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Sonderziehungsrechte: Ein Mittel gegen globale Ungleichgewichte?

©2009 Diplomarbeit 77 Seiten

Zusammenfassung

Der amerikanische US-Dollar (USD) ist gegenwärtig die dominierende Währung in der globalisierten Weltwirtschaft. 80% aller Transaktionen auf den globalen Finanzmärkten werden in USD vollzogen. Zudem sind die weltweiten Währungsreserven zu etwa zwei Dritteln in US-Dollar denominiert. Er ist damit zur weltweiten Leitwährung geworden. Die Emission einer Leitwährung durch einen einzelnen Staat führt dazu, dass dieses Leit- und Reservewährungsland ein Zahlungsbilanzdefizit aufbaut, wenn es den Rest der Welt (RdW) mit ausreichend Liquidität versorgt. Die Folgen davon sind die in den letzten Jahren angestiegenen globalen Ungleichgewichte der Zahlungsbilanzen sowie ein rascher Anstieg an Währungsreserven. Dieser Zusammenhang wird in der vorliegenden Arbeit als das Reservewährungsland-Problem bezeichnet. Durch die 2008 aufgekommene Finanzmarktkrise kamen Forderungen auf alle Regularien, die für die globalen Finanzmärkte von Bedeutung sind, zu überprüfen.
Als Basis einer Reform könnten die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) emittierten Sonderziehungsrechte dienen. Vorschläge dieser Art sind keineswegs neu. Bereits John Maynard Keynes hatte in den 1940er Jahren die Vorstellung einer internationalen Verrechnungseinheit gehabt, die im Laufe der Reformdiskussion immer wieder aufgegriffen wurde. Die bereits erwähnten Ungleichgewichte lassen die Vorschläge Keynes‘ aktueller denn je erscheinen. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob der Reformvorschlag - nämlich die SZR aufzuwerten - das Potential besitzt, das vorhandene Ungleichgewicht aufzulösen und damit das Reservewährungsland-Problem zu beheben.
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Darstellung, Untersuchung und Bewertung eines Währungssystems, indem Sonderziehungsrechten eine größere Bedeutung zukommt. Dabei steht die gesamtwirtschaftliche Sicht im Vordergrund und nicht die Analyse der politischen Realisierbarkeit.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2 Grundlagen

Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen dargestellt, die für das tiefere Verständnis der aufgetretenen Ungleichgewichtssituation und der existierenden Problem­atik der Währungsreserven notwendig sind. Dazu werden zunächst eine Erläuterung und Abgrenzung von den im weiteren Verlauf verwendeten Begriffen vorgenommen, ehe dann die Motive einer Volkswirtschaft zum Aufbau von Währungsreserven dargestellt werden. Um aus den in der Vergangenheit „erfolglosen“ Systemen der Währungsordnung zu lernen und die aktuellen Reformdiskussionen richtig einordnen zu können, wird in Abschnitt 2.3 auf die historische Entwicklung der Währungsordnung und die veränderte Bedeutung verschiedener Währungen eingegangen. Anschließend erfolgt die Erläuterung des Triffin-Dilemmas, das die problematische Abhängigkeit der Vertrauensbildung in eine nationale Währung beschreibt. Dieses Dilemma offenbarte sich bereits im Bretton-Woods System (BWS) und scheint auch heute noch Gültigkeit zu besitzen.

2.1 Begriffsabgrenzungen

Sonderziehungsrechte werden vom IWF als „ international reserve asset, created by the IMF in 1969 to supplement its member countries’ official reserves” definiert (IMF, 2009f). Noch zu Zeiten des Bretton-Woods System wurde durch die Allokation von SZR die Weltwirtschaft mit zusätzlicher Liquidität versorgt und so einer Dollar-Knappheit begegnet. Alle am Währungsfonds teilnehmenden Staaten erhielten gemäß ihrer Quote einen Teil der Zuteilung. I m Zeitraum von 1970-1972 wurden 9,3 Mrd. SZR und von 1979-1981 12,1 Mrd. SZR ausgezahlt. Zu dieser Zeit betrug der Anteil von SZR an den globalen Währungsreserven (exklusive Gold) ungefähr 9,5 %. Seither gab es keine weiteren Allokationen mehr. Die Sonderziehungsrechte verloren an Bedeutung und spielten bis heute keine nennenswerte Rolle mehr. Zum Ende des IWF-Geschäftsjahres 2008 beliefen sich die weltweiten Währungsreserven (inklusive Gold) auf 4,7 Bill. SZR, davon entfielen lediglich knapp unter 0,02 Bill. Auf die Haltung von tatsächlichen SZR, was einem Anteil von knapp 0,4 % entspricht (Williamson, 2009, S. 2).

Unter Weltwährungsordnung wird grundsätzlich der institutionelle Rahmen verstanden, der für eine möglichst effiziente Allokation von Arbeit und Kapital notwendig ist und zum Erreichen volkswirtschaftlicher Ziele wie einen hohen Beschäftigungsgrad und ein stabiles Preisniveau beiträgt. Zentrales Problem einer Weltwährungsordnung ist der Umgang mit der Frage, inwieweit einzelne Staaten bereit sind, eigene wirtschaftspolitische Ziele zu vernachlässigen, um international aufgestellte und gültige zu akzeptieren und zu befolgen (Siebert & Lorz, 2006, S. 302).

Durch die Leitwährungsfunktion des USD ergibt sich für US-amerikanische Unternehmen und Banken der Vorteil in heimischer Währung kalkulieren zu können. Die Risiken von Wechselkursänderungen trägt das Ausland. Durch die Dominanz des Dollars, hinsichtlich Wechselgeschäften und Reservevorkommen, wird die Nachfrage nach der Leitwährung USD weiter erhöht (Betz, 2002, S. 8). Trotz der aktuellen Finanzkrise ist der US-amerikanische Finanzmarkt immer noch der weltweit am besten ausgebaute. Er besitzt die meisten Anlagemöglichkeiten und wird als sicherer Hafen („safe heaven“) für Finanz-anlagen bezeichnet.

Währungsreserven sind Auslandsaktiva. Gegenwärtig sind dies meist US-Schatzbriefe – so genannte Treasury Bills (T-Bills) – die vor allem deshalb gehalten werden, weil sie als besonders liquide gelten, also im Bedarfsfall leicht veräußert werden können. Abbildung 1 zeigt die momentane Komposition der globalen Währungsreserven.

Abbildung 1 : Internationale Währungsreserven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (IMF, 2009e, S. 2, Appendix I)

Sie verdeutlicht eindrucksvoll die herausragende Stellung des USD, der knapp zwei Drittel der internationalen Währungsreserven ausmacht. Lediglich der Euro mit einem Anteil von gut einem Viertel an der Gesamtmenge hält gegenüber dem USD einen erwähnenswerten Anteil. Danach folgen das Pfund Sterling mit 4,7 % und der japanische Yen mit 2,9 %. Die verbleibenden Währungen nehmen zusammen genommen nur noch einen Anteil von ca. 2 % ein.

In der vorliegenden Arbeit wird vom System der Weltwährungsreserven gesprochen, obwohl genau genommen kein solches System existiert. Der Begriff beschreibt vielmehr die derzeitige Lage der Währungsordnung. Die Dominanz einer nationalen Währung – nämlich die des US-Dollars – als Leitwährung führt zu einem hohen Leistungsbilanzdefizit in diesem Land, um den steigenden Bedarf an Währungsreserven und Liquidität im Rest der Welt, insbesondere in den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens, befriedigen zu können. Der genaue Zusammenhang wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit beschrieben.

Leistungs- und Handelsbilanz werden in dieser Arbeit als identisch angesehen. Zur Vereinfachung werden die Salden der laufenden Übertragungen und der Erwerbs- und Vermögenseinkommen vernachlässigt.

Um das Verständnis für die in 3.1.2 geschilderten Erklärungsansätze zu erhöhen werden einige Zusammenhänge kurz skizziert: In einer offenen Volkswirtschaft entspricht der Saldo der Leistungsbilanz (LBS) der Ersparnis privater Haushalte und Unternehmen (S(HH)), sowie der des Staates (S(St)) abzüglich der Investitionen (I).

Gleichung (1) gibt diesen Zusammenhang wieder.

(1) LBS = S(HH) + S(St) - I

Bei einer globalen Betrachtung beträgt der Saldo aller Volkswirtschaften (Ges tiefgestellt) Null, da einem Überschuss immer ein entsprechendes Defizit gegenübersteht.

(2) LBSGes = S(HH)Ges + S(St)Ges - IGes = 0

Um die gegenwärtige Situation des Systems der Weltwährungsreserven mit einzubeziehen, wird zwischen den Reservewährungsländer (R tiefgestellt) und allen anderen Ländern (N tiefgestellt) unterschieden. In Summe ergibt der LBS wieder null.

(3) LBSGes = LBSR + LBSN = 0

Aus den vorstehenden Gleichungen ergibt sich nun für das Reservewährungsland folgendes.

(4) LBSR = S(HH)R + S(St)R - IR = - LBSN = S(HH)N + S(St)N - IN

Der Saldo des Reservewährungslandes (LBSR) entspricht damit dem Saldo der RdW (LBSN) mit umgekehrtem Vorzeichen (Greenwald & Stiglitz, 2006, S. 2 f. veränderte Notation). Weisen die USA ein großes Defizit auf, muss der RdW einen entsprechend großen Überschuss haben und vice versa.

2.2 Gründe zur Haltung von Währungsreserven

Für die Haltung bzw. den Aufbau von Währungsreserven einer Notenbank gibt es mehrere Gründe, von denen die wesentlichen im Folgenden dargestellt werden. Ein zentraler Faktor ist die Beeinflussung von Wechselkursen (Wechselkurs-Management). In einem System fester Wechselkursparitäten kann dieser durch den An- oder Verkauf von Devisen (Devisenintervention) verteidigt bzw. die Volatilität des Kurses abgeschwächt werden. Um sich diese Möglichkeit offen zu halten, sind ausreichende Devisenreserven notwendig. Ebenso können in einem System flexibler (floatender) Wechselkurse Währungsreserven zur Beeinflussung eines bestimmten Niveaus eingesetzt werden. Ein weiterer Aspekt der Reservehaltung ist die Möglichkeit durch die aufgebauten Reserven einer Volkswirtschaft die eigene Kreditwürdigkeit, die Bonität, auszuweisen bzw. zu erhöhen. Des Weiteren dienen die Reserven als Puffer in Krisenzeiten zur Finanzierung von Importen über einige Monate hinweg. Zudem sind Devisenreserven eine Art der Vermögenshaltung zu deren Gunsten auf den Aufbau von Sachvermögen zumindest teilweise verzichtet wird. Die Akkumulierung von Devisenreserven aus diesem Grund wird als Vorsichtsmotiv, oder „self-insurance“ bezeichnet (Muchlinski, 2009, S. 157).

Diese „self-insurance“ spielt für die in der vorliegenden Arbeit thematisierte Problematik eine besondere Rolle, da gegenwärtig insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Währungsreserven aus diesem Grund unverhältnismäßig ausbauen. Einige aufstrebende Länder vor allem Asiens nutzen ihre Reserven als Absicherung gegen eine Währungskrise und investieren nach Liquiditätsüberlegungen in hoch-liquide US-Schatzwechsel. Des Weiteren versuchen sich diese Volkswirtschaften durch den vermehrten Aufbau von Devisenreserven vor einer zu großen Abhängigkeit gegenüber dem IWF, deren Kreditvergabe grundsätzlich an Auflagen verbunden ist, zu schützen. Negatives Vorbild sind jene Staaten, die aufgrund der Asienkrise Ende der 1990er Jahren auf Kredite seitens des Internationalen Währungsfonds angewiesen waren.[1]

Obwohl es über die optimale Höhe von Währungsreserven keine Einigung gibt und diese über die Zeit hinweg schwanken, lässt sich laut Stiglitz (2006, S. 309) als Faustregel “im Interesse einer umsichtigen Risikovorsorge“ formulieren, dass ein Land zumindest im Stande sein sollte, seinen Verbindlichkeiten für Importe über ein paar Monate hinweg nachkommen zu können. Hierzu werden dann Reserven aufgelöst. Die „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ kommt in ihrem 77. Jahresbericht zu dem Schluss, dass mehr Gründe als eine reine „Liquiditätsüberlegung“ eine Rolle bei der Akkumulierung spielen. Nach dem Stand von Ende 2006 wäre Russland für 20 Monate und China für 16 Monate in der Lage, ihre Importe durch Währungsreserven zu finanzieren (BIZ, 2007, S. 109). Nach der Greenspan-Guidotti Regel sollten die Währungsreserven so hoch sein, dass die in einem Jahr fälligen Auslandsschulden getilgt werden können. Währungsreserven und Auslandschulden sollten also in einem Verhältnis von 1:1 stehen (Greenspan, 1999).

Mit dem Halten von Währungsreserven sind zudem Opportunitätskosten verbunden, da eine Zentralbank alternativ zum Halten von Reserven Erträge aus der Bildung von Sachvermögen ziehen kann. Die Erträge aus der Haltung von Währungsreserven (z. B. Zinsen auf T-Bills oder die Aufwertung der Devisen) müssen von den möglichen Alternativerträgen subtrahiert werden, um die Nettoalternativkosten für das Halten von Währungsreserven zu errechnen. Somit ergibt sich eine Möglichkeit die Höhe von Währungsreserven zu evaluieren (Muchlinski, 2005). Rodrik definiert die durch die Akkumulation von Währungsreserven entstehenden Kosten als den „Spread“ (die Differenz) zwischen den Zinsen, die dem privaten Sektor für kurzfristige Kredite entstehen und dem Zinssatz, den die Zentralbank auf ihre liquiden ausländischen Vermögenswerte erhält (Rodrik, 2005, S. 7).

2.3 Geschichte der Währungsordnung

Das internationale Währungssystem bildet die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen, um den freien multilateralen Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital zu gewährleisten. Basis dafür ist die Konvertibilität, die Möglichkeit, die eigene Währung gegen jede andere auszutauschen (Adebahr, 1990, S. 391).

Um die gegenwärtigen Vorschläge verstehen und einordnen zu können, ist es notwendig, die Entwicklung der Währungsordnung im Laufe der Geschichte zu kennen. Beginnend mit dem Goldstandard erfolgt ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Systems, mit der jeweiligen Leitwährung.

Im Jahr 1821 ging das Vereinte Königreich als erste Nation zum Goldstandard über. Zwischen etwa 1880 und 1914, in der Zeitspanne, die als klassischer Goldstand bezeichnet wird, schlossen sich alle bedeutenden Volkswirtschaften diesem Währungsstandard an, so bereits 1879 auch die USA. Vor allem seine Kolonialpolitik machte das Vereinte Königreich zur größten Weltwirtschaftsmacht jener Zeit. Das Pfund Sterling wurde zur Weltreservewährung und die britische Zentralbank, die Bank of England (BoE), gewann an Bedeutung. Der herrschende Standard war von der Solidarität der Staaten getragen und nicht durch einen multilateralen Vertrag. Es „war das erste international gültige Währungssystem mit partieller Golddeckung des Papiergeldes“ (Handler, 2008, S. 3 f.). Die teilnehmenden Staaten fixierten Paritäten ihrer eigenen Währung zu Gold. Sie garantierten den An- oder Verkauf von Gold zu diesem Preis durchzuführen. So entstand ein System fester Wechselkurse. War der existierende Leistungsbilanzüberschuss eines Landes größer als der Kapitalbilanzüberschuss (ohne Währungsreserven) werden die Exporte nicht vollständig durch eigene Kredite finanziert. Folglich muss ein Teil durch Währungsreserven finanziert werden. Somit fließt Gold in das Land mit der überschüssigen Leistungsbilanz und erhöht dessen Geldmenge, was wiederum einen Anstieg des Preisniveaus zur Folge hat. Da es im Goldstandard feste Wechselkurse gab, folgte automatisch eine reale Aufwertung der inländischen Währung, was wiederum zu einer Nachfrageverschiebung führte, die sowohl den Überschuss, als auch das Defizit verringerte. Langfristig führte dies zu einem Zahlungsbilanzgleichgewicht (Krugman & Obstfeld, 2006, S. 686 f.). Die Nachteile dieses Systems lagen in der fehlenden Autonomie der Zentralbanken sowie in der starken Abhängigkeit von der Förderung bzw. der Existenz von realem Gold. Entsprach die Goldproduktion nicht der Höhe des Handelswachstums entstand eine Liquiditätslücke. Dieses Problem hatten die goldproduzierenden Staaten nicht. Sie konnten somit eine eigenständige Geldpolitik fahren (Rose, 1995, S. 2). Während dieses Währungsstandards war das britische Pfund Sterling die einzige (neben Gold) bedeutende Reservewährung. Der US-Dollar spielte eine untergeordnete Rolle. Es gab (noch) keine US-amerikanische Zentralbank und der Dollar wurde für internationale Transaktionen kaum genutzt. Im Jahr 1899 wurden 64 % der offiziellen Devisenreserven in Sterling gehalten. Der Francs machte 16 % und die Mark 15 % aus. Von 1860 bis zum Ende des Goldstandards lauteten 60 % der Rechnungen im internationalen Handel auf Sterling (Eichengreen, 2007, S. 131 f.). Für das Ende des Goldstandards sorgte der erste Weltkrieg, in dessen Verlauf die immensen Rüstungsausgaben nicht mehr durch eine ausreichende Goldproduktion kompensiert werden konnten. Dies war zugleich der Beginn einer Wachablösung in der Leitwährungsfunktion, da der Sterling an Bedeutung verlor und der USD mit der im Jahr 1913 gegründeten amerikanischen Zentralbank, der Federal Reserve Bank (Fed), parallel dazu immer mehr an Bedeutung gewann. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen kehrte Großbritannien noch einmal zum Goldstandard zurück. Da der Goldpreis aus der Zeit vor dem Krieg beibehalten wurde, verlor das Land durch einen überbewerteten Sterling jedoch weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Es folgte eine “unruhige“ Zeit mit Hyperinflation in Europa und der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. 1933 scheiterte eine Währungskonferenz in London mit der Folge, dass sich daraufhin die wichtigsten Industriestaaten auf ihre nationalen Interessen fokussierten. Lediglich die USA kehrten zum Goldstandard zurück. Dies taten sie mit einer starken Dollarabwertung bis auf einen Goldpreis von 35 $ je Feinunze Gold. Erst der zweite Weltkrieg und seine Folgen führten zu einer Suche nach einem international gemeinschaftlichen neuen Weltwährungssystem (Handler, 2008, S. 4 f.). Robert Mundell resümierte bei seiner Verleihung des Nobelpreises, dass ausgerechnet die Fed – die unerfahrenste unter den Zentralbanken – die Möglichkeit besaß den Goldstandard zu beenden (1999, S. 6).

Bei der Währungskonferenz im Juli 1944 in Bretton Woods, New Hampshire (USA), trafen sich die Vereinten Nationen und beschlossen die Gründung des Internationalen Währungsfonds IWF sowie eines neuen auf festen Wechselkursen zum US-Dollar beruhenden Währungssystems. Da die teil-nehmenden Staaten die Möglichkeiten hatten bei der Fed. ihre Reserven in Gold (Preis für eine Feinunze blieb unverändert bei 35 $) zu tauschen, wird auch von einem Gold-Dollar-Standard oder nur Dollar-Standard gesprochen. Der USD entwickelte sich zur bedeutendsten Reservewährung und übernahm die Rolle des Pfund Sterling. Als Restriktion einer autonomen Geldpolitik ist die Verpflichtung zu werten, dass der Goldpreis bei 35 $ verbleiben musste. Somit war es den USA nicht möglich eine zu expansive Geldpolitik zu betreiben, da diese den Goldpreis verändert hätte. Zudem mussten die Vereinigten Staaten garantieren jederzeit Dollar in Gold zu tauschen. Um Währungsreserven auf einem adäquaten Niveau zu akkumulieren, häuften die Notenbanken Dollar an, da das weltweite Goldangebot nicht mit dem Wachstum des Welthandels Schritt halten konnte. Das System beruhte somit auf Vertrauen in den USD bzw. die Geldpolitik der Fed. Die Nachkriegszeit war von Dollarknappheit geprägt. Wegen kaum möglicher Kapitalbilanztransaktionen und schwer zugänglichen ausländischen Krediten waren die Zentralbanken gezwungen im Falle eines Defizits Währungsreserven abzubauen. Die Bereitschaft dazu fehlte jedoch weitestgehend, da die Notenbanken die Reserven zur Fixierung des Wechselkurses hielten (Krugman & Obstfeld, 2006, S. 697 ff.). Der US-Dollar geriet immer häufiger in Schwierigkeiten, die zu einer Flucht aus dem Dollar und somit starken Goldabflüssen führten. Das Vertrauen in die Währung sank und mehrere Nationen tauschten ihre Dollarreserven in Gold um. Im August 1971 endete der offizielle Goldmarkt, da es von Seiten der USA keine Bereitschaft mehr gab Dollarreserven anderer Notenbanken in Gold umzutauschen. Das endgültige Ende des BWS erfolgte im März des Jahres 1973, als das System der festen Wechselkurse – die Basis des BWS – aufgehoben wurde (Adebahr, 1990, S. 409 ff.). Die USA stellten ihre Gegenspieler vor die Wahl entweder die ansteigenden US-Preise zu importieren oder das Festkurssystem aufzugeben. Die teilnehmenden Volkswirtschaften waren nicht mehr bereit hohe Inflationsraten, die vom Reservewährungsland USA ausgingen, zu importieren und ließen die Wechselkurse frei floaten. Nun wurde deutlich, dass das System darauf beruhte und nur so lange funktionieren konnte wie das Reservewährungs-land willens war die eigenen wirtschaftspolitischen Ziele in den Hintergrund zu stellen und zum Wohle der Weltwirtschaft zu handeln (Krugman & Obstfeld, 2006, S. 717 f.). Die amerikanische Fiskal- und Geldpolitik richtete sich jedoch nicht nach den Erfordernissen des internationalen Währungssystems. Dennoch entwickelte sich der USD zum sicheren Hafen für Finanzanlagen (Mundell, 1999, S. 7).

Heute herrscht ein System weitgehend flexibler Wechselkurse. So schwanken die Kurse zwischen den bedeutendsten Währungen US-Dollar, Euro, Yen und Pfund Sterling frei. Der entscheidende Unterschied zum BWS liegt in der großen Bedeutung von internationalen Kapitalbewegungen, die stark zugenommen (Siebert & Lorz, 2006, S. 292 f.) und die Dominanz des USD weiter gestärkt haben. Bei fast 90 % der globalen Wechselgeschäfte ist der Dollar auf einer der zwei Transaktionsseiten, der Euro erreicht hierbei 37 %, der Yen 20 % und das Pfund Sterling 17 % (Siebert, 2006, S. 3).

Tabelle 1 zeigt die historische Entwicklung der Komposition von Devisen-reserven. Nach dem Ende des BWS 1973 war der USD mit 84,5 % die fast einzige Reservewährung. Lediglich die Deutsche Mark (DM) und das Pfund Sterling hatten mit 6,7 %, bzw. 5,9 % einen nennenswerten Anteil an globalen Reserven. Innerhalb der letzten Dekaden hatte der USD mit 71,5 % im Jahr 2001 seinen Spitzenwert. Seitdem ist sein Anteil fallend und beträgt momentan knapp zwei Drittel. Diese leichte Umschichtung erfolgt zu Gunsten des Euros, der sich direkt nach seiner Einführung an die zweite Position hinter den Dollar schob und mittlerweile gut ein Viertel der weltweiten Devisenreserven ausmacht. Er ist damit bedeutender als es zuvor die einzelnen europäischen Währungen zusammen genommen waren. Auffällig ist zudem die sinkende Bedeutung des japanischen Yen und des britischen Sterlings, die mittlerweile nur noch knapp 3 % bzw. knapp 5 % ausmachen. Alle übrigen Währungen nehmen zusammen nur einen Anteil von weniger als 2 % ein.

Tabelle 1 : Offizielle Komposition der Währungsreserven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: IWF

Das gegenwärtige System wird auch als „Non-System“ bezeichnet, da es weder ein internationales Abkommen noch einen Vertrag gibt, auf dem das Währungssystem beruht.

Eine andere Beschreibung des derzeitigen Zustandes liefern die drei US-Ökonomen Michael Dooley, David Folkerts-Landau und Peter Garber, die 2003 den Begriff „Bretton-Woods II“ geprägt haben. Ihrer Auffassung nach ist das heutige Währungssystem eine Anlehnung an das ursprüngliche BWS u. z. wegen der halb-offiziellen Wechselkursanbindung der Peripherie-Länder an den US-Dollar. Die Peripherie bilden einige Staaten Asiens (v. a. China), Lateinamerikas und die Netto Ölexporteure (Dooley, Folkerts-Landau, & Garber, 2003). Mehr zu der vorherrschenden Situation und den Auswirkungen in Gliederungspunkt 3.1.

2.4 Das Triffin-Dilemma

Das bereits erwähnte Vertrauensproblem gegenüber der Reservewährung im Bretton-Woods System ist auch als Triffin-Dilemma bekannt. Der Ökonom Robert Triffin stellte 1960 fest, dass die zunehmenden Währungsreserven der ausländischen Zentralbanken mit einem Anstieg der Dollareinlagen einhergingen und die Goldreserven der USA nicht ausreichen würden, diese zu decken und eintauschen zu können. Gesetzt den Fall, alle ausländischen Notenbanken würden ihre Dollarreserven zur gleichen Zeit in Gold eintauschen, würde dies zum Zusammenbruch des BWS führen (Krugman & Obstfeld, 2006, S. 709).

Triffin zeigte auf, dass eine internationale Reservewährung, die von der dominierenden Volkswirtschaft emittiert wird, inhärente Instabilität aufweist. Zum einen ist es für ein Land nur dann möglich Netto-Dollar Assets zu akkumulieren, wenn das Reservewährungsland ein Zahlungsbilanzdefizit aufweist. Zum Anderen hat das emittierende Land einen Vorteil an autonomer Geldpolitik, die sie dem Rest der Welt aufoktroyieren kann. Die Gründe dafür sind, dass die Staatsanleihen und T­-Bills als sicherste Anlagen der Welt gelten und das amerikanische Zinsniveau im Vergleich zu anderen Ländern relativ unabhängig von Wechselkursen des Dollars zu anderen Währungen macht (Ocampo, 2007, S. 3).

Das Wachstum von nationalen Währungen ist nicht ausreichend, um die entstandene Liquiditätslücke zu füllen (Triffin, 1960, S. 70). Das Dilemma für die USA und den RdW lag somit in der Wahl zwischen zwei nachteiligen Alternativen: Entweder a) die USA stoppen das wachsende Leistungsbilanz-defizit, was zu einer Unterversorgung der Weltwirtschaft mit Liquidität führen würde, oder b) sie führen das Defizit fort. Dies sorgt dann für einen Verlust des Vertrauens in den USD bzw. in dessen Goldkonvertibilität, was das gesamte System ins Schwanken brächte. Triffin‘s Vorschlag, um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden war die Einführung eines neuen Reservemediums, das den USA helfen sollte ihr Leistungsbilanzdefizit abzubauen und gleichzeitig Liquidität für den Rest der Welt zur Verfügung stellt. Aus diesem Lösungsvorschlag entstanden die Sonderziehungsrechte des IWF (Handler, 2008, S. 11).

Aus den unterschiedlichen Gründen zum Halten von Währungsreserven steht in der gegenwärtigen Situation besonders das Vorsichtsmotiv der aufstrebenden Volkswirtschaften z. B. Asiens im Vordergrund. Zudem wurde gezeigt wie sich die Stellung einer Währung im Laufe der Geschichte verändern kann. Das Pfund Sterlings hat seine ehemalige Vormachtstellung an den US-Dollar verloren. Dieser ist seit Beginn des BWS die Leitwährung der internationalen Währungsordnung und damit die Hauptreservewährung. Die Erfahrung zeigt, dass es keine garantierte und unbefristete Vormachtstellung einer Währung gibt, da das Triffin-Dilemma ein systemimmanentes Problem darstellt und auch in ursächlichem Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschaftskrise steht.

3 Problemstellung des Systems der Weltwährungsreserven

Im vorangegangenen Abschnitt wurden theoretische Grundlagen gelegt und die Ent­wicklung der Währungsordnung im letzten Jahrhundert aufgezeigt. Im folgenden Kapitel geht es darum, die Grundprobleme des derzeitigen Systems herauszuarbeiten. Der erste Teil befasst sich mit der seit Jahren ansteigenden Ungleichgewichtssituation in den Zahlungsbilanzen der Volkswirtschaften und der damit verbundenen Akkumulierung immenser Währungsreserven einiger Staaten. Die Erörterung der Frage, wie hoch die Notwendigkeit ist das bestehende System zu reformieren, am Ende dieses Kapitel bildet dann die Basis und den Übergang zu den unter Punkt 4 behandelten Reformvorschlägen.

3.1 Globale Ungleichgewichte

Zahlungsbilanzen können aufgrund der doppelten Buchführung zwar nicht ungleichgewichtig sein, in der Literatur hat sich die Bezeichnung eines Ungleichgewichts für die anhaltende Situation jedoch etabliert. Bleibt der Blick auf die Teilbilanzen Leistungs- und Kapitalbilanz. Nach einer Deskription der gegenwärtigen Lage erfolgt eine Vorstellung der verschiedenen Erklärungs-ansätze zu deren Entstehung. Darauf aufbauend werden die Kosten, die mit der jetzigen Ausgestaltung des Systems der Weltwährungsreserven verbunden sind, aufgezeigt. Gerade Stiglitz sieht in „Die Chancen der Globalisierung“ allein in diesen ausreichende Argumente für eine Reform des Systems. Im dritten Teil wird die Verbindung zur allgegenwärtigen Finanzmarktkrise hergestellt. Es soll und kann nicht die Frage geklärt werden, in wieweit die Ungleichsituation tatsächlich zur Krise beigetragen hat. Allerdings besteht die Notwendigkeit den möglichen Einflussfaktor der Ungleichgewichte auf die Finanzmarktkrise zu erörtern, um die Tragfähigkeit der herrschenden Situation einschätzen zu können.

3.1.1 Situation

Die USA bilden mit dem Dollar als dominierende Währung das Zentrum des gegenwärtigen internationalen Währungssystems. Der starke Konsum in den Vereinigten Staaten hat das weltweite Wachstum in den 1990er Jahren getragen und beschleunigt. Die USA fungierten als „consumer of the last resort“, wovon der RdW profitierte (Muchlinski, 2009, S. 156). Dem gegenüber stehen die Staaten der Peripherie, die nun nicht mehr aus nur einem Block bestehen. Der Peripherie werden vor allem Staaten Asiens und Lateinamerikas zugeordnet, ebenso wie Netto Ölexportländer und einige Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas. Das entwickelte Europa kann als ein weiterer Block gesehen werden, der jedoch weder dem Zentrum, noch der Peripherie zuzuordnen ist. Ein Block innerhalb der Peripherie sind Brasilien, Russland, Indien und China, die als BRIC-Staaten zusammengefasst werden. Die BRIC-Staaten weisen im Gegensatz zur westlichen, industrialisierten Welt hohe Wachstumsraten[2] auf. In der Literatur, vor allem aber auch in der akademischen Diskussion, wird besonderes Augenmerk auf das bilaterale Verhältnis von den Vereinigten Staaten von Amerika zur Volksrepublik China gelegt. Die Bilanzen beider Staaten sind gegenwärtig ökonomisch eng miteinander verflochten. Die Volksrepublik China weist hohe Sparquoten auf und fördert das eigene Wirtschaftswachstum durch eine „export-led growth“-Strategie, bei der dem Export die konjunktur-treibende Wirkung zukommt. Die chinesische Währung, der Renminbi (RMB)[3], ist an einen Korb gekoppelt, der die Währungen der Handelspartner widerspiegelt. Es herrscht Konsens darüber, dass der Renminbi zur Exportunterstützung durch die chinesische Regierung unterbewertet ist. Die Schätzungen über das Ausmaß der Unterbewertung gegenüber dem USD schwanken und reichen bis zu 25 % des jetzigen Renminbi Wertes. Durch den „billigen“ Renminbi werden Importe für das Ausland aus China günstiger und die Nachfrage nach Exportgütern steigt. Die USA hingegen weisen eine niedrige Sparquote auf. Amerikanische Haushalte leben sozusagen über ihre Möglichkeiten und finanzieren den übertriebenen Konsum über Kredite. Dadurch ergibt sich ein Doppeldefizit (twin deficit) mit einem defizitärem Staatshaushalt sowie einem Defizit in der Leistungsbilanz.

Die Währungsreserven, die durch die RMB-Unterbewertung angehäuft werden, werden wiederum in US-amerikanische T-Bills investiert. Für die USA ergibt dies einen massiven Kapitalimport mit dem das Leistungsbilanzdefizit finanziert wird.

Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Leistungsbilanzsalden von 2001 bis 2009 einiger ausgewählter Volkswirtschaften. Die USA weisen dabei das mit Abstand größte und bis 2006 wachsende Leistungsbilanzdefizit auf. Im Jahr 2006 hat es den „Spitzenwert“ von -731 Mrd. $ erreicht. Die neun Staaten[4], die nach den USA die höchsten Defizite in ihrer Leistungsbilanz aufweisen, haben im Vergleich dazu ein relativ kleines Defizit. Summiert ergibt sich für diese Volkswirtschaften ein Defizit von „lediglich“ 517 Mrd. $. Auf Seiten der Überschussländer hat sich die Volksrepublik China in den vergangenen Jahren zum Land mit dem höchsten Leistungsbilanzüberschuss entwickelt. Mit der Bundesrepublik Deutschland und Japan stehen zwei weitere exportorientierte Nationen auf Seiten der Überschussländer. Ansonsten weisen vor allem ölexportierende Volkswirtschaften wie Saudi-Arabien und die russische Föderation Überschüsse auf.

Abbildung 2 : Leistungsbilanzsalden

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten5

Eigene Darstellung Quelle: (IMF, 2009g)

Defizite in der Leistungsbilanz der USA sind historisch gesehen nichts Unübliches. Unüblich ist jedoch die Höhe des Defizits gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Defizit der Vereinigten Staaten belief sich laut Jahresbericht der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ, 2008, S. 15 f.) Ende 2007 auf 692 Mrd. $, was einem Anteil von 4,9 % vom BIP entspricht, nachdem es im Vorjahr mit 811 Mrd. $ und 6,2 % vom BIP seinen historischen Höchststand erreicht hatte. 1991 war die Leistungsbilanz noch ausgeglichen. Somit ist das Defizit innerhalb von 15 Jahren von 0 auf 811 Mrd. $ gestiegen. Seit dem Höchststand des Defizits im Jahr 2006 ist eine Entspannung der Situation zu erkennen. Im Geschäftsjahr 2008 gab es einen Rückgang des US-Defizits, dem eine Verminderung der Überschüsse der Volkswirtschaften der Bundesrepublik Deutschlands und Japans gegenübersteht. Für das Jahr 2009 rechnet der IWF mit einem weiteren Rückgang auf -393 Mrd. $. Dieser Rückgang ist vornehmlich auf die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zurückzuführen. Bis 2014 wird mit einem erneuten Anstieg des Defizits auf 476,8 Mrd. $ gerechnet. China, das Land mit dem höchsten Überschuss in der Leistungsbilanz, erreichte 2008 440 Mrd. $, was einem Anteil von 10 % des chinesischen BIP entspricht. Die Tendenz für die Entwicklung des Saldos ist weiter steigend (IMF, 2009g). Um das Leistungsbilanzdefizit wieder auf ein adäquates Niveau zu bringen, ist eine Abwertung des Dollars notwendig. Amerikanische Güter werden so auf dem Weltmarkt billiger und die US-Exporte steigen. Dass eine Dollarabwertung bevorsteht entspricht der allgemeinen Sicht führender Ökonomen. Ein Problem besteht auch darin, dass das Defizit der USA nicht für ertragreiche Investitionen, sondern vor allem für den Konsum genutzt wird.

Hinsichtlich des Bestandes von Währungsreserven besteht eine weitere Perspektive des globalen Ungleichgewichts. Auch hier nehmen die BRIC-Staaten eine besondere Rolle ein. Die Verteidigung des unterbewerteten Renminbi sorgt zusammen mit der „self-insurance“ der chinesischen Regierung für die Akkumulierung von hohen Währungsreserven. Tabelle 2 zeigt die aktuellen Währungsbestände von ausgewählten Staaten. Vor allem die BRIC-Staaten weisen enorme Bestände auf, die weit über das hinausgehen, was zur Finanzierung von Importen über ein paar Monate hinweg nötig wäre. Chinas Bestand an Währungsreserven im Jahr 2009 beträgt z. B 186 % der Importe eines Jahres, d. h. sie könnten knapp zwei Jahre ihre Importe durch das Auflösen ihrer Währungsreserven finanzieren. Auch Brasilien und Russland weisen vor allem in Relation zu ihren kurzfristigen Auslandsschulden und Importen beträchtliche Währungsreserven auf. Die Regel, dass die Währungsreserven zur Finanzierung von Importen in Krisenzeiten für ein paar Monate ausreichen sollten, ist damit weit übertroffen.

Tabelle 2 : Bestand an Währungsreserven

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (BIZ, 2009, S. 101)

Auch unter Anwendung der Greenspan-Guidotti Regel (siehe 2.2) zeigt sich, dass die Bestände an Währungsreserven einiger Volkswirtschaften weit über ein einfaches Vorsichtsmotiv hinaus gehen. Ende 2008 betrug das Verhältnis von Währungsreserven zu kurzfristigen Auslandsschulden in Asien knapp 6:1, im Gegensatz zu einem als angemessen bezeichneten Verhältnis von 1:1. Der extremste Fall ist wieder die VR China mit einem Verhältnis von über 18:1, aber auch die anderen BRIC-Staaten wiesen mit einer Relation von über 3:1 einen enormen Währungsbestand auf.

3.1.2 Erklärungsansätze

„Geld ist […] eine Fiktion, wertloses Papier, das Wert nur erwirbt, weil sehr viele Menschen ihm Wert beimessen. Das System beruht auf Vertrauen. Nicht auf Wahrheit oder Realität, sondern auf kollektivem Glauben“.

Paul Auster (1997, S. 51)

Um die Entstehung der Ungleichgewichtssituation zu erklären, gibt es in der Literatur vielfältige Erklärungsansätze, die im Folgenden vorgestellt und diskutiert werden. Wie aus dem Zitat von Paul Auster hervorgeht beruht das heutige System auf einer Konvention, dem Vertrauen in die Wertstabilität des Dollars. Aus den in 2.1 gezeigten Gleichungen, lässt sich die gegenwärtige Situation einfach erklären. Ein hoher Überschuss der USA steht einem hohen Defizit des RdW gegenüber. Das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA entspricht einem großen Leistungsbilanzüberschuss des RdW. Greenwald und Stiglitz (2006) führen zwei, zur Erklärung der Situation dienliche, Sichtweisen auf: die des Doppeldefizits (twin deficit) und die des Überangebots von globalen Ersparnissen (saving glut). Nach dem Modell des Doppeldefizits führen der negative Staatshaushalt, sowie niedrige Ersparnisraten und hohe Investitionsraten zu einem hohen Leistungsbilanzdefizit der USA, welches wiederum zu Überschüssen in den Leistungsbilanzen des RdW führt. Die Sichtweise der „saving glut“ bemisst der Gleichung (2) mehr Bedeutung zu und bezieht sich auf hohe private Ersparnisse des RdW. Auch hier lässt sich als extremes Beispiel die VR China nennen. Diesem stehen relativ geringe staatliche Ersparnisse und Investitionen gegenüber, was zu den erwähnten Überschüssen in dem Rest der Welt führt. Diese Überschüsse werden aufgrund der sicheren Anlagemöglichkeiten auf dem attraktiven US-Finanzmarkt angelegt und ziehen dort das starke Leistungsbilanzdefizit nach sich. Die Sichtweise der „saving glut“ gewann durch den jetzigen Vorsitzenden der Fed, Ben Bernanke, an Popularität (Bernanke, 2005). Er (Bernanke, 2007, S. 7 f.) verweist bei der Frage nach der Tragfähigkeit des US-Defizits auf drei Faktoren, die das beschriebene Ungleichgewicht relativieren. Als ersten nennt er die Attraktivität des US-Finanzmarkts. Kapitalimporte werden angezogen, was wiederum erst die Kapitalbilanz aktiviert und nachfolgend die Leistungsbilanz passiviert. Die Leistungsbilanz folgt nach dieser Ansicht der Kapitalbilanz. Der zweite Faktor ist der positive Einfluss auf die Konjunktur der gegenüberstehenden Überschussländer. Der starke Export kann Tendenzen rezessiven oder über-hitzendem Wirtschaftswachstums entgegenwirken. Als dritten Punkt führt Bernanke die weiterhin positive Nettoanlagenposition auf. Die negative Net International Investment Position (NIIP)[6] ist in Relation zum Wohlstand der US-Bürger mit weniger als 5 % relativ klein. Nichtsdestotrotz gesteht der Fed-Vorsitzende ein, dass ein Defizit auf aktuellem Level (Stand 2007) langfristig nicht beibehalten werden kann und fordert unter anderem Maßnahmen, die zu einer höheren US-Sparquote führen. Er bevorzugt eine zeitnahe Adjustierung des Defizits, um potenzielle Belastungen zu vermeiden. Zudem verweist er darauf, dass grundsätzlich Kapital von der USA in die aufstrebenden und entwickelnden Volkswirtschaften fließen sollte und nicht wie zurzeit in umgekehrter Richtung. Die Rendite, die in noch nicht industrialisierten Staaten zu erwarten ist, liegt über der von US T-­Bills, was sowohl den USA als Kapitalgeber, als auch dem empfangenden Land, das sich weiter entwickeln kann, helfen würde.

Eine weitere Perspektive ist die der Nachfrage nach nationalen Währungs­reserven. Ebenso wie bei privaten Haushalten der Bestand an Liquidität bei gestiegenem Einkommen steigt, verhält es sich auch Staaten mit der Nachfrage nach Währungsreserven. Sie nehmen bei steigendem internationalem Handel zu. Da dieser durchschnittlich um ca. 7 % p. a. wächst, kann davon ausgegangen werden, dass auch die Nachfrage für Währungsreserven um diesen Anteil wachsen sollte. Dies hat zur Folge, dass, solange der Welthandel wächst, auch die Nachfrage nach der Reservewährung zunimmt. Auf lange Sicht entsteht ein chronisch wachsendes Leistungsbilanzdefizit des Reservewährungslandes, also der USA. Sind die Vereinigten Staaten nicht bereit, das dafür notwendige Defizit aufzuweisen, können die anderen Staaten ihr Reserveziel nicht erreichen. Eine vorstellbare Konsequenz ist eine Abwertungsspirale unter allen Volks-wirtschaften, welche letztlich zu einer Verringerung des Wohlstandes aller führt. Mit einem Blick auf das Reservewährungsland lässt sich abschließend feststellen, dass sich durch das gegenwärtige System die Geldpolitik in den USA in einem ständigen Deflationsdruck befindet, wenn sie die Nachfrage nach Währungsreserven einiger Staaten nicht befriedigt. Diesem muss von Seiten der USA mit einer expansiven Politik begegnet werden (Greenwald & Stiglitz, 2006, S. 1ff.).

D‘Arista (2004, S. 560) sieht in dem gegenwärtigen System die „treibende Kraft“ für die export-led growth Strategien aufstrebender Volkswirtschaften. Die erzielten Überschüsse in der Leistungsbilanz führen dann zwangsläufig dazu, dass andere Staaten, in diesem Fall die USA als Währungsemittent, ein Defizit aufweisen müssen. Aizenman und Lee (2007, S. 192 ff.) vergleichen diese merkantilistische, mit einer vorbeugenden Strategie. Bei letzteren steht die bereits erwähnte self-insurance im Zentrum, um sich gegen ausbleibende Kapitalimporte abzusichern. Gegen eine merkantilistisch motivierte Strategie spricht der Blick in die Geschichte. Asiatische Volkswirtschaften versuchen bereits seit geraumer Zeit von einem starken Export zu profitieren. Der rapide Anstieg von Währungsreserven ist aber erst seit Ende der 1990er Jahre, also nach der Asien-Krise festzustellen. Die empirischen Befunde sprechen eher für das Vorsichtsmotiv als Begründung für die Währungsakkumulation. Die Hauptursache für den angewachsenen Bestand ist das Management des Wechselkurses zum Dollar. Dieser wird auf einem niedrigen Niveau möglichst konstant gehalten, um den Export zu fördern.

Kregel (2006, S. 149 ff.) sieht in der jetzigen Ungleichgewichtssituation das Ergebnis einer Reihe von nationalen Wirtschaftspolitiken. Er geht explizit auf die Notwendigkeit ein, die Situation nicht nur in einer bilateralen, sondern einer multilateralen Perspektive zu sehen. Die Situation hat sich im Laufe der letzten Dekaden verändert. Zwar existiert wie in den meisten Teilen der Geschichte ein Ungleichgewicht zwischen den USA als Defizitland und anderen Überschuss-ländern, das Besondere an der jetzigen Situation ist aber, dass den USA nicht mehr hauptsächlich nur Japan, oder nur Europa gegenüberstehen. Heute sind die Überschussländer nicht nur zahlreicher, sondern auch heterogener. Die Dollar-Peripherie besteht aus Industriestaaten, aufstrebenden Volkswirtschaften sowie Entwicklungsländern. Kregel pointiert, dass eine reine Wechselkurs-anpassung durch die Heterogenität der Situation nicht ausreichend ist, um die Ungleichgewichte zu beheben. Einzig veränderte Wirtschaftspolitiken in den betreffenden Räumen können seines Erachtens zu einer Wiederherstellung des Gleichgewichts führen.

3.1.3 Kosten des gegenwärtigen Systems

Im vorangegangenen Punkt wurde bereits auf die Rolle der Währungsreserven eingegangen. Tabelle 3 zeigt deren Entwicklung für die Jahre 2003 - 2007. Auffallend ist, dass China mit etwa 24 % knapp ein Viertel der weltweiten Währungsreserven hält. Die Volkswirtschaft China hat den größten Anteil (2007 waren es ein Drittel) an der jährlichen Zunahme der Währungsreserven.

Im Jahr 2007 betrug das Wachstum der weltweiten Währungsreserven knapp 27 % und damit weitaus mehr als die Zunahme des globalen Handels, der 2007 laut Welthandelsorganisation (WTO) 7 % betrug. Hier zeigen sich die Folgen des Wechselkurs-Managements und der self-insurance. Währungsreserven werden aus Leistungsbilanzüberschüssen sowie privaten Nettokapitalzuströmen angehäuft, um sich gegen mögliche Währungskrisen abzusichern (Bibow, 2009, S. 132).

Tabelle 3 : Zunahme der Währungsreserven und Bestand Ende 2007

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (BIZ, 2008, S. 98)

Joseph Stiglitz untermauert seine Kritik mit der Auflistung von Kosten, die mit dem aktuellen System verbunden sind. Er teilt diese in vier Kategorien ein. Einer generellen Ungerechtigkeit, nicht ausgeschöpfter Potentiale der Weltwirtschaft, eine unzureichende Gesamtnachfrage im Reservewährungsland und die Instabilität des globalen Finanzsystems. Sein Hauptanliegen ist eine gerechtere Gestaltung der Globalisierung, die seines Erachtens durch eine Neuordnung des Reservesystems ermöglicht werden könnte. Im Folgenden werden die vier Kategorien diskutiert.

Ungerechtigkeit

Der bereits angesprochene Kapitalfluss von aufstrebenden Volkswirtschaften in die USA - also ein Ressourcentransfer von unten nach oben - kann als ungerecht bezeichnet werden. Die asiatischen Staaten erhalten für ihre in US-Schatzwechseln gehaltene Währungsreserven eine Verzinsung von meist maximal 2 %, was die Opportunitätskosten für diese Staaten noch weiter ansteigen lässt, da mögliche Investitionsalternativen weitaus höhere Renditen versprechen. 2007 betrug der globale Anstieg von Währungsreserven 1.356 Mrd. $ (siehe Tabelle 3). Diese Reserven wurden laut Stiglitz „im Boden vergraben“ und nicht für entwicklungspolitische Ziele genutzt. Stiglitz (2006, S. 313 f.) geht in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit ein, mit dem entgangenen Kapital die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen erreichen zu können.

Die Dominanz des USD führt zu einer weiteren Abhängigkeit. Ausländische Dollar-Investoren, die das US-Leistungsbilanzdefizit mitfinanzieren, realisieren bei einem Sinken des USD-Kurses Verluste, die sich bei einem Umtausch in die heimische Währung noch verstärken. Die USA hingegen profitieren doppelt, da der Wert ihrer Verbindlichkeiten, die zumeist auf Dollar lauten, sinkt und gleichzeitig ihre auf Fremdwährung lautenden Vermögenswerte aufgewertet werden (BIZ, 2008, S. 173). Diese adverse Verteilung kann als ebenfalls ungerecht bezeichnet werden.

Nicht ausgeschöpfte Potentiale der Weltwirtschaft

Nach Stiglitz (2006, S. 313 f.) dämpft das heutige System der Weltwährungsreserven die Weltwirtschaft und erschwert das Erreichen von Vollbeschäftigung. Seiner Meinung nach sollte das Geld, welches in Währungsreserven gehalten wird, viel eher für Konsum und Investitionen genutzt werden. So könnte die globale Gesamtnachfrage gestärkt werden. Bei einer Betrachtung des jährlichen Wachstums der Weltwährungsreserven über 5 Jahre ergibt sich ein durchschnittliches Wachstum von knapp 797 Mrd. $ (siehe dazu Tabelle 2). Diese zusätzlichen Währungsreserven hätten sonst zur Ankurbelung der Gesamtnachfrage verwendet werden können (BIZ, 2008, S. 106). Ein Großteil der vom Ausland in US-Dollar notierten Reserven ist zudem zwar hoch-liquide, dafür jedoch schwach verzinst. Wyplosz (2007, S. 8) hält die „self-insurance“ der aufstrebenden Volkswirtschaften zwar für ein nachvollziehbares Motiv der Reserven-Akkumulation. Es wird derzeit jedoch in einem zu übertriebenem Maße ausgeübt.

Unzureichende Gesamtnachfrage in den USA

Die Vereinigten Staaten agieren als „Exporteur“ ihrer eigenen Währung. Sie verkaufen Schatzwechsel oder Obligationen, die dann von anderen Ländern (v. a. von China) in ihren Reserven geführt werden. Diese Art des Exports ist jedoch nicht mit dem von Waren und Dienstleistungen zu vergleichen, da hierdurch keine Arbeitsplätze entstehen. Je länger dieser Zustand anhält, bzw. je größer das Defizit aufgrund von „Währungsexporten“ wird, desto größer wird die Problematik in der sich (nachteilig) verändernden amerikanischen Binnenwirtschaft (Stiglitz, 2006, S. 314 ff.). Diese verändert sich, zum Beispiel, weil Investitionen in nicht handelbare Güterproduktionen fließen. Die Exportschwäche wird somit weiter verstärkt. Eine vergleichbare Situation tritt sonst eher in Entwicklungsländern auf (Ocampo, 2007, S. 5). Ein offensichtliches Beispiel für das gestiegene Interesse in nicht handelbare Güter zu investieren, ist die Blase am Grundstücks- und Immobilienmarkt, die letztlich in der Subprime- und später Finanzmarktkrise endete. Mit einer gestärkten Exportwirtschaft ließe sich das bereits entstandene Defizit bezahlen. Unterstützt wird diese Strukturveränderung der Binnenökonomie weiter von einer strukturellen Beschaffenheit der US-Ökonomie, dessen Auswirkung auch als Houthakker-Magee Effekt bekannt ist. Die Importelastizität der Vereinigten Staaten liegt höher als die der Handelspartner. Selbst wenn die amerikanische Volkswirtschaft „nur“ im selben Tempo, wie die der Handelspartner wächst, verschlechtert sich trotzdem die US-Leistungsbilanz. Dass die US-Wirtschaft größtenteils schneller wächst verstärkt diesen Effekt zusätzlich (Summers, 2004, S. 4 ff.).

Instabilität des Finanzsystems

Stiglitz (2006, S. 317 f.) arbeitet die Ironie heraus, die im gegenwärtigen System der Weltwährungsreserven liegt: Es begrenzt die Kosten, die mit einer Instabilität verbunden sind zwar für jedes einzelne Land, jedoch verschärft sich die Instabilität des Welt-Finanzsystems. Eine Volkswirtschaft kann sich durch den Aufbau von Währungsreserven zwar gegen Währungskrisen absichern, allerdings führt dies in der globalen Perspektive zu einer unerwünschten Instabilität. Die „Selbstzerstörung“ des Systems liegt in der Tatsache, dass es sich selbst untergräbt: „Das Reservewährungsland versinkt zusehends in Schulden, die seine Währung schließlich als Reservewährung unattraktiv machen“ (2006, S. 318).

Für die Volksrepublik China, die gegenwärtig den Konsum in den USA z. T. finanziert, ergibt sich zudem eine Zwickmühle. Eine Umschichtung ihrer Währungsreserven von USD in Euro ist im Lichte einer erwarteten USD-Abwertung sinnvoll, da mit dem Wertverlust des Dollars auch ein Wertverlust der chinesischen Währungsreserven einhergeht. Beginnt die People‘s Bank of China jedoch mit dieser Umstrukturierung, sendet sie ein Signal an andere Marktteilnehmer, ebenfalls aus dem USD auszusteigen. Dieses führt zu dem Wertverlust der Reserven, dem die Zentralbank ursprünglich aus dem Weg gehen wollte (Spahn, 2009, S. 44).

Staaten mit hohen Sparquoten (wie z. B. China und Japan), die mit Zahlungsbilanzüberschüssen einen großen Bestand an auf Dollar lautende Währungsreserven, akkumuliert haben, aber trotzdem keine Kredite in ihrer eigenen Währung vergeben können, sehen sich mit dem „conflicted virtue“ konfrontiert. Das eigentlich tugendhafte Verhalten (virtue) des Sparens bringt Konflikte mit sich. Das Ausland übt einen „merkantilistischen“ Druck auf (beispielsweise) China aus, um eine Aufwertung herbeizuführen. Fürchten private chinesische Anleger, dass der Renminbi zum Dollar aufwertet, werden sie versuchen Dollar-Anlagen in Renminbi umzuschichten, um so den Vermögensverlust zu umgehen. Die zu befürchtenden Entwicklungen sind dann Deflation und eine Liquiditätsfalle. Für China bleibt die Möglichkeit von Interventionen am Devisenmarkt zur Stabilisierung des Wechselkurses (McKinnon & Schnabl, 2003, S. 15).

Generell gesprochen befinden sich die USA, in der angenehmen Situation von Anpassungsprozessen der Wechselkurse bei Ungleichgewichten in Leistungsbilanzen zu profitieren. Fällt der Kurs des Dollars, steigen die von Inländern gehaltenen Vermögenswerte im Ausland im Wert an. Andere Staaten müssen beim Fall des Werts ihrer eigenen Währung Verluste hinnehmen, wenn sie Auslandsschulden in einer nicht heimischen Währung bedienen müssen (UN, 2005). Die mit dem jetzigen System verbundenen Kosten werden weitestgehend vom Rest der Welt getragen, allerding sind auch die USA unter dem jetzigen System von einer optimalen Lösung entfernt, da sich ihre Binnenökonomie verändert.

3.1.4 Verbindung zur Finanzkrise

Die bereits beschriebenen Ungleichgewichte in den Zahlungsbilanzen und die zunehmende Akkumulierung von Währungsreserven in den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens werden immer wieder als ein Grund für die Finanzkrise genannt. Die „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ sieht in ihrem neuesten Jahresbericht (2009, S. 5) neben langfristig niedrigen Realzinsen, in den weltweiten Ungleichgewichten die zweite makroökonomische Ursache für die Finanzkrise. Die immensen Investitionen der Währungsreserven der Peripherie-Staaten auf dem amerikanischen Finanzmarkt haben das Zinsniveau über Jahre hinweg auf einem niedrigen Level verharren lassen. Das massive Aufkaufen von langfristigen US-Staatsanleihen - also eine hohen Nachfrage - ließ die Preise für diese Anleihen steigen und die Zinsen sinken. So wurde erst die Möglichkeit geschaffen, die Blase auf dem Immobilienmarkt in den USA entstehen zu lassen. Wie bereits erwähnt sind die gestiegenen Investitionen in nicht handelbare Güter wie Häuser und Grundstücke eine Folge des Ungleichgewichts und der sich verändernden US-Binnenökonomie. Das Platzen der entstandenen Vermögenspreisblase sorgte für den Beginn der Finanzkrise. Ein zumindest leichter kausaler Zusammenhang zwischen dem gegenwärtigen Reservesystem und der Krise lässt sich somit nicht leugnen. Die zu lockere Vergabe von Krediten und ihr Weiterreichen an Kapitalmärkte bleiben jedoch die Hauptgründe für die Krise.

In der Diskussion über die globalen Problematiken und den damit verbundenen Schreckensszenarien wurde eine Währungskrise – ausgelöst durch eine ungeordnete Korrektur des Leistungsbilanzdefizits der USA – erwartet. Durch ein Sinken der Bereitschaft, das US-Defizit zu den herrschenden Bedingungen (Wechselkurs und Zinsniveau) zu finanzieren, könnte die „Mutter aller geldpolitischen Krisen“ ausbrechen. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Der USD hat zwar weiter gegenüber dem Euro abgewertet, allerdings nur in Maßen. Das Zinsniveau der USA folgt weiterhin dem Kurs der Fed. Auch ein größeres Umschichten der Währungsreserven von Dollar zu anderen Währungen ist ausgeblieben. Winkler fasst die Auswirkung wie folgt zusammen:

“Es ist folglich genau umgekehrt wie in den Asien-Krisenszenarien angenommen wird: der Verlust der Leitwährungsfunktion wird nicht durch eine Krise ausgelöst, sondern erst muss eine Währung die Leitwährungsfunktion verlieren, damit es überhaupt zu einer Krise kommen kann“ (Winkler, 2008, S. 729).

Somit ist die Finanzkrise auch keine Währungskrise. Die Vertreter der Bretton-Woods II-These sehen sich in ihren Ansichten bestärkt. Während der gesamten Finanzkrise kam es nicht zu einer Flucht aus dem Dollar. Der Effekt war sogar gegenläufig. US Staatsanleihen sind wegen ihrer unterstellten hohen Sicherheit weiter nachgefragt. Die drei Ökonomen gehen davon aus, dass sich diese Strategie des Wechselkurs-Managements und „export-led“ auch weiterhin bei Entwicklungs- und Schwellenländern durchsetzen wird (Dooley, Folkerts-Landau, & Garber, 2009, S. 13 ff.).

Dass die derzeitige Ungleichsituation einen Anteil an der Finanzkrise hat, unterstreicht die Notwendigkeit einer Diskussion über mögliche Reformen.

3.2 Notwendigkeit einer Reform

Die Frage nach der Notwendigkeit einer Reform hängt davon ab, wie tragfähig die vorherrschende Ungleichgewichtssituation ist. Über die Fragen, ob, wie oder wie lange diese aufrechtzuerhalten ist, herrscht kein Konsens in der Literatur. Es existiert keine Einigung darüber, wie groß das Leistungsbilanzdefizit gemessen am BIP einer Volkswirtschaft sein darf. Abhängig davon, welche Bestimmungsfaktoren (Nettoauslandsverschuldung, Konjunkturzyklus, Portfolioallokation) herangezogen werden, schwanken die Angaben zwischen 2 % und 6 % des BIP. Damit befindet sich die derzeitige Situation im oberen Bereich des tolerierbaren Defizits (Gräf, 2007, S. 3 ff.). Folgt man den Angaben der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ im Jahr 2004, wurde die kritische Grenze von 5 % bereits überschritten.

Nach Spahn (2009, S. 32 ff.) gilt es, die Bankfunktion der USA mit einzubeziehen. Die Vereinigten Staaten haben durch ihre besondere Stellung als Leitwährungs- und Reservewährungsland keine Budgetrestriktion. Die hohen Kapitalimporte treiben den Realtransfer von Gütern an, was zu der negativen Leistungsbilanz führt. Die Leistungsbilanz folgt dieser Ansicht nach der Kapitalbilanz. Im Ausland sind auf USD lautende Assets aufgrund ihrer unterstellten hohen Sicherheit und Liquidität besonders nachgefragt. Spahn hält eine Relation von Netto-Auslandverschuldung zum Sozialprodukt im Fall der USA für rein willkürlich, da die Schuldverschreibungen auf den heimischen Dollar lauten. Er verweist auf die Konvention, die der Anerkennung solcher Schuldverschreibungen zugrunde liegt. Der Dollar gilt weltweit als Zahlungsmittel, weil ihm ein Wert beigemessen wird. Diese kann, wie jede Konvention, zusammenbrechen, ist aber unabhängig von einer Relation von Verschuldung zu Gesamtrechnungsgröße. Wie eine Bank weist die USA positive Nettozinserträge auf. Ursache hierfür ist, dass die Zinsen auf US-Depositen wegen der Liquiditätsprämie niedriger liegen als die für ertragreichere Auslandsaktiva erhaltenen Zinszahlungen. Die Tragfähigkeit des Systems beruht somit am ehesten auf der globalen Bereitschaft Ersparnisse in USD anzulegen. Folgt man dieser Sichtweise, sind Reformvorschläge Seitens Chinas und Russlands ein Indikator für eine wankende Konvention. Ein weiterer Punkt, der die These einer wankenden Konvention stützt, ist die sich verlangsamende Nachfrage Chinas nach US-amerikanischen Staatsanleihen. Diese werden vermehrt von der Fed gekauft. Zudem ist ein vermehrter Kauf Chinas von Rohstoffen, also realen Werten, festzustellen. Dies kann als Zeichen für eine Diversifizierung zu Lasten von Staatsanleihen gewertet werden (Müller, 2009).

Auch wenn Uneinigkeit über die Tragfähigkeit der vorherrschenden Situation der Zahlungsbilanzungleichgewichte herrscht, scheint doch klar, dass das jetzige System nicht einem optimalen System entspricht. Stiglitz spricht gar von einer „selbstzerstörerischen Logik des gegenwärtigen Systems, die dazu führt, dass sich das Reservewährungsland immer tiefer verschuldet, bis sein Geld schließlich keine solide Reservewährung mehr ist“. Er verweist auf das bereits beschriebene Vertrauensproblem (Stiglitz, 2006, S. 328). "Die Frage ist nicht, ob wir uns von einem Dollar-Währungssystem wegbewegen", sagte Stiglitz dieses Jahr in einem von der Internetseite "Emergingmarkets.org" geführtem Interview. "Die Frage ist, ob dies auf chaotischem oder organisiertem Weg geschieht".

Es mehren sich die Stimmen, vor allem aus den Reihen Chinas, dass eine Reform notwendig ist. Da China die größte Gläubiger-Position gegenüber den USA einnimmt, sind solche Äußerungen ernst zu nehmen. Sie könnten schließlich ein Anzeichen für das sinkende Vertrauen in die Leitwährung US-Dollar sein.

Wie in Punkt 3.1.1 beschrieben ist die Bereitschaft weiter in USD denominierte Ersparnisse anzulegen zentral für die Problematik. Beginnt der Ausstieg durch eine gesunkene Bereitschaft könnten die Zinsen in den USA steigen und zu einem „crowding out“ der produktiven Investitionen führen. Dies ist keine sichere, aber eine mögliche Auswirkung. Denkbar ist auch, dass die Zinsen nahezu unverändert bleiben. Die verminderten Kapitalimporte der USA führen zu einer Dollar-Abwertung. Der Export wird dann durch das günstigere Preisniveau ansteigen. Sobald diese zusätzlichen Netto-Exporte dem Wert der entgangenen Kapitalimporte entsprechen kommt die Abwertung des Dollars zum Stillstand. Zudem sorgt der Anstieg der Netto-Exporte mit dem Multiplikator-Effekt für einen Einkommensanstieg. Dieser führt zu höheren Ersparnissen, die wiederum auf dem US-Finanzmarkt angelegt werden können und somit die Nachfrage nach Wertpapieren, trotz rückgängigen Kapitalimports, hoch halten. In diesem Fall bliebe das US-Zinsniveau unverändert (Spahn, 2009, S. 36 f.).

Zudem lässt sich feststellen, dass es einen Mangel an Währungsalternativen zum USD gibt. Wie in Tabelle 1 zu sehen ist wächst zwar die Bedeutung des Euro und die weltweiten Reservevorkommen werden teilweise von USD in Euro umgeschichtet – immerhin gut ein Viertel der weltweiten Devisenreserven lauten auf Euro – doch der Finanzmarkt des Euroraums ist in Produktivität und Flexibilität nicht mit dem in den USA zu vergleichen. Der EWU fehlt eine gemeinsame Fiskalpolitik, und der europäische Finanzmarkt ist heterogener, da nationale Staatsschuldtitel emittiert werden. Aufgrund fehlender Erfahrung ist unklar wie bei Ausfall eines Landes verfahren werden würde (Spahn, 2009, S. 46). Zudem würden weder Europa, noch Japan eine in Folge von erhöhten Kapitalimporten aufgewertete Inlandswährung begrüßen.

Aus der Vergangenheit sollte gelernt und deren Fehler vermieden werden. Im 19. Jahrhundert war das Pfund die dominierende Währung - seit dem 20. Jahrhundert ist es der US-Dollar. Die Vergangenheit des Pfund Sterling könnte die Zukunft des US Dollar sein. Berkeley-Professor Eichengreen (2007, S. 140) verweist auf das stetig steigende Verhältnis der Staatsverschuldung zum BIP in den USA. Die Schätzungen belaufen sich für das Jahr 2009 auf 83 % des BIP.[7] Im Jahr 2000 lag die Relation von Staatsverschuldung zum BIP noch bei 58 %. Dieser Trend hat sich seit den 1990er Jahren verfestigt. Eichengreen stellt die Gefahr heraus, die sich bei einer weiter steigenden Verschuldungsrelation ergibt. Anleger könnten die Bereitschaft verlieren USD zu halten oder in USD denominierte Aktiva zu investieren, was die Konvention ins Wanken bringen würde. Mögliche Folgen sind ein sinkender Wechselkurs und / oder hohe Inflationsraten, die dann endgültig die Bereitschaft schmälern in USD zu investieren. Es entstünde die Gefahr eines „rush out of dollars“, also die eines unkoordinierten Ausstiegs aus der Dollarreserve.

Insgesamt wird damit deutlich, dass eine Reform notwendig ist oder zumindest eine Diskussion über Reformvorschläge ihre Berechtigung besitzt. Diese gilt es zu analysieren und zu bewerten.

Da im gegenwärtigen System der Weltwährungsreserven die USA (als das Reservewährungsland) den RdW mit den von ihnen auch geforderten Dollar versorgt, entsteht eine Abhängigkeit des RdW von einer nationalen Währung. In den Vereinigten Staaten führt dies zu einem chronisch wachsenden Leistungsbilanzdefizit, welches das für das Funktionieren dieses Systems notwendige Vertrauen in den USD untergräbt (Triffin-Dilemma). Die Effizienz und Stabilität des Systems beruht auf der Bereitschaft der USA ein ausreichend großes Defizit aufzubauen. Dabei fehlt die Möglichkeit Staaten mit hohen Überschüssen zu kontrollieren bzw. zu disziplinieren. Das Gegenteil ist der Fall: Das heutige System erfordert eine exportorientierte Strategie der Länder, deren Währung in internationalen Transaktionen keine oder eine nur untergeordnete Rolle spielt. Durch die Überschüsse einiger Staaten, vor allem der aufstrebenden Volkswirtschaften und Netto Ölexporteure, wird ein Deflationsdruck erzeugt, der in den USA mit einer expansiven Geldpolitik ausgeglichen werden muss.

Die in dieser Arbeit aufgeführten Schwierigkeiten werden zusammenfassend das Reservewährungsland-Problem genannt. Auch wenn keine Einigkeit darüber besteht wie dramatisch die gegenwärtige Lage mit Blick auf die Ungleichgewichtssituation ist, kann das Defizit der USA auf diesem hohen Niveau auf Dauer nicht hingenommen werden sondern sollte möglichst vorsichtig abgebaut werden. Die USA sollten eher Adressat als Empfänger in der Finanzbeziehung mit Entwicklungsländern und aufstrebenden Volkswirtschaften sein. Die derzeit hohen Kosten des Systems sprechen ebenfalls dafür Reformvorschläge und die damit verbundenen möglichen Potentiale zu untersuchen.

[...]


[1] Zu „self-insurance“ siehe Feldstein, M., “A Self-Help Guide for Emerging Markets”, Foreign Affairs, March/April 1999, der die mathematischen Hintergründe für den Strategiewechsel nach der Asienkrise liefert.

[2] Wachstumsraten des BIP 2008 laut IMF World Economic Outlook: Brasilien 5,1 %, Russland 5,6 %, China 9 %, Indien 7,3 %, während die USA mit 1,1 %, die Euro-Zone mit 0,9 % und Japan mit -0,6 % klar langsamer wuchsen.

[3] Renminbi (RMB) oder Yuan; Offizielle Bezeichnung: Chinese Yuan CHY.

[4] Spanien, Vereintes Königreich, Australien, Italien, Griechenland, Türkei, Frankreich, Rumänien und Portugal.

[5] NOE = Netto Ölexportländer

[6] NIIP = Von Inländern im Ausland gehaltene Vermögenswerte – Von Ausländern im Inland gehaltene Vermögenswerte.

[7] Geschätzte Staatsverschuldung für das Jahr 2009: 10,7 Bill. $

Details

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Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2009
ISBN (PDF)
9783863419493
ISBN (Paperback)
9783863414498
Dateigröße
388 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Trier
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Dollarschwäche Bancor Globale Ungleichgewichte IWF Währungssystem
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Lennart Marxen wurde 1985 in Itzehoe geboren. Sein Studium der Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt „Geld, Kredit, Währung“ an der Universität Trier schloss der Autor im Jahre 2009 mit dem akademischen Grad des Diplom-Volkswirts erfolgreich ab. Während zweier Auslandssemester in den USA und zahlreichen Aufenthalten in der Volksrepublik China entstanden das Interesse und die Motivation sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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Titel: Sonderziehungsrechte: Ein Mittel gegen globale Ungleichgewichte?
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