Lade Inhalt...

Interkulturelle Kompetenz: Wohin führt dieser Begriff?

©2012 Bachelorarbeit 28 Seiten

Zusammenfassung

Die Interkulturelle Kompetenz sei eine notwendige Kompetenz für LehrerIn, um dem Anspruch der Bildung gerecht zu werden, allen Menschen, egal welcher Geburt oder Herkunft, den Zugang zu Bildung und Bildungsinstitutionen ermöglichen zu können. Dem Autor stellte sich die Frage, was unter interkulturellen Kompetenzen zu verstehen sei. Beim Versuch, eine Antwort darauf zu finden, wurde die Unschärfe des Begriffes erkannt. In diesem Buch wird kurz der historische Wandel des Begriffes dargestellt, auf die Begriffe Kompetenz und Kultur eingegangen und ein kritischer Blick auf den Begriff 'Interkulturelle Kompetenz' geworfen. Es wird überprüft, ob Interkulturelle Kompetenz der pädagogischen Intention, den Menschen in seiner Fähigkeit der Selbstbestimmung zu fördern bzw. ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, gerecht wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Einleitung

Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern. “ (unbekannt)

Dieser Satz soll zeigen, dass wir in einer Welt der Veränderung leben. Die Welt rückt in Folge der Globalisierung zusammen und damit auch verschiedene Kulturen. Im Zuge dieser Veränderung entwickelten sich neue Disziplinen in der Pädagogik. Es war die interkulturelle Kompetenz geboren. Welche Entwicklung hat der Begriff „Interkulturelle Kompetenz“ genommen?

Im Laufe meines Studiums an Universität Wien habe ich mich mit dem Thema der Interkulturellen Pädagogik befasst. Ich stellte mir zuerst die Frage, was für Kompetenzen als LehrerIn notwendig sind, um dem Anspruch der Bildung gerecht zu werden, allen Menschen, egal welcher Geburt oder Herkunft, den Zugang zu Bildung und Bildungsinstitutionen ermöglichen zu können. Eine Literaturrecherche machte mich auf den Begriff „interkulturelle Kompetenz“ aufmerksam. Nun stellte sich mir die Frage, was unter interkulturellen Kompetenzen zu verstehen sei. Beim Versuch, eine Antwort darauf zu finden, erkannte ich die Unschärfe des Begriffes. In dieser Arbeit möchte ich den historischen Wandel des Begriffes darstellen, auf die Begriffe Kompetenz und Kultur eingehen und einen kritischen Blick auf den Begriff „Interkulturelle Kompetenz“ werfen. Dafür wählte ich die Literaturrecherche, in der Sammelwerke, Zeitschriften und Monografien herangezogen wurden.

Des Weiteren wird überprüft, ob Interkulturelle Kompetenz der pädagogischen Intention, den Menschen in seiner Fähigkeit der Selbstbestimmung zu fördern bzw. ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, gerecht wird.

2 Forschungsleitende Fragen

Folgende Forschungsfragen waren leitend:

Was sind die Grundlagen und Grundannahmen Interkultureller Kompetenz?

Welche Konsequenzen haben Ansätze Interkultureller Kompetenz?

Welche blinden Flecken haben Ansätze Interkultureller Kompetenz?

In der Auseinandersetzung orientiere ich mich an der Fähigkeit zur Selbstbestimmung, als pädagogisches Ziel ein selbstbestimmtes Leben führen zu können und überprüfe, ob Interkulturelle Kompetenz per Definition dieses Ziel erfüllen möchte. Dies wird mittels der hermeneutischen Methode, der komparativen Interpretation, ausgearbeitet.

Diese Fragen umfassend zu beantworten ist hier nicht möglich, so möchte ich einen kurzen Überblick ermöglichen, um einen Einblick in die Vielfalt von Ansätzen zu geben.

3 Historischer Verlauf

Obwohl in der 60er Jahren bekannt war, dass infolge von Anwerbungen von Arbeitskräften mit der Möglichkeit des Familiennachzugs, eine neue Generation ausländischer Schülerinnen und Schüler in die Schulen kamen. Haben die Teildisziplinen in der Allgemeinen Pädagogik, der Schulpädagogik oder der Sozialpädagogik nicht darüber nachgedacht, welche Folgen die Arbeitsmigration für die Schule und die Bildung haben wird. (Vgl.: Gogolin, 2006, S.103) Die Diskussion läuft immer noch auf der Perspektive der Dichotomie, es gebe ein „eigen“ und ein „fremd“, erst in den 90er Jahren wurden diese zwei Pole aufgelöst diskutiert. (Vgl.: ebd., S.103)

In den Anfängen der interkulturellen Pädagogik, in den 60er Jahren noch Ausländerpädagogik, befassten sich die Beiträge mit Problemen aus der täglichen Praxis in den Klassenräumen und der Überforderung der Lehrer. Das damals scheinbar erkannte Problem waren die kulturelle Fremdheit, und dies besonders bei türkischen Migranten, obwohl sie zu dieser Zeit nicht die größte Migrantengruppe stellte. (Vgl.: ebd., S.103) Das Ziel war wieder einmal, sowie zur Kolonialzeit, die Assimilierung der Ausländer. Das Fremde muss zu einem Eigenen werden oder das Fremde soll fremd bleiben um seinen Zugang zur eigenen Kultur nicht zu verlieren und somit die Rückkehr in das eigene Land zu erleichtern.

Anfang der 70er Jahre befasste sich die Erziehungswissenschaft immer mehr mit sprachlich-kultureller, ethnischer und nationaler Heterogenität. In Publikationen, Zeitschriften, Newsletter und speziellen Bibliographien waren diese Themen mehr veröffentlicht. Ende der 70 Jahre wurden Zusatzstudiengänge eingerichtet um institutionell die Aktivitäten in Forschung und Lehre abzusichern. Seit diesem Zeitpunkt kann von Interkultureller Pädagogik gesprochen werden. (Vgl.: ebd., S.104)

Der historische Verlauf des Wortes „interkulturell“ beginnt in Verbindung mit Bildung, Erziehung und Pädagogik in der 80er Jahren. Seither gibt es diesen Begriff, als Schlüsselbegriff um Fragen zum Thema Migration und Bildung zu thematisieren. Seit der 90er Jahren gibt es die Fachdisziplin, „Interkulturelle Pädagogik, die sich mit Konsequenzen, die sich aus migrationsgesellschaftlichen Differenzverhältnissen für Erziehung und Bildung ergeben, beschäftigt. (Vgl.: Mecheril, 2010a, S.18)

Interkulturelle Pädagogik hat sich aus der Ausländerpädagogik entwickelt, Es gibt unterschiedliche Traditionen von Forschung und Wissenschaft zur pädagogischen Frage von Migration und Bildung (Vgl.: Mecheril, 2010b, S.54). Ein paar Forschungsansätze möchte ich hier darstellen.

3.1 Migrationsgesellschaftliche Differenz als interkulturelle Differenz

Nicht als Reaktion auf – vermeintlich - gegebene Homogenität, sondern erst in der Bearbeitung von Differenz und Heterogenität haben sich neue pädagogische Handlungsfelder entwickelt. Ziel ist die Nivellierung der Unterschiede, auch von kulturellen Differenzen. Dies ist der primäre Arbeitsmodus Sozialer Arbeit. Die Entwicklungsgeschichte der Sozialen Arbeit zeigt eine Einteilung zwischen „eigene“ und „fremde“ Arme. (Vgl. Mecherli, 2010, S.54f.)

Beim Wechsel von der Ausländerpädagogik zur Interkulturellen Pädagogik ist keine genaue historisch abgrenzbare Phase gegeben. Es ist eher eine Reaktion auf migrationsgesellschaftliche Pluralität. Diese Begriffe umfassen als Bezeichnung für Prinzipien einer Vielzahl von Handlungsansätzen und theoretischen Referenzen. (Vgl.: Mecheril, 2010a, S.60)

Die Paradigmen des Begriffes werden in folgender Abbildung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Pragmatische Ansätze (Mecheril, 2010b, S.61)

In dieser Tabelle sind die beiden verschiedenen Paradigmen erkennbar und zeigen die unterschiedlichen Perspektiven auf. Die Bezeichnung interkulturell muss nicht immer heißen, dass nach interkulturelle Prinzipien gehandelt wird. Es kann mitunter sein, dass zum Beispiel interkulturelles Lernen der Ausländerpädagogik zuzuschreiben ist. (Mecheril, 2010a, S.61) Diese Unschärfe des Begriffes könnte zu Fehlinterpretationen oder Missverständnissen in der interkulturellen Kompetenz führen. Diese wird im Kapitel 9 näher erklärt.

4 .Der Kompetenzbegriff

Die Auseinandersetzung um den Kompetenzbegriff ist so komplex und heterogen, dass ein angemessener Überblick die Möglichkeiten dieses Abschnitts sprengt. So wird in diesem Kapitel nur ein Einblick in unterschiedliche Definitionen und die Schwierigkeit gegeben, den Begriff „Kompetenzen“ verbindlich zu präzisieren. Unbeachtet bleiben hier natürlich das Verständnis und die Verwendung des Begriffs außerhalb des pädagogischen Bereichs (Kompetenz etwa im Sinne von politischer oder administrativer Zuständigkeit).

Kompetenzen können verstanden werden als Fähigkeiten oder Tätigkeiten, mit einer bestimmten Situation umzugehen. Woher kommt dieser Begriff? Warum sprechen wir dann nicht von Fähigkeiten und verwenden ein anderes Wort?

Unter Kompetenzen werden alle Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden verstanden, die ein Mensch in seinem Leben erwirbt und betätigt.“ (Weinberg, 1996, S.3)

Nach dieser Definition sind Kompetenzen eine Summe von unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die in einem Leben erworben wurden. Die Fähigkeiten stehen in einem Zusammenhang mit Wissen und Denkmethoden. Diese so verstandenen Kompetenzen werden im Laufe eines Lebens erworben und angewendet. Anders wäre die Definition von Mecheril (2010a, S.15) zu verstehen, wonach Kompetenzen zu einem besseren Handlungsvermögen und der Bestärkung spezifischer Handlungsvermögen dienen. Hier geht es wie im ersten Begriff um das Anwenden, um die Handlung selbst. Wofür „besser“ steht ist in dieser Definition nicht geklärt, der Bereich, in der das Handlungsvermögen bestärkt wird ist, nicht erkennbar. Synonyme für Kompetenzen werden im Rahmen internationaler Vergleichsstudien wie etwa PISA und der Einführung nationaler Bildungsstandards politisch und wissenschaftlich diskutiert. Genannt werden Fähigkeiten und Fertigkeiten, die durch Herausforderungen des Lebens erlernt werden. Angeborene Persönlichkeitsmerkmale bis hin zu erworbenem umfangreichen Wissensbesitz, von fächerübergreifenden Schlüsselqualifikationen bis hin zu fachbezogenen Fertigkeiten. (Klieme, 2007, S.72) Diese Definition deckt sich zum Teil mit der Definition von Weinberg, die auch auf Fähigkeiten abzielt. Der Wissensbesitz ist mit Wissensbeständen vergleichbar. Anders ist es mit dem letzten Begriff, hier verwendet Klieme den Ausdruck Schlüsselqualifikationen. Weinberg bezieht sich aber auf Denkmethoden. Jene Definition von Kompetenzen, auf die in Deutschland am meisten Bezug genommen wird, ist die Definition von Weinert, die er 2001 erstmals vorgelegt hat:

Dabei versteht man unter Kompetenzen die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlebbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert, 2002, S.27f.) Kompetenz ist somit als eine Disposition zu verstehen, die in den jeweiligen Leistungen zum Ausdruck kommt. Sie beschränkt sich nicht nur auf den kognitiven Bereich, sondern schließt auch in variablen Situationen die Handlungsfähigkeiten mit ein.

Bei der Beschreibung von Kompetenzen und vor allem bei Versuchen ihrer Operationalisierung stehen hauptsächlich kognitive Merkmale (fachbezogenes Gedächtnis, umfangreiches Wissen, automatisierte Fertigkeiten) im Vordergrund. Jedoch gehören ausdrücklich auch motivationale und handlungsbezogene Merkmale zum Kompetenzbegriff.“ (Klieme, 2007, S.72)

Beide beziehen sich auf Handlungen. Nun stellt sich die weitere Frage, wofür sollen diese Handlungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten dienen? In der Begriffsdefinition kommt das Lösen bestimmter Probleme vor. Von welchen Problemen wird hier gesprochen? Dafür ist eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „nterkulturell“ und daher auch dem Kulturbegriff erforderlich.

5 .Kultur

Bis heute ist die Vorstellung vieler, dass eine enge Bindung zwischen Kultur und Nation vorherrscht, wie dies etwa auch in der deutschen Diskussion um die sogenannte „Leitkultur“ deutlich wird (Vgl.:, Gogolin, 2006, S.115) Vertreter der Interkulturellen Pädagogik untersuchen, welche Differenzierung von pädagogischen Begriffen erforderlich ist, damit sie in der kulturellen und sprachlich heterogenen gesellschaftlichen Situation allgemeine Gültigkeit beanspruchen können. Hier dient Kultur als Orientierungs- und Deutungsmatrix für die Mitglieder der Gesellschaft „ Sie fungiert als Geflecht von Bedeutungen, in denen die Menschen ihre Erfahrungen interpretieren und nach denen sie ihr Handeln ausrichten. “(Geertz, 1983, S.99)

Kultur wird dabei nicht als statisch, sondern als dynamisch beschrieben; nicht als homogen, sondern als heterogen. Offen ist hier allerdings, wie es zu einem Kulturwandel kommt und warum manchen Bedeutungen mehr Wert und Wichtigkeit, als bei anderen zugerechnet wird. (Vgl.: Gogolin, 2006, S.119)

Kulturbegriff fehlt!!!

Kultur ist im weitesten ethnographischen Sinne jener Inbegriff von Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Sitte und allen übrigen Fähigkeiten und Gewohnheiten, welche der Mensch als Glied der Gesellschaft sich angeeignet hat.“ (Hansen, 2011, S.29)

Der Untersuchungsgegenstand entsteht nicht mehr aus sich heraus, es wird nicht über oder für Andere gesprochen, sondern durch einen Interaktionsprozess entsteht ein Bild des Anderen. (Vgl.: Olbers, 2009, S.10)

5.1 Unterschiedliche kulturelle Ansätze

Im kulturanthropologischen Ansatz ist eine Überschreitung einer Staatsgrenze keine Voraussetzung für Begegnung, sondern sie findet in sozial, ethnisch, sprachlich pluralen Gesellschaften überall statt.

Das normative Anliegen der Pädagogik ist es, solche Begegnungen zum Nutzen aller Mitglieder der Gesellschaft gerecht und friedvoll zu gestalten.“(Gogolin, 2006, S.120)

Diese Art von Pädagogik ist auch bekannt als transkulturelle Pädagogik. Sie geht von handlungsleitenden Sätzen aus, die für alle Mitglieder der Weltgesellschaft Gültigkeit beanspruchen. Pädagogisches Handeln zielt auf die Bildung des Individuums zu Autonomie, Autarkie und Vernunft. Denn diese sei die universelle Grundlage der Fähigkeit zu verantwortlichem gesellschaftlichen Handeln (Vgl.: Gogolin, 2006, S.120) und tragen dazu bei, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Diese Perspektive ist von einem Leitbild geprägt, einem allgemeinen Menschenbild, dem die Anerkennung des Anderen selbstverständlich ist:

Für die Pädagogik gibt es weder Ausländer noch Inländer, für sie gibt es nur Menschen “ (Borrelli, 1986, S.24)

Somit ist Kultur ein normatives Konstrukt und Gewölbe, das den Menschen umhüllt. Kultur in diesem Sinne meint, dass es einen angenommenen Konsens gibt in den Grundlagen und Normen des Zusammenlebens existieren. (Vgl.: Gogolin, 2006, S.120)

Interkulturalität betont zumeist den Aspekt der Differenzen und stellt das Bemühen um das Verstehen des Fremden und des Anderen in den Mittelpunkt. Transkulturalität betont den Aspekt des Gemeinsamen und sucht nach Anschlussmöglichkeiten im Eigenen, welche Grundlagen für transkulturelle Entwicklungsmöglichkeiten bilden können. (Transkulturelles Lernen 2006)

In gesellschaftstheoretischem Ansatz ist es das zentrale Ziel der interkulturellen Pädagogik, die Mechanismen auf zu spüren, die Ungleichheit auf Grund von Kultur herbeiführen. Um anschließend diese zu Ungleichheit zu beseitigen. (Vgl.: Gogolin, 2006, S.123)

Ein weiterer Ansatz ist inspiriert von der postmodernen Philosophie. Dieser Ansatz steht im Gegensatz zum anthropologisch-orientierten Ansatz der Interkulturellen Pädagogik, die von dem Postulat ausgeht, es gebe ein Einheitliches bei aller Vielfalt von Kultur. Die postmoderne Philosophie setzt genau an dieser Frage an, ob es überhaupt nötig wäre, eine Pluralität an Einheit rückzukoppeln. Diese Pluralität steht nicht im Einklang miteinander, sondern zwischen ihnen besteht eine konflikthafte Konstellation. Es gebe somit keinen übergeordneten Standpunkt, der eine Einigkeit in der Verschiedenheit herbeiführen kann. Pädagogisches Denken und Handeln sollen sich nicht auf Erhalten von Einheit und Konsens ausgelegt sein. Es geht um die Fähigkeit, die Eigenlogik verschiedener Diskursarten zu erkennen. (Vgl.: Goglin, 2006, S.125) Vergleichen wir diesen Text mit dem Kompetenzbegriff erkennen wir, dass es einen Gemeinsamkeit in den Begriffen gibt. Es ist die Rede von Fähigkeiten, ebenso in der Definition von Kompetenzen. Somit können wir im postmodernen Ansatz insofern interkulturelle Kompetenz erkennen, als es um die Fähigkeit und Fertigkeit geht, verschiedene Diskursarten und derer zeitliche Begrenztheit zu erkennen und auf bestimmte sachliche Zusammenhänge bezogene Geltung beurteilen zu können, dabei aber auch in eine andere Diskursart überzuwechseln. Hier liegt das Erkenntnisinteresse auf der Eigenlogik der verschiedenen Diskursarten.

Ein anderer Blick auf interkulturelle Kompetenz, als über den Kulturbegriff, wäre die wissenssoziologische Fremdheitsperspektive, welche das handelnde Subjekt immer schon in den Mittelpunkt der Analyse, basierend auf der zentralen Annahme, dass Fremdheit ein Beziehungsattribut des Eigenen ist, stellt. (Vgl.: Reuter 2002, S.27)

5.2 Kohärenz- versus kohäsionsorientierte Ansätze zum Kulturbegriff

Eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe impliziert eine Absonderung von anderen Gruppen, die durch die Mehrfachverortung der Individuen in zahlreichen Kollektiven wieder entschärft wird. Angesichts der zentrifugalen Kräfte kultureller Differenzen entsteht kulturelle Stabilität weniger aufgrund gemeinsamer Werte oder Normen, sondern vielmehr durch die Erzeugung von Normalität. Die Normalität wirkt bindend und verbindlich wie soziale oder politische Strukturen. (Vgl.: Hansen, 2000, S.233)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Kohärenz- versus kohäsionsorientierte Ansätze zum Kulturbegriff (Rathje, 2006, S.13)

Kultur ergibt sich nicht aus Kohärenz, sondern aus der Normalität und Bekanntheit der Differenz. (Vgl.: Rathje, 2006, S.13)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Kohärenz- versus kohäsionsorientiertes Verhältnis von Interkulturalität (Rathje, 2006, S.14)

Hier wird Interkulturalität in Kulturalität umgewandelt und durch Normalitätserzeugung eine Grundlage für Kommunikationsfortschreibung, die weitere Interaktion schafft.

"Wir kennen [...] [die divergenten] Standpunkte, und wenn wir sie hören, wissen wir, dass wir zu Hause sind. [...] So viele es gibt und so divergierend sie sind, fügen sie sich dennoch in einen Rahmen des Üblichen" (Hansen, 2000, S.232).

Im Rahmen des Üblichen könnte sich auf die Normalität beziehen und eine Kultur der Verschiedenheit ermöglichen, in der wir zu Hause sind.

5.3 Kritik am Kulturbegriff

Sobald der Begriff „kulturell“ dazu dient, Gründe für menschliche Handlungsweisen zu beschreiben und ihnen eine spezifische Materialität zuzuweisen, wird es problematisch. Denn in diesem Fall suggeriert der Begriff, dass kulturelle Verhaltensweisen überschaubar, definierbar und festlegbar sind, eine Annahme, die in vielen Veröffentlichungen zur Interkulturalität immer wieder zu finden ist. (Wolfram, 2010, S.112f.) Als Beispiel wäre zu erwähnen die Kulturstandardtheorie von Alexander Thomas, „Eigenes und fremdes Verhalten wird aufgrund dieser Kulturstandards gesteuert, reguliert und beurteilt.“ (Vgl.: Thomas, 2003a, S.25)

Wenn Kultur als statische Position beschrieben wird, muss dies hinterfragt werden. In interkultureller Kompetenz muss das Hinterfragen bestehender Regelwerke eine Fertigkeit werden. Jürgen Bolten (2012, S.3) meint, dass das Aufzeigen von kulturellen Unterschieden nur eine durchschnittlich deskriptive, keine prozesshafte und kaum eine erklärende Funktion hat. Durch die schnelle Übertragung von kulturellen Eigenschaften auf einzelne Individuen kann stereotypes Handeln gefördert werden. (Vgl.: Olbers, 2009, S.8) Diese Förderung des stereotypen Handelns kann keine Kompetenz der Pädagogik sein oder werden.

„Es gilt die Maxime: Immer offen dafür sein, dass der oder die Andere anders anders sein könnte, als man dachte!“ (Auernheimer, 2010, S.60)

6.Interkulturelle Handlungskompetenz

Was bedeutet interkulturelle Handlungskompetenz? Eine bestimmte Art sich zu verhalten? Eine Fähigkeit, zum Beispiel Empathie, Selbstreflektion oder andere Sprachen, zu besitzen?

„Interkulturelle Kompetenz wird nachgefragt als eine Art Sonderkompetenz für Professionelle, die in einer Weise mit Differenz und Fremdheit beschäftigt sind, die ihr übliches Bewältigungs- und Gestaltungsvermögen übersteigt. Dieser Zusammenhang zwischen einem vermeintlichen Bedarf und dem auf ihn reagierenden Kompetenzbegriff erzeugt und intensiviert nun aber einen Handlungsansatz, der für den pädagogischen Umgang mit kulturell-ethnischer Differenz im deutschsprachigen Raum in einer problematischen Weise kennzeichnend ist. Der Ansatz ist gekennzeichnet davon, dass die kulturell-ethnisch „Anderen“ in der Regel als Adressat von „interkultureller Kompetenz“ nicht vorkommen, dass Angebote zu „interkultureller Kompetenz“ im Zuge eines verkürzten und einseitigen Kulturverständnisses zu „Kulturalisierung“ neigen, und dass Angebote zur Vermittlung „interkultureller Kompetenz“ in Gefahr sind, Handlungsvermögen als professionelle Technologie zu betrachten. Die Probleme betreffen also: (a) die Adressatinnen, (b) den theoretischen Blickwinkel und (c) das Professionalitätsverständnis von Konzepten „interkultureller Kompetenz“. (Vgl.: Mecheril, 2010a, S.16)

6.1 Ein Beispiel (Kompetenzmodell)

Eine mögliche Variante einer Abbildung von Interkultureller Kompetenz wurde von Oliver Eß erstellt.

Abbildung 4 Interkulturelle Handlungskompetenz (Eß, 2010, S.27)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier wird die Interkulturelle Handlungskompetenz aus Teilkompetenzen abstrahiert. Die Selbstkompetenz ist die Fähigkeit zum Erkennen der eigenen Stärken, Schwächen, sozialen und kulturellen Bedingtheit und der Fertigkeit zum Aufbau von Selbstvertrauen. Die Sozialkompetenz ist die Bereitschaft mit anderen gemeinsam zu arbeiten. Die Kulturkompetenz ist die Fähigkeit ein Wissen über die eine und andere Kultur zu erwerben. (Vgl.: Eß, 2010, S.27) Hier ist eine Kritik angebracht. Mecheril bringt hier die Verschränkung von Wissen und Nicht-Wissen ein. Es gibt eine Vorstellung im Rahmen interkulturellen Handelns, dass Handeln gelinge, wenn die handelnde Person spezifisches Wissen über das Gegenüber hat und damit zum Einsatz bringen kann.

Das Wissen um den und die Andere, so könnte hier typisiert formuliert werden, ist eine Praktik der Nicht-Erkennung des Anderen durch das Erkennen.“ (Mecheril, 2010a, S.28) Hier könnte das Nicht-Wissen, als bedrohende und Unsicherheiten auslösendem Faktoren aufgezeigt werden. Es bleibt immer ein Rest, der nicht ist und nicht Wissen werden kann und dessen Verhältnis zum Wissen unklar ist. (Vgl.: Wimmer, 1996, S.425). Der Rest ist die Unsicherheit im professionellen Handeln, die nicht überwindbar ist. „ Sie stellt vielmehr ein Konstitut professionellen Handelns dar – auch und insbesondere in interkulturellen Situationen.“ (Mecheril, 2010a, S.29) Des Weiteren schriebt Wulf (1999, S.61), dass „ Nicht der Anspruch den Anderen zu verstehen, sondern die Erkenntnis, dass der Andere different und nicht verstehbar ist, muss zum Ausgangspunkt interkultureller Bildung werden.“ Es ist der Kontext des Nicht-Wissens und die Erkennbarkeit des Anderen in seiner Unerkennbarkeit. Es sollte somit zu einer Verschränkung von Wissen und Nicht-Wissen kommen.

Erste das Ineinandergreifen von Wissen und Nicht-Wissen ergibt einen geeigneten Ausgangs- und Endpunkt professionellen Handelns unter Bedingungen kultureller Differenz.“ (Mecheril, 2010a, S.29)

7.Interkulturelle Kompetenz

1962 formulierte der us-amerikanische Sozialpsychologe George H. Gardner als erster die Frage nach interkultureller Kompetenz. Seine Hypothese war, dass Individuen, mit besonderer interkultureller Kommunikationsfähigkeit ausgestattet sind und ein Bündel an Persönlichkeitseigenschaften vorweisen können. Dazu gehören Integrität, Stabilität, Extravertiertheit und eine an universellen Werten ausgerichteter Sozialisation. Diese interkulturelle Kompetenz befasste fast ein halbes Jahrhundert später die Soziologie, Anthropologie, Kulturwissenschaft, Pädagogik, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften um einige zu nennen. In der Praxis wurde bei Sozialarbeitern, Lehrern, Mediatoren, Kommunikationstrainer und Personalberatern diese Kompetenz zum Thema. (Vgl.: Rathje, 2006, S.1)

Im deutschen Sprachraum ist Interkulturelle Kompetenz erstmals Thema einer Monographie, entstanden im Kontext der Sozialarbeit, bei Hinz-Rommel (1994), der sie als Interkulturelle Handlungskompetenz mit den „Bestandteilen – Einstellungen, Fähigkeiten, Fertigkeiten“ (S.62ff) versteht.

Versucht man sich einen Überblick über die Diskussion zum Thema interkulturelle Kompetenz zu verschaffen, […], so ist eine Tendenz zur Kulturalisierung unverkennbar.“ (Auernheimer, 2010, S.35) Es solle Kommunikationsprobleme nach einem Muster instrumenteller Rationalität bewältigten. Dies sei eine technologische Denkweise und ist mit pädagogischer Professionalität unverträglich. Hier ist das Vertrauen in die Macht des Wissens über fremde Kulturen eine Lösungsmöglichkeit. In interkultureller Kommunikation kommt es zu divergenten Erwartungen, die die Kommunikation stark beeinträchtigen können. Diese Divergenz kann durch differente Kulturmuster bedingt sein. Falsche Erwartungen können auf stereotype Vorstelllungen von fremden Kommunikationsteilnehmern zurückzuführen sein. (Vgl.: Auernheimer, 2010, S.35f.)

Interkultureller Kompetenz als universelle, nicht an einen bestimmten Zielkulturraum gebundene Kompetenz findet sich vor allem im Zusammenhang mit Ansätzen, die interkulturelle Kompetenz mit dem Ziel menschlicher Weiterentwicklung verknüpfen. (Vgl.: Rathje, 2006, S.6) Dieser Ansatz entspricht insofern der Sichtweise Humboldts, der meinte, Bildung ist die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen. (Vgl.: Humboldt, 2012, S.1)

Die Vorstellung, dass Kulturalität nicht durch Homogenität, sondern durch das Bekanntwerden von Differenzen gekennzeichnet ist, hätte zur Folge, dass interkulturelle Kompetenz die Fähigkeit sei, in interkultureller Interaktion fehlende Normalität zu schaffen und damit Kohäsion zu schaffen. „ Interkulturelle Kompetenz kann also als Fähigkeit betrachtet werden, die durch Fremdheit gekennzeichnete ‚flüchtige' Inter­kultur in Kultur umzuwandeln, indem über Normalität Kohäsion erzeugt wird. “(Rathje, 2006, S.14)

7.1 Kritik an interkultureller Kompetenz

Die Zielvorstellung der interkulturellen Kompetenz bewegt sich zwischen ökonomisch orientierten Konzepten und menschlicher Weiterentwicklung. Im ökonomisch orientierten Konzept verbergen sich die Wörter Effizienz und Produktivität.

Interkulturelle Kompetenz wird ist die Fähigkeit, „ den interkulturellen Handlungsprozess so (mit)gestalten zu können, dass Missverständnisse vermieden oder aufgeklärt werden können und gemeinsame Problemlösungen kreiert werden, die von allen beteiligten Personen akzeptiert und produktiv genutzt werden können.“(Thomas, 2003b, S.141) Schönhuth fasst die Kompetenz, als Fähigkeit, „ in der interkulturelle Begegnung angemessen Kontakt aufzunehmen, die Rahmenbedingungen für eine für beide Seiten befriedigende Verständigung auszuhandeln und sich mit dem Betreffenden effektiv auszutauschen “ (Schönhuth, 2005, S.102) zusammen. Diese Vorstellungen haben gemeinsam, dass die Interaktionspartner erfolgreich ihr Ziel erreichen sollten.

Dieser Effizienz-Ansatz ist Manipulationsvorwürfen ausgesetzt, denn es besteht die Gefahr der Instrumentalisierung interkultureller Kompetenz zur Durchsetzung eigener Vorteile des jeweilig mächtigeren Interaktionspartners. Frindte warnt hier vor einer Machtbehauptung. (Vgl.: Frindte, 2003, S.171)

"Die Anreicherung des Kompetenzbegriffs mit Erfolgskriterien vermehrt [...] die begriffliche Not, da zwischen Kompetenz und Performanz nicht mehr unterschieden werden kann." (Herzog, 2003, S.179)

Es erscheint daher problematisch, interkulturelle Kompetenz als Konzept zu positionieren, das im Rahmen interkultureller Interaktion Paradiese schafft, die es schon in der intrakulturellen Kommunikation gar nicht gibt.“ (Rathje, 2006, S.5)

Die Reduktion der interkulturellen Kompetenz auf internationale Situationen sieht die Erziehungswissenschaft und Soziologie kritisch, der internationale Ansatz interkultureller Kompetenz wird von Auernheimer der reinen Zweckrationalität bezichtig. (Vgl.: Rathje, 2006, S.8) Denn sollte sich die interkulturelle Kompetenz nur noch auf Interaktionen zwischen Individuen aus unterschiedlichen Ländern beziehen, schließt diese Definition interkulturelle Probleme (z.B.: Migration) innerhalb der Gesellschaften aus. (Vgl.: Rathje, 2006, S.9)

Würde diese Abgrenzungsproblematik aufgehoben werden und lebensweltliches Kulturverständnis nicht nur auf internationale Interaktionen beschränken, sondern interkollektive Phänomene mit einbeziehen, ist die klare Grenze zwischen einer kleinen oder Kleinstgruppe nicht mehr erkennbar und es könnte jede menschliche Interaktion zur interkulturellen Kommunikation ernannt werden. Daher versucht Loenhoff diesen Bereich besser einzugrenzen und bezeichnet interkulturelle Kommunikation, als „ denjenigen Kommunikationsprozess[…], in dem Beteiligte die Eigenschaften dieses Prozesses einschließlich der auftretenden Probleme und Konflikte auf kulturelle Differenz zurechnen “ (Loenhoff, 2003, S.193)

Im Zustand der Verliebtheit beispielsweise werden kulturelle Differenzen zumindest anfangs belanglos. Ebenso treten sie vermutlich bei der Arbeit an einer gemeinsamen Aufgabe zumindest zeitweise in den Hintergrund.“ (Auernheimer, 2010, S.43)

Kulturelle Differenzen sind in der Kommunikation laut Auernheimer zu bewältigen, die erhöhte Störanfälligkeit ist auf die Differenz kultureller Muster zurückzuführen. (Vgl.: Auernheimer, 2010, S.35) Gumperz spricht hier auch von Frames oder Settings, der jeweilige Kontext beeinflusst unsere Erwartungen gegenüber dem Kommunikationsteilnehmer. Durch diesen Kontext wird das Gegenüber interpretiert und eine Wahl der kommunikativen Mittel getroffen (z.B.: Anredeform) (Vgl.: Auernheimer, 2010, S.36)

Abschließend sei daran erinnert, dass […] kulturelle Differenzen in der Regel zu Störungen auf der Beziehungsebene führen, vor allem aber unter einer Zusatzbedingung, nämlich dann, wenn die Beziehung von vornherein asymmetrisch ist. Haben beide Kommunikationsteilnehmer den gleichen Status, so lassen sich Missverständnisse eher ausräumen, oft mit Humor bereinigen.“ (Auernheimer, 2010, S.57)

Nur der Umgang mit kulturellen Differenzen kann nicht interkulturelle Kompetenz sein. Es müssen sich Wissen, Haltungen und Fähigkeiten an Machtasymmetrie, Kollektiverfahrungen und Fremdbilder orientieren. (Vgl.: Auernheimer, 2010, S.57)

Im heuristischen Modell werden Störfaktoren identifiziert. Vier Dimensionen werden bei interkulturellen Kontakten zur Interpretation der Störfaktoren berücksichtigt. Es sind Machtasymmetrie, Kollektiverfahrungen, Fremdbilder und differente Kulturmuster oder Scripts. (Vgl.: Auernheimer, 2010, S.45)

7.2 Aktueller Diskurs

Es gebe ein Problem den Stand der Forschung betreffend, meint Scheitza (2007, S.92). Aber nicht auf Grund der verschiedenen Bedeutungen und Grundbegriffe, von denen ausgegangen wird zur Frage „interkulturelle Kompetenzen“, sondern, dass diese Unterschiede als störend empfunden werden und man immer noch von der Prämisse ausgeht, eine verbindliche und möglichst kohärente Konzeption von „Interkultureller Kompetenz“ konstruierten zu müssen. (Vgl.: Bolten, 2010, S.1) Diese verschiedenen Zugänge könnten im kohäsionsorientierten Verständnis neue Kultur schaffen. (Vgl.: Rathje, 2006, S.14) Vieles ist vom „einseitigen euroamerikanischen westlichen Kulturverständnis determiniert.“ (Thomas, 2003a, S.149) Zurzeit scheint ein neuer Begriff, Diversitiy, interkulturelle Kompetenz ersetzen zu wollen. Diversity-Kompetenz könne nur als interkulturelle Diversity-Kompetenz vorstellbar sein. (Vgl.: Bolten, 2010, S.2)

Die pädagogischen Institutionen stellen einen großen Teil der disziplinierenden Praktiken bereit. Sie sind aufgrund ihrer Nähe zu den zu integrierenden Subjekten in besonderer Weise »kompetent«, also befähigt, zuständig und legitimiert, die integrative Arbeit zu leisten. Die theoretischen und praktischen Interventionen einer sich als »interkulturell« verstehenden Pädagogik sind an den Kreuzungspunkten der (zuvor hergestellten) Differenzen zwischen den Menschen tätig. Das Konzept der Integration ist Teil eines Migrationsdiskurses, der Migration nicht als Normalfall, sondern als »soziale Störung« begreift. Dabei fällt die zunehmend thematisierte Ausschließung von Migrantinnen aus gesellschaftlichen Bereichen mit einer Zunahme von Integrationsforderungen und -befragungen zusammen. „Migrationsandere“ stehen im Mittelpunkt eines öffentlichen Interesses, das nach ihrer Integriertheit fragt und sie symbolisch und faktisch einem beständigen Integrationstest unterzieht: Was ziehen sie an? Sind sie religiös? Wie steht es mit dem Familienfrieden? Welche Sprache( n) werden in den Familien gesprochen? Wer kommt zu Besuch? Wie häufig fahren sie in ihre Heimat? Wie stehen sie zu Bildung? Wie zu Demokratie? Welcher Fußballnationalmannschaft jubeln sie zu?

Selbst gewählte oder zugewiesene Identitäten entwickeln ein Eigenleben und führen zu Konflikten. (Vgl.: Schiffauer, 2002, S.7)

In dieser Arbeit ist eine Vielfalt und nicht beendeter Definitionsdiskurs erkennbar. Diese Vielfalten und Differenzen unter den Disziplinen zeigt auch hier die Notwendigkeit einer interkulturellen Kompetenz. Diese Differenzen sind Ressourcen und zeigen hiermit die Kultur des Kollektiven auf. Die interkulturelle Kompetenz solle Handlungskompetenzen in differenter Kommunikation schaffen. Schafft sie es in eigener Sache? Dieser Diskurs ist der Anfang einer Entwicklung und Zukunft für ein differentes Miteinander, mit sich und dem Anderen. „ Damit haben die wissenschaftlichen Aussagen keine absoluten Geltungsansprüche, d.h. die Möglichkeit des Missverstehens oder Irrtums wird mit in Erwägung gezogen. Wissenschaft selbst wird als kulturelles System begriffen. “ (Olbers, 2009, S.10)

Es wird nicht nur in der Gesellschaft und Politik nach interkultureller Kompetenz gefragt, wenn es um eine Kompetenz des zusammenführen in eine neue Kultur, durch Kommunikation geht. Sondern in der Disziplin selbst stellt sich die Frage nach einer Kompetenz die Verschiedenheit von interkultureller Kompetenz, als Normalität akzeptiert und aus seiner kulturellen Regelmäßigkeit herauszutritt. Bestehende Vielfalt könnte somit als Ressource anerkannt werden.

Es gilt der Satz von Adorno:

Ohne Angst verschieden sein “ (Adorno, 1944) zu können

8 .Fazit

Welche blinden Flecken haben die Ansätze der interkulturellen Kompetenz?

Die interkulturelle Kompetenz geht von einer asymetrischen Interaktion aus, welche zu weiteren Konflikten und zu einem Nichtverstehen des Anderen führen kann. Interkulturelle Kompetenz geht davon aus, das Andere verstehen und interpretieren zu können, übersieht aber, dass die eigenen Gedanken in einer Kultur eingebettet sind und daher das Anderen nicht im selben Kontext verstehen könnten. Es gilt das Wertschätzen und Akzeptieren des Anderen.

Wohin sollte der Begriff interkulturelle Kompetenz führen?

Die interkulturelle Kompetenz kann zu einer Bevormundung und Entmündigung des Anderen führen. Durch das scheinbare Verstehen und Einfühlen in das Andere kann es zu weiteren Konflikten und Spannungen kommen.

9.Literaturverzeichnis

Auernheimer, G. (2010) Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. Wiesbaden: VS

Bolten, J. (2010) Vorwort des Herausgebers. online-Zeitschrift für Interkulturelle Studien: Interkulturelle Kompetenzforschung 12: 9

Bolten, J. (2012) Kann man Kulturen beschreiben oder erklären, ohne Stereotype zu verwenden? Einige programmatische Überlegungen zur kulturellen Stilforschung. Internetquelle:http://www2.uni-jena.de/philosophie/iwk/publikationen/kulturbeschreibung.pdf (Stand: 10.1.2012)

Eß, O. (2010) Das Andere lehren: Handbuch zur Lehre Interkultureller Handlungskompetenz. Münster: Waxmann

Frindte, W. (2003) Die Praxis muss für sich selbst sprechen - interkulturelle Kommunikation als komplexes Management. Erwägen, Wissen, Ethik 14: 1, 169-171.

Geertz, C. (1983) Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt a.M.: Suhrkamp; In: Gogolin, I. (2006). Einführung in die interkulturelle Pädagogik, Opladen: UTB

Gogolin, I. (2006) Einführung in die interkulturelle Pädagogik, Opladen: UTB

Hansen, K. (2000) Kultur und Kulturwissenschaft (2. Aufl.). Paderborn: UTB.

Hansen, K. (2011) Kultur und Kulturwissenschaft (4. Aufl.). Paderborn: UTB.

Hinz-Rommel, W. (1994) Interkulturelle Kompetenz. Ein Anforderungsprofil für die soziale Arbeit. Münster u.a.: Waxmann

Humboldt, W. (2012) Das Bildungsverständnis des in Ganztagsschulen tätigen Personals in NRW, Internetquelle: Stand 20.1.2012: http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/upload/Bildung_frdern/pdf/Bildungsdefinitonen.pdf

Klieme, E. et al. (2007) Bildungsforschung Band 1. Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.) Bonn & Berlin.

Loenhoff, Jens (2003) Interkulturelle Kompetenz zwischen Person und System. Erwägen, Wissen, Ethik 14: 1, 192-194.

Mecheril, P. (2010a) „Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Pädagogisches Handeln unter Einwanderungsbedingungen, In: Auernheimer, G. (Hrsg.) Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität, 3.Auflage, Wiesbaden: VS

Mecheril, P. (2010b) Migrationspädagogik Weinheim: Beltz

Müller, B. (1995) Sozialer Friede und Multikultur. Thesen zur Geschichte und zum Selbstverständnis sozialer Arbeit. In: Müller, S./Otto, H.U./Otto, U. (Hrsg.): Fremde und Andere in Deutschland. Nachdenken über das Einverleiben, Einebnen, Ausgrenzen. Opladen: Leske+Budrich, S.134–146.

Olbers, S. (2009) Austausch mit Anderem – Kultur und Kompetenz. Online-Zeitschrift für interkulturelle Studien 9: 8

Rathje, S. (2006) Interkulturelle Kompetenz – Zustand und Zukunft eines umstrittenen Konzepts. Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 11 (3), 21 S. Verfügbar unter http://zif.spz.tu-darmstadt.de/jg-11-3/beitrag/Rathje1.htm Stand: 20.2.2012

Reuter, J. (2002) Ordnung des Anderen. Zum Problem des Eigenen in der Soziologie des Fremden. Bielefeld: Transcript

Scheitza, A. (2007) Interkulturelle Kompetenz. Forschungsansätze, Trends und Implikationen für interkulturelle Trainings. In Otten, Matthias / Scheitza, Alexander / Cnyrim, Andrea (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz im Wandel. Frankfurt/Main / London: IKO-Verlag, S. 91-119.

Schiffauer, W. (2002) Migration und kulturelle Differenz. Studie für das Büro der Ausländerbeauftragten des Senats von Berlin. Berlin

Thomas, A. (2003a) Theoretische Grundlagen interkultureller Kommunikation und Kooperation. In A. Thomas, E.-U. Kinast & S. Schroll-Machl (Hrsg.), Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 1: Grundlagen und Praxisfelder (S.19-31). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Thomas, Alexander (2003b) Interkulturelle Kompetenz - Grundlagen, Probleme und Konzepte. Erwägen, Wissen, Ethik 14: 1, 137-221.

Transkulturelles Lernen (2011) Internetquelle: http://wwwuser.gwdg.de/~kflechs/iikdiaps2-00.htm [Stand: 1.12.2011] In: Eß, Oliver (Hrsg.), Das Andere lehren: Handbuch zur Lehre Interkultureller Kompetenz, Münster: Waxmann

Weinberg, J.: (1996) Kompetenzlernen, in: QUEM-Bulletin H. 1, S. 3-6

Weinert, F. E. (2002) Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim & Basel: Beltz

Wimmer, M.: (1996) Zerfall des Allgemeinen – Wiederkehr des Singulären. Pädagogische Professionalität und der Wert des Wissens. In: A. Combe/ w. Helsper (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus sozialpädagogischen Handelns. . Frankfurt am Main: Suhrkamp

Wulf, Ch. (1999) Der Andere: Perspektiven zur interkulturellen Bildung. In: P. Dibie/Ch. Wulf (Hrsg.): Vom Verstehen des Nicht-Verstehens. Ethnosoziologie interkultureller Begegnung. Frankfurt am Main: Campus, S.61-75

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863419097
ISBN (Paperback)
9783863414092
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Selbstbestimmtheit Kultur Migration Bildung Bildungsinstitution Herkunft

Autor

Dipl.-Päd. Dipl.-Ing. (FH) Georg Jäggle MA BA wurde 1978 in Wien geboren. Sein Studium der Bildungswissenschaften schloss der Autor im Jahr 2012 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab. Im Zuge des Studiums sammelte der Autor als Lektor an der Pädagogischen Hochschule im Bereich der Fachdidaktik umfassende Erfahrungen. Durch seine Tätigkeit als Vortragender in der Lehrerausbildung wurde er motiviert, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
Zurück

Titel: Interkulturelle Kompetenz: Wohin führt dieser Begriff?
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
28 Seiten
Cookie-Einstellungen