nehmung, der professionellen Fremdwahrnehmung und der gesellschaftli-
chen Einordnung prüfen lässt:
x Unter Selbstwahrnehmung wird das eigene individuelle Empfinden
des aktuellen Zustandes verstanden, welches im Deutschen als ,sich
krank fühlen` verstanden wird. Illness beschreibt im Englischen die-
sen Bezug zur Krankheit, wobei dieser Eindruck immer im Kontext
der jeweiligen Kultur und den Wertevorstellungen der Gesellschaft
betrachtet werden muss.
x Die professionelle Fremdwahrnehmung stellt das Bezugssystem der
Medizin, also der biomedizinischen Fachwelt dar und definiert Krank-
heit als ,,Abweichung von objektivierbaren Normen physiologischer
Regulation bzw. organischer Funktion" (Siegrist 2005: 26). Das engli-
sche Wort dafür lautet disease und meint die Krankheit und deren
Symptome als Befunde, im Deutschen ,,als krank definiert sein" (Hur-
relmann 2010: 116) zu übersetzen.
x Das Bezugssystem der Gesellschaft meint in der englischen Sprache
sickness, welches speziell mit dem Sozialversicherungssystem in Be-
zug gebracht wird. Die Ansicht der Krankheit bezieht sich auf die
,,Leistungsminderung bzw. der Notwendigkeit, Hilfe zu gewähren
(Krankschreibung, Versicherungsleistungen, informelle Hilfeleis-
tungen).
8
Hierzulande kann damit der ,,Status des Krankseins" (Hur-
relmann 2010: 116) definiert werden.
Rothschuh formuliert 1975 den Begriff Krankheit folgendermaßen:
,,Krank ist der Mensch, der wegen des Verlustes des abgestimmten
Zusammenwirkens der physischen oder psychischen oder psycho-
physischen Funktionsglieder des Organismus subjektiv (oder ­ und),
klinisch (oder ­ und) sozial hilfsbedürftig wird." (Rothschuh, 1975: 417)
Diese Definition von Krankheit ist einerseits zu eng gefasst, da es auch
kranke Menschen gibt, die durchaus aus eigener Kraft mit ihrer Krankheit
zurechtkommen und somit nicht hilfebedürftig sind. Andererseits umfasst
diese Erklärung nur weitreichende Auswirkungen, da unter ,sozial hilfsbe-
8
Vgl. ebd., S. 26.

7
dürftig" eine Behinderung oder eine Abhängigkeit von anderen Menschen
verstanden werden kann, die ebenfalls nicht zwangsläufig bei Krankheit
vorkommt.

8
3. Modell der Salutogenese
,Salutogenese` ­ ein Neologismus, der seinen Ursprung in den 70ern des
20. Jahrhunderts dem amerikanisch-israelitischen Medizinsoziologen Aaron
Antonovsky (1923 - 1994) zu verdanken hatte und dadurch einen Paradig-
menwechsel in der Wahrnehmung und Behandlungsweise von Krankheiten
auslöste.
9
In seinen beiden Hauptwerken ,,Health, stress and coping. New
perspectives on mental and physical wellbeing" (1979) und ,,Unraveling the
mystery of health. How people manage stress and stay well" (1987) be-
trachtet er, im Gegensatz zu den herkömmlichen Sichtweisen nicht die
krankmachenden, sondern die gesundheitsfördernden Faktoren, also die
Bedingungen, welche die Gesundheit sichern und erhalten. Der Begriff
,,Salutogenese" (lat. ,,salus": Unverletztheit, Heil, Glück; griech. ,,genese":
Entstehung) bedeutet die
>>
Entstehung von Gesundheit
<<
und stellt das
Gegenstück zur ,,Pathogenese" (griech. ,,páthos": Leiden, Sucht"; griech.
,,génesis": Entstehung), der
>>
Entstehung von Krankheit
<<
dar.
10
Die
Salutogenese kam 1970 ursprünglich als Nebenprodukt einer Auswertung
von Frauen über die Anpassungsfähigkeit an die Menopause auf. In dieser
Untersuchung wurde auch eine Ja-Nein-Frage zum Aufenthalt in einem
Konzentrationslager während des Zweiten Weltkrieges gestellt, wodurch
eine Gruppe ermittelt wurde, die sich im Jahre 1939 im Alter zwischen 16
und 25 Jahren in einem Konzentrationslager aufgehalten hatte. Antonovsky
wurde darauf aufmerksam, dass ,,immerhin 29 % jener Frauen, die in
jungen Jahren ein Konzentrationslager überlebt hatten und sich eine neue
Existenz aufbauen mussten, in fortgeschrittenerem Alter dennoch psy-
chisch und physisch einen guten Gesundheitszustand aufwiesen." (Nowak
2011: 78) Dabei war es Antonovsky nicht wichtig, dass der Prozentsatz der
nicht inhaftierten Kontrollgruppe der gesunden Frauen mit 51 % höher war,
sondern das völlig unerwartete Ergebnis, dass trotz unvorstellbarer Qualen
und erschütternder Erlebnisse eindrucksvolle 29 % der Frauen als gesund
galten. Daraufhin vertritt Antonovsky eine prinzipiell neue Art der Be-
trachtung und Interpretation von medizinischen Untersuchungen, ,,die
(damals) größtenteils pathogenetisch orientiert (..) [waren] und (..) [erho-
ben], wie viele Personen aufgrund eines bestimmten ungünstigen Wirkfak-
tors biologischer, sozialer oder psychologischer Art erkranken." (ebd.)
9
Vgl. Kolip, Petra et al., 2010: Gesundheit: Salutogenese und Kohärenzgefühl, S. 11 f.
10
Vgl. Singer, Susanne; Brähler, Elmar, 2007: Die >>Sense of Coherence Scale<<.
Testhandbuch zur Deutschen Version, S. 9.

9
Antonovsky stellte nicht die Ursachen von Krankheit in den Mittelpunkt der
Betrachtung, sondern die Faktoren und Bedingungen, die für die Gesund-
heit förderlich sind und diese erhalten.
11
3.1 Salutogenese versus Pathogenese
Durch die Anwendung des pathogenen-medizinischen Modells in den
letzten 100 Jahren dominieren heute nicht mehr Infektionen und Akuter-
krankungen. Diese häufigen Infektionskrankheiten wurden praktisch
beseitigt und als Folge die Lebenserwartung in der Bevölkerung deutlich er-
höht. Monika Köppel sieht die gegenwärtigen Herausforderungen in allen
Industrieländern und Teilen der dritten Welt in chronischen Krankheiten, die
nicht mehr durch hygienische Missstände, Viren, Bakterien oder Parasiten
verursacht werden. Chronische Krankheiten entstehen durch eine ,,Überbe-
lastung von physischen, psychischen und sozialen Anpassungs- und
Regelungskapazitäten und sind auf eine Vielzahl biologischer, sozialer,
ökonomischer und somatischer Faktoren zurückzuführen" (Köppel 2003:
25), so z.B. Herz-Kreislauf Erkrankungen, bösartige Neubildungen, Atem-
wegs-/ Hauterkrankungen und Erkrankungen des Muskel-/ Skelettsystems.
Da diese chronischen Erkrankungen größtenteils auf mehrere Ursachen
zurückzuführen sind und meistens frühzeitig im Leben eines Menschen
auftreten, ist das pathologische Konzept der Behandlung kaum noch
ausreichend. Die mehrdimensionalen Ursachen und die Veränderungen
der Erkrankungen in den vergangenen Jahrzehnten stellen neue Ansprü-
che an die Behandlung, in welche mitunter auch andere Professionen mit
einbezogen werden müssen. In den Vordergrund rückt dabei immer mehr
eine Intervention nach dem Prinzip der Salutogenese.
12
3.2 Kohärenzgefühl
Unter dem Kohärenzgefühl (Sense of Coherence; SOC) versteht Anto-
novsky im Wesentlichen
11
Vgl. Nowak, Rosa C., 2011: Transaktionsanalyse und Salutogenese. Der Einfluss trans-
aktionsanalytischer Bildung auf Wohlbefinden und emotionale Lebensqualität, S. 78.
12
Vgl. Köppel, Monika, 2003: Salutogenese und Soziale Arbeit, S. 25.

10
,,eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein
durchdringendes Gefühl des Vertrauens hat, daß erstens die Anforderun-
gen aus der internalen oder externalen Umwelt im Verlauf des Lebens
strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind, und daß zweitens die Res-
sourcen verfügbar sind, die nötig sind, um den Anforderungen gerecht zu
werden. Und drittens, daß diese Anforderungen Herausforderungen sind,
die Investitionen und Engagement verdienen." (Antonovsky 1993: 12)
Vereinfacht kann das Kohärenzgefühl als ,,eine globale Orientierung
[verstanden werden], die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durch-
dringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrau-
ens hat, dass
x die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und
äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar
sind;
x einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderun-
gen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen;
x diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengungen
und Engagement lohnen." (Antonovsky, 1997: 36)
Das Kohärenzgefühl wird hauptsächlich, so Antonovsky, in seinen wesent-
lichen Zügen in den ersten zehn Lebensjahren, also im Kinder- und
Jugendalter entwickelt und bleibt dann weitgehend unverändert.
13
Anto-
novsky geht zudem davon aus, dass das Kohärenzgefühl im Alter von 30
Jahren voll ausgebildet ist und es nach diesem Zeitraum nur geringe
Möglichkeiten gibt, eine grundlegende Veränderung herbeizuführen.
14
Eine
Veränderung kann sich somit nur ,,aus der Anregung eines neuen Musters,
eines neuen Konzeptes der Lebenserfahrung [ergeben]. Wenn dieses
Muster über Jahre hinweg beibehalten wird, kann sich (..) eine graduelle
Veränderung des Kohärenzgefühls ergeben" (Lamprecht/Johnen 1997: 24).
Die Hauptkomponenten des Kohärenzgefühls sind das Ergebnis mehrerer
unstrukturierter Tiefeninterviews mit der Leitfrage, wie die Probanden selbst
ihr Leben sehen. Die Interviews wurden an 51 sehr unterschiedlichen
Personen durchgeführt, die allesamt zwei gemeinsame Charakteristika
aufwiesen: zum einen erlebte jeder ein schweres Trauma und kamen zum
13
Vgl. Lamprecht, Friedhelm; Johnen, Rolf, 1997: Salutogenese. Ein neues Konzept in der
Psycho-somatik?, S. 24.
14
Vgl. Bäumer, Rolf; Maiwald, Andrea, 2008: Thiemes Onkologische Pflege, S. 20.

11
anderen sehr gut damit zurecht. Als Ergebnis fielen zwei Extremgruppen
mit einem sehr hohen Kohärenzgefühl (16 Personen) und einem sehr
niedrigen Kohärenzgefühl (11
Personen) auf. Antonovsky prüfte die
Protokolle der Interviews und fand drei zentrale Komponenten, die ,,konsis-
tent in der einen Gruppe zu finden waren, und die in der anderen merklich
fehlten." (Antonovsky 1997: 34) Diese Salutogenetischer Trias (siehe Abb.
2) setzt sich zusammen aus Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeut-
samkeit.
15
Abb. 2: Salutogenetischer Trias
16
3.2.1 Verstehbarkeit (Sense of Comprehensibility)
Antonovsky drückt das Merkmal Verstehbarkeit als ,,expliziten Kern der
ursprünglichen Definition" (Antonovsky 1997: 34) aus und meint das
Ausmaß, in dem Informationen als kognitiv sinnhaft, geordnet, konsistent,
strukturiert und klar wahrgenommen werden und nicht als chaotisch,
ungeordnet, willkürlich, zufällig und unerklärlich. So kommentiert er zudem,
dass Personen mit einem hohen Grad an Verstehbarkeit die Zukunft als
vorhersagbar, oder falls sie tatsächlich überraschend auftritt, als eingeord-
net und erklärt wahrnehmen. Dabei ist jedoch nicht von der Erwünschtheit
des Ereignisses die Rede, sondern lediglich, dass z.B. Tod, Krieg oder
Versagen von der Person erklärt werden kann.
17
Pauls fügt hinzu, dass es
15
Vgl. Antonovsky, Aaron; Franke Alexa (Hrsg.), 1997: Salutogenese. Zur Entmystifizierung
der Gesundheit, S. 34.
16
Pauls, Helmut, 2011: Klinische Sozialarbeit. Grundlage und Methoden psycho-sozialer
Behandlung, S. 107.
17
Vgl. Pauls, Helmut, 2011: Klinische Sozialarbeit. Grundlage und Methoden psycho-
sozialer Behandlung, S. 107.

12
,,hier um kognitive Verarbeitungsmuster, Theoriewissen [und] Weltbilder"
(Pauls 2011: 105) geht. Die Grundlage zum Aufbau der Verstehbarkeit sind
dabei konsistente Erfahrungen, die ein Ausmaß an psychologischer
Offenheit für Veränderungen verlangen. Es ist demzufolge unerlässlich,
dass ein emotionaler und kognitiver Lebenswandel angenommen wird.
Diese Lebensveränderungen können z.B. durch Altern, Heirat, Geburt,
Auszug der Kinder, Trennung, Beruf, Erkrankung, Schicksalsschläge und
Pensionierung hervorgerufen werden.
18
3.2.2 Handhabbarkeit (Sense of Manageability)
Entscheidend bei der Handhabbarkeit oder auch Beherrschbarkeit sind die
verfügbaren und wahrgenommenen Ressourcen, wie eigene und soziale
Unterstützungsfaktoren, materielle Ressoucen oder gute Arbeits-
strukturen.
19
,Zur Verfügung` stehen laut Antonovsky ,,Ressourcen, die man
selbst unter Kontrolle hat oder solche, die von legitimierten anderen
kontrolliert werden ­ vom Ehepartner, von Freunden, Kollegen, Gott, der
Geschichte, vom Parteiführer oder einem Arzt ­ von jemanden, auf den
man zählen kann, jemanden dem man vertraut" (Antonovsky 1997: 35).
Eine Basis der Handhabbarkeit bildet eine gute Belastungsbalance, die es
einer Person nicht erlaubt, sich durch Ereignisse in der Opferrolle gedrängt
zu sehen oder sich vom Leben ungerecht behandelt zu fühlen.
20
3.2.3 Bedeutsamkeit (Sense of Meaningfulness)
Die Bedeutsamkeits- oder auch Sinnkomponente bezieht sich auf das
Ausmaß, in dem das Leben emotional als sinnvoll wahrgenommen wird.
Die Basis hierfür bilden die ,Partizipation an der Gestaltung der
Handlungsergebnisse` sowie eine religiöse, spirituelle und lebens-
philosophische Orientierung. Unter der ,Partizipation an der Gestaltung der
Handlungsergebnisse` versteht Antonovsky (1997) die beabsichtigte
Eigenentscheidung und das bewusste Wollen von Handlungen und
Entscheidungen. So kann man fragen, ,,ob wir mitentschieden haben, ob
wir diese Erfahrung machen wollen, nach welchen Spielregeln sie verlaufen
soll und wie die Probleme und Aufgaben gelöst werden sollen, die aus ihr
18
Vgl. ebd., S. 105.
19
Vgl. ebd., S.106.
20
Vgl. Antonovsky, Aaron; Franke Alexa (Hrsg.), 1997: Salutogenese. Zur Entmystifizierung
der Gesundheit, S. 35.

13
erwachsen." (Antonovsky 1997: 93) Darüber hinaus müssen Menschen den
ihnen gestellten Aufgaben beistimmten und die ihnen bedeutende
Verantwortung für ihre Handlung gegeben werden, welche sich auf das
Ergebnis auswirkt. Um zu vermeiden, dass man auf ein Objekt reduziert
wird, dürfen nicht andere Menschen für uns entscheiden, Aufgaben stellen,
Regeln formulieren oder Ergebnisse managen, sondern wir müssen unsere
Angelegenheiten selbst regeln, da im Falle der Gleichgültigkeit die Gefahr
darin besteht, die Welt als bedeutungslos zu erleben. Diese Dimension
besteht im familiären und sozialen Umfeld, unter welchem ,,somit nicht nur
die weitgehend autonome Person, sondern auch das loyale Parteimitglied,
der religiöse Gläubige, der Kollege in der Arbeitsgruppe und das Kind in
der gesunden Familie" (Antonovsky 1997: 94) zu verstehen sind.
Antonovsky weist besonders darauf hin, dass es sich hierbei nicht um
,Kontrolle`, sondern ,Partizipation an Entscheidungsprozessen` handelt.
21
Eine kausale Beziehung zwischen der Bedeutsamkeitskomponente und der
Partizipation an der Gestaltung der Handlungsereignisse wirkt sich folglich
so aus, dass das Erleben der Bedeutsamkeit gefördert wird, wenn das
Individuum an Entscheidungsprozessen beteiligt ist. Dieser Prozess kann
allerdings nur unter der Voraussetzung der sozialen Anerkennung wirksam
werden. Dieses Dilema wird am Beispiel der Tätigkeit von Hausfrauen
deutlich. Hausfrauen partizipieren zwar einerseits an Entscheidungs-
prozessen, finden aber andererseits in einer auf Arbeit ausgerichteten
Gesellschaft nur sehr wenig soziale Anerkennung.
22
3.3 Bio-psycho-soziales Modell
Der Einfluss der Salutogenese ist besonders am weit verbreiteten Konzept
des Bio-psycho-sozialen Modells zu erkennen. ,,Antonovskys Überlegungen
wurden zweifellos von soziologischen, biologischen und psychologischen
Konzepten für die Erklärung menschlicher Entwicklung und menschlichen
Verhaltens beeinflusst", so bringen es Dr. Jörg Schulz von der Humboldt-
Universität zu Berlin und Dr. Ulrich Wiesmann (Universität Greifswald) in
ihrem Artikel ,,Zur Salutogenetischen Denkweise bei der Betrachtung des
Menschen" in der Zeitschrift ,,Salutogenese - Der Mensch als biopsychoso-
21
Vgl. Antonovsky, Aaron; Franke, Alexa (Hrsg.), 1997: Salutogenese. Zur
Entmystifizierung der Gesundheit, S. 93 f.
22
Vgl. Felbinger, Andrea, 2010: Kohärenzorientierte Lernkultur. Ein Modell für die
Erwachsenen-bildung, S. 113.

14
ziale Einheit" auf den Punkt. Antonovsky selbst wies 1979 bereits auf die
Notwendigkeit der biopsychosozialen Betrachtung hin, bei dem der Subjek-
tivität des Entwicklungsprozesses besondere Beachtung geschenkt werden
müsse.
23
Die Zeitschrift ,,Der Mensch" ist das erste Magazin für Salutoge-
nese und wird vom Dachverband für
Salutogenese herausgegeben.
Thomas Lichte und Markus Hermann gehen in ihrem Artikel ,,Mehr Saluto-
genese in der Lehre ­ Förderung der ressourcenorientierten Sichtweise bei
Studierenden", der im Jahr 2007 veröffentlicht wurde, auf das Bio-psycho-
soziale Modell in Bezug auf die Salutogenese ein. Das genannte Modell
nach G. Engels fordert eine Betrachtung aus den drei unterschiedlichen
Professionen der Biologie, Psyche und der sozialen Situation, welche unter
anderem Sozialarbeiter wahrnehmen. In der Medizin geht das Bio-psycho-
soziale Modell mit dem nachfolgend dargestellten ,,SOAP-Schema" einher
und gestaltet systematisch einen Patient-Arzt-Kontakt.
24
Subjektiv
Æ Beschwerden der Patienten
Objektiv
Æ Befunde der körperlichen Untersuchung
Analyse
Æ Gespräch mit Patienten über Befunde und Verlauf
Plan
Æ Planung und Behandlung zusammen mit dem Patienten,
Salutogenetische Aspekte und die Verwendung der Ressour-
cen des Betroffenen wie z.B. Erfahrungen, Sozialisation, fa-
miliäre Unterstützung
3.4 Soziale Arbeit im Salutogenetischen Ansatz
Die Soziale Arbeit ist neben den wesentlichen Bereichen der Kinder- und
Jugendhilfe, der sozialen Hilfe und der Altenhilfe ebenso in der Gesund-
heitsförderung mit ca. 25 % aller Sozialarbeiter stark etabliert. Eine beson-
dere Bedeutung im Gesundheitssektor wurde der Sozialen Arbeit durch die
Ottawa-Charta
25
der WHO von 1986 zugeschrieben, in der die Gesund-
heitshilfe in einer engen Wechselbeziehung zur Einzelfallhilfe, zur sozialen
23
Vgl. Schulz, Jörg; Wiesmann, Ulrich, 2007: Zur Salutogenetischen Denkweise bei der
Betrach-tung des Menschen. Salutogenese - Der Mensch als biopsychosoziale Einheit, 1/
2007.
24
Vgl. Lichte, Thomas; Hermann, Markus, 2007: Mehr Salutogenese in der Lehre.
Förderung der ressourcenorientierten Sichtweise bei Studenten, 38-1/2007.
25
Ottawa-Charta:
ein Dokument zur Gesundheitsförderung, das am 21. November 1986 im
kanadischen Ottawa zum Abschluss der ersten internationalen Konferenz zur Gesund-
heitsförderung von der WHO veröffentlicht wurde.

15
Gruppenhilfe und zur Gemeinwesenarbeit steht.
26
Zudem wurde die
Gesundheitsförderung als gesellschaftliche Aufgabe festgelegt, die ,,allen
Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit
ermöglicht und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit befähigt" (WHO
1987). Dabei deckt sich der in der Sozialen Arbeit übliche lebensweltorien-
tierte Ansatz mit dem salutogenen Ansatz und kann nahezu vollständig
übertragen werden. Köppel verweist dabei auf die dreifache Hinsicht der
Sozialen Arbeit im Gesundheitssektor, die in Anlehnung an Homfeldt
(2002)
x als traditionelles Feld von Sozialarbeit im Gesundheitswesen,
x als Mitwirkungsmöglichkeit von Sozialarbeitern bei der Gesundheits-
förderung in außerpädagogischen Feldern und
x als gesundheitsfördernde Tätigkeit von Sozialarbeitern in den Feldern
der Sozialen Arbeit
aufteilt werden kann.
Soziale Arbeit hat sich in den letzten fünfzehn Jahren als klinische Sozial-
arbeit im Gesundheitssektor auf die Automatisierung und Wiederintegration
von Klienten spezialisiert. Drei sehr bedeutende Konzepte in der Behand-
lung durch den Sozialarbeiter sind die Personenzentrierte Beratung, das
Empowerment und das Case Management.
27
3.4.1 Personenzentrierte Beratung
Die Personenzentrierte Beratung wird als eine der einflussreichsten Metho-
den in der Humanistischen Psychologie gesehen.
28
Ulrich Völker (1980)
erfasst darunter folgendes:
,,In unserer heutigen Gesellschaft, die aus humanistischer Sicht durch eine
tiefgreifende Kulturkrise (Entfremdung des Menschen von der Natur, von
seiner Arbeit, seinen Mitmenschen und sich selbst, Verlust traditioneller
Werte, Gefühl der Sinnlosigkeit trotz materiellen Wohlstands,
26
Vgl. Köppel, Monika, 2003: Salutogenese und Soziale Arbeit, S. 30.
27
Vgl. Homfeldt, Hans G., 2012: Soziale Arbeit im Gesundheitswesen und in der Gesund-
heitsförderung, S. 493 f.
28
Vgl. Sander, Klaus; Ziebertz, Thorsten, 2010: Personenzentrierte Beratung. Ein Lehrbuch
für Praxis und Ausbildung, S. 61.

16
Identitätsgefährdung vieler Menschen, psychosoziale Probleme usw.)
gekennzeichnet ist, will die Humanistische Psychologie sich an der
Aufgabe beteiligen, neue Antworten auf die Frage nach dem Sinn und der
Darseinserfüllung des menschlichen Lebens in einer technologisch
bestimmten Umwelt zu suchen." (Völker 1980: 14)
Viktor E. Frankl prägt den Begriff der Logotherapie, welches zum einen den
Sinn und zum anderen das Geistige oder die Heilung meint, also eine
Heilung durch Sinn. Unter der Logotherapie wird eine psychotherapeuti-
sche Behandlungsmethode verstanden, die als therapeutische Ausgestal-
tung ihren Ursprung in der Existenzanalyse findet. Bei den beiden Begriffen
handelt es sich um dieselbe Theorie, wobei Existenzanalyse die zugehöri-
ge anthropologische
29
Forschungsrichtung meint.
30
Das Ziel dieser Logo-
therapie ist es, dem Klienten durch Erziehung zur Verantwortung eine Hilfe
zur Bewältigung von Sinnkrisen zu bieten, die dem Ratsuchenden dazu
verhilft, sein Leben sinnvoll zu gestalten. Dabei sieht Frankl das Leid des
Menschen an der Frustration seiner Bedürfnisse nach Sinn und nicht wie
Sigmund Freud die Ansicht nach der Frustration der sexuellen Bedürfnisse
oder Alfred Adler das Verlangen nach Macht vertreten. Frankl sieht die
Frage nach dem Sinn früher oder später immer mit dem Thema Gott
verbunden, weshalb diese Therapieform offen für Religion ist und versucht,
den göttlichen Funken immer wieder neu anzufachen, um Leid vermindern
und Krisen bewältigen zu können.
31
Durch eine drei- bis vierjährige berufs-
begleitende Zusatzausbildung sollen vor allem Sozialarbeiter, Ärzte,
Pädagogen, Pfarrer und Psychologen Erkenntnisse der Logotherapie näher
gebracht werden um den Fachleuten die Gelegenheit zu geben, ihre
berufliche Tätigkeit zu verbessern, aber auch um eine persönliche Weiter-
bildung zu vermitteln, um mit sich selbst und mit anderen besser umgehen
zu lernen.
32
Die s.g. ,Encounter-Gruppen` (engl.: Begegnungs-Gruppen) stammen
ebenfalls von Viktor Frankl. Ziel dieser Gruppen ist es, das Verständnis für
Gruppeninteraktionen zu fördern, den Klienten dabei zu helfen, Sensitivität
29
Anthropologie beschäftigt sich mit der Wissenschaft vom Menschen. Es sind zahlreiche
unterschiedliche Fachrichtungen vorhanden, z.B. Sozialanthropologie (Wissenschaft vom
Menschen in der Gemeinschaft), Philosophische Anthropologie (Das Wesen des Men-
schen) und Theologische Anthropologie (Bestimmung des Menschen vor Gott).
30
Frankl, Viktor E., 2010: Logotherapie und Existenzanalyse. Texte aus sechs Jahrzehnten,
S. 57 f.
31
Vgl. Hahn, Udo, 1994: Sinn suchen ­ Sinn finden. Was ist Logotherapie?, S. 7 f.
32
Vgl. ebd., S. 56.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863419080
ISBN (Paperback)
9783863414085
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Glaube Symptom Kohärenzgefühl bio-psycho-soziales Modell Gesundheitserleben salutogenetisch

Autor

Daniela Brieschenk, B.A., wurde 1986 in Augsburg geboren. Ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt schloss die Autorin im Jahre 20012 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab. Vor und während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen im sozialen Bereich, unter anderem in der Schulsozialarbeit und in der Kinderheim-Arbeit. Fasziniert vom ersten Auslandspraktikum in Kapstadt verbrachte die Autorin insgesamt mehr als ein Jahr in drei verschiedenen sozialen Einrichtungen in Südafrika, um die sozialen Besonderheiten und den Umgang der Bevölkerung des Landes mit diesen kennenzulernen. Neben ihrer Tätigkeit in einem Kinderheim und einer Vor-Adoptions-Auffangstelle für Babys in Südafrika motivierten sie besonders der Aufenthalt und ihre Mitarbeit bei 'Themba Care', einem pädiatrischen 'Genesungs-Krankenhaus' in Südafrika, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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Titel: Einflüsse von sozialen Faktoren auf die Genesung: Analyse anhand einer Studie in einem Kinderheim in Südafrika
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