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Die Regulierung von Schattenbanken

©2012 Bachelorarbeit 48 Seiten

Zusammenfassung

Geprägt durch immer stärkeren Wettbewerb und neue Finanzinnovationen, wie der Verbriefung, wichen Banken von ihrem traditionellen „originate-to-hold“- Modell ab und wechselten zu einem neuen „originate-to-distribute“- Modell. Banken hielten ihre Kredite nun nicht mehr in ihren Bilanzen, sondern verkauften sie an Investoren, die bereit waren, diese Kreditrisiken zu tragen. Das vorliegende Buch definiert dieses komplexe System an Zweckgesellschaften, Geldmarktfonds und Finanzierungsgesellschaften, die sich über Wertpapierleih- und Repotransaktionen finanzieren, und zu einem Schattenbankensystem, abseits bestehender Regularien und Sicherheitsnetzen entwickelten.
Aufbauend auf den Chancen und Risiken dieses Sektors wird mittels einer Modellierung von Gennaioli, Schleifer und Vishny die Instabilität des Systems herausgestellt. Diese Betrachtung liefert die Begründung für eine zukünftige Regulierung und Überwachung des Schattenbankensektors, in das zu Beginn der Finanzkrise auch reguläre Banken involviert waren. Vielschichtige Ansätze wurden in diesem Zusammenhang bereits von internationalen Organisationen, wie dem Basel Committee on Banking Supervision, der Europäischen Kommission und dem Financial Stability Board, unternommen. Im letzten Abschnitt des Buches werden diese Vorschläge analysiert, bewertet und kritisch hinterfragt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1
Einleitung
Die in 2007 beginnende Finanzkrise offenbarte ein Netz von Institutionen, das als
Schattenbankensystem bekannt wurde. Getrieben vom immer stärkeren Wettbewerb
zwischen Finanzintermediären und gefördert durch neuartige Innovationen, wie der
Verbriefung, entwickelte sich dieses System seit Anfang der 70er Jahre weiter.
1
Markenzeichen dieses Systems ist, dass es abseits von bestehenden Regularien oder
hoheitlichen Sicherheitsnetzen des regulären Bankensektors agiert. Es stellt sich dar
durch Kredit-, Liquiditäts- und Fristentransformation und umfasst Institutionen, wie
Geldmarktfonds oder Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicles (SPV)).
2
Das Financial Stability Board (FSB) verzeichnete die Größe dieses Sektors in 2010
auf nahezu 46 Billionen Euro, was 25-30 % des gesamten Finanzsystems ausmacht
und die Hälfte aller Bankaktiva in seine Tätigkeiten involviert.
3
Die Größe dieses
Marktes, fehlende Regularien und seine Verbindung mit dem regulären
Bankensektor tragen zu einer systemweiten Instabilität bei. Daher sind adäquate
Regularien für das Schattenbankensystem zwingend notwendig. Die
Herausforderung besteht darin, Kosten und Nutzen der zu installierenden Auflagen
abzuwägen. So stellt das System eine wichtige Komponente im kurzfristigen
Beschaffen von Liquidität dar und bietet Investoren alternative
Anlagemöglichkeiten.
4
Eventuell verschärfende Regularien für das reguläre
Bankensystem führen gleichzeitig dazu, Tätigkeiten in neue, unregulierte Bereiche
zu verschieben.
5
Beim Finden neuer Richtlinien müssen diese Aspekte daher mit
berücksichtigt werden. Fragen, die hier zunächst beantwortet werden müssen, sind:
Was versteht man unter dem Schattenbankensektor und wie ist er entstanden?
Welche Vor- und Nachteile bietet er und wo liegen systemrelevante
Risikokomponenten? Und zuletzt: Wie können Regularien für diesen Sektor
aussehen?
Eine Vielzahl internationaler Organisationen, darunter auch das Basel Committee on
Banking Supervision (BCBS) und das FSB, haben sich dieser Aufgabe verschrieben
1
Vgl. Pozsar (2008), S. 13, Deloitte(2012), S. 3.
2
Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 3-4, Deloitte (2012), S. 4-5.
3
Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 5.
4
Vgl. FSB (2012), S. 1, ICMA (2012a), S. 11.
5
Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 2.
1

und eine Task Force
6
zum Stärken der Überwachung und zum Regulieren des
Schattenbankensystems gegründet.
7
Gleichzeitig ergriff bereits die Europäische
Union zu Regularien, um den systemischen Risiken entgegenzutreten.
8
Die
vorliegende Arbeit knüpft daran an. Und gibt Antworten auf die zuvor gestellten
Fragen. Die Arbeit baut sich wie folgt auf:
Das zweite Kapitel führt ins Schattenbankensystem ein, ihre beteiligten
Unternehmen und Tätigkeiten. Dabei wird das Schattenbankensystem definiert, seine
Entwicklung sowie die Vor- und Nachteile aufgezeigt und auf potenzielle Risiken
dieses Sektors hingewiesen. Darüber hinaus zeigt sie Wechselwirkungen mit dem
regulären Bankensystem auf.
Kapitel drei zeigt eine Modellierung des Schattenbankensektors. Es wird auf das
Modell von Gennaioli et al. (2011) zurückgegriffen. Damit kann gezeigt werden,
dass unter rationalen Annahmen der Marktteilnehmer das Schattenbankensystem
stabil und wohlfahrtssteigernd ist. Wird hingegen das extreme Risiko
9
der Kredite
unterschätzt, so führt die Verbriefung zu einem immer höheren Vernetzen der
Intermediären, was bei einem negativen exogenen Schock zum Zusammenbruch des
Schattenbankensystems führt. Das Modell begründet hier die Entwicklung einer
stetigen Aufsicht und Regulierung des Schattenbankensektors. Dieser Aufgabe
widmet sich Kapitel vier. Es stellt Anforderungen an eine zukünftige Überwachung
und Regulierung des Systems vor. Eine Regulierungs-Matrix stellt den Problemen
Lösungen gegenüber und erläutert sie. Dabei werden auf Vorschläge aus der
Literatur zurückgegriffen sowie auf Maßnahmen von der Task-Force und der EU.
Kapitel fünf fasst die Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf künftige
Entwicklungen.
6
Folgende Institutionen zählen zum Verbund der Task Force: Das FSB, die IOSCO und das BCBS. Vgl.
hierzu FSB (2012), S. 3-6.
7
Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 3.
8
Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 8-11.
9
Gennaioli et al. (2011) sprechen in diesem Zusammenhang vom sogenannten ,tail risk` oder auch
extremes Risiko. Das Tail Risk bezeichnet eine Situation, in der die Ränder einer
Standardnormalverteilung nicht flach, sondern dick sind. Dies führt zu einer Verzerrung bei der
Bewertung von Risiken. Extremsituationen treten folglich häufiger auf als von der Normalverteilung
prognostiziert. Vgl. hierzu Maisch (2007).
2

2
Einführung in den Schattenbankensektor
2.1
Definition
Das erstmalige Verwenden des Begriffs der Schattenbanken geht auf den Ökonom
und Investor Paul McCulley zurück. Dieser definiert das System der Schattenbanken
als ,,the whole alphabet soup of levered up non-bank investment conduits, vehicles
and structures."
10
Diese weit gefasste Definition involviert sämtliche Institutionen,
die mit der Welt der strukturierten Finanzprodukte zu tun haben, darunter z.B.
Zweckgesellschaften wie Special Purpose Vehicles (SPV).
11
Eine detailliertere
Eingrenzung liefern Pozsar et al. (2010). Sie unterscheiden das
Schattenbankensystem durch zwei grundlegende Merkmale. Zum Einen stehen
Schattenbanken keine Staatsgarantien zur Verfügung, noch haben sie Zugang zu
öffentlichen Sicherheitsleistungen in Form von Zentralbankgeld oder
Staatsgarantien. Zum Anderen sind hauptsächlich jene Institutionen betroffen, die
Liquiditäts-, Fristen- und Kredittransformation betreiben.
12
An dieser Definition
knüpfen auch das FSB sowie die EU an: ,,[The shadow banking system is]
a system
of credit intermediation that involves entities and activities outside the regular
banking system, and raises i) systemic risk concerns, in particular by
maturity/liquidity transformation, leverage and flawed credit risk transfer, and/or ii)
regulatory arbitrage concerns."
13
Ein wichtiger Aspekt dieser Defintion liegt darin,
dass Schattenbanken abseits des regulären Bankensystems in einem Umfeld ohne
oder nur mit wenigen Regularien agieren. Gleichzeitig betont wird der Aspekt des
Leverage. Schattenbanken bauen durch die geringe Regulierung einen hohen
Fremdkapitalanteil auf und sind dadurch besonders anfällig für negative exogene
Schocks.
14
Institutionen, die unter diese Definition und die von Potzar et al. (2010) fallen, sind
demnach alle Zweckgesellschaften, wie Special Purpose Vehicles (SPV
15
) oder
Asset Backed Commercial Paper Conduits (ABCP), Geldmarkt-, Pensions-, Renten-
10
McCulley (2007), S.2.
11
Schwarcz (2012), S. 3.
12
Vgl. Pozsar et al. (2010), Abstract.
13
Deloitte (2012), S. 4; FSB (2011a), S. 3.
14
Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 6.
15
Die Definition Special Purpose Vehicle (SPV), sowie Structured Investment Vehicle (SIV) werden
des Weiteren reziprok verwendet, vgl. hierzu Gorton et al. (2010), S. 291.
3

und Hedgefonds sowie Broker-Dealer, Finanzierungsgesellschaften und
Wertpapierhäuser, aber auch Versicherer und Rückversicherer. Neben den
Transformationsarten ist ein weiteres Merkmal der Schattenbanken deren
Finanzierung. Diese erfolgt mittels Wertpapierleih- und Repogeschäften.
16
2.2
Entwicklung des Schattenbankensystems
Bevor die ersten strukturierten Finanzprodukte die Kapitalmärkte erreichten,
zeichnete sich das traditionelle Bankensystem durch eine ,,originate-to-hold"-
Struktur aus.
17
Dabei vertrauten Haushalte ihre Gelder in Form von Depositen
solchen Finanzinstituten an, die diese Mittel zur Kreditvergabe an andere Haushalte
oder Unternehmen verwendeten. Die ausgegebenen Kredite verblieben dabei als
Investment in den Bilanzen der Finanzinstitute. Die Hauptaufgabe der Bank bestand
darin, kostengünstig Informationsasymmetrien zwischen Kreditgeber und -nehmer
zu reduzieren, um dadurch Marktteilnehmer anzuziehen, die bereit waren, Kredite zu
vergeben.
18
Gleichzeitig wurde eine Laufzeittransformation durchgeführt. Während
Kreditgeber eine kurze Laufzeit der Kredite bevorzugen, präferieren Kreditnehmer
eine längerfristige. Das ist jedoch nur durch eine Vielzahl an Marktteilnehmern
möglich, die gleichzeitig ihre Gelder in der Bank einlegen und unterschiedliche
Präferenzen im Halten von liquiden Mitteln haben. Dies aber macht eine Bank
anfällig für einen sogenannten ,,Bank Run". Fordern alle Einleger z.B. aufgrund
einer schlechten Nachricht ihr Geld zum gleichen Zeitpunkt zurück, so ist die
jeweilige Bank zur Liquidierung ihrer Aktiva gezwungen, um die Nachfrage zu
bedienen.
19
Aus diesem Grund wurden schon frühzeitig staatliche
Versicherungsleistungen eingerichtet, um den massenhaften Einlagenabzug auf
Seiten der Investoren zu vermeiden.
20
Mit Einführen des ersten Basler Accords (Basel I) wurde eine verstärkte
Veränderung in Richtung der Verbriefung, d.h der Auslagerung und dem
Weiterverkauf von Kreditforderungen beobachtet. Die neuen Eigenkapitalregelungen
- als eine Antwort auf die Finanzkrisen in Lateinamerika - forderten von den Banken
16
Vgl. Europäische Kommission (2012), S. 4, Pozsar et al. (2010), S. 11-12.
17
Vgl. Pozsar (2008), S. 13.
18
Vgl. Pozsar et al. (2010), S. 8, Noeth/Sengupta (2011), S. 8.
19
Vgl. Noeth/Sengupta (2011), S. 8.
20
Vgl. Noeth/Sengupta (2011), S. 9.
4

bei der Vergabe von Krediten einen bestimmten Kapitalanteil als Rücklage zu
bilden.
21
Ein zeitgleich verstärkter Wettbewerb durch Geldmarktfonds und
innovative Finanzprodukte, die neue Anlagemöglichkeiten boten, führten bei
traditionellen Banken zu rückläufigen Gewinnen.
22
Als Reaktion darauf wurde das
traditionelle ,,originate-to-hold"-Modell nunmehr durch das neue ,,originate-to-
distribute"-Modell abgelöst. Dabei verbleibt die Kreditforderung, wie bei dem
traditionellen System, nicht in der Bilanz der Bank, sondern wird mit Hilfe von
Zweckgesellschaften gebündelt und im Kapital- und Geldmarkt weiterverkauft. Bei
der Verbriefung werden dafür zunächst Aktiva (wie Anleihen, Hypotheken oder
Kredite) gebündelt und anschließend in Form einer Kapitalstruktur, sog. Tranchen,
gegen diese Aktiva ausgegeben. Die Tranchen werden durch eine unterschiedliche
Risikostruktur und einer dementsprechenden Auszahlung gekennzeichnet.
23
Ein
Resultat der Verbriefung: die ausgegebenen Tranchen erhalten ein besseres Rating
als die durchschnittlich zugrundeliegenden Aktiva.
24
Dieser Prozess der Verbriefung
beinhaltet je nach Qualität des Kredites mehrere Schritte.
25
Endprodukte dieser
Verbriefung sind beispielsweise Mortgage Backed Securities (MBS), Asset-Backed
Securities (ABS) oder Collateralized Debt Obligations (CDO), die erneut verbriefte
ABS darstellen.
26
Neben traditionellen Banken wurden nun auch vermehrt Kredite von neuen
Institutionen wie Finanzierungsgesellschaften (Beispielsweise Capital One oder New
Century) und Broker-Dealern, wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley,
ausgegeben.
27
Diese finanzieren sich jedoch nicht direkt über die Einlagen von
Investoren, sondern z. B. mithilfe von Geldmarktfonds kurzfristig über
Repotransaktionen.
21
Vgl. Pozsar (2008), S. 13.
22
Vgl. Gorton (2009), S. 23.
23
Vgl. Noeth/Sengupta (2011), S. 10-12.
24
Vgl. Coval et al. (2009), S. 1.
25
Vgl. Pozsar et al. (2010), S. 11-12.
26
Dabei hängt der Typus des strukturierten Finanzproduktes von den zugrundeliegenden Aktiva ab.
Vergleiche hierzu Pozsar (2008), S. 22-25. Auf den Prozess der Verbriefung soll im Folgenden nicht
weiter eingegangen werden. Eine detaillierte Erläuterung liefert in diesem Zusammenhang
Noeth/Sengupta (2011) oder Pozsar et al. (2010). Eine Einführung mit Bezug auf das Rating von
strukturierten Produkten bieten Coval et al. (2009).
27
Vgl. Pozsar (2008), S. 22; Pozsar et al. (2010), S. 11.
5

Geldmarktfonds bieten, wie traditionelle Banken, dem Depositar jederzeit die
Möglichkeit, seine eingelegten Mittel wieder abzuziehen.
28
Darüber hinaus verfolgen
sie das Prinzip eines stabilen Nettoinventarwertes (NAV
29
). Dies bedeutet, dass der
Fondsmanager stets versucht, den Wert jedes ausstehenden Anteils des Fonds bei
konstant 1$ zu halten.
30
Das Bewerten der Anteile erfolgt dabei oftmals mittels
Restbuchwertmethode.
31
Repotransaktionen sind vergleichbar mit einer kurzfristigen Einlage. Während
Einlagen bei traditionellen Banken durch staatliche Garantien abgesichert sind,
erhält der Investor im Rahmen eines Repogeschäfts garantierte Sicherheiten (sog.
Collaterals) von der Bank.
32
Dabei verkauft die Bank die Sicherheit an den Investor
mit der Verpflichtung, sie nach einem bestimmten Zeitraum zu einem vorher
festgelegten Preis zurückzukaufen. Der Rückkaufpreis ist dabei höher als der
ursprüngliche Kaufpreis des Investors und kann mit den Zinsen eines regulären
Bankkontos verglichen werden. Um die Sicherheit dieser Transaktionen zu steigern,
entspricht der ausgegebene Geldbetrag meist nicht dem aktuellen Nennwert der
Sicherheit. Diese Differenz wird ,,Haircut" genannt. Im Fall, dass die Bank
zahlungsunfähig wird, hat der Investor das Recht, die gestellte Sicherheit zu
liquidieren.
33
Ein starkes Wirtschaftswachstum, eine lockere Geldpolitik seitens der US-
Zentralbank und stetig ansteigende Häuserpreise verleiteten die Kreditintermediäre
dazu, immer weiter Kredite auszugeben, auszulagern und zu verbriefen.
34
Das
Volumen des Schattenbankensektors stieg 2007 in den USA auf ein Maximum von
22 Billionen USD, verglichen mit einem Wert von 14 Billionen USD für den
traditionellen Bankensektor.
35
Auf internationaler Ebene verzeichnet das FSB einen
28
Vgl. IOSCO (2012), S. 10.
29
NAV steht für das engl. Wort ,,Net Asset Value".
30
Vgl. Beike/Schlütz (2010), S. 766-767.
31
Vgl. IOSCO (2012), S. 10. Die ,,Restbuchwertmethode" oder auch ,,Methode der fortgeführten
Anschaffungskosten" bewertet die Positionen in einer Bilanz durch seine Anschaffungskosten abzgl.
der vorgenommenen Abschreibungen; vgl. hierzu Wirtschaftslexikon (2012).
32
Beispiele für Sicherheiten sind ABS, MBS, CDO oder ABCP. Vgl. hierzu Pozsar (2008), S. 18, 22-25;
Poschmann (2012), S. 15.
33
Vgl. Noeth/Sengupta (2011), S. 10; Gorton/Metrick (2010), S. 2-3; Gorton et al. (2010), S. 276-277.
34
Vgl. Brunnermeier (2009), S. 77, 82.
35
Vgl. Pozsar et al. (2012), S. 7-9; Dabei beinhalten die Daten für den Schattenbankensektor alle
Verbindlichkeiten, die mit der Verbriefung zusammenhängen sowie alle Geldmarkttransaktionen.
Gem. Pozsar et al. (2012) ist diese Messung der Daten anhand der ,,Flow-of-Funds" Methode nicht
6

Anstieg von 27 Billionen USD in 2002 auf 60 Billionen USD in 2007.
36
Dabei
wurden zunehmend auch Kredite an Schuldner ohne entsprechende Bonität
ausgegeben, sogenannte ,,ninja"-Kredite (no income, no job, no asset).
37
Als Anfang 2007 erstmals die Qualität dieser Produkte in Frage gestellt wurde, zogen
Investoren ihre Gelder aus Geldmarktfonds ab. Sie waren wiederum gezwungen ihre
Aktiva zu liquidieren, um die Nachfrage zu bedienen. Der Abzug der Gelder und der
dadurch ausgelöste Wertverlust von strukturierten Produkten führte zu erhöhten
Haircuts bei Repotransaktionen. Das Schattenbankensystem stand einem
Liquiditätsengpass gegenüber. Damit einhergehend konnten Marktteilnehmer durch
die Komplexität der strukturierten Produkte nicht mehr die Solvenz ihrer
Geschäftspartner beurteilen. Ein massives Vertrauensproblem entstand und
Marktteilnehmer waren nicht mehr gewillt, sich gegenseitig Geld zu leihen. Als
Folge brach der Interbankenmarkt vollständig zusammen.
38
Zentralbanken stellten
daraufhin Liquidität zur Verfügung, um den Mittelabzug von Geldmarktfonds sowie
negative Auswirkungen des Liquiditätsengpasses auf die reale Wirtschaft zu
minimieren.
39
Das Schattenbankensystem reduzierte sich im Zuge der Finanzkrise
um 4 Billionen USD, wuchs aber bis 2010 wieder auf einen Wert von 60 Billionen
USD an.
40
2.3
Vorteile und Risiken des Schattenbankensystems
Die Entwicklung des Schattenbankensystems wirft natürlich die Frage nach den Vor-
und Nachteilen der Verbriefung auf. Damit stellt sich auch im Hinblick auf die
folgende Regulierungsdebatte die Frage, welche Wechselwirkungen mit dem
traditionellen Bankensystem bestehen und zweitens, wieso eine Krise im
Schattenbankensektor auch dort zu Problemen führt.
fehlerfrei, da nicht alle Transaktionen des Schattenbankensektors erfasst werden. Gleichzeitig stellen
die angegebenen Daten nicht das Volumen der bereitgestellten Kredite, sondern eher die Anzahl an
Wertpapieren, die sich im Schattenbankensystem befinden, dar.
36
Vgl. FSB (2011b), S. 8; Daten beinhalten die aggregierten Kapitalflüsse aus Australien, Kanada,
Japan, Korea, Großbritannien, die USA sowie der Eurozone. Messung der Daten, auf Basis der ,,Flow
of Funds" Methode.
37
Vgl. Brunnermeier (2009), S. 77, 82, Dullien et al. (2010), S. 75.
38
Vgl. Dullien et al. (2010), S. 76.
39
Vgl. Noeth/Sengupta (2011), S. 11-13, Pozsar (2008), S. 22-25.
40
Vgl. FSB (2011b), S. 8.
7

Einer der größten Vorteile der Verbriefung besteht darin, dass durch die
Auslagerungen der Kredite aus den Bankbilanzen weniger durch Basel I und II
vorgeschriebenes Kapital als Rücklage gehalten werden musste. Man spricht in
diesem Kontext auch von einer Regulierungsarbitrage.
41
Durch das Auslagern der
Kredite und die geringeren Kapitalanforderungen verfügen die Banken über mehr
Mittel, die sie sodann für weitere Investitionen oder Kredite verwenden können. Dies
stimuliert in Folge die Wirtschaft. Grundsätzlich besteht die Idee der Verbriefung
darin, Kreditrisiken über den Markt zu streuen. Nebenher werden Investoren neue
alternative Anlagemöglichkeiten geboten. Durch die Ausgabe der unterschiedlichen
Tranchen kann jeder Investor entscheiden, welches Rendite-Risikoverhältnis er
tragen kann und möchte.
42
Dadurch soll die Stabilität des gesamten Finanzsystems
verbessert werden. So kann das Auslagern von risikobehafteten Aktiva z. B. dem
,,too-big-to-fail"-Problem entgegenwirken.
43
Auch bieten die ausgegebenen
strukturierten Produkte oft höhere Renditen als vergleichbare ebenfalls Triple-A
bewertete Staats- und Unternehmensanleihen. Diesen Vorteil nutzen vor allem
Geldmarktfonds, die durch bestehende Regularien auf die Investition in Triple-A
bewertete Produkte beschränkt sind.
44
Neben diesen Vorteilen birgt das Schattenbankensystem aber auch eine Reihe von
Risiken. Eine große Gefahr geht von den einlagenähnlichen Finanzierungsstrukturen
(bspw. Repotransaktionen) aus, über die sich eine Schattenbank hauptsächlich
kurzfristig finanziert.
45
Repotransaktionen bieten den Nachteil, dass sie eine
Prozyklizität des Fremdkapitals erwirken.
46
Dabei werden große Anteile an
Fremdkapital akkumuliert, wenn die Preise der Aktiva stabil und die Haircuts gering
sind. Auch kann die gestellte Sicherheit vom derzeitigen Inhaber für weitere
Repotransaktionen erneut verpfändet werden.
47
Wird nun die Qualität der
zugrundegelegten Aktiva in Frage gestellt, entsteht ein enormer Abbau an
Fremdkapital. Die steigenden Haircuts können zu einer massenhaften Liquidierung
41
Vgl. Coval et al. (2009), S. 22; Europäische Kommission (2012), S. 6.
42
Vgl. Schwarcz (2012), S. 12; Brunnermeier (2009), S. 80.
43
Vgl. ICMA (2012a), S. 11.
44
Vgl. Brunnermeier(2009), S. 80.
45
Vgl. ICMA (2012a), S. 12.
46
Adrian/Shin (2010) erläutern den Zusammenhang zwischen steigenden Aktivapreisen und der
dadurch resultierenden Aufnahme von mehr Fremdkapital, was zu prozyklischem Leverage führt.
47
Vgl. Brunnermeier (2009), S. 79-80; ICMA (2012a), S. 10; Gorton et al. (2010), S. 277.
8

(,,fire sales") und dem Einbruch der Marktpreise für diese Aktiva führen. Man spricht
hier auch von einem "Run" auf die Repotransaktionen.
48
Diese Probleme wirken sich
gleichzeitig auch auf den traditionellen Bankensektor aus. So investieren Banken in
eine Vielzahl strukturierter Produkte. Zwar werden Kreditforderungen verbrieft,
bleiben aber über die Investitionen der Banken weiterhin im regulären Bankensektor.
Fallen nun die Preise der Aktiva, so hat das ebenfalls negative Folgen auf die
Bilanzen der traditionellen Banken.
49
Weiterhin stellen Banken für ihre Zweckgesellschaften sogenannte
Reputationskredite bereit. Dabei garantiert die Bank im Falle von
Liquiditätsengpässen finanzielle Mittel bereitzustellen und sichert so der
Zweckgesellschaft ein besseres Rating. Es ist dabei wichtig, dass ein
Reputationskredit nicht in das Rating der kreditgebenden Bank einfließt. Somit kann
die Bank, ohne eine Verschlechterung ihres Ratings, der Zweckgesellschaft
Liquidität garantieren.
50
Letztlich führt eine hohe Komplexität des
Schattenbankensektors zu einer verringerten Transparenz. Dadurch sind potenzielle
Risiken schwer zu überblicken und können, wenn sie plötzlich öffentlich werden, zu
einer Panik bei Investoren führen, gleichgehend mit dem Abzug finanzieller Mittel.
51
Investoren verlassen sich deshalb oft auf die Bewertungen von Ratingagenturen.
Diese stehen jedoch massiv einem Anreizproblem gegenüber, da sie von jenen
Unternehmen bezahlt werden, für dessen Produkte sie ein Rating erstellen sollen.
52
Hinzu kommt, dass die getroffenen Annahmen in den verwandten Modellen häufig
nicht akkurat die Realität abbilden und für Investoren nicht nachvollziehbar sind.
53
Eine künftige Regulierung muss daher auch die Verbesserung von Ratingmethoden
verfolgen. Darüber hinaus fordern die engen Verbindungen zum regulären
Bankensektor, der hohe Fremdkapitalanteil, die geringen Sicherheiten und die
Komplexität des Schattenbankensektors, unter Berücksichtigung der Vorteile dieses
Systems, eine adäquate Regulierung.
48
Vgl. ICMA (2012a), S. 10, Vgl. Gorton/Metrick (2010), S. 1, 4-5.
49
Vgl. FSB (2011a), S. 4.
50
Vgl. Brunnermeier (2009), S. 80-81.
51
Vgl. ICMA (2012a), S. 9.
52
Vgl. Dullien et al. (2010), S. 76.
53
Vgl. Coval et al. (2009), S. 19-21.
9

3
Die Modellierung des Schattenbankensystems
Um seine systemische Instabilität aufzuzeigen und die Notwendigkeit eines stetigen
Überwachens und Regulierens zu begründen, soll eine Modellierung des
Schattenbankensektors vorgenommen werden. Dafür wird auf den Ansatz von
Gennaioli et al. (2011) zurückgegriffen. Die Komplexität des Modells erlaubt hier
nur eine Abstraktion. Detaillierte Ausführungen und Herleitungen sind Gennaioli et
al. (2011) zu entnehmen.
3.1
Modellstruktur
Das Modell besteht aus drei Zeitpunkten
= 0, 1, 2 und zwei Marktteilnehmern:
Investoren und Intermediäre. Die Investoren sind unendlich risikoavers und
erhalten in
= 0 eine Dotation in Höhe von . Aufgrund ihrer Risikoaversität,
bewerten sie ihre zukünftigen Konsumlevels und die Auszahlungen möglicher
Projekte anhand ihres schlechtesten Umweltzustandes. Um zu sparen, kaufen
Investoren finanzielle Ansprüche von einem der Intermediäre. Intermediäre sind
risikoneutral und indifferent, ob sie in
= 0, 1
2 konsumieren. Auch sie
bekommen eine Dotation in Höhe von
< 1 in = 0, welche sie zusammen mit
den aufgenommenen finanziellen Mitteln der Investoren zur Finanzierung von
Projekten in
= 0 verwenden. Diese führen je nach ihrer Art zu unterschiedlichen
Rückzahlungen in
= 2. Es gibt zwei Arten von Projekten: Projekt H ist risikolos
und führt bei einer Investition von
,
für Intermediär zu einer sicheren
Rückzahlung von
,
in
= 2. Projekt L ist risikoreich und führt bei einer
Investition in Höhe von
,
für Intermediär zu einer Rückzahlung in Höhe von:
,
=
,
,
0
1 -
(1)
mit
. Dabei ist
der Anteil an Investitionen, die in
= 2 im
Umweltzustand
zu einer Auszahlung führen. Ferner gibt es insgesamt drei
Umweltzustände
= { , , }, wobei der Anteil an erfolgreichen Investments wie
folgt verteilt ist:
>
>
. Zustand (,,growth") bezeichnet hierbei eine
Wachstumsphase der Wirtschaft, in der eine Vielzahl von Investitionen erfolgreich
sind. Analog bezeichnen
("downturn")
(,,recession") Konstellationen, in
denen ein geringerer Anteil an risikoreichen Projekten erfolgreich sind.
10

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863419769
ISBN (Paperback)
9783863414764
Dateigröße
346 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Geldmarktfonds Repo Transaktion Regulierungsmaßnahme Finanzkrise Basel III Zweckgesellschaft Asset Backed Securities

Autor

Philipp Johannes Kremer, B.Sc., wurde 1989 in Hannover geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz-Universität Hannover schloss er im 2012 erfolgreich mit dem akademischen Grad des Bachelor of Science ab. Bereits während seines Studiums entwickelte der Autor ein besonderes Interesse an den Finanzmärkten und legte seinen Fokus auf Geld und Internationale Finanzwirtschaft, Wirtschaftstheorie sowie Banken und Finanzierung. Im Rahmen seines Bachelor-Studiums absolvierte er ein Auslandssemester an der University of Bristol. Zum Wintersemester 2012/13 hat der Autor an der renommierten University of Warwick sein Studium zum Master of Science in der Fachrichtung „Finance and Economics“.
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Titel: Die Regulierung von Schattenbanken
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