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Lachen als Gesundheitsverhalten?: Effekte von Lachen auf die physische und psychische Gesundheit - Eine Zusammenfassung vorliegender Studien der vergangenen 25 Jahre

©2012 Bachelorarbeit 64 Seiten

Zusammenfassung

'Lachen macht schlank', 'Lachen hilft gegen Krebs', 'Lachen als Stress-Killer' - die populären Annahmen über die Effekte des Lachens sind reichlich und lassen sich regelmäßig in nicht-wissenschaftlichen und wissenschaftlichen Publikationen finden. Allein die Liste der physischen Erkrankungen (Rackl, 2003), gegen die Lachen vorbeugend oder therapeutisch hilfreich sein soll, reicht derzeit von Asthma, Diabetes, Bronchitis bis zu Hypertonie oder, wie es der Psychologe Rod A. Martin überspitzt zusammenfasst 'from the common cold to AIDS' (Martin, 2007). Der populäre Glaube an die positiven Effekte des Lachens auf die physische und psychische Gesundheit scheint riesig. So finden sich immer mehr Menschen, die sich zu sogenannten 'Laughter Clubs', Lach-Yoga-Gruppen oder Lachseminaren treffen. Zusätzlich gibt es Ratgeber und Workshops, die die Botschaft verbreiten: Lachen ist gesund!
Dabei stellt sich die Frage, ob Lachen als Verhalten wirklich einen wissenschaftlich nachweisbaren Effekt auf so viele gesundheitliche Dimensionen hat. Die ersten gesundheitlichen Effekte wurden bereits von Aristoteles proklamiert (Goldstein, 1982). In den letzten 20 Jahren gab es einen erneuten Schub in der Gelatologie, der über 50 publizierte Artikel zu dem Thema und neue differenzierte Hinweise auf mögliche Effekte hervorbrachte (Martin, 2001).
In der vorliegenden Arbeit geht es darum, der aufgeworfenen Frage kritisch nachzugehen und die vorliegenden empirischen Befunde der letzten 25 Jahre zu diesem Thema zusammenzutragen, zu systematisieren und abzuwägen, welche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen zu ziehen und welche möglichen praktischen und therapeutischen Implikationen abzuleiten sind. Es stellt sich also die Frage, ob Lachen als mögliches Gesundheitsverhalten so wirksam ist, dass es für gesunderhaltende beziehungsweise rehabilitierende Interventionen relevant sein könnte.
Nachdem eine begriffliche Präzisierung vorgenommen und die bio-psychologischen Grundlagen von Lachen und Humor kurz beschrieben wurden, sollen die empirischen Befunde zu den wichtigsten Bereichen psychischer und physischer Gesundheit zusammengetragen und systematisiert werden. Anschließend werden Probleme in der Forschung zu diesem Thema und Forschungslücken diskutiert und entsprechende Implikationen für mögliche praktische und therapeutische Konsequenzen (an-)diskutiert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3. Lachen und Humor als psychologisches Phänomen im Fokus der Gesundheitspsychologie

3.1 Bedeutung und Entstehung von Lachen und Humor

Lachen kann grundsätzlich als sehr komplexes – und für die Psychologie sehr interessantes Verhalten beschrieben werden. Lachen (und damit eng verknüpft Humor) gilt als wesentlicher menschlicher Aspekt, der in allen Kulturen auftritt (Lefcourt, 2001). Der Vorgang des Lachens scheint dabei ein recht stereotypisiertes Muster der Vokalisation zu sein, das über kulturelle und soziale Grenzen hinweg als unmissverständlich gilt (Provine & Young, 1991).
Koestler argumentiert, dass Lachen der einzige Bereich menschlichen Verhaltens ist, in dem ein komplexer mentaler Stimulus, so stereotype reflexive Antworten produziert (Koestler, 1964).

Lachen erfordert dabei das Zusammenspiel verschiedener mentaler Funktionen. Daran beteiligt sind kognitive Prozesse wie Wahrnehmung, Sprachverarbeitung, Gedächtnis, Problemlösefähigkeiten und Kreativität, aber auch emotionale, soziale und Kommunikations­vorgänge (Falkenberg, 2010). Wichtige Voraussetzung für Erheiterung und das (spontane, authentische) Lachen als daraus folgende Konsequenz, ist in der Regel die Wahrnehmung einer spielerischen Inkongruenz in einem Stimulus-Event. Hierbei sind viele Regionen des zerebralen Kortex involviert. Wurde eine inkongruente („witzige“) Situation kognitiv wahr­genommen, stimulieren diese kognitiven Prozesse, emotionale Systeme (präfrontaler Kortex, limbisches System), die mit positiven Gefühlen assoziiert und Teil des Belohnungssystems sind (Martin, 2007). Dies ist ein Grund, warum Humor und Lachen als so wohltuend wahrgenommen und bewusst angestrebt und gesucht werden (Kesselring, 2011).

Neben der Ausschüttung von biochemischen Substanzen und Veränderungen im autonomen und endokrinen Nervensystem, kommt es durch diverse Nerven- und Muskelkontraktionen (im Gesicht, Kehlkopf und Atmungsapparat) auch zur typischen expressiven Reaktion: dem Lachen. Kräftiges, aus Erheiterung resultierendes Lachen scheint in der Folge den ganzen Organismus zu erfassen und ist schwierig künstlich zu simulieren (van Hooff and Preuschoft, 2003). So fanden Ekman et al., dass nur echte Erheiterung zu einem typischen Lach-Ausdruck führt, das eine symmetrische, synchrone und geschmeidige Kontraktion der Faszialmuskeln zygmatic major und obicularis oculi verursacht, da der obicularis oculi nicht unter willkürlicher Kontrolle steht (Ekman, Davidson and Friesen, 1990; Frank and Ekman, 1993). Lachen, was auch nur minimale Abweichungen von diesem Muster – auch „Duchenne Display“ genannt – aufweist, wird von Personen relativ schnell und sicher als erzwungenes oder künstliches Lachen interpretiert (Martin, 2007).

Neben dem einfachen Erleben emotionaler Freude, scheinen Lachen und Humor auch viele ernsthafte Funktionen zu erfüllen. Martin (2007) unterteilt dabei die psychologischen Funktionen von Lachen und Humor in drei Kategorien: (1) kognitiver und sozialer Nutzen, (2) Gebrauch von Humor für soziale Kommunikation und Einfluss und (3) Entlastung und Coping bei Anspannung. Auf eine genauere Beschreibung dieser Funktionen soll im Rahmen dieser Bachelor-Arbeit verzichtet werden, da der Fokus auf gesundheitsrelevanten Effekten liegt.

3.2 Grundlagen zur Erforschung möglicher Effekte von Lachen und Humor: Mögliche Wirkungsmechanismen

In den vergangenen Jahren ist der Gedanke, dass Lachen und Humor wichtige Komponenten emotionaler und aber auch physischer Gesundheit sind, immer stärker geworden (Martin, 2007). Diese Zusammenhänge sollen in der Arbeit durch eine Zusammenstellung korrelativer und experimenteller Studien überprüft werden. Scheint der Effekt von Lachen auf die psychologische Gesundheit noch weitestgehend plausibel und nachvollziehbar, ist der Zusammenhang zwischen Lachen/Humor und physischen Faktoren weitaus unklarer und gewagter.

Martin (2001, 2004, 2007) beschreibt fünf potentielle Mechanismen, wie Lachen beziehungsweise Humor auf die physische und psychische Gesundheit einwirken kann:

1. Möglichkeit: Der physische Gesundheitsnutzen bezieht sich aus physiologischen Effekten, die allein durch das Lachen erzeugt werden (beispielsweise durch muskuläre Aktiviät oder hormonelle Veränderungen). In diesem Fall würde reines Amüsiert-sein oder Erheiterung nicht ausreichen, da diese Zustände keine physiologischen Änderungen, wie beim (lauten) Lachen mit sich führen. Nur herzhaftes Lachen ist die entscheidende „humor-health connection“ (Martin, 2004, S. 3).

2. Möglichkeit: Der physische Gesundheitsnutzen entsteht durch physiologische Effekte, die durch positive Emotionen bedingt sind, welche wiederum mit Lachen und Humor begleitet werden. In diesem Fall hätte Lachen nur eine untergeordnete, mediierende Funktion, für den relevanten gesundheitlichen Nutzen würde die Aktivierung des limbischen Systems und anderer Gehirnareale sorgen, die wiederum Veränderungen im endokrinen und autonomen Nervensystem bewirken.

3.
Möglichkeit: Humor leistet einen Gesundheitsbeitrag durch kognitive Mechanismen, indem ungünstige Effekte von psychosozialem Stress auf die Gesundheit abgefedert werden. In diesem Fall wird Humor und Lachen eine Coping-Funktion zugeschrieben, die bewirkt, dass stressreiche Situationen anders wahrgenommen und verarbeitet werden. Auch in diesem Fall läge die Bedeutung weniger auf dem Lachen an sich, als auf kognitiv-wahrnehmenden Aspekten von Humor.

4. Möglichkeit: Humor leistet einen indirekten Beitrag auf die Gesundheit durch interpersonelle Mechanismen, die eine Folge ansteigender sozialer Unterstützung (durch den Einsatz von Humor) sind. Die Idee hinter dieser Wirkweise ist, dass der Einsatz von Humor zu einer Reduzierung interpersoneller Konflikte führt, was in der Folge eine stärkere sozialer Unterstützung und mehr befriedigende soziale Be­ziehungen bewirkt, was wiederum positive Effekte auf die physische und psychische Gesundheit hätte. Auch in dieser Kausalkette läge der Nutzen weniger auf dem Lachen, als auf dem entsprechenden Grad an eingesetztem Humor in sozialen Interaktionen.

5. Möglichkeit: Der Gesundheitsnutzen liegt in behavioralen Aspekten begründet: So trägt Humor zu einem gesunden Lebensstil bei. In diesem Fall wird erwartet, dass Personen mit einem hohen Sinn für Humor, einen höheren Selbstwert und opti­mistischeren Blick auf ihr Leben haben und demzufolge sich auch stärker in gesunden Aktivitäten engagieren, sportlicher Aktivität nachgehen, schädliche Substanzen (Alkohol, Nikotin,...) meiden und sich gesünder ernähren.

4.Überblick über den derzeitigen Forschungsstand

4.1 Eigenes Vorgehen bei der Suche nach Studien

Um einen weitgehenden Überblick über den derzeit vorliegenden Forschungsstand zu erhalten, wurde eine umfangreiche Literatursuche in verschiedenen Datenbanken durch­geführt[1]. Entsprechende Keywords[2] führten zu einer ersten Auswahl an Artikeln, die nach folgenden Kriterien überprüft wurden und somit in die Bachelor-Arbeit einflossen oder ausgeschlossen wurden: Artikel wurden ausgewählt, wenn sie Effekte von Lachen oder Humor auf die Gesundheit als Hauptthema hatten (empirische Arbeiten, Review-Artikel), wissenschaftlichen Standards genügten und mindestens 10 Referenzen aufwiesen und zwischen 1987 und 2012 (also den vergangenen 25 Jahren) erschienen. Ausgeschlossen wurden Texte, wenn sie in nicht-englischer oder nicht-deutscher Sprache erschienen, einen unwissenschaftlichen Eindruck erweckten (weniger als 10 Literatur-Referenzen, Anekdoten, Kommentare, Selbstberichte, Interviews) oder vor 1987 erschienen. Eine weitere Quelle für bedeutende Studien lieferte die Monographie von Rod A. Martin „The Psychology of Humor“ (2007).

Im Folgenden soll ein großer, umfassender Überblick über die gefundenen Studien gegeben werden. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Bachelor-Arbeit werden viele Studien nur kurz angerissen, einige besonders bedeutende oder kontroverse Studien sollen detaillierter beschrieben werden.

4.2 Überblick über Studien zu Effekten von Lachen auf die physische Gesundheit

Die Idee, dass Lachen einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben kann, ist sehr alt. Schon Aristoteles spekulierte darüber, dass Lachen gut für die Blutzirkulation, Verdauung und die Funktion etlicher Organe ist (Martin, 2007). Experimentelle Studien zu diesem Thema zeigen allerdings ein inkonsistentes Bild (Martin, 2004).

4.2.1 Effekte von Lachen und Humor auf das Immunsystem

Da in den vergangenen Jahren die Psychoneuroimmunologie (PNI) Verbindungen zwischen dem Immunsystem und Gehirn entdeckt und erforscht hat, gilt es heute als relativ sicher, dass zwischen beiden Elementen eine wechselseitige Kommunikation stattfindet, welche über Neurotransmitter, Hormone, Neuropeptide und Cytokine gesteuert wird. Dies bedeutet, dass psychologische Faktoren Einfluss auf das Immunsystem und umgekehrt immunologische Faktoren Einfluss auf psychologische Funktionen haben können (Martin, 2007).

Insbesondere die Effekte von negativen Emotionen auf das Immunsystem sind gut belegt. So konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass Emotionen wie Ärger, Angst und Verstimmung Einfluss auf verschiedene Komponenten des Immunsystems haben, was zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führt (Martin, 2007). Die Vermutung liegt nahe, dass dies ebenfalls für positive Emotionen und somit auch für Humor und Lachen zutrifft.

Hinweise auf einen positiven Effekt von Lachen auf das Immunsystem zeigen mehrere Studien, die in ihren Experimenten Veränderungen des Immunglobulins A (S-IgA) in Abhängigkeit unterschiedlicher Bedingungen maßen. S-IgA ist eine Komponente des Immunsystems, die im Speichel vorkommt und vor allem gegen Krankheitserreger des Atemapparates schützt (Martin, 2007).

McClelland und Cheriff (1997) untersuchten diesen Effekt und wiesen beispielsweise 30 Probanden randomisiert zwei Gruppen zu. Einer Gruppe (1) zeigten sie ein Comedy-Video, der anderen Kontrollgruppe (2) einen Dokumentarfilm. Vor und nach der Präsentation des Films nahmen die Forscher Speichelproben bei den Probanden und ermittelten den S-IgA-Gehalt. Bei der Kontrollgruppe ermittelten sie zwischen dem Pre- und dem Posttest keine konsistenten Anstiege des S-IgA-Gehaltes. Im Gegensatz dazu zeigten in der Comedy-Video-Gruppe signifikant mehr Personen einen S-IgA-Anstieg als einen -Abfall.

Ähnliche Ergebnisse erzielten auch andere, teilweise frühere Studien (Labott et al., 1990; Lefcourt, Davidson-Katz und Kueneman, 1990; Lambert and Lambert, 1995; Perera et al., 1998), allerdings gibt es auch gegenteilige Befunde. So konnten beispielsweise Harrison et al. (2000) und Njus et al. (1996) die Befunde ihrer Vorgängerstudien unter ähnlichen experimentellen Bedingungen nicht replizieren. Zudem sind die beschriebenen Effekte in der wissenschaftlichen Debatte umstritten. Bennett und Lengacher (2007b) verweisen unter anderem darauf, dass die Rolle von S-IgA als Indikator von Immunfunktionen umstritten und fragwürdig ist, ob der gemessene Anstieg in einigen Studien überhaupt eine klinische Relevanz besitzt. Lengacher und Bennett (2007b), aber auch Martin (2007) verweisen zudem auf viele methodische Schwachpunkte bei etlichen Studien dieser Art. So sind Kontroll­gruppen entweder nicht oder ungenügend installiert und die Frage, welchen Effekt die Videos auf die Probanden haben, ungenügend klar definiert.

Neben der Messung von S-IgA wurden in anderen Studien auch andere Komponenten des Immunsystems auf ihre Abhängigkeit von Lachen und Humor untersucht. Berk (1989) beispielsweise teilte eine Gruppe von 10 gesunden Teilnehmern in zwei Gruppen auf. Eine Gruppe (1) schaute ein 60-minütiges Comedy-Video, die andere Gruppe (2) saß in der gleichen Zeit still in einem Raum. Vor, während und nach der Sitzung entnahm er beiden Gruppen Blutproben und untersuchte diese auf 19 Variablen. Bei den Teilnehmern der Comedy-Gruppe stellte er signifikante Anstiege (p < .05) im Vergleich zur Baseline-Messung in sechs Bereichen fest: T-Helfer-Zellen, Blastogenese von Lymphozytenzellen, IgM- und IgG-Antikörper, natürlicher Killer-Zellen und das Protein C3. Auch wenn diese Befunde erfreulich wirken, gibt es auch hier eine Vielzahl an Kritik. So kritisiert Martin (2007), dass die Stichprobe zu klein (n = 10), die Kontrollbedingungen unzureichend sind und eine viel zu große Zahl statistischer Analysen durchgeführt wurde, die das Risiko erhöhen, dass die Ergebnisse auf Zufall basieren und nicht signifikant sind. Zudem wird bemängelt, dass diese Studie insgesamt wenig transparent ist, einen Großteil der methodischen und analytischen Vorgehensweise ausklammert und keine Messung des Ausmaßes von Lachens während des Videos bzw. der Stimmung vorgenommen wurde. Daher kann nicht abgeschätzt werden, in­wiefern diese Variablen zu dem Ergebnis beitrugen. Damit ist diese Studie ein Paradebeispiel für methodische Schwächen, die viele Studien in diesem Bereich aufweisen.

Diese Defizite versuchten Bennett et al. (2003) zu vermeiden und untersuchten in einer Studie den Effekt von heiterem Lachen auf die Aktivität von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen). NK-Zellen gehören zu den Lymphozyten und sind in der Lage, abnormale Zellen, wie zum Beispiel Tumorzellen oder virusinfizierte Zellen, zu erkennen und abzutöten. Dafür wies Sie ihre 33 weiblichen Versuchsteilnehmer randomisiert zwei Gruppen zu: eine Gruppe (1) schaute ein humorvolles Video, die andere Kontrollgruppe (2) ein neutrales Reise-Video. Um das Lachen der Teilnehmer in der Experimentalgruppe zu quantifizieren, wurde die Humor Response Scale (HRS) eingesetzt. Die Aktivität der NK-Zellen wurde mithilfe von radioaktiv markiertem Chrom 51 (51Cr) vor und nach der Intervention überprüft.

Durchgeführte t-Tests zeigten, dass es zwischen den beiden Gruppen (1 und 2) zunächst keine signifikanten Unterschiede in der Veränderung der Aktivität der NK-Zellen gab (t = 1.52, p = .138). Dies verändert sich allerdings, sobald die Variable Lachen mit berücksichtigt und in die Analyse einbezogen wurde. So fand man nun eine signifikante positive Korrelation zwischen der Intensität des Lachens (HRS-Werte) und der Veränderung der NK-Zellen-Aktivität (r = .774; p = .001). Personen, die einen HRS-Wert von 25 oder größer aufweisen (was intensives, fröhliches Lachen impliziert), wiesen demnach einen signifikanten Anstieg ihrer NK-Zellen-Aktivität im Vergleich mit ihren Baseline-Werten auf. Personen, die das humorvolle Video schauten, aber HRS-Werte unter 25 aufwiesen, hatten hingegen eine geringere NK-Zellen-Aktivität im Vergleich zu ihren Baseline-Werten.

Abbildung 1: Effekt des Lachens (HRS) auf die NK-Zellen-Aktivität (NKCHG)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Ergebnisse verweisen darauf, dass demnach Lachen einen einzigartigen Effekt auf die NK-Zellen hat. Das alleinige Anschauen eines humorvollen Stimulus scheint demnach nicht auszureichen. Nur in Kombination mit dem Lachen ergaben sich relevante Effekte auf diese Komponente des Immunsystems.

Kimata (2007) überprüfte in einer Studie weiterhin, ob Lachen auch einen Effekt auf den Melatonin-Spiegel in der Muttermilch von Müttern mit an Neurodermitis erkrankten Kindern haben kann. Hintergrund ist, dass an Neurodermitis erkrankte Personen oftmals unter massiven Schlafstörungen leiden, was bei den Betroffenen durch den permanenten Juckreiz und einem Mangel an Melatonin ausgelöst wird. Kimata ging den Hypothesen nach, ob Lachen zu einem Anstieg im Melatonin-Spiegel der Muttermilch führen und, falls dem so sein sollte, ein Effekt auf die allergischen Reaktionen bei den gestillten Kindern feststellbar ist.

Für die Studie wurden 48 Kinder zwischen fünf und sechs Monaten rekrutiert, die alle an Neurodermitis erkrankt sind und allergisch auf Hausstaubmilben und Latex reagieren. Die Hälfte der Mütter litt ebenfalls unter dieser Krankheit, die andere Hälfte nicht. Beide Gruppen schauten sich zunächst ein 87-minütiges Comedy-Video (Modern Times) und zwei Wochen später ein genauso langes nicht humorvolles Kontrollvideo jeweils um 20 Uhr an. Anschließend wurde zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens im Abstand von zwei Stunden Muttermilch entnommen, die Kinder wurden zudem normal gestillt.

In der Analyse zeigte sich, dass bei Müttern mit und ohne Neurodermitis ein signifikanter stärkerer Anstieg des Melatonin-Spiegels über die Messzeitpunkte nach dem Schauen des Comedy-Videos als beim Schauen des neutralen Video festgestellt werden konnte.

Abbildung 2: Effekte des Lachens auf die Menge an Melatonin in der Muttermilch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusätzlich zeigte sich, dass die allergischen Reaktionen der Kinder auf Latex oder Haus­staubmilben – nachgewiesen durch einen Prick-Test – zurückgingen, nachdem sie mit der Muttermilch nach Schauen des humorvollen (aber nicht dem neutralen) Video gestillt wurden.

Abbildung 3: Effekte des Lachens der Mütter auf die allergischen Reaktionen der Kinder

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Demnach scheint Lachen eine sinnvolle Intervention zu sein, um den Melatonin-Gehalt von Personen zu steigern, wovon einerseits von an Neurodermitis erkrankte Personen generell hinsichtlich einer möglichen Verbesserung ihrer Schlafqualität profitieren könnten. Zusätzlich scheint sich dieser Effekt auch positiv auf die allergischen Reaktionen bei an Neurodermitis erkrankten Kindern auszuwirken, die mit der Milch, die den höheren Melatonin-Gehalt aufweist, gestillt werden. Auf biochemische funktionale Zusammenhänge soll in diesem Rahmen nicht eingegangen werden.

Andere Studien berichten bei ähnlichen Vorgehensweisen (eine Gruppe schaut einen humorvollen, die Kontrollgruppe einen non-humorvollen Film) noch weitere Effekte. Kimata (2001) zeigte, dass Personen mit (allergischen) Hautentzündungen nach dem Schauen des Comedy-Videos weniger massive allergische Reaktionen im Vergleich zur Kontrollgruppe bei einem Prick-Test aufwiesen, wenn ihnen das entsprechende Allergen (Hausstaubmilbe, Schuppen von Katzenhaaren) appliziert wurde. In einer anderen Studie wies Kimata (2004) nach, dass Patienten mit allergischem Asthma Bronchiale reduzierte allergische Reaktionen auf Allergene aufwiesen, wenn sie vorher einen Comedyfilm gesehen haben.

Atsumi et al. (2004) wiesen weiterhin bei 27 gesunden Patienten in der Comedy-Gruppe eine gesteigerte Fähigkeit nach, freie Radikale zu neutralisieren, was durch einen signifikanten Anstieg von entsprechenden Molekülen im Speichel verursacht wurde. Die Free Radical-Scavenging Capacity (FRSC) stieg dabei von 54.5 vor der Intervention bis auf 69.4 30 Minuten nach dem Video (p = .001). Außerdem ließ sich eine signifikante positive Korrelation zwischen dem selbst eingeschätzten Grad an Gefallen des Videos und dem Ausmaß freie Radikale zu binden, finden. Je besser den Personen das Video gefallen hat, desto höher waren ihre FRSC-Werte.

Abbildung 4: Box-Whisker Plots zur Veränderung der FRSC-Mittelwerte vor, 10, 20 und 30 Minuten nach der Intervention

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch Patienten mit Diabetes 2 könnten Studien zufolge von einem Lach-/Humor-Effekt profitieren. So wiesen Hayashi et al. (2003) nach, dass Diabetes-Patienten einen signifikant niedrigeren Blutzuckerspiegel (p < .005) nach dem Verzehr einer Mahlzeit (500 kcal) hatten, wenn sie vor der Nahrungsaufnahme eine 40-minütige Comedy-Show sahen. Dieser Effekt konnte im Gegensatz dazu nicht festgestellt werden, wenn sie eine nicht humorvolle, monotone Vorlesung besuchten. Die Autoren stellten die Vermutung auf, dass neuroendokrine Effekte, die durch die erheiternde Stimmung ausgelöst wurden, die Erhöhung von Glukose im Blut unterdrückten.

Fragwürdig bei all diesen Studien ist, ob es neben einem beobachteten Kurzzeiteffekt in den sterilen Laborbedingungen auch einen für die Gesundheit relevanten Langzeiteffekt gibt. Um dies zu belegen, müssten korrelative Studien zeigen, dass Personen, die häufiger Lachen und einen höher ausgeprägten Sinn für Humor haben, auch eine stärkere Immunkompetenz aufweisen (Martin, 2007). Diesbezüglich lassen sich aber nur wenige, zudem enttäuschende Studien finden. So fanden beispielsweise McClelland und Cheriff (1997) keine Korrelation zwischen selbst berichtetem Sinn für Humor und der Häufigkeit oder Schwere von Erkältungen in einem Beobachtungszeitraum von drei Monaten. Studien, die den Zusammenhang zwischen S-IgA-Levels und den Sinn für Humor untersuchten, fanden ebenfalls keine signifikanten Zusammenhänge (Labbott et al., 1990; Lefcourt et al., 1990).

Der Effekt von Lachen/Humor auf das Immunsystem scheint demnach sehr begrenzt zu sein. So kann man zusammenfassen, dass einige experimentelle Laborstudien zwar signifikante Veränderungen in einigen Komponenten des Immunsystems fanden während die Probanden Comedy-Videos schauten, etliche Ergebnisse konnten aber entweder nicht repliziert werden oder wurden durch nachfolgende Studien teilweise sogar widerlegt (Martin, 2007, Bennett und Lengacher, 2007a, 2007b).

4.2.2 Effekte von Lachen und Humor auf das Schmerzerleben

Etliche experimentelle Studien haben sich ebenfalls auf den Zusammenhang zwischen Lachen/Humor und das Erleben von Schmerz fokussiert. Dabei sind die experimentellen Bedingungen ähnlich, wie bei den Studien zum Immunsystem: Die Schmerzschwelle und die Schmerzgrenze werden vor und nach der Exposition eines Comedy-Videos erfasst und mit den Befunden einer Kontrollgruppe (non-humorvolles Video) verglichen (Martin, 2007). Schmerzschwelle und Schmerzgrenze werden in der Regel so erfasst, dass Personen mit einem schmerzhaften aber harmlosen Stimuli konfrontiert werden. Häufigen Einsatz findet diesbezüglich die „Cold Pressure Procedure“, bei der der Proband, seinen Arm für einige Minuten in eiskaltes Wasser halten muss. Dabei wird die Schmerzschwelle als die Zeit definiert, ab der der Proband den Stimulus erstmals (in dem Fall also das kalte Wasser) als schmerzhaft wahrnimmt, während die Schmerzgrenze die Dauer beschreibt, ab der eine Person, den Stimulus nicht mehr tolerieren kann und einen Abbruch fordert.

Cogan et al. (1987) unterteilten eine Gruppe 40 studentischer Studienteilnehmer in vier Gruppen: einer (1) Lach-Gruppe (Audio-Tape mit Stand-Up-Comedy), einer (2) Ent­spannungsgruppe (Audio-Tape mit Übungen zur progressiven Muskelentspannung), einer (3) Gruppe, die einer langweiligen Erzählung folgen musste (Audio-Tape einer Ethik-Vorlesung) und einer (4) No-Treatment-Kontrollgruppe (die in der Zeit gar keinen Stimulus erhielt). In Bezug auf die Ergebnisse, ließ sich mittels paarweiser Vergleiche feststellen, dass sich die Lach- und Entspannungsgruppe in Bezug auf die Schmerzschwelle nicht voneinander unterschieden, jedoch beide Gruppen signifikant höhere Werte (p < .05) im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen (Vorlesungs- und Kontrollgruppe) aufwiesen. Diese Ergebnisse führten zu der Annahme, dass Lachen/Humor und Entspannung einen ähnlichen anal­getischen, schmerzlindernden Effekt haben. In einer nachfolgenden Studie, variierten die gleichen Autoren die Experimentalgruppen und ersetzten die Entspannungsgruppe durch eine Gruppe, die eine interessante Erzählung hörte (Edgar Allen Poe) und eine Gruppe, die sich aktiv ablenkte, in dem sie Multiplikationsaufgaben löste. Die Ergebnisse im Anschluss daran zeigten, dass die Schmerzschwelle in diesem Fall nur in der Comedy-Gruppe gegenüber den anderen Bedingungen signifikant höher ausfiel. Dies führte zu der Schlussfolgerung, dass der bereits festgestellte Anstieg der Schmerzschwelle nicht einfach nur auf Ablenkung zurückzuführen ist, sondern der induzierte Humor durch das Comedy-Tape einen spezifischen eigenen Beitrag hat. Ähnliche Resultate stellten auch andere Autoren in ihren Studien fest (Weaver und Zillman, 1994; Weisenberg, Tepper und Schwarzwald, 1995; Zillmann, Rockwell, Schweitzer und Sundar, 1993).

Dass diese Ergebnisse auch jenseits von Laborbedingungen übertragbar sein könnten, wiesen Rotton und Shats (1996) in einer Feldstudie nach. Sie wiesen 78 stationär untergebrachte Patienten mit orthopädischen Operationen drei Gruppen zu: einer (1) Humor-Gruppe, die in den zwei Tagen nach der Operation vier Comedy-Filme schauen sollte, einer (2) Non-Humor-Gruppe, die vier Dramen in dem Zeitraum schauen sollte und einer (3) Kontrollgruppe, die gar keinen Film schaut. Die Folge war, dass die Humor-Gruppe im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen einen signifikant geringeren Verbrauch an schwachen schmerzlindernden Medikamenten (beispielsweise Aspirin) zeigte. Diese Reduzierung bezog sich allerdings nicht auf stärkere Analgetika, wie Demerol oder Percodan. Der reduzierende Effekt bezog sich zudem auch nur auf die Patienten in der Humorgruppe, denen es gestattet war, die Filme nach ihrem eigenen Geschmack auszusuchen. Personen, die ihre Präferenzen nicht einbringen konnten und Filme schauen mussten, die sie nicht wollten, zeigten im Gegensatz zur Kontrollgruppe einen deutlich höheren Verbrauch von Analgetika.

Ob Humor und Lachen alleine einen analgetischen Effekt haben, scheint hingegen fraglich. So gibt es Studien, die einen ähnlichen Effekt in Bezug auf negative Emotionen nachwiesen. Weisenberg et al. (1995) fanden beispielsweise ähnlich starke Anstiege in der Schmerz­toleranz bei Gruppen, die sich einen abstoßenden Horrorfilm anschauten. Demnach wäre der beobachtete analgetische Effekt eher auf emotionales Arousal zurückzuführen, das durch positive oder negative Emotionen induziert werden kann und nicht spezifisch mit Erheiterung, Freude und Lachen zu tun hat.

Weisenberg et al. (1998) interessierte zudem die Frage, wie langfristig die beobachteten analgetischen Effekte von Humor sind. Dafür maßen sie in einer Studie 30 Minuten nach der Exposition des Comedy-Videos nochmals die Schmerzschwelle und Schmerzgrenze der Probanden. Hierbei konnten sie feststellen, dass die Anstiege noch vorhanden waren, obwohl die Teilnehmer in einer Selbsteinschätzung ihre selbst eingeschätzte Stimmung wieder auf dem Baseline-Niveau einordneten.

Unklar scheint hingegen weitestgehend, welche physiologischen Mechanismen durch Lachen und Humor involviert sind. Mahony et al. (2001) testeten die Hypothese, dass ein Anstieg der Schmerztoleranz durch Erwartungen (an die positiven Effekte des Lachens) mediiert wird und somit ähnlich einem Placebo-Effekt funktioniert. In einem 2x2-faktoriellen Untersuchungs­design erhielten die Teilnehmer der Studie vor dem Schauen eines Comedy- oder Entspannungs-Films unterschiedliche Instruktionen. Einer (1) Gruppe (positive expectancy condition) wurde bei beiden Filmen mitgeteilt, dass Humor und Lachen beziehungsweise Entspannung die Schmerztoleranz erhöht, einer zweiten Gruppe (2) wurde in beiden Versuchsbedingungen das Gegenteil mitgeteilt und gesagt, dass Humor und Lachen/ Entspannung die Schmerztoleranz bei Personen reduziert (negative expectancy condition) und einer dritten Kontrollgruppe (3) wurde gar keine Instruktion vorab gegeben (no expectancy condition), sie konnte das humorvolle Video einfach so sehen.

Vor und nach der Intervention wurde bei allen Probanden die Schmerzgrenze durch den sogenannten Blood Pressure Cuff gemessen: dabei wird ihnen ein Blutdruckmessgerät an einen Arm gelegt und der Druck langsam erhöht, bis der Proband angibt, dass er den Druck bzw. Schmerz nicht mehr aushält. In der Analyse der Daten zeigte sich ein Haupteffekt auf den Instruktionstyp. Das bedeutet, dass die Personen in der positive-expectancy-Gruppe (und der no-expectancy-Gruppe) im Vergleich zur negative-expectancy-Gruppe signifikant höhere Anstiege der Schmerzschwelle nach der Präsentation der Videos verzeichneten – und zwar unabhängig von dem Video-Typ (Comedy oder Entspannung). Ein Effekt auf Treatment war nicht auffindbar, genauso wenig wie eine Treatment-Instruction-Interaktion.

Abbildung 5: Durchschnittliche Werte (und Standardfehler) für Schmerzgrenzen nach dem Treatment in den jeweiligen Bedingungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch wenn diese Ergebnisse auf einen Placebo-Effekt bezüglich der Effekte des Lachens hindeuten, ist es nicht ausgeschlossen, dass auch hier physiologische Effekte im Spiel sind, die allein durch die positive Erwartungshaltung ausgelöst werden, was auch bei anderen Placebo-Effekten bereits nachgewiesen wurde (Benedetti, 2002).

Da in den meisten Studien nicht klar genug präzisiert wurde, ob sich die beobachteten Effekte nun mit der Häufigkeit und Intensität von Lachen, der aus den Filmen resultierenden Erheiterung oder anderen beteiligten kognitiven Prozessen resultieren, schufen Zweyer et al. (2004) ein Studiendesign, was sich genau dieser Frage widmete. Sie ließen ihre Probanden einen Comedy-Film schauen (Mr. Bean and the Dentist), der Sound-Effekte, aber keine Dialoge enthielt. Drei Gruppen erhielten unterschiedliche Aufgaben während des Films: Gruppe 1, sollte den Film genießen, aber Lachen und Lächeln in jeglicher Form unterdrücken, Gruppe 2 sollte so oft wie möglich lachen und lächeln und Gruppe 3 sollte sich während des Film eine lustige Geschichte überlegen. Vor, direkt nach und 20 Minuten nach dem Film wurde die Schmerztoleranz der Teilnehmer durch die Cold Pressor Procedure erfasst und es zeigten sich über alle drei Gruppen hinweg ähnlich starke signifikante Anstiege der Schmerzschwelle und -grenze im Vergleich zur Baseline-Messung. Diese Ergebnisse legen die Schlussfolgerung nahe, dass für die Erhöhung der Schmerztoleranz, (lautes) Lachen nicht zwingend notwendig ist und die Ursache eher in Gefühlen der Erheiterung und des Vergnügens zu liegen scheint.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Lachen eine positive, reduzierende Auswirkung auf das Schmerzerleben hat, die empirischen Beobachtungen aber dafür sprechen, dass der Effekt nicht durch das Lachen per se, sondern stärker durch positive Gefühle wie Erheiterung und Fröhlichkeit ausgelöst wird. Ob die mit Lachen und Humor verbundenen Anstiege der Schmerztoleranz durch eine eventuelle Ausschüttung von Endorphinen mediiert wird, ist bisher noch unklar. (Martin, 2007). Bisherige Studien, die den Gehalt von Beta-Endorphinen im Blut ermittelten, konnten zumindest keine Anstiege während des Schauens von Comedy-Videos ermitteln (Berk et al., 1989; Itami et al., 1994). Martin (2007) verweist darauf, dass diese Experimente eine methodisch höhere Qualität aufweisen, als die Studien zum Immunsystem. Da sie deutlich besser kontrolliert und methodisch strenger durchgeführt werden, sind sie somit wesentlich valider und reliabler und die aufgeführten Ergebnisse auch eindeutiger.

4.2.3 Effekte von Lachen und Humor auf Blutdruck, Herz- und Atemwegserkrankungen

Lachen gegen zu hohen Blutdruck? Auch diese Annahme ist in der Bevölkerung weit verbreitet und wird mitunter sogar von Ärzten als Ratschlag gegeben (Ruchti, 2012). Dass dieser Effekt allerdings fragwürdig ist, konnten mehrere Studien nachweisen und zeigen, dass Lachen eher mit kurzfristigen Anstiegen des Blutdrucks und der Herzfrequenz verbunden ist, langfristige Effekte aber ausbleiben (Martin, 2007). Teilweise scheint bei einigen Erkrankungen der Ratschlag, Lachen zu intensivieren, sogar kontraproduktiv und gefährlich (Lebowitz et al., 2011).

Dies wiesen unter anderem White und Camarena (1989) nach, die in einer sechswöchigen Langzeitstudie den Einfluss von Lachen auf den systolischen Blutdruck (SBD), diastolischen Blutdruck (DBD) sowie die Herzfrequenz (HF) ermittelten. Sie wiesen in der randomisierten Studie 106 Teilnehmer einer von drei Gruppen zu: über einen Zeitraum von 6 Wochen führte jede Gruppe einmal wöchentlich entweder eine anderthalbstündige (1) Lachübung oder (2) Entspannungsübung durch oder (3) erhielt gesundheitsrelevante Informationen (Kontroll­gruppe). Die Ergebnisse im Anschluss der Intervention zeigten keine signifikanten Veränderungen der SBD-, DBD- oder HF-Werte im Vergleich zu den Anfangswerten in der Lach- (1) oder Kontrollgruppe (3). Nur in der Entspannungsgruppe (2) zeigten sich im Vergleich signifikant niedrigere Werte für die Herzfrequenz und den systolischen Blutdruck (p < .05).

Lebowitz et al. (2011) konnten sogar feststellen, dass bei gewissen Erkrankungen eine Lach-Intervention schädliche Auswirkungen haben kann. Die Autoren untersuchten physiologische Effekte von Lachen und Humor auf Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen (Chronic Obstructive Pulmonary Disease, COPD). Die Teilnehmer wurden randomisiert zwei Gruppen zugeordnet: eine Gruppe (1) erhielt die Lach-Intervention und schaute ein humorvolles Video, die andere Kontrollgruppe (2) ein neutrales Video. Die Lungenfunktion und der Stimmungs­zustand wurden vor und nach dem Video durch einen Lungenfunktionstest gemessen. Die Dauer des Lachens während der Intervention wurde durch zwei trainierte Beobachter erfasst und (zeitlich) gemessen. In der Analyse dieser Daten konnte nachgewiesen werden, dass die Personen, die sich das humorvolle Video (1) anschauten, signifikant länger lachten (195.4 sek vs. 1.0 sek, p < .001) als in der Kontrollgruppe (2).

Nach der Intervention zeigte sich, dass die Induzierung von Lachen in der Lach-Gruppe (1) bei diesen Patienten zu einer Lungenüberblähung (Hyperinflation) führte, was unter anderem akute Luftnot zur Folge haben kann. So stieg der Wert des funktionellen Residualvolumens (FRV) in Gruppe 1 um bis zu 15 %. In der Kontrollgruppe fiel dieser Wert um 5 %, was bei diesen Personen als positiv und gesundheitsförderlicher gewertet werden muss.

Abbildung 6: Veränderungen der funktionellen Residualkapazität (FRC) nach der Induzierung von Lachen * p < .05

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Als besonders positiv an dieser Studie lässt sich anmerken, dass die Autoren nicht nur davon ausgehen, dass in der Interventionsgruppe mit dem Humor-Video stärker und häufiger gelacht wird, sondern dies durch eine gezielte Beobachtung auch ermittelten und nachwiesen.

Clark und Kollegen (2001) untersuchten weiterhin, ob es einen Zusammenhang zwischen Lachen und Sinn für Humor und koronaren Herzerkrankungen (KHK) gibt. Sie werteten dafür SHRQ-Fragebögen (Situational Humor Response Questionnaire) von 300 Personen mit koronaren Herzerkrankungen und ihren gesunden Familienangehörigen aus und stellten fest, dass die KHK-Patienten im Vergleich zu ihren gesunden Angehörigen signifikant niedrigere Humor-Werte (52.7 versus 56.3; p <.005) aufwiesen. Dies könnte zu der Schlussfolgerung führen, dass ein niedrig ausgeprägter Sinn für Humor und eine niedrigere Lach-Frequenz einen Risikofaktor für Herzerkrankungen und umgekehrt häufiges Lachen eine protektive Funktion gegenüber Herzerkrankungen darstellen könnte Dies erscheint aber fragwürdig, da die Studie ein retrospektives Design hatte und die Personen ihre Humor-Werte nach Auftreten der Erkrankung angeben. Vorstellbar ist, dass die Erkrankung Personen in ihrer Ausgelassenheit und ihrem Sinn für Humor beinträchtig und somit niedrigere SHRQ-Werte verursacht (Martin, 2007). Ein kausaler Zusammenhang ließe sich erst herstellen, wenn ein prospektives Design gewählt und untersucht wird, ob gesunde Personen mit niedrigeren Humor-Werten ein höheres Risiko haben, Herzkrankheiten zu entwickeln.

4.2.4 Effekte von Lachen und Humor auf Krankheitssymptome

Die Studienlage zu der Frage, ob Lachen und Humor einen Einfluss darauf hat, weniger häufig zu erkranken, ist uneindeutig. So gibt es einige Studien, die signifikante negative Zusammenhänge zwischen Humor-Ausprägungen von Personen (ermittelt durch Sense of Humor Resoponse Questionnaire, SHRQ; Coping Humor Scale, CHS) und Selbstauskünften zum Gesundheitszustand (durch Gesundheits-Checklisten) ermittelten (Boyle und Joss-Reid, 2004; Ruch und Köhler, 1999), was implizieren würde, dass ein höherer Sinn für Humor zu weniger medizinischen Problemen und Krankheiten führen würde. Andere Studien hingegen konnten die Ergebnisse nicht replizieren (Anderson und Arnoult, 1989; Labott und Martin, 1990; Porterfield, 1987). So untersuchte Svebak (1996) beispielsweise in einer studentischen Stichprobe den Zusammenhang zwischen Sinn für Humor (durch den Sense of Humor Questionnaire, SHQ-6), Stresserleben und körperlichen Beschwerden (wie Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Erkältungen, etc.). Obwohl er einen hoch signifikanten positiven Zu­sammenhang zwischen Stresserleben und körperlichen Beschwerden fand, konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen Sinn für Humor und auffindbaren körperlichen Symptomen gefunden werden.

Die größte jemals durchgeführte und damit eine der repräsentativsten Korrelationsstudien zum Zusammenhang von Humor/Lachen und Gesundheit, stammt von Svebak, Martin und Holmen (2004). Sie untersuchten die komplette erwachsene Population eines Landkreises in Norwegen (65.333 Teilnehmer). Die Probanden bearbeiteten unter anderem den Sense of Humor Questionnaire (SHQ-6), erteilten Angaben zu unterschiedlichsten Erkrankungen, schätzten ihre generelle Zufriedenheit mit ihrer Gesundheit ein und wurden auf Blutdruck, Gewicht und Größe hin untersucht. Die Resultate der Autoren sind ernüchternd: So fanden sich nur sehr schwache Belege für einen direkten Zusammenhang zwischen Sinn für Humor und Gesundheit. Kommt es zur Kontrolle und Auspartialisierung der Variable „Alter“, verschwinden bedeutende Zusammenhänge zwischen Sinn für Humor und Krankheits­symptomen oder anderen objektiven Gesundheitsindikatoren sogar vollständig. Lediglich eine schwache Korrelation zwischen Humor und Zufriedenheit mit Gesundheit (r = .12, p < .05) wurde gefunden: Personen mit hohen Humor-Ausprägungen scheinen objektiv betrachtet demnach zwar nicht gesünder, sind subjektiv aber zufriedener mit ihrer Gesundheit.

Einen ähnlichen Befund konnten auch Kuiper und Nicholl (2004) replizieren. Sie schlugen vor, in der Analyse zwischen aktuellem und wahrgenommenen Gesundheitszustand zu trennen. Höhere Humor-Ausprägungen führten bei Personen zu einer positiveren Wahr­nehmung ihrer physischen Gesundheit, als dies tatsächlich der Fall wäre. In ihrer Unter­suchung mit studentischen Teilnehmern fanden sie heraus, dass Personen mit höheren Humor-Werten auch eine positivere gesundheitsbezogene Sichtweise hatten und unter anderem weniger Angst vor schweren Erkrankungen oder dem Tod angaben, weniger bekümmert um körperliche Beschwerden und weniger besorgt über mögliche Schmerzen waren.

Martin argumentiert, dass diese Befunde erklären könnten, warum die Idee, dass Humor und Lachen so viele positive Effekte auf die Gesundheit haben soll, so populär ist: Menschen mit einem hohen Sinn für Humor, fühlen sich demnach gesundheitlich besser und attribuieren diese wahrgenommenen gesundheitlichen „Scheineffekte“ auf das Lachen und ihren Sinn für Humor.

4.2.5 Effekte von Lachen und Humor auf die Lebenserwartung

Sollte Lachen positive Effekte auf die Gesundheit haben, müsste dies auch bedeuten, dass Personen, die höhere Humor-Ausprägungen haben und häufiger Lachen, auch dazu tendieren, länger zu leben. Die Studienlage zu diesem Punkt ist sehr begrenzt, allerdings gibt es einige Ergebnisse und Indikatoren, die diese These weitestgehend widerlegen.

So fand beispielsweise Rotton in einer Untersuchung (1992) keine signifikanten Unterschiede in der Lebensdauer von Comedians und Comedy-Autoren im Vergleich zu ernsthaften Entertainern oder Autoren. Allerdings belegen die Daten, dass beide Berufsgruppen eine signifikant geringere Lebenserwartung aufwiesen als Personen, die aus anderen Gründen berühmt waren. Demnach wäre die Begabung, Humor zu kreieren und andere Menschen zum Lachen zu bringen, kein Prädiktor für ein längeres Leben.

Auch eine andere Studie kommt zu dem Schluss, dass hoch ausgeprägter Humor zu einem früheren Tod führen kann. Friedman et al. (1993) analysierten die Daten von 1178 männlichen und weiblichen Teilnehmern der Terman Life-Cycle Study, einer Langzeitstudie, die eine Kohorte von Hochbegabten über mehrere Jahrzehnte (Beginn in den 1920er Jahren) begleitete und in regelmäßigen Abständen befragte und Daten aufnahm. Mit 12 Jahren wurde im Rahmen der Studie von den jeweiligen Eltern und Lehrern die Fröhlichkeit/Vergnügtheit der Kinder eingeschätzt und gemessen. In der Analyse der Daten zeigte sich, dass die Personen, die mit 12 Jahren als fröhlicher und vergnügter eingeschätzt wurden, eine signifikant höhere Mortalitätsrate in den nachfolgenden Jahrzehnten aufwiesen. Im Durchschnitt starben diese Personen früher, als die Personen, die im Kindesalter als weniger fröhlich und vergnügt galten. Eine Erklärung für dieses Phänomen liegt nach Friedman darin begründet, dass fröhlichere und vergnügtere Personen weniger besorgt über mögliche Gesundheitsrisiken sind und somit weniger Acht auf ihre Gesundheit nehmen, als ernsthaftere Personen. In dieser Erkenntnis liegt auch eine bedeutende Implikation für gesundheitspsychologische Modelle zur Veränderung des Gesundheitsverhaltens, die am Ende der Arbeit noch diskutiert werden soll.

4.3. Studien zu Effekten von Lachen auf die psychische Gesundheit

Neben Effekten auf physische Komponenten der Gesundheit, wird Lachen und Humor auch als wesentliche Komponente psychischer Gesundheit angesehen: Neben dem Befördern positiver Gefühle, soll Lachen auch ein wirksamer Schutz gegen Depressionen und Ängste, ein Coping-Mechanismus bei stressreichen Ereignissen sein und dabei helfen, befriedigende interpersonelle Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten (Martin, 2007; Galloway und Cropley, 1999; Kuiper und Olinger, 1998; Lefcourt, 2001; Mora-Ripoll, 2011). Diesen postulierten Effekten soll ebenfalls kritisch nachgegangen werden, indem ein Überblick über die Forschungsergebnisse der vergangenen 25 Jahre gegeben wird.

4.3.1 Einfluss von Lachen und Humor auf emotionales Wohlbefinden und die Lebensqualität

In Bezug auf die Beziehung zwischen Lachen/Humor und emotionalem Wohlbefinden lassen sich etliche Kurzzeiteffekte nachweisen. Ruch (1997) ließ beispielsweise 60 Teilnehmer in einer Studie randomisiert entweder mit einem Clown (Gruppe 1) interagieren oder Comedy-Videos anschauen (Gruppe 2). Dabei wurden die Häufigkeit, Intensität und Dauer ihres Lächelns und Lachen aufgezeichnet und mit dem Facial Action Coding System (FACS) ausgewertet. Als Kodierungsgrundlage diente das Duchenne-Display, was als Indikator für echtes, authentisches Lachen gilt. Außerdem sollten die Probanden ihre selbst wahr­genommene Fröhlichkeit und Erheiterung (State-Trait-Cheerfulnes Inventory, STCI) vor und nach dem Treatment angeben. In der Auswertung der Daten zeigte sich, dass je stärker die Personen gelächelt und gelacht haben, auch einen höherer Anstieg in ihrer Fröhlichkeits-/Heiterkeitswerten zu verzeichnen war. Interessanterweise gab es keine Korrelation zwischen der Ausgangsstimmung (vor dem Experiment) und dem Grad, mit dem über die Stimuli gelacht und gelächelt wurde. Demnach liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die positiven Emotionen eher eine Folge der humorvollen Konfrontation waren, als die Ursache.

Andere Studien legen die Schlussfolgerung nahe, dass Lachen und Lächeln selbst, ohne an Humor gekoppelt zu sein, positive Gefühle der Erheiterung induzieren können. Dies wird durch eine Studie von Strack, Martin und Stepper (1988) deutlich. Sie ließen 92 Probanden die Witzigkeit eines Cartoons auf eine 10-Punkte-Skala auf zwei verschiedene Arten einschätzen. Eine Gruppe (1) musste die Einschätzung vornehmen, währenddessen sie einen Stift so im Mund hielten, dass ihre Gesichtsmuskeln so kontrahiert waren, dass dies ein klassisches Lächeln verursachte (Duchenne-Display). Die andere Gruppe (2) wurde aufgefordert, den Stift so zu halten, dass diese Muskelgruppen inhibiert und so ein Lächeln verhindert wurde. In der Folge wurde der Cartoon von den Personen, denen ein Lächeln induziert wurde, als signifikant witziger eingeschätzt (Mittelwert von 5.14 versus 4.32; t(89) = 1.85, p < .03) und die Personen verzeichneten einen höheren Anstieg ihrer positiven Stimmung. Andere Studien fanden ebenfalls einen signifikanten Anstieg positiver Stimmung durch erzwungenes und nicht durch humorvolle Stimuli ausgelöstes Lachen (Foley, Mathei und Schaefer, 2002; Neuhoff und Schaefer, 2002)

Weiterhin lassen sich Hinweise darauf finden, dass Humor negative Emotionen abschwächen kann. In einer Studie von Moran (1996) konnte gezeigt werden, dass das Schauen eines vierminütigen humorvollen Filmes zu einer signifikanten Reduzierung berichteter Gefühle von Angst (gemessen mit Subjective Units of Disturbance Scale, SUDS) führte (p < .0001). Szabo (2003) verglich den Effekt auf die Stimmung zwischen einem 20-minütigen Comedy-Video, einer nicht humorvollen Dokumentation und dem 20-minütigen Laufen auf einem Laufband. Die sportliche Betätigung auf dem Laufband und das Comedy-Video führten folglich zu ähnlichen Anstiegen in der positiven Stimmung und der Reduktion von emotionalem Distress. Die Gruppe, die das Comedy-Video schaute, zeigte im Vergleich zur Lauf-Gruppe allerdings signifikant stärkere Verringerungen von Ängstlichkeit. Im Vergleich zeigte die Dokumentations-Gruppe keine oder nur geringe Veränderungen der Stimmung.

Neben diesen Effekten auf die Stimmung, ließ sich auch feststellen, dass humorbezogene Erheiterung Einfluss auf die allgemeine Lebensauffassung („outlook on life“) hat. Vilaythong, Arnau, Rosen und Mascaro (2003) wiesen dies nach, indem sie Probanden Comedy-Videos und nicht humorvolle Filme zeigten und anschließend den Grad „hoffnungsvoller Gefühle“ („hopefulness“) einschätzen ließen. In der Comedy-Gruppe ließ sich darin ein signifikant höher Anstieg gegenüber der Vergleichsgruppe feststellen.

Eine weitere Studie von Dienstbier (1995) legt zudem den Schluss nahe, dass Humor in der Lage ist, die Wahrnehmung einer eigentlich langweiligen Aufgabe in eine interessante zu wandeln. Er unterteilte seine 81 Probanden ebenfalls in eine Gruppe (1), die ein Comedy-Video und eine Gruppe (2), die ein nicht humorvolles Video schauen musste. Anschließend mussten beide Gruppe mehrere repetetive und langweilige Korrekturlese-Aufgaben durchführen und danach einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie unter anderem die Aufgabe beurteilten und ihre eigene Stimmung einschätzten. Die Personen, die sich in der Comedy-Gruppe befanden, schätzten die Aufgabe signifikant stärker als herausfordernd und belebender als die Vergleichsgruppe ein, obwohl sie in der Performance (Anzahl korrigierter Fehler) nicht besser abschnitten. Außerdem berichteten sie, dass sie sich besser und euphorischer fühlten, als die Kontrollgruppe.

Die sich anschließende Frage ist, ob diese Kurzzeiteffekte auch langfristig nachgewiesen werden können. So könnte man – wie auch bei den Effekten auf die physische Gesundheit – davon ausgehen, dass die regelmäßige Konfrontation mit humorvollen Stimuli über mehrere Wochen, zu einer allgemeinen Verbesserung der vorherrschenden Stimmung von Personen kommt. Erst wenn dem so wäre, könnte man auch wirklich seriös davon sprechen, dass ein echter Gesundheitseffekt vorliegt. Diese Langzeiteffekte sind allerdings bisher eher enttäuschend.

Gelkopf, Kreitler und Sigal (1993) führten eine Studie durch, in der sie langfristige Aus­wirkungen von Humor untersuchten, indem sie über einen Zeitraum von drei Monaten einer Gruppe schizophrener Patienten in einer Abteilung einer psychiatrischen Klinik 70 Comedy-Filme und einer zweiten Gruppe auf einer anderen Station die gleiche Anzahl nicht humorvoller Filme zeigten. Am Ende dieses Zeitraumes wurden beide Gruppe in Bezug auf ihre Stimmungen (durch das Personal der Klinik und Eigenbeurteilungen), psychiatrische Symptome, physische Gesundheitssymptome, physiologische und kognitive Funktionen eingeschätzt und untersucht. Von 21 untersuchten Variablen zeigten sich nur bei sechs davon in der Comedy-Gruppe wirkliche Verbesserungen – diese bezogen sich vor allem auf Einschätzungen der Patienten durch das Personal. So schätze ein Teil des Personals das Ausmaß an verbaler Feindlichkeit, Ängsten/Depression und Nervosität der Patienten der Comedy-Gruppe als etwas niedriger als in der Vergleichsgruppe ein. Gleichzeitig berichteten die Patienten von größerer sozialer Unterstützung seitens des Personals. Die Autoren der Studie schließen in ihrer Interpretation jedoch nicht aus, dass diese Effekte darauf zurückzuführen sind, dass die gezeigten Comedy-Filme eher die Wahrnehmung des Personals auf die Patienten als ihr tatsächliches Verhalten veränderte.

Auch Rotton und Shats (1996) konnten in ihrer bereits erwähnten Feldstudie mit Patienten nach einem orthopädischen Eingriff keine längerfristigen Effekte durch eine Humor-Intervention feststellen. Wie bereits beschrieben (siehe 4.2.2), unterteilten sie die Probanden in drei Gruppen: eine Gruppe (1) schaute vier Comedy-, die zweite Gruppe (2) vier drama­tische, nicht humorvolle Filme und eine dritte Gruppe (3) schaute gar keine Filme in den zwei Tagen nach dem operativen Eingriff. In den Einschätzungen der Patienten zeigten sich indes keine signifkanten Unterschiede zwischen der Comedy- (1) und der Drama-Gruppe (2) in Bezug auf das Maß selbst eingeschätzten emotionalem Distress und Schmerz über die zwei Tage. Allerdings lagen die Werte beider Film-Gruppen (1 und 2) signifikant niedriger (p < .05) gegenüber der Gruppe, die keine Film-Intervention erhielt. Die Autoren der Studien leiten aus diesem Ergebnis ab, dass das Schauen von Filmen einen Effekt auf das Wohlbefinden haben kann, aber nicht unbedingt mit Humor und Lachen kombiniert sein muss.

In einem anderen Experiment teilten White und Camarena (1989) eine Gruppe studentischer Studienteilnehmer in drei randomisierte Gruppen ein, bei denen über einen Zeitraum von sechs Wochen, wöchentlich die Gruppenteilnehmer entweder (1) eine 90 minütige Lach­übung, (2) eine ebenso langes Entspannungstraining oder (3) didaktisch aufbereitete Informationen zur Gesundheit erhielten. Die Probanden schätzten vor und nach der Intervention den Grad ihrer Verstimmung und Ängstlichkeit ein. In der Analyse der Daten zeigte sich diesbezüglich kein signifikanter Unterschied zwischen der Lach-Gruppe (1) und der Gruppe, die gesundheitsrelevante Informationen erhielt (3). Im Vergleich mit der Ent­spannungsgruppe (2), schnitt die Lach-Gruppe (1) sogar noch schlechter ab. Das heißt, einen positiven Effekt auf Verstimmung und Ängstlichkeit hatten allein die Entspannungsübungen.

Die unter Laborbedingungen gefundenen Kurzzeiteffekte konnten demnach in den meisten Fällen nicht auf Langzeiteffekte (unter Alltagsbedingungen) repliziert werden. Demnach erscheint es fraglich, ob Laugther Club, die genau diesen Effekt propagieren, einen sinnvollen Beitrag leisten können (Kataria, 2002).

4.3.2 Einfluss von Lachen und Humor auf das Stress-und Angst-Erleben

Neben dem direkten Wirkmechanismus von Lachen/Humor auf die Gesundheit, schlug Martin noch den Weg vor, dass Lachen/Humor sich positiv auswirkt, indem es einen Beitrag zum Coping stressreicher Lebensereignisse und -krisen (Leistungsdruck auf der Arbeit, Be­ziehungskonflikte, Katastrophen) leistet – die normalerweise einen negativen Effekt auf den psychischen und physischen Gesundheitszustand haben könnten. Dixon (1980) postuliert sogar, dass Humor in der Evolution genau diese eine Funktion erfüllen sollte: der effektiven Bewältigung von Stress zur Erhaltung der Gesundheit.

Newman und Stone (1996) führten diesbezüglich ein Experiment durch, in dem die ausschließlich männlichen Probanden die Instruktion erhielten, sich entweder (Gruppe 1) eine humorvolle oder (Gruppe 2) eine ernsthafte Geschichte auszudenken, während sie sich einen 13-minütigen Film über grausame Unfälle in einem Sägewerk anschauten. Im Vergleich mit Gruppe 2 berichtete die Humor-Gruppe (1) im Anschluss signifikant weniger emotionalen Distress und hatte eine geringere Hautleitfähigkeit, Herzfrequenz und eine höhere Hauttemperatur bis zu 15 Minuten nach dem Film. Das aktive Kreieren von Humor, um stressreiche Ereignisse neu einzuordnen („reframe“), kann demnach also einen positiven Effekt auf das Stress-Erleben und die Stress-Reaktion haben.

Cann et al. (1999) verwendeten in ihrer Studie Comedy-Videos als Humor-Manipulation. Eine Gruppe (1) sah Stand-Comedy, eine andere (2) ein nicht humorvolles Naturvideo und eine dritten Gruppe (3) sah gar keinen Film, nachdem alle Teilnehmer zuvor einen Ausschnitt aus einem Film sahen, welcher einen Flugzeugabsturz darstellte. Die Analyse der selbst ein­geschätzten Stimmungen (durch Profile of Mood States, POMS und Positive Affect Negative Affect Schedule, PANAS) im Anschluss an die Intervention zeigte, dass die Humor-Gruppe (1) im Vergleich mit der Naturfilmgruppe (2) ihre positiven Emotionen signifikant stärker steigerte, die Werte für Ängstlichkeit aber nicht signifikant reduzierte.

In einer sich anschließenden Studie verglichen Cann und Kollegen (2000), ob es einen unterschiedlichen Effekt hat, ob man das Comedy- oder nicht-humorvolle Video vor oder nach einem Film zeigt, welcher Szenen mit Tod zeigt. Unabhängig davon, ob die Intervention vor oder nach dem stressreichen Film liegt, rief das humorvolle Video signifikant niedrigere Werte für Verstimmung und Verärgerung und höhere Werte für positive Stimmung bei den Probanden hervor im Vergleich mit den Probanden, die das neutrale Video sahen. Für die Reduktion von Ängstlichkeit hingegen war die Intervention mit dem humorvollen Video nur erfolgreich, wenn es vor dem stressreichen Film gezeigt wurde. Demnach scheint Humor eine Art Priming-Funktion zu haben. Ereignisse, die humorreichen Ereignissen folgen, werden entsprechend verändert wahrgenommen und folglich eine Reduzierung der Ängstlichkeit vorgenommen.

Yovevitch, Dale und Hudak (1990) induzierten bei ihren Probanden Stress, indem sie ihnen die falsche Information mitteilten, dass sie 12 Minuten später einen schmerzhaften Elektro­schock erhalten würden. Während sie auf den Elektroschock warteten, hörte eine Gruppe (1) ein lustiges Hörspiel, eine zweite Gruppe (2) unlustiges Hörspiel oder gar kein Hörspiel (3). Über alle drei Gruppen hinweg, wiesen alle Probanden in der 12-minütigen Warteperiode einen Anstieg in ihrer selbst eingeschätzten Ängstlichkeit und ihrer Herzfrequenz auf. Allerdings fiel dieser Anstieg zumindest bezüglich selbst eingeschätzter Ängstlichkeitswerte in der Humor-Gruppe (1) signifikant weniger steil als in den anderen Gruppen aus. Bezüglich der Herzfrequenz gab es zwischen den Gruppen keinen signifikanten Unterschied. Damit scheint dem Einsatz von Humor eine gewisse kognitive stress-abfedernde Puffer-Funktion zuzukommen.

Diesen Befunden nach zu urteilen, kann also davon ausgegangen werden, dass Humor (und Lachen) einen gewissen stress-reduzierenden Effekt aufweisen. Allerdings weisen Martin (2007) und andere Autoren darauf hin, dass es schwierig sei, solche Laborergebnisse auf das tägliche Leben zu übertragen, da dortige auftretende stressreiche Ereignisse von längerer Dauer und höherer Intensität seinen können, als die eingesetzten Interventionen im Labor.

Diese Lücke wurde unter anderem von Kuiper und Martin (1998) mit einer bedeutenden Studie geschlossen, die den Zusammenhang von Lachen auf das Erleben von Stress in einem Feldversuch untersuchte. Sie gingen der Hypothese nach, dass häufigeres Lachen einen positiven Einfluss auf die Stimmungslage beim Erleben negativer Lebensereignisse hat. Dafür mussten die Probanden drei Tage lang jeden Abend die jeweiligen Häufigkeiten und Anlässe ihres Lachens notieren. Außerdem schätzten sie mittels DSI-Fragebogen (Daily Stress Inventory) das erbte Ausmaß stressreicher Erlebnisse über den Tag ein. Der gegenwärtige Stand ihrer positiven und negativen Stimmungslage wurde ebenfalls morgens und abends erhoben. In einer ersten einfachen Analyse der Daten zeigte sich, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Lachens über den Tag und dem jeweiligen Affekt gibt. Hier wurden keine signifikanten Korrelationen erreicht (r = .06, p >.05). Eine komplexere multiple Regressionsanalyse hingegen zeigte einen bedeutsamen Interaktions­effekt. So ist demnach ein stärkerer negativer Affekt bei Personen mit einer höheren Anzahl von stressreichen Erlebnissen über den Tag assoziiert – aber nur bei den Personen mit einer niedrigeren Frequenz von Lachen. Im Vergleich dazu, zeigte sich bei den Personen mit einem höheren Auftreten von Lachen kein so starker Anstieg des negativen Affektes, wenn es zu einem Anstieg von stressreichen Lebensereignissen kam.

Abbildung 7: Interaktionseffekt von starkem versus geringem Lachen auf die Beziehung zwischen dem Level täglichen Stresses und daraus resultierendem negativen Affekt (PANAS)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus diesen Befunden lässt sich die Erkenntnis ableiten, dass Lachen scheinbar einen „stress buffering effect“ (Kuiper und Martin, 1998, S. 146) auf den negativen Affekt unter erlebten stressreichen Ereignissen hat. Das generelle Affektlevel einer Personen hingegen wird laut dieser Untersuchung durch die alleinige Lachfrequenz nicht beeinflusst.

In der bereits erwähnten Studie von Lebowitz et al. (2011) an Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, (siehe 4.2.3) wurde neben der Lungenfunktion auch der Stimmungszustand durch die Positive and Negative Affectivity Scale (PANAS) vor und nach der Intervention bei beiden Versuchsgruppen (eine Gruppe schaute ein humorvolles, die andere ein neutrales Video) gemessen. Dabei zeigte sich in der Analyse der Daten, dass die Patienten in der Humor-Gruppe (1) einen signifikant höheren positiven Affekt aufwiesen als die Personen in der Kontrollgruppe (PANAS-P: 8.7 vs 29.6, p<.01). Das induzierte Lachen hatte hingegen interessanterweise keinen Effekt auf die Verringerung negativer Affekte (PANAS-N: 10.4 vs 10.8).

Die ebenfalls bereits angeführte Studie von Bennett zum Zusammenhang von Lachen und NK-Zellen-Aktivität (siehe 4.2.1), testete parallel auch den Zusammenhang von Lachen auf das Stress-Erleben. Dafür mussten die Probanden neben der Messung ihrer NK-Zellen-Aktivität auch vor und nach der Intervention mehrere Stress-Fragebögen ausfüllen (LES: Life Experience Survey, SACL: Stress Arousal Check List), um ihr jeweiliges Stress-Arousal zu ermitteln. Nach der Intervention (Comedy-Video vs. Neutrales Video) zeigten Mann-Whitney U Tests, dass die Stress-Werte für Personen in der Comedy-Video-Gruppe signifikant stärker sanken, als bei Personen in der Kontrollgruppe (U = 215.5, p = .004). Ähnlich wie bei den Resultaten zur NK-Zellen-Aktivität, zeigte sich wieder der Effekt, dass die Personen, die stärker lachten auch ein geringeres Stress-Level aufwiesen.

Abbildung 8: Beziehung zwischen Lachen und Stress-Level nach der Intervention

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch korrelative Studien zum Zusammenhang zwischen dem generellen Einsatz von Humor und Lachen im Alltag, dem Einsatz von Humor in stressreichen Lebensereignissen, dem Sinn für Humor als Persönlichkeitseigenschaft und dem spezifischen Umgang mit stressreichen Lebenssituationen könnten herangezogen werden, um weitere allgemeinere Informationen über mögliche stress-abfedernde Effekte von Lachen und Humor zu erhalten.

Kuiper und Kollegen (1993) untersuchten den Zusammenhang zwischen der Coping Humor Scale (CHS) und der kognitiven Bewertung von Studenten in Bezug auf ihre erste Klausur in „Einführung in die Psychologie“. Die Resultate ergaben, dass die Personen mit höheren CHS-Werten, die Prüfung im Voraus eher als positive Herausforderung, denn als negative Bedrohung ansahen. Im Anschluss an die Prüfung beurteilten die Studenten mit hohen CHS-Werten die Klausur als wichtiger und im positiven Sinne herausfordernder, wenn sie gut abgeschnitten hatten, minderten die Bedeutung und den Grad der Herausforderung, sofern sie schlecht abgeschnitten hatten. Im Gegensatz dazu beurteilten die Personen mit niedrigeren CHS-Werten die Prüfung generell als bedrohlicher und schätzten sie auch dann als bedeutsamer ein, wenn sie schlecht abgeschnitten hatten. Dies weist darauf hin, dass hohe Humor-Ausprägungen,dazu führen, stressreiche Situationen als weniger bedrohlich wahrzunehmen und einen für das Wohlbefinden und Selbstbewusstsein förderlichen Attributionsstil zu entwickeln.

Auch in besonderen unkontrollierbaren, stressreichen Extremsituationen, kann Humor einen wichtigen Beitrag für das emotionale „Überleben“ sein. Henman (2001) führte eine qualitative Studie durch, für die sie 50 amerikanische Männer interviewte, die Kriegs­gefangene in Vietnam waren. Danach gefragt, wie sie diese bedrohliche, unkalkulierbare Situation in der Gefangenschaft bewältigt haben, betonte ein Großteil der Probanden die Bedeutung von Humor zur Aufrechterhaltung ihres Antriebes zu Überleben. Humor wurde als eine Möglichkeit beschrieben, positive Gefühle hervorzurufen, die Bindung innerhalb der Gefangenengruppe zu steigern und sich gegen das Wachpersonal zur Wehr zu setzen. Indem sie zudem Witze über die Wachen und die widrigen Umstände machten, fühlten sie sich in dem Zustand, wieder ein Stück Kontrolle und Beherrschung über die Situation zu erlangen, über die sie eigentlich keine richtige Kontrolle hatten.

Allerdings gibt es auch Studien, die aufzeigen, dass nicht generell in allen Situationen Humor ein angebrachtes „Allheilmittel“ sein muss, um mit stressreichen Erlebnissen umgehen zu können. Dorz (2003) fand in einer Studie mit Mitarbeitern, die sich um AIDS- und Krebs-Patienten kümmern, heraus, dass diese Berufsgruppe den Einsatz von Humor als Coping-Strategie eher mit negativen, als mit positiven Konsequenzen verbindet. Carver, Scheier und Weintraub (1989) untersuchten die Coping-Stile von 528 Ärzten und Krankenpflegern/-innen in 20 norditalienischen Krankenhäusern. Dafür setzten sie das Instrument COPE (Coping Orientations to Problem Experience) ein, was eine Skala enthält, die den Einsatz von Humor bei der Stressbewältigung erfasst. Außerdem gaben die Probanden in mehreren Persönlichkeitsfragebögen den Grad ihrer Ängstlichkeit, Depression und dem emotionalem Burnout an. Überraschenderweise ergab die Datenanalyse, dass ein höherer Einsatz von Humor beim Coping mit größerer emotionaler Erschöpfung und Gefühlen der Depersonalisierung einherging. Unklar ist aber auch in diesem Fall die kausale Richtung der Korrelation: führt Humor zu Depersonalisierung und Erschöpfung oder ist ein Burnout die Ursache für den (übermäßigen) Einsatz von Humor, um die Situationen noch bewältigen zu können?

Eine ähnlich differenzierte Sichtweise auf den Nutzen von Humor resultierte aus einer qualitativen Studie, in der McCarroll et al. (1993) Notfall-Personal über ihre Methoden befragten, wie sie mit der Belastung umgehen, wenn sie mit Leichen nach großen Katastrophen wie Flugzeugabstürzen konfrontiert werden. Obwohl einige Humor als ein wichtiges Element ansahen, um Spannungen abzubauen, äußerten andere große Zweifel gegenüber der Angemessenheit und den Nutzen des Einsatzes von Humor in solchen Situationen.

Bonanno und Keltner (1997) verwendeten in einer Langzeitstudie auch Methoden der Verhaltensbeobachtung anstelle von Selbstauskünften zum Humor und fanden hingegen so Belege dafür, dass gutartiger Humor und der Einsatz von Lächeln/Lachen als Coping-Strategie einen positiven Nutzen im Umgang mit dem Tod eines Ehegattens haben kann. 38 Männer und Frauen, die ihren Ehegatten sechs Monate zuvor verloren, wurden während eines Interviews über ihre Beziehung mit ihrem verstorbenen Partner mit einer Videokamera aufgenommen. Die Aufnahmen wurden anschießend kodiert und auf das Auftreten von Duchenne- und non-Duchenne-Lächeln und -Lachen mithilfe des Facial Action Coding System (FACS) hin untersucht. Weiterhin wurde die emotionale Einstellung und die physische Gesundheit 14 und 25 Monate nach dem Verlust des Partners anhand einer umfangreichen Fragebogenbatterie erfasst. Die Auswertung der Daten ergab, dass ein höheres Auftreten von Duchenne-Lächeln und Lachen während der Interviews ein signifikanter Prädiktor für geringere Trauer-Symptome (depressive Stimmung, emotionale Benommenheit, Unfähigkeit, mit den Besitztümern des Verstorbenen umzugehen) nach 14 und 25 Monaten ist. Die Fähigkeit früh nach dem Todesfall wieder Humor und Lachen zuzulassen, war also mit einer besseren emotionalen Regulierung nach einem Jahr verbunden.

4.3.3 Einflüsse von Lachen und Humor auf soziale Beziehungen

Wie bereits beschrieben, spielt sich der Einsatz von Humor und Lachen typischerweise im Kontext sozialer Interaktionen ab. Betrachtet man Humor also als eine Form der interpersonellen Interaktion, ist es also durchaus sinnvoll, über den Beitrag nachzudenken, den Humor auf soziale Beziehungen haben kann, was in der Folge wiederum einen Effekt auf die psychologische Gesundheit haben kann (Martin, 2007). Denn es herrscht ein großer Konsens in der Psychologie, dass soziale Beziehungen generell einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit und das emotionale Wohlbefinden haben. Reis betont, dass „there is widespread evidence that socially involved persons are happier, healthier and live longer than socially isolated persons do“ (Reis, 2001; S. 58). So verfügen beispielsweise verheirate Personen im Durchschnitt über eine bessere psychische und physische Gesundheit als unverheiratete Personen. Gleichzeitig sind Beziehungen zu anderen Menschen auch eine wichtige Basis für soziale Unterstützung, was Personen in der Folge vor den schädlichen Folgen von Stress schützen kann (Martin, 2007).

Es scheint plausibel, dass Humor einen wichtigen Beitrag für die Entstehung und Aufrechterhaltung von befriedigenden und dauerhaften sozialen Beziehungen hat. Einige korrelative Studien haben so zum Beispiel eine Verbindung zwischen Humor-Eigenschaften und verschiedenen Variablen zwischenmenschlicher Beziehungen gefunden. So konnte beispielsweise eine positive Korrelation zwischen selbst berichtetem Humor und Intimität, Empathie, sozialem Durchsetzungsvermögen und zwischenmenschlichem Vertrauen gefunden werden (Martin, 2007). Rust und Goldstein (1989) fanden heraus, dass Paare (verheiratet oder unverheiratet), die ihre jeweiligen Partner als humorvoll wahrnehmen, zufriedener mit ihrer Beziehung sind, als Paare, die ihre Partner als weniger humorvoll ansehen. Auch Verhaltensbeobachtungen, die den Interaktionsstil zwischen verheirateten Ehegatten in Diskussionen beobachteten, zeigten, dass Personen, die zufriedener mit ihrer Ehe sind, ein höheres Maß an Humor und Lachen generell sowie stärker reziprokes Lachen in den beobachteten Konfliktsituationen einsetzten, als die Ehepaare, die generell unzufriedener mit ihrer Ehe sind (Carstensen et al., 1995).

Allerdings gibt es auch Studien, die zeigen, dass Humor einen negativen Effekt auf die Beziehungen haben kann. Lefcourt und Martin (1986) fanden, dass zwar bei Frauen hohe CHS-Werte (Coping Humor Scale) mit der Zufriedenheit mit der Ehe sowie positivem Engagement bei Konfliktsitituionen innerhalb der Ehe positiv korreliert sind. Bei Männern hingegen fand sich ein negativer Zusammenhang zwischen den CHS-Ausprägungen und der Zufriedenheit sowie dem Interaktionsstil bei Konflikten. Je stärker der Humor bei Männern ausgeprägt ist, desto unzufriedener und destruktiver in Konfliktsituationen waren sie. Auch Cohan und Bradbury (1997) konnten in einer Studie zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Beziehung von frisch verheirateten Paaren 18 Monate nach dem beobachteten Konflikt auseinanderbricht, um ein Vielfaches höher ist, wenn Männer in der Konfliktsituation stärker Humor einsetzten. Die Autoren vermuten, dass der eingesetzte Humor der Männer, die Intention verfolgt, von den Problemen abzulenken, sie zu verdrängen und somit die Angst, darüber intensiver zu sprechen, reduziert, sodass sie langfristig allerdings auch nicht angepackt und gelöst werden. Somit könnte der Einsatz von Humor bei Männern innerhalb von Konflikten in einer Beziehung zwar zu einer kurzfristigen Stress-Reduktion und einer Steigerung des Wohlbefindens, langfristig aber zu einer größeren Unzufriedenheit mit der Beziehung führen.

Neben diesen korrelativen Studien gibt es auch Erkenntnisse aus langfristig geführten Tagebuchstudien. In einer Studie von Nezlak und Derks (2001) hatten die Teilnehmer die Aufgabe über einen Zeitraum von zwei Wochen täglich Notizen über ihre sozialen Interaktionen zu machen, die länger als 10 Minuten dauerten. Jede Interaktion sollte anschließend auf Vergnügen, Grad an Intimität und Selbstvertrauen hin bewertet werden. Personen die höhere Werte auf der Coping Humor Scale (CHS) aufwiesen, bewerteten ihre täglichen sozialen Interaktionen insgesamt als zufriedenstellender und berichteten ein höheres Maß an Selbstvertrauen während der Interaktionen. Allerdings war der Coping-Humor-Wert unabhängig von der Anzahl der Interaktionen, die täglich gemacht wurden.

Eine ähnliche Studie führten auch Martin und Dutrizac (2004) durch. In ihrer studentischen Stichprobe sollten die Teilnehmer ebenfalls über zwei Wochen ihre täglichen Interaktionen notieren – allerdings war hier der Personenkreis auf „close others“ (wie enge Freund, Partner, und Angehörige) begrenzt. Am Ende jeden Tages sollten die Teilnehmer beurteilen, wie viele enge Interaktionen insgesamt stattfanden, wie hoch die Anzahl positiver und negativer Interaktionen war und wie die Häufigkeit von erteilter und empfangener Einfühlsamkeit verteilt war. Durch hierarchische Regressionsanalysen konnte herausgefunden werden, dass Personen mit stärker ausgeprägtem affiliativen Humor häufiger angenehme Aktivitäten mit ihren engen Kontaktpersonen unternehmen, während Personen mit einem stärkeren selbst-erhöhenden Humor eher positive verbale Interaktionen mit den Personen führten, als Dinge zu unternehmen. Personen mit weniger förderlichen Humorstilen (agressiver und kontra­produktiver Humor) korrelierten hingegen stärker mit häufigen negativen Gesprächen (Auseinandersetzungen, Kritik). Wie auch Nezlek und Derks (2001), fand sich auch in dieser Studie kein Zusammenhang zwischen den HSQ-Skalen und der Anzahl von Interaktionen mit anderen. Dies würde bedeuten, dass Humor mit der Qualität von sozialen Interaktionen in Beziehung steht, aber nicht mit der Quantität.

Wichtig ist zu beachten, dass auch hier ein Großteil der Studien nur Aussagen über Zusammenhänge (Korrelationen) macht, die Kausalität aber ungeklärt ist. Um kausale Dimensionen zu erfassen, müsste noch stärker auf Verhaltensbeobachtungen oder langfristig angelegte Langzeitstudien zurückgegriffen werden (Martin, 2007).

4.4 Zwischenfazit und Abschätzung der Befunde

Es konnte gezeigt werden, dass die vielen Facetten von Humor und Lachen (kognitive, emotionale und interpersonelle Aspekte) Implikationen für die psychische Gesundheit haben. Wenn Menschen mit anderen Personen über ein Problem oder eine möglicherweise gefährliche Lebenssituation lachen, kann dies Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Sichtweise auf das Problem, ihre emotionale Verfassung und die Qualität ihrer Beziehung zu ihrem Partner haben. Allerdings zeigt die Vielzahl der Studien auch, dass die Beziehung zwischen dem Einsatz von Humor und Lachen komplexer ist, als es auf den ersten Blick scheint (Martin, 2007). Die Studienlage ist zu dem mitunter widersprüchlich und kontrovers.

Die experimentellen Untersuchungen unter Laborbedingungen liefern deutliche Unterstützung für die These, dass Humor als ein bedeutender Emotionsregulations-Mechanismus fungieren kann (siehe Studien von Strack, Martin und Stepper, 1988; Moran, 1996; Szabo, 2003). Insbesondere auf kurze Sicht kann gut nachgewiesen werden, dass Humor und Lachen einen Anstieg positiver Gefühle (wie Heiterkeit und Wohlbefinden), begleitet von Gefühlen der Kontrolle und Erhabenheit, auslösen kann und zu einer Reduzierung negativer Gefühle (Angst, Niedergeschlagenheit, Verärgerung) führt (Martin, 2007).

Langzeiteffekte müssen hingegen differenzierter betrachtet werden. So gibt es auf diesem Feld Hinweise dafür, dass Effekte auf die psychische Gesundheit davon abhängen, wie und auf welche Art Personen Humor in ihren Alltag integrieren. Personen, die Humor auf eine sensible und konstruktive Weise einsetzen, um Probleme zu bewältigen und in humorvollen Interaktionen auf die Bedürfnisse anderer Personen eingehen sowie auf aggressive, ver­letzende Humorstile verzichten, können in der Konsequenz ein gesteigertes Gefühl des Selbstwertes und Selbstschätzung und Wohlbefinden erwarten und mit befriedigenderen Beziehungen zu anderen Personen rechnen (Martin, 2007). Aggressive Formen von Humor führen hingegen zu interpersonellen Konflikten und in der Folge auch zu einem Absinken des Wohlbefindens. Gezeigt werden konnte auch, dass ein unangemessener Einsatz von Humor in bestimmten Situationen zwar kurzfristig für emotionales Wohlbefinden sorgt, langfristig aber Probleme kaschiert und so zu einem Anstieg von Unzufriedenheit führt (siehe Studie von Cohan und Bradbury, 1997).

In Bezug auf die Effekte auf die physische Gesundheit lässt sich festhalten, dass die Forschung relativ eindeutige Belege für den (kurzfristigen) analgetischen Effekt von Lachen und Humor gefunden hat (Martin, 2007). Ob der Effekt aber alleine auf das Lachen zurückzuführen ist, bleibt hingegen fraglich. Der schmerzlindernde Effekt scheint vor allem mit erheiternden positiven Emotionen verbunden zu sein, zumal ein ähnlicher Effekt auch bei starken negativen Emotionen gefunden wurde.

Effekte auf das Immunsystem erscheinen widersprüchlich und weniger schlüssig. So wurden zwar einige Kurzzeiteffekte auf einige Komponenten des Immunsystems unter Labor­bedingungen festgestellt, allerdings konnten einige Befunde nicht repliziert werden oder wurden sogar widerlegt (Mora-Ripoll, 2011). Insbesondere bei diesen Studien wird auch eine starke Methodenkritik laut, auf die in Punkt 6 noch detaillierter eingegangen wird. Die komplexen Wechselwirkungen im Rahmen der Psychoneuroimmunologie bedürfen noch einen hohen Forschungs- und Verständnisbedarf. Ein einfacher Zusammenhang zwischen Lachen und Humor und einem verbesserten Immunsystem, Gesundheitszustand oder einer generell längeren Lebenserwartung konnte bisher nicht aufgezeigt werden. Humor-basierte Interventionen sollten demnach also vorsichtig implementiert werden und zunächst auf ihre Wirkung untersucht werden.

[...]


[1] Medline, PubMed, PsycINFO, EBSCO, Google Scholar

[2] Laughter, Mirth, Mirthful Laughter, Laugther and Health, Effects of Laughter, Psychology of Laughter,

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863419301
ISBN (Paperback)
9783863414306
Dateigröße
880 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Gesundheitspsychologie Gelatologie Psychoneuroimmunologie Review-Artikel Psychologie Glück

Autor

Marcus Sommer wurde 1986 geboren. Nach einem erfolgreich abgeschlossenen Lehramts-Studium der Politikwissenschaft und Grundschulpädagogik (B.A., anschließend M.Ed.) an der Freien Universität Berlin im Jahr 2009 begann der Autor ein Psychologie-Studium, ebenfalls an der FU Berlin. Dieses Bachelor-Studium beendete der Autor 2012 mit der vorliegenden Bachelor-Arbeit.
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Titel: Lachen als Gesundheitsverhalten?: Effekte von Lachen auf die physische und psychische Gesundheit - Eine Zusammenfassung vorliegender Studien der vergangenen 25 Jahre
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