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Bekämpfung von Steuerhinterziehung

©2012 Masterarbeit 81 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch informiert über die verschiedenen staatlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Dabei werden die Maßnahmen aus rechtlicher Sicht dargestellt und deren jeweilige Handhabe aufgezeigt, sowie der Ablauf eines Steuerstrafverfahrens skizziert.
Der Schaden, der dabei für den deutschen Staat entsteht, ist auf einen dreistelligen Milliarden Eurobetrag zu schätzen, konkrete Zahlen existieren hierzu allerdings nicht. Als Konsequenz aus dem Gerechtigkeitsgebot wird präventiv und repressiv agiert. Dabei sind als Steuerstraftäter, sowohl der kleine Privatmann, der vermögende Privatier, als auch das Großunternehmen präsent. Denn Steuerhinterziehung ist in jeder Bevölkerungsschicht vertreten. .Der Staat versucht diese durch die verschiedenen staatlichen Institutionen aktiv zu verhindern bzw. zu bestrafen.
In Deutschland besteht eine ausgeprägte Kultur mit dem Hang zur Steuerhinterziehung. Eine Steuerstraftat wird als Kavaliersdelikt angesehen und führt, im Gegensatz zu anderen Straftaten, zu keiner gesellschaftlichen Ächtung. Als Folge der teilweise undurchschaubaren Steuergesetze, mit denen sich jede Einzelperson und jedes Unternehmen jährlich auseinandersetzen muss, besteht eine Steuerverdrossenheit. Diese Verdrossenheit wiederum führt zu einem Bestreben der Steuervermeidung.
Das Werk führt zu Beginn allgemeine, rechtliche Begriffsbestimmungen an, um diese einheitlich in der gesamten Arbeit fortzuführen. Anhand eines praktischen Beispiels wird die Problematik der Steuerhinterziehung verdeutlicht. Ein weiterer Abschnitt führt etwaige Steuerhinterziehung begünstigende Tatbestände an, welche von praktischen Ausführungen begleitet werden. Im fünften Abschnitt werden die staatlichen Maßnahmen in einer Gesamtdarstellung präsentiert. Darauf folgt eine kurze Übersicht über den praktischen Verfahrensablauf innerhalb der involvierten, staatlichen Institutionen. Das letzte Kapitel zeigt die Möglichkeiten und Maßnahmen auf, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.3. Steuerhinterziehung

Schließlich ist noch die Begrifflichkeit der Steuerhinterziehung näher zu bestimmen. Die Steuerhinterziehung ist der zentrale Tatbestand im Steuerstrafrecht. Nach § 369 Abs. 1 AO i.V.m. § 370 AO handelt es sich bei Steuerhinterziehung um eine Straftat. Diese wird entweder mit einer Freiheits- oder Geldstrafe geahndet. In Abgrenzung hierzu liegt nach § 378 Abs. 1 AO eine leichtfertige Verkürzung vor, wenn die Tat leichtfertig begangen wurde. Die leichtfertige Tat stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit einer Geldbuße geahndet. Der Vorsatz als subjektives Tatbestandsmerkmal nach § 369 Abs. 2 AO i.V.m. § 15 Strafgesetzbuch (StGB) ist das Differenzierungsmerkal zwischen der Steuerhinterziehung und der leichtfertigen Verkürzung.[1] In § 370 AO sind die Voraussetzungen konkret dargelegt, wann eine Steuer als hinterzogen gilt. Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung mit der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale obliegt der Finanzbehörde. Im Zweifel gilt der Grundsatz der Strafverfahrens „in dubio pro rero“.[2] Das Umsatzsteuergesetz (UStG) enthält zusätzlich noch eigene Regelungen, §§ 26b, 26c UStG, die eine Steuerverkürzung ahnden. Diese Vorschriften sollen speziell der Bekämpfung der USt-Karussel­geschäfte dienen.[3] Eine bestehende Gesetzeslücke bzw. gesetzliche Ungenauigkeit wurde durch die Einfügung am 19. Dezember 2001 geschlossen. Vorab war nicht ein­deutig, ob auch das Nichtzahlen der festgesetzten Umsatzsteuer den Tatbestand einer Steuerverkürzung auslöst.[4] Der § 370 Abs. 1 AO führt die Begrifflichkeit der Steuerverkürzung an. Eine Verwendung des Begriffs Steuerhinterziehung erfolgt lediglich in der nichtamtlichen Überschrift. Das Gesetz führt den Taterfolg der Steuerhinterziehung mit dem Begriff der Steuerverkürzung an. Die Legaldefinition der Steuerverkürzung befindet sich in § 370 Abs. 4 S. 1 AO. Eine Steuerverkürzung ist demnach grds. erfolgt, wenn eine Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden kann. Dabei ist ausschließlich die Steuer i.S.d. § 3 AO zu betrachten. Die nicht rechtzeitige Festsetzung einer Steuer führt lediglich zu einem „Verspätungsschaden“[5]. Ein solcher Schaden ist bspw. denkbar bei der verspäteten Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, wobei der Schaden lediglich auf dem sich ergebenden Zinsvorteil beruht. Bei einer nicht in voller Höhe festgesetzten Steuer wird die geschuldete Steuer zu niedrig festgesetzt.[6] Wenn die Steuer nicht rechtzeitig festgesetzt wird, ist die geschuldete Steuer ebenfalls zu niedrig festgesetzt worden, jedoch erfolgt zusätzlich eine zeitliche Wertung zwischen den jeweiligen Steuerfestsetzungen. Konkretisiert ist von einer Steuerverkürzung auszugehen, sofern die festgesetzte Steuer nicht jener Steuer entspricht, die mit den wahren und tatsächlichen Angaben festgesetzt worden wäre.[7] Dies bedeutet, die Ist-Einnahmen des Staates liegen hinter den Soll-Einnahmen zurück.[8] Demnach ist dem Staat ein Vermögensschaden entstanden. Aber das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO ist bei der Berechnung des Taterfolgs zu beachten, da ansonsten die vorstehende Definition der Steuerverkürzung nicht zielführend wäre. Ohne das Kompensationsverbot, d.h. bei einem ausschließlichen Vergleich von Soll-Einnahmen und Ist-Einnahmen des Staates, wäre es denkbar, dass keine Steuerhinterziehung stattgefunden hat. Die festgesetzte Ist-Steuer und die Soll-Steuer wären sodann ggf. nicht entsprechend der unvollständigen Angaben betragsmäßig auseinander. Sondern u.U. wäre eine Minderung eingetreten, bedingt durch etwaige Steuerermäßigungsgründe seitens des Steuerpflichtigen. Im Ergebnis ist ein schlichter Vergleich der unterschiedlichen Festsetzung nicht hinreichend genug.[9] Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Vermögensgefährdung für den Steuergläubiger ausreichend ist.[10] Ferner ist die tatsächliche Zahlung der Steuer nicht maßgebend. Auch eine vollständig abgegebene Erklärung, die eine Zahllast ausweist und dann nicht bezahlt wird, ist unter diese nicht ausreichend detaillierte Definition einer Steuerverkürzung zu fassen.[11] Zusätzlich ist noch nach dem Entstehen der Steuerfestsetzung zu differenzieren: Bei einer sog. Selbstberechnungssteuer rechnet der Steuerpflichtige eigenständig und unabhängig von einem Finanzbeamten seine Steuer aus und diese wird sodann auf der Berechnung festgesetzt. Im Gegensatz dazu ist bei einer Veranlagungsteuer lediglich die Abgabe einer Steuererklärung seitens des Steuerpflichtigen erforderlich. Der Finanzbeamte führt nach Prüfung die Veranlagung durch. Der Zeitpunkt der vollendeten Verkürzung bei einer Veranlagungsteuer wie bspw. die Einkommen- oder die Körperschaftsteuer, bei denen die Fälligkeit erst nach der Veranlagungshandlung durch das Finanzamt wirksam wird, erfolgt mit der wirksamen Bekanntgabe des Steuerbescheides nach § 124 AO.[12] Dieser Steuerbescheid enthält die verkürzte Festsetzung. Der Zeitpunkt des Steuerverkürzungserfolgs bei sog. Selbstberechnungssteuern oder Fälligkeitssteuern, z.B. der monatlichen Umsatzsteuer, ist bereits im Zeitpunkt des Eingangs der Steuererklärung, die die unvollständigen Angaben enthält, bei der Finanzbehörde.[13] Die Steuer wird nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig bei dem Finanzamt angemeldet.

Letztlich ist eine Steuerverkürzung noch gegeben, wenn die Steuer überhaupt nicht festgesetzt wird. Dies ist der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger entgegen seiner gesetzlichen Erklärungspflicht eine Steuererklärung nicht abgibt. Aufgrund dieser Tatsache unterbleibt eine Steuerfestsetzung mit einer zu zahlenden Steuer. Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation ist es selten, dass der Staat Kenntnis von diesem Umstand erlangt und entsprechende steuer- und steuerstrafrechtliche Maßnahmen ergreift. Besitzt der Staat jedoch Kenntnis ist zu Gunsten des Steuerpflichtigen davon auszugehen, dass die Erklärung zu dem letzten Bearbeitungszeitpunkt für diesen Veranlagungszeitraum in der zuständigen Finanzbehörde überprüft worden wäre. Dieser Bearbeitungszeitpunkt stellt sodann den Eintritt der Steuerverkürzung dar, welcher u.a. maßgebend für die Berechnung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO ist.[14]

Diese zentrale Vorschrift dient der Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, die Steuern sollen als Einnahmequelle des Staates in rechtmäßiger Höhe und zur rechten Zeit festgesetzt werden. Das staatliche Steueraufkommen soll gewährleistet sein.[15]

3. Praktisches Beispiel

Unter den Steuerpflichtigen in Deutschland sind zahlreiche Beispiele für Steuerhinterziehung zu finden. Sobald bekanntere Personen mit dem Vorwurf der Steuerhinter­ziehung konfrontiert gewesen sind, war dies häufig ebenfalls in den Medien präsent. Neben Herren wie Otto Graf Lambsdorff, Boris Becker oder Peter Graf, dem Vater von Stefanie Graf, ist als eines der bekanntesten Beispiele der vergangenen Jahre im Zusammenhang mit dem Begriff der Steuerhinterziehung in Deutschland der Fall von Klaus Zumwinkel anzuführen. Kein anderer Sachverhalt wurde in derartigen Umfang von den Medien publiziert. Im Zusammenhang mit dem Ankauf einer „Daten-CD“ von der Bank Liechtensteiner Global Trust (LGT) erfolgten mehrere Ermittlungen der deutschen Steuerfahndung in Deutschland. Vorab hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) diese „Daten-CD“, welche tatsächlich aus verschiedenen digitalen Datenträgern bestand, mit Kundeninformationen von einem vermutlich ehemaligen Mitarbeiter der LGT erworben. Der Nachrichtendienst des Bundes soll einen Kaufpreis i.H.v. EUR 4,6 Mio. für ca. 900 Datensätze gezahlt haben.[16] Der Ankauf führte zu weiteren Steuereinnahmen des Fiskus i.H.v. EUR 807 Mio.[17] Auch Kontodaten und Informationen von Klaus Zumwinkel sollen auch der „Daten-CD“ gewesen sein.[18]

Infolge des Ankaufs der Informationen der LGT erfolgte am 14. Februar 2008 eine Durchsuchung in der Privatvilla und in den Büros des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post. Im Zusammenhang mit der Durchsuchung wurde er in Untersuchungshaft genommen, der Vollzug des Haftbefehls wurde jedoch gegen eine monetäre Sicherheitsleistung ausgesetzt.[19] Es wurde davon ausgegangen, dass Herr Zumwinkel EUR 1,2 Mio. an Steuern hinterzogen habe.[20] Dies beruhe auf einer Nichtangabe von Kapitalerträgen i.H.v. EUR 2,5 Mio., die in den Jahren 2001 bis 2007 nicht dem zuständigen Finanzamt erklärt worden seien.[21] Die Erträge sollen einer Stiftung mit dem Namen „Devotion Family Foundation“ entstammen, welche 1986 nach Verkauf der elterlichen Lebensmittelkette gegründet worden sei. Bei den steuerstrafrechtlichen Ermittlungen war bedingt durch einen Auslegungsfehler der staatlichen Einrichtungen für den Veranlagungszeitraum 2001 Verjährung eingetreten. Dieser Zeitraum lag außerhalb des Fünf-Jahres Zeitraumes, welcher nach § 369 Abs. 2 AO i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB maßgebend ist. Der zuständige Amtsrichter unterzeichnete den Durchsuchungsbeschluss am 31. Januar 2008. Dies stellt grds. eine Maßnahme dar, welche die Verjährung unterbrechen würde. Die Verjährung für das Kalenderjahr 2001 endete aber am 30. Januar 2008.[22] Für diesen Veranlagungszeitraum ging es um EUR 214.000 hinterzogene Steuern. Für die Berechnung der Verjährung war die Bekanntgabe des Steuerbescheides 2001 maßgebend. Abweichend von der steuerrechtlichen Bekanntgabe ist bei der strafrechtlichen Überprüfung der Verjährung keine Bekanntgabefiktion von drei Tagen nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO anzunehmen. Die Steuerfahndung berechnete gegenüber dem Amtsrichter das Ende der Verjährung jedoch inklusive der Drei-Tages-Fiktion, demnach hätte die Verjährung am 02. Februar 2008 geendet.[23] Der Amtsrichter verließ sich auf diese Berechnung und es lag keine verjährungsunterbindende Handlung vor. Im Laufe des Strafverfahrens gegen Klaus Zumwinkel gab dieser seinen Posten als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post auf und legte seine diversen Aufsichtsratmandate, u.a. bei der Deutschen Telekom, Acandor sowie der Deutschen Lufthansa, nieder.[24] Ferner gab er nach Rechtskraft des strafrechtlichen Urteils das Große Bundesverdienstkreuz sowie den Verdienstorden des Landes Nordrhein Westfalen zurück, bevor ein etwaiges Ordensentziehungsverfahren eingeleitet wurde.[25] Im Strafverfahren wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung am Bochumer Landgericht verhandelte man nunmehr die Jahre 2002 bis 2007, wobei die Summe der hinterzogenen Steuern insgesamt unterhalb der Grenze von EUR 1 Mio. lag. Die hinterzogene Summe belief sich auf knapp EUR 970.000. Die 12. große Strafkammer urteilte am 26. Januar 2009 auf 24 Monate Haft zur Bewährung und verhängte eine Geldstrafe i.H.v. EUR 1 Mio. Diese Geldstrafe ging mit 80% an die Staatskasse, während 20% an gemeinnützige Einrichtungen gezahlt wurden.[26] Nach diesem Urteil verließ Herr Zumwinkel Deutschland und zog nach Italien in sein Anwesen.[27] Sicherlich eine Konsequenz aus der medialen Aufmerksamkeit, in Form von z. B. durch die Live-Übertragung der Hausdurchsuchung sowie der darauffolgenden Touristenbesuchsfahrten zur Privatvilla,[28] welche dem Fall beiwohnte. Die Liechtensteiner Steueraffäre sei der größte Steuerskandal in Deutschland gewesen.[29] Für Klaus Zumwinkel war die Steuerhinterziehung der „größte Fehler“[30] seines Lebens und führte dazu, dass dieser Name nicht mit seinen Errungenschaften, sondern mit dem Tatbestand der Steuerhinterziehung in Verbindung gebracht wird.

4. Begünstigende Rechtsvorschriften

Das deutsche Steuerrecht beinhaltet einige Vorschriften und Regelungen, welche eine etwaige Steuerhinterziehung begünstigen, ggf. sogar fördern. Es darf jedoch unterstellt werden, dass dies zu keiner Zeit die Absicht des Gesetzgebers war und dass tatsächlich formelle Regelungen zur Begünstigung einer Steuerhinterziehung absoluten Ausnahmecharakter haben. Nach § 85 S. 2 AO hat die Finanzbehörde sicherzustellen, dass keine Steuerverkürzung eintritt. Die Verkürzung einer Steuer ist in § 370 Abs. 4 AO legal­definiert, wie bereits im zweiten Kapitel näher dargelegt. Die Behörde hat die Steuern gleichmäßig zu erheben. Grundsätzlich ist hierfür bei den Angaben eines Steuerpflichtigen davon auszugehen, dass diese vollständig und richtig sind.[31] Dies hat zur Folge, dass eine Finanzbehörde den Angaben des Steuerpflichtigen vertrauen kann und grds. nicht eine falsche oder unvollständige Erklärung unterstellen darf.[32]

Generell ist jede Norm für eine Steuerhinterziehung geeignet, welche nicht einer elektronischen oder digitalen Kontrolle, außerhalb einer Betriebsprüfung, unterliegt. Es ist jedoch festzuhalten, dass auch andere Regelungen zu einer Steuerhinterziehung führen können und dass nicht jeder Sachverhalt, der unter die nachstehenden Ausführungen fällt, zugleich eine Steuerhinterziehung mit sich führt. Die Vorschriften, welche zu einer Steuerminderung führen, sind eher anfällig für Steuerhinterziehung als Regelungen zu Betriebs- bzw. Einnahmen. Es werden abzugsfähige Aufwendungen neu geschaffen oder erhöht. Wenn sowohl Ausgaben als auch Einnahmen nicht angegeben bzw. erklärt werden, wird von einer sog. Doppelten-Verkürzung gesprochen. Dies ist häufig im Bereich der Gewinneinkünfte anzutreffen, da dort wenig elektronische Kontrolle durch Dritte vorliegt. Bei den Nichtselbständigen werden die Lohndaten, inklusive der Sozialversicherungsbeiräge nach § 41b EStG an das Finanzamt übermittelt. Die Versicherungsdaten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie die sog. Rürup-Rente oder Basis-Rente werden gem. § 10 Abs. 2a EStG und die sog. Riesterversicherungen werden nach § 10a Abs. 1 EStG ebenfalls elektronisch übermittelt und sind durch die Koppelung an die steuerliche Identifikationsnummer eindeutig dem Steuerpflichtigen zuordenbar. In diesem Bereich ist keine Begünstigung einer etwaigen Steuerhinterziehung gegeben.

Ferner muss bei dieser Thematik zwischen Tatbeständen differenziert werden, die ohne einen Mittäter, z.B. den Aussteller einer überhöhten Rechnung für die Inanspruchnahme eines Steuerermäßigung nach § 35a EStG, eine Hinterziehung fördern und jenen, welchen eine weitere aktiv handelnde Person erforderlich machen. Ein sog. Umsatzsteuerkarussell, welches die Vorsteuer abschöpfen will, ohne dabei die fällige Umsatzsteuer tatsächlich zu entrichten, erfordert grds. mehrere Personen. Die Verwirklichung einer der Tatbestände der zuletzt genannten Eingruppierung ist schwieriger, da die zusätzliche Person in das Vorhaben eingebunden werden muss und sich das Entdeckungsrisiko, bspw. durch einen Denunzianten, erhöht. Sicherlich ist bei einer juristischen Person, die ausschließlich einen Gesellschafter-Geschäftsführer hat, dieser Grundsatz nicht anzuwenden. Dennoch besitzt er bis auf einige spezielle Ausnahmen allgemeine Gültigkeit. Für den Bereich der Steuerhinterziehung, welche lediglich den eigenen Vorsatz, das Wissen und Wollen der Tatbestandswirklichung, ohne aktive Einbeziehung einer weiteren Person erfordern, sind einige, jedoch nicht abschließende Beispiele zu nennen.

4.1. Einkommensteuer

Im Bereich der Einkommensteuer sind besonders die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG anzuführen. Die Einnahmen führen grds. zu Verlusten, u.a. bedingt durch die Darlehenszinsen. Bei einer dauerhaften Vermietung ist grds. eine Überschusserzielungsabsicht zu unterstellen.[33] Dabei ist es unschädlich, wenn ein Totalüberschuss erst innerhalb eines Zeitraumes von 30 Jahren erzielt wird.[34] Dies bedeutet, die gesamten Einnahmen müssen spätestens am Ende des Prognosezeitraumes die gesamten angefallenen Ausgaben übersteigen. Von dem Vorliegen einer Überschusserzielungsabsicht ist trotz dieses langen Zeitraumes auszugehen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist speziell die Vermietung von Ferienimmobilien im Zusammenhang mit dem Begriff der Steuerhinterziehung zu nennen. Die Abgrenzung der Ferienvermietung zur schlichten Vermietung einer Immobilie ist vorzunehmen, da nahezu alle Immobilien in diesem Ressort möbliert angeboten werden. Die Möblierung erfordert zunächst durch den Vermieter die Anschaffung von haushaltsüblichen Einrichtungsgegenständen. Des Weiteren sind auch gehobene Ausstattungsmerkmale, z.B. ein Flachbildschirm, hochwertige Audio- und Videogeräte, mitvermietet. Zur Geltendmachung dieser Aufwendungen als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 EStG ist lediglich eine hinreichende Glaubhaftmachung oder ein Nachweis über die Anschaffung erforderlich.[35] Eine Überprüfung, ob sich diese erworbenen Sachen tatsächlich auch in dem vermieteten Objekt befinden, erfolgt in den seltensten Fällen. Die Augenscheinnahme nach § 98 AO wäre die rechtliche Maßnahme hierfür. Sie findet nur in begründeten Zweifelsfällen nach Rücksprache mit dem zuständigen Abteilungsleiter statt. Hinzu kommt, dass eine Augenscheinnahme durch einen Amtsträger eines Veranlagungsfinanzamtes dem Steuerpflichtigen nach § 99 Abs. 1 S. 2 AO angemessene Zeit vorher angekündigt werden muss. Der Steuerpflichtige kann sich dementsprechend auf diese erfolgende Besichtigung durch das Finanzamt vorbereiten.

Eine der Veranlagungsarten nach § 26 EStG, konkret die Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 3 i.V.m. § 26b EStG (Fassung für den Veranlagungszeitraum 2012[36] ), ist in diesem Zusammenhang auch anzuführen.[37] Jedoch sind hierfür zwei natürliche Personen notwendig. Aber auch eine Person ist ausreichend, wenn in den Vorjahren bereits eine Zusammenveranlagung stattgefunden hat und nun lediglich die Unterschrift bzw. Angaben des einen Ehegatten fehlen. Dies begründet sich dadurch, dass eine Zusammenveranlagung gem. § 26 Abs. 3 EStG durchzuführen ist, wenn die Steuerpflichtigen keine entsprechende Veranlagungswahl getroffen haben. Bei einer Ehe ist der Grundsatz demnach stets die vorzunehmende Zusammenveranlagung. Die Tat­bestandsmerkmale für eine Zusammenveranlagung sind die unbeschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 1 o. 2 bzw. § 1a EStG, eine rechtsgültige Ehe, nicht dauerndes getrennt leben und diese Voraussetzungen, mindestens einen Tag im Veranlagungszeitraum vorlagen. Konkret heißt dies auch, dass nicht zwingend eine gemeinsame Wohnung mit einem gemeinsamen Haushalt vorliegen muss. Auch die Erklärung zum dauernden Getrenntleben vor dem Familiengericht ist nicht als Widerspruch heranzuziehen.[38] Attraktiv wird die Zusammenveranlagung, wenn zuvor die Steuerklassenkombination drei zu fünf nach § 38b EStG gewählt wurde. Der Ehegatte mit den hohen Einkünften hat die Steuerklasse drei für die Berechnung der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags bei seinem Arbeitgeber abgegeben, während der Ehegatte mit den geringeren Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit die Steuerklasse abgegeben hat. Dies hat zur Folge, dass u.a. der Grundfreibetrag, EUR 8.004,-, § 32a Abs. S. 1 Nr. 1 EStG, auf den Ehegatten mit der Steuerklasse drei übertragen wird. Sofern beide Ehegatte nun auch tatsächlich gearbeitet haben, sind beide zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Es liegt eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG vor. Da der Steuerpflichtige mit der Steuerklasse drei durch u.a. den doppelten Grundfreibetrag weniger Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag gezahlt hat als bei der Berechnung der Steuerklasse eins, hat dieser Ehegatte ein Bestreben auch eine Zusammenveranlagung herbeizuführen. Sofern beide Steuerpflichtige noch offiziell verheiratet sind und glaubhaft machen, dass mindestens einen Tag im Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen tatsächlich erfüllt waren, kann das Finanzamt die Zusammenveranlagung äußerst selten versagen.[39] Der Steuerpflichtige zahlt bedingt durch den progressiven Steuersatz und den Splittungtarif nach § 32a Abs. 5 EStG. Solange beide Ehegatten sich über die Vorgehensweise einig sind, besteht seitens des Finanzamtes keine tatsächliche und auch keine rechtliche Option zur Aufdeckung.

Eine gewisse Kombination aus beiden vorstehend beschriebenen Steuerhinterziehung begünstigenden Vorschriften ist im Nachfolgenden gegeben. Ein Steuerpflichtiger vermietet lediglich ein Zimmer unter der Mitbenutzung der restlichen Wohnung an eine Person, häufig des anderen Geschlechts im gleichen Alter. Ein schriftlicher Vertrag liegt diesem Mietverhältnis zu Grunde, die Zahlung des Mietzinses erfolgt unbar und monatlich. Eine offiziell tatsächliche Durchführung, wie es vereinbart wurde, findet statt. Der Fremdvergleich führt sodann nicht zu dem Ergebnis der Nichtberücksichtigung der entstandenen Werbungskostenüberschüsse. Der Mieter erhält einen Zuschuss von der Agentur für Arbeit, wenn die Voraussetzungen für das Arbeitslosengeld II vorliegen. Sowohl eine Steuerersparnis als auch ein monetärer Zuschuss vom Staat werden bei einer solchen Sachverhaltskonstellation gewährt. Das Finanzamt meldet sich häufig zur Überprüfung zur Augenscheinnahme an. Jedoch ist durch die Verpflichtung zur rechtzeitigen Ankündigung des Besuchs nach § 99 Abs. 1 S. 2 AO des Amtsträgers das Wohnobjekt den vertraglichen Regelungen anpasst bzw. umgeräumt worden. Beide Bewohner des Objektes führen auf die Fragen der Beamten an, dass keine partnerschaftliche Verbindung und ausschließlich nur ein Mietverhältnis bestehe. Durch diese Präparation des Mietgegenstandes sowie die deckungsgleichen Aussagen der Steuerpflichtigen ist eine Versagung des Abzuges des Verlustes nach § 21 EStG nahezu unmöglich. Die Ausführungen führen trotz bestehender Zweifel an deren Rechtmäßigkeit zur steuerlichen Anerkennung des Mietverhältnisses.

Insgesamt ist für die Steuerart der Einkommensteuer festzuhalten, dass eine Steuerhinterziehung am Ehesten möglich ist, wenn zwei oder mehrere Personen gemeinsam die Tat begehen. Sie handeln gemeinschaftlich, um eine Steuerverkürzung herbeizuführen. Die beteiligten Personen werden als Mittäter gem. § 25 Abs. 2 StGB zu behandeln sein, da diese die Tat insgesamt wollen. Jedoch steigt auch das Risiko der Tatentdeckung oder Tataufdeckung, speziell wenn die beteiligten Personen im Nachhinein zerstritten sind. Die Person, welche nicht den steuerlichen Vorteil durch die Tat erlangt hatte, meldet sich beim Finanzamt. Die Finanzbehörde ermittelt und prüft unter Einbeziehung der Strafsachenstelle den Sachverhalt. Sofern eine höhere festgesetzte Steuer entstehen würde, ändert das Finanzamt nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die bereits beständskräftigen Steuerbescheide. Die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO darf hierfür noch nicht abgelaufen sein.

4.2. Körperschaftsteuer

Bei der Besteuerung von Körperschaften nach dem Körperschaftsteuergesetz (KStG) kann eine Steuerhinterziehung seltener auftreten. Die juristischen Personen haben keinen privaten Bereich.[40] Die Abschlüsse werden häufig, ab einer gewissen Unternehmensgröße, durch einen externen Wirtschaftsprüfer geprüft gem. § 316 HGB und eine Betriebsprüfung erfolgt regelmäßig. Dennoch ist in diesem Bereich auch Steuerhinterziehung gegeben. Diese erfolgt meistens durch die Zahlung von betriebsfremden Kosten durch das Unternehmen. In der Volkswagen-Affäre lag dies u.a. wohl vor.[41] Konkrete Regelungen im KStG, die eine Steuerhinterziehung begünstigen, sind grds. nicht gege­ben. Dennoch ist die verdeckte Gewinnausschüttung anzuführen, § 8 Abs. 3 S. 2 KStG. Gem. R 36 Abs. 1 KStR erfolgt eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bei der Gesellschaft. Diese beruht nicht auf einem gesellschaftsrechtlichen Beschluss und erfolgt an den Anteilseigner als Ausfluss aus seiner Gesellschafterstellung. Eine Vermögensminderung im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung hat zusätzlich eine Auswirkung auf den Unterschiedsbetrag i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG. Bspw. zahlt die Körperschaft dem Gesellschafter eine private Fortbildung. Das Einkommen der Gesellschaft i.S.d. §§ 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 KStG hat sich entsprechend gemindert. Nach § 23 Abs. 1 KStG ist der einheitliche Steuersatz i.H.v. 15% von dem zu versteuernden Einkommen zu berechnen. Das zu versteuernde Einkommen ist nun jedoch unrechtmäßig gemindert worden. Es wird eine zu niedrige Körperschaftsteuer festgesetzt. Eine solche Sachverhaltsgestaltung ist primär bei kleineren Gesellschaften möglich, bei denen die Gesamtgesellschafterstruktur überschaubar ist und ein oder mehrere Gesellschafter-Geschäftsführer tätig sind. Die Gesellschafter müssen einen Geschäftsführer zu dieser Zahlung bewegen bzw. können die Zahlung teilweise selber anweisen. Voraussetzung hierfür ist u.a. eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. In größeren Unternehmen erscheint dieses Vorgehen nahezu ausgeschlossen, weil die Strukturen für eine solche Vorteilszuwendung an einen einzelnen Gesellschafter zu weitläufig sind. Ferner stehen entsprechende Kontrollinstanzen diesem Vorgehen entgegen.

4.3. Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer nach dem gleichnamigen Gesetz (GewStG) folgt gem. § 7 S. 1 GewStG in seiner Ermittlung des Gewerbeertrags vorrangig den Vorschriften des EStG und des KStG. Konkret bedeutet dies, dass die Ausführungen zu den Gesetzestexten der Einkommen- sowie der Körperschaftsteuer insoweit analog anzuwenden sind. Diese Analogie ist im Bereich der Einkommensteuer auf die gewerblichen Vorschriften einzuschränken.

4.4. Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer ist besonders von Steuerhinterziehung betroffen. Der Schaden kann hierbei ebenfalls nur geschätzt werden. Die Schätzungen liegen dabei zwischen ca. EUR 2 Milliarden[42] und EUR 11,8 Milliarden[43] an jährlicher Schadenssumme. Diese Summe beruht nahezu ausschließlich auf den sog. Umsatzsteuerkarussellen. Die Umsatzsteuer ist besonders anfällig, da diese auch zwischenstaatliche Vorgänge betrifft. Bei einem Karussellgeschäft sind mehrere Unternehmer auf verschiedene Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) verteilt. Zwischen diesen Unternehmern erfolgt offiziell ein Verkauf, wobei der Schaden insgesamt durch die Erstattung der Vorsteuer nach § 15 UStG und der Nichtabführung der Umsatzsteuer an einer Stelle in der Unternehmerreihe entsteht. Einer in der Lieferkette führt die Umsatzsteuer nicht ab, während sich der Leistungsempfänger aus dieser Lieferung die Vorsteuer zieht. Der nichtzahlende Unternehmer wird als „missing-trader“ bezeichnet. Er zieht sich vom Markt zurück, bevor die Finanzbehörde von dieser rechtswidrigen Gestaltung erfahren hat.[44] Die Kontrolle und Prävention einer solchen Lieferkette ist zusätzlich erschwert, da Behörden in verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU zusammenarbeiten müssen und zeitnah miteinander kommunizieren müssen.[45] Diese verspätete Überprüfung nutzen die beteiligten Unternehmen darüber hinaus als zeitlichen Vorteil aus. Konkret folgt dadurch, dass die Behörde nur den verursachten Schaden feststellen können, eine Verhinderung ist fast unmöglich. Insgesamt betrachtet ist für das UStG festzuhalten, dass eine Begünstigung von Steuerhinterziehung nur aus der materiellen Umsetzung der Vorschriften folgt.

Im Ergebnis ist übergreifend für alle Steuerarten anzuführen, dass grds. keine Vorschriften in den Gesetzen enthalten sind, die eine Steuerhinterziehung formal begünstigen oder gar fördern. Dies würde auch den Merkmalen von Steuern, Einnahmenerzielung und Gleichmäßigkeit widersprechen. Es soll kein ungerechtfertigter Verzicht auf Einnahmen bestehen. Der Gesetzgeber besteuert bzw. ist bestrebt, alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern.

5. Maßnahmen zur Bekämpfung

Der deutsche Staat hat diverse Regelungen und Instrumente eingeführt um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Die Bekämpfung erfolgt sowohl aktiv als auch passiv. Ferner sind einige Maßnahmen präventiv, während andere wiederum repressiven Charakter haben. Eine Einteilung nach diesen Kriterien wird nachfolgend nicht vorgenommen, da derartige Einstufungen keine praktische Wirkung besitzen. Die Vorschriften und Vorgehensweisen beziehen sich auf die drei staatlichen Gewalten, hauptsächlich auf die Exekutive, da diese primäres Kontroll- und Kontaktorgan der Handlungen des Steuerpflichtigen ist. Der Übergang zwischen Institutionen ist häufig fließend. Die Darstellung der verschiedenen Maßnahmen ist nicht abschließend, die maßgebenden Aktionen und Vorkehrungen werden nachfolgend dargestellt. Es wird geprüft, ob die Steuerhinterziehung grds. durch die Instrumente bekämpft wird. Die Regelungen sind vornehmlich im steuerrechtlichen Verfahrensrecht, der AO, niedergeschrieben, da sie Steuerart übergreifend gelten.

Insgesamt sind als Regelungen insbesondere die Abgeltungssteuer für Kapitalerträge nach §§ 32d, 43 Abs. 5, 43a Abs. 1 EStG, die Amtshilfe zwischen den verschiedenen staatlichen Einrichtungen gem. § 111 ff. AO, die Außenprüfung i.S.d. § 193 AO zu nennen. Im Kontext mit der Betriebsprüfung ist häufig auf den in den Steuerbescheiden zu überprüfender Steuerpflichtiger gesetzten Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO einzugehen.

Ein Instrument zur Bekämpfung, welches erst seit einigen Jahren praktiziert wird, ist der Ankauf von digitalen Informationsträgern, welche Bankdaten aus dem Ausland enthalten. Der sog. „Steuer-CD-Ankauf“ erfolgt von Privatinstitutionen aus sog. „Steueroasen“-Ländern. Der Beginn des Ankaufs von Datensätzen war im Frühjahr 2000 als ein Mitarbeiter des Liechtensteiner Treuhänders Prof. Dr. Dr. Herbert Batliner Informationen verkaufte. Diese landeten sodann bei der Bochumer Staatsanwalt und zahlreiche Verfahren wegen Steuerhinterziehung wurden eingeleitet.[46]

Die Finanzbehörde hat einige grundsätzliche Maßnahmen und Möglichkeiten, um einen der Behörde unbekannten Sachverhalt zu ermitteln. Konkret ist dies der allgemeine Untersuchungsgrundsatz nach § 88 AO und die Mitwirkungspflicht von Steuerpflichtigen bzw. Beteiligten gem. § 90 AO. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug obliegt den Beteiligten eine erhöhte Mitwirkungspflicht, § 90 Abs. 2 AO. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Gesetz zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz) vom 29. Juli 2009 hinzuweisen. Sofern die Besteuerungsgrundlagen nicht hinreichend ermittelt werden können, insbesondere dadurch das ein Steuerpflichtiger seinen Mitwirkungspflichten i.S.d. § 90 Abs. 2 AO nicht nachkommt, muss das Veranlagungsfinanzamt diese nach § 162 AO schätzen. Vorab kann mit einem Zwangsmittel i.S.v. § 328 ff. AO die Abgabe einer Steuererklärung herbeigeführt werden. Ein weiteres Instrument zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung ist die Pflicht zur Empfängerbenennung gem. § 160 AO dar. Dabei ist auf Verlangen der Finanzbehörde der Empfänger von Zahlungen zu nennen. Wenn diese Benennung unterbleibt, ist ein Abzug der Aufwendungen zu versagen. Eine weitere und neue Maßnahme ist die Kontenabrufoption nach §§ 93b, 93 Abs. 7 u. 8 AO. Seit dem 01. April 2005 kann die Behörde Kontodaten bei Bedarf abfragen. Auch die steuerliche Identifikationsnummer gem. § 139a ff. AO ist ein neue Maßnahme zur Bekämpfung. Diese wurde zum 01 Juli 2007 eingeführt. Die elektronischen Datenübermittlungen, wie bspw. elektronische Lohnsteuerbescheinigung, sind als digitale Kontrolloption zu nennen. Die Anzeige von fremden Dritten sowie die Selbstanzeige nach § 371 AO sind im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung anzuführen. Letztlich sollen noch die bilateralen Abkommen eine Steuerhinterziehung verhindern bzw. den Weg zur Steuerehrlichkeit führen. Diese Vereinbarungen sind in letzter Zeit vermehrt getroffen worden. Ein Steuerabkommen mit der Schweiz ist aktuell in Bearbeitung.[47]

5.1. Abgeltungssteuer

Durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 wurde die Abgeltungssteuer für Kapitalerträge zum 01. Januar 2009 eingeführt. Es wurde ein gesonderter Tarif für Einkünfte aus § 20 EStG in § 32d EStG niedergeschrieben. Die Abgeltungssteuer beträgt ohne Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer pauschal 25% der Erträge. Der damalige Finanzminister des Bundes Peer Steinbrück führte aus: „Lieber 25% von X als 45% von nix.“[48] Ein Abzug von Werbungskosten ist nach § 20 Abs. 9 EStG grds. ausgeschlossen. Diese Steuer wird vom verwahrenden Kreditinstitut, der Kapitalerträge auszahlenden Stelle, gem. § 44 EStG unabhängig von dem persönlichen Besteuerungsmerkmal einbehalten und abgeführt. Aufgrund der Abführung der Steuer gilt die Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit Einkommensteuer als abgegolten, § 43 Abs. 5 S. 1 EStG. Das Kapitalvermögen, welches steuerlich mit Abgeltungswirkung belegt ist, ist nach § 2 Abs. 5b EStG nicht in die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens einzubeziehen.

Für Steuerpflichtige, die einen persönlichen Grenzsteuersatz von über 25% haben, führt die Abgeltungssteuer zu einer geringeren Steuerbelastung der Kapitalerträge. Sofern die Versteuerung mit deren persönlichen Steuersatz erfolgen würde, wäre die einzubehaltende Kapitalertragsteuer höher als 1/4 der Einkünfte. Konkret bedeutet dies, dass Personen mit einer individuellen Grenzbelastung über 25% durch die Abgeltungssteuer ihre Steuerlast verringern konnten. Die pauschale Abgeltungssteuer trifft somit an die Stelle der Versteuerung mit dem persönlichen Steuersatz nach dem Leistungsprinzip. Die Steuer wird an der Quelle der Erträge pauschaliert einbehalten, Informationen über die Zuordnung der Erträge zu den Steuerpflichtigen gelangen nicht mehr an die Finanzbehörde. Dem Finanzamt kommen grds. keine Daten zu den Kapitaleinkünften zu, die Abführung erfolgt anonymisiert.[49] Dieser Umstand begünstigt nach Ansicht eines Teils der Literatur die Steuerhinterziehung, weil die Finanzbehörde über den Umfang und die Anzahl der Kapitalerträge im Unklaren bleibt.[50]

Die Bundesregierung hat die Abgeltungssteuer u.a. speziell mit dem Argument eingeführt, dass diese Steuerhinterziehung verhindere. Der Staat sei nicht mehr auf die Angabe der Einkünfte in der Erklärung des Steuerpflichtigen angewiesen, sondern die Steuer werde an der Quelle direkt abgeführt. Ein Verschweigen von Kapitalerträgen sei nicht mehr möglich. Die Gleichmäßigkeit sowie die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und die Steuergerechtigkeit steige durch dieses „einfache und transparente Verfahren“.[51] Das Bestreben von Privatanlegern, ihr Kapital ins Ausland zu verlagern, werde eingedämmt. Vor Einführung der Abgeltungssteuer habe der Deutsche Staat viel Steuereinnahmen ins Ausland verloren.[52] Speziell private Haushalte hatten damals einen hohen Anteil ihres Kapitalvermögens in jene Länder transferiert, welche äußerst niedrige Steuersätze haben.[53] Durch die Abgeltungssteuer werden die „Kapitalerträge vollständig und konsequent versteuert.“[54] Die pauschale Quellensteuer auf Kapitalerträge soll das Steuersubstrat dem deutschen Fiskus zuführen.[55] Dennoch wurden die finanziellen Auswirkungen durch die Einführung der Abgeltung für die Jahre von 2009 bis 2012 in der Prognose stets mit negativen Vorzeichen ausgewiesen. Die Prognose reichte von Mindereinnahmen im Jahr 2009 i.H.v. EUR 320 Mio. bis EUR 1.430 Mio. im Jahr 2012.[56]

Der pauschalierte Steuersatz i.H.v. 25% ist um 20 Prozentpunkte niedriger als der höchstmögliche Spitzensteuersatz i.H.v. 45%. Durch die Einführung der meistens niedrigeren, personenungebundenen Quellensteuer soll den steuerunehrlichen Personen ein Anreiz zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit gegeben werden.[57] Das Kapital soll durch den Sondertarif im Inland gehalten und ggf. in dieses zurückgeführt werden. Die Problematik der Abwanderung des Kapitals im Ausland soll vermieden werden. Häufig bleibt ins Ausland verlagertes Kapital dort und wird nicht wieder dem deutschen Steuersubstrat zugeführt.[58] Die Kapitaleinkünfte werden sodann, unabhängig von der steuerstrafrechtlichen Beurteilung, fortan mit lediglich 25% versteuert. Jedoch erscheint fraglich, aus welchen Gründen ein unehrlicher Steuerpflichtiger seine Kapitalerträge nun in Deutschland versteuern sollte. Im Ausland zahlt dieser für seine Erträge keine Steuer oder nur einen niedrigeren Steuersatz, während er in Deutschland diese mit 25% versteuern muss. Die Einführung der Abgeltungssteuer stellt demnach lediglich ein Steuersenkungprogramm dar.[59] Ein Anreiz zur Rückkehr wurde nicht geschaffen, da es an einer Befreiung von dem steuerstrafrechtlichen Tatbeständen, §§ 370 AO u. 378 AO, fehlt. Ein zusätzlicher Anreiz analog dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StraBEG) wäre notwendig. Aufgrund der gestiegenen Anzahl der Ankäufe von Datensätzen aus Ländern, die als Steueroase gelten, und die ausführliche Berichterstattung über diese Käufe sowie die damit einhergehenden Untersuchung, ist ein nicht zu unterschätzender Druck auf die Steuerhinterzieher aufgebaut worden. Dieser Druck stellt sicherlich einen entsprechenden Anreiz zur Erklärung der bisher nicht angegebenen Einkünfte dar, besonders nach der äußerst detaillierten Medienpräsenz im Fall von Klaus Zumwinkel, wie es bereits im Kapitel Drei ausführlich dargestellt wurde. Entsprechend der erfolgten Schätzung zur Einführung der Abgeltungssteuer sind die tatsächlichen Steuereinnahmen in den Jahren 2009 und 2010 gegenüber den Vorjahren gesunken.[60] Dies bedeutet, dass die Einnahmen aus der Kapitalertragsteuer und der Zinsabschlagsteuer bis einschließlich 2008 höher als jene aus der Abgeltungssteuer waren. Die Grundlage dieser Folgerung, die tabellarische Übersicht des Bundesministeriums der Finanzen, weist lediglich die kassenmäßige Verbuchung der Steuerarten aus. Eine Verbindung zwischen der veranlagten Einkommensteuer und der etwaigen Anrechnung der Steuern der Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist nicht erfolgt. Es mangelt in der Übersicht an einem Ausweis des effektiven und letztendlich verbleibenden Betrages der Abgeltungssteuer, nur die Ein- und Auszahlungen scheinen miteinander saldiert worden zu sein. Ein Querverweis mit den Folgewirkungen der rechtlichen Möglichkeiten der Anrechnung erscheint unterblieben.

Jedoch lassen die Schätzungen des Bundesministeriums der Finanzen sowie die tatsächliche Einnahmeübersicht zu der Abgeltungssteuer den Rückschluss zu, dass aus monetärer Sicht nicht zusätzliches Steuersubstrat durch die geänderte Besteuerung in Deutschland verblieben ist. Aufgrund der tabellarischen Übersicht, die aber erst eine Auswertung von zwei Jahren nach der Einführung der Abgeltungssteuer beinhaltet, kann nicht von einem Erfolg der Bekämpfung der Steuerhinterziehung ausgegangen werden. Die Auswertung mit dem Ergebnis der Minderung des Steueraufkommens scheint den Ursprungszweck des pauschalen Sondertarifs, Sicherung und Mehrung der Steuern aus Kapitalvermögen, als verfehlt erscheinen zu lassen. Bei diesen Überlegungen muss als ein Gegenargument das gesunkene Zinsniveau für Kapitalanlagen in Betracht gezogen werden. Durch einen niedrigeren Basiszins für Kapital sind die Erträge und folglich ebenso die einbehaltene Steuer geringer.

Dennoch ist, vorbehaltlich der Daten der nächsten Veranlagungszeiträume, eine verfehlte Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu unterstellen. Die Übersicht des Bundesministeriums der Finanzen führt zu der Annahme, dass kein Kapital aus dem Ausland nach Deutschland zurückgeführt wurde.

5.2. Amtshilfe und Kontrollmitteilungen

Die Regelungen zur Amtshilfe sind in den §§ 111 ff. AO niedergeschrieben, diese sich wiederum aus Art. 35 Grundgesetz (GG) ableiten. Eine Amtshilfe ist jedwede ergänzende Unterstützung bei der Durchführung von Aufgaben der ersuchenden Behörde.[61] Als Beispiele kommen insbesondere die Aktenübersendung, Gutachtenerstattung und Zeugenvernehmung in Betracht.[62] Die anfragende Finanzbehörde kann die im Rahmen der Amtshilfe übergebene Hilfstätigkeit nicht in eigener gesetzmäßiger Zuständigkeit ohne größeren, unverhältnismäßigen Aufwand erledigen.[63] Die Maßnahme muss der Durchführung der Besteuerung dienen, § 111 Abs. 1 S. 1 AO. Dieser Sinn der Amtshilfe darf nicht nur Nebenzweck sein. Häufig ist dies bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegeben.[64] In einem solchen Fall ist die Amtshilfe unzulässig, da sie nicht hauptsächlich der Durchführung der Besteuerung dient. Alle Behörden und Gerichte sind nach § 111 Abs. 1 AO zur Amtshilfe verpflichtet. Eine Behörde ist dabei gem. § 6 Abs. 1 AO jede Einrichtung, die eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt. Die Begrifflichkeit ist weit auszulegen,[65] so dass auch die Sozialversicherungsträger oder berufsständischen Kammern hierunter zu fassen sind.[66] Gerichte sind Einrichtungen, die die Auf­gabe der Rechtspflege übernehmen und mit Richter besetzt sind.[67] Sowohl das Jobcenter, der Zoll und die Staatsanwaltschaft sind von dieser Auslegung erfasst. Es liegt keine Amtshilfe vor, wenn unter- und übergeordnete Behörden innerhalb des Weisungsverbundes sich gegenseitig unterstützen, § 111 Abs. 2 Nr. 1 AO. Konkret bedeutet dies, dass die Zusammenarbeit zwischen einem Finanzamt und einer übergeordneten Behörde, z.B. Oberfinanzdirektion (OFD), nicht unter § 111 AO subsumiert werden kann. Eine Amtshilfe ist nur auf gleich- oder nebengeordneter Ebene denkbar.[68] Ferner ist auch eine zwischenstaatliche Amtshilfe denkbar, § 117 AO. Auf diese Möglichkeit wird zum Ende des fünften Kapitels separat unter Heranziehung eines konkreten Beispielstaates näher eingegangen.

Eine Besonderheit der Amtshilfe sind Kontrollmitteilungen i.S.d. § 194 Abs. 3 AO. Der Bundesfinanzhof führt diesbezüglich aus, dass sie der Sicherstellung der Gesetzmäßig- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung aus § 85 Abs. 2 AO dienen und keinen Eingriff in die Rechte des Steuerpflichtige darstellen.[69]

Amtshilfe zwischen den staatlichen Institutionen verletzt nicht deren jeweilige Verschwiegenheitspflichten. Gem. § 111 Abs. 5 i.V.m. §§ 105, 106 AO sind die Behörden und Gerichte von ihrer dienstlichen Schweigepflicht entbunden. Auch der Datenschutz steht dem Begehren des Finanzamtes nicht entgegen, da das Allgemeininteresse an der legalen Besteuerung i.S.d. § 85 AO schwerer wiegt.[70] Lediglich nach § 105 Abs. 2 AO und § 106 AO ist die Verschwiegenheit stets aufrecht zu erhalten. Für das Finanzamt ist bei der Weitergabe von Daten und Informationen, intern und extern, das Steuergeheimnis gem. § 30 Abs. 1 AO zu jeder Zeit einzuhalten. Das Steuergeheimnis wird seitens der Finanzbehörde aufgrund der Weitergabe von Daten ausnahmsweise nicht verletzt, wenn diese Informationen einem Steuerverwaltungs- bzw. -gerichtsverfahren oder einem Steuerordnungswidrigkeiten- sowie Steuerstrafverfahren dienen, § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO. Das Finanzamt ist ermächtigt Amtshilfe in Anspruch zu nehmen, ohne dabei das Steuergeheimnis zu verletzen.[71] Eine Offenbarung von Informationen ist bspw. zur Durchführung der Besteuerung anderer Steuerpflichtiger zulässig.[72] Des Weiteren besteht auch die Zulässigkeit der Weitergabe an andere Finanzbehörden,[73] ebenso sind Kontrollmitteilungen hiervon erfasst.[74] Die Herausgabe von Kenntnissen der Finanzämter an andere Behörden ist nach den §§ 31a, 31b AO rechtmäßig. Beide Regelungen haben das Steuergeheimnis weiter gelockert und ermöglichen eine Weitergabe in weiteren Fällen.[75] Eine Modifizierung fand zuletzt in 2011 statt,[76] dabei wurde das Steuergeheimnis erneut ein wenig gelockert. Es liegen in solchen Amtshilfeersuchen größtenteils keine steuerrechtlichen oder -strafrechtlichen Folgen vor, daher ist § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO hier nicht einschlägig. Speziell die Mitteilung an die Sozialbehörden zum Zwecke der Bekämpfung des Leistungsmißbrauchs, § 31a Abs. 1 AO, ist ein praktischer Fall, welcher des Öfteren vorkommt. Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 04. Oktober 2007, Az. VII B 110/07, die Weitergabe an Jobcenter für rechtmäßig, auch unter dem Argument des Steuergeheimnisses, erklärt. Die Behörden und Gerichte, welche nicht von der Abgabenordnung erfasst sind, sind innerhalb ihrer jeweiligen Rechtsvorschriften zur Auskunft gegenüber der Finanzbehörde befugt.[77] So gibt bspw. die Zollverwaltung nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 Schwarzarbeitbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) auf ein Ersuchen hin Auskunft, wenn die Information für ein Steuer- oder ein Steuerstrafverfahren benötigt werden. Der Zoll, speziell die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), hat in 2011 Schäden aufgrund von Steuerstraftaten i.H.v. EUR 31,5 Mio. aufgedeckt.[78] Wenn die FKS eine Prüfung nach § 2 SchwarzArbG vornimmt, so ist diese gem. § 6 SchwarzArbG verpflichtet eine Mitteilung an die zuständigen Landesfinanzbehörden zu senden. In einer solchen Nachricht ist angeführt, in welchem Umfang steuerliche Pflichten nicht erfüllt worden sind.

Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen staatlichen Institutionen findet in der Praxis disziplinübergreifend statt. Eine Kontrollmitteilung wird vornehmlich zwischen den einzelnen Finanzämtern bzw. teilweise sogar innerhalb eines Amtes, lediglich zwischen einzelnen Abteilungen, versandt. Dies ist die schnellste und wirksamste Form der behördlichen Interaktion. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Die Elternteile eines Kindes leben mittlerweile getrennt. Das Kind ist noch minderjährig und lebt bei der Kindesmutter. Es ist auch dort mit dem Hauptwohnsitz gemeldet. Die Mutter gibt zuerst für den jeweiligen Veranlagungszeitraum eine Steuererklärung inklusive der Anlage Kind ab. Auf diesem Vordruck beantragt die Mutter den Übertrag des Freibetrags für die Betreuung, Erziehung und Ausbildung des Kindes nach § 32 Abs. 6 S. 8 EStG. Dieser Betrag beträgt grds. EUR 1.320 und wird durch die Beantragung der Mutter zugeordnet. Da der Freibetrag nicht doppelt gewährt werden kann und darf bzw. der hälftige Anteil nicht dem Vater des Kindes zugeordnet werden darf, erstellt der zuständige Bearbeiter des Finanzamtes eine Kontrollmitteilung. Dieses Informationsschreiben verhindert sodann eine doppelte, unrechtmäßige Berücksichtigung des Betrages. Sollte der Kindesvater nun auch in seiner Steuererklärung angeben, das Kind sei bei ihm mit dem Hauptwohnsitz gemeldet, so hat das Mitteilung empfangende Finanzamt eine Überprüfung vorzunehmen. Die Überprüfung findet in der Praxis häufig erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens i.S.d. § 347 ff. AO statt. Der andere Elternteil wird gem. § 360 Abs. 3 AO zu dem laufenden Einspruchsverfahren hinzugezogen.[79] Vorab ist jedoch der Einspruchsführer über die beabsichtigte Hinzuziehung zu informieren. Unter Einbeziehung der Beteiligten wird der Sachverhalt abschließend geklärt und die Rechtmäßigkeit der gewährten steuerlichen Vorteile bleibt durch die Kontrollmitteilung gewahrt. Eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung durch eine etwaige Doppelbegünstigung ist vermieden worden.

Aber auch von außerhalb der Finanzbehörde erhält das Veranlagungsfinanzamt Kontrollmitteilungen bzw. Informationen über ausgezahlte Gelder. Die Träger von Sozialleistungen haben nach § 32b Abs. 3 EStG die ausgezahlten Beträge für die steuerliche Einbeziehung im Rahmen des Progressionsvorbehalts, § 32b EStG, an die Finanzämter zu übermitteln. Das Jobcenter übermittelt das ausgezahlte Insolvenzgeld, das Arbeitslosengeld und die Elternstellen des Kreises das ausgezahlte Elterngeld. Dieser Vorgang stellt keine Amtshilfe dar. Eine Amtshilfe ist nur auf den Einzelfall begrenzt und geht von der ersuchenden Behörde aus.[80] Die Sozialleistungen werden jedoch dauerhaft und für alle betroffenen Sachverhalte elektronisch übermittelt. Die Übermittlung ist eher wie eine Kontrollmitteilung zu klassifizieren. Aber eine Kontrollmitteilung bspw. i.S.d. § 194 Abs. 3 AO stellt eine Ermessensvorschrift dar.[81] Das Jobcenter und die anderen Sozialleistungsgeber haben jedoch die Pflicht zur Datenübermittlung. Es liegt eine zwingende Vorschrift und keine Ermessensvorschrift vor. Dies bedeutet, die Datenübermittlungen der Sozialträger sind originär weder Amtshilfe noch Kontrollmitteilungen. Dennoch enthalten sie gewisse ähnliche Bestandteile, so dass der elektronische Datentransfer zwischen den Behörden in diesem Kontext auch zu nennen ist.

Als Beispiel für eine Amtshilfe, welche an das Finanzamt herangetragen wurde, ist Nachfolgendes anzuführen. Das Jobcenter erbittet eine Auskunft, ob ein gewährter Wohngeldzuschuss in die entsprechenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 EStG in der Steuererklärung aufgenommen wurde bzw. im Steuerbescheid enthalten ist. Gegenüber dem Jobcenter hat ein Bedürftiger einen Zuschuss beantragt, um die Miete für seinen Wohnraum bezahlen zu können. Das Jobcenter überweist die finanziellen Mittel häufig direkt an den Vermieter. Um sicherzustellen, dass keine Erschleichung von Sozialleistungen vorliegt und das Mietverhältnis auch gegenüber dem Finanzamt erklärt worden ist, ergeht hierüber ein Amtshilfeersuchen an die zuständige Finanzbehörde. Diese prüft die Vorgänge des Vermieters und teilt dem Jobcenter mit, dass der Sachverhalt rechtmäßig erklärt wurde. Alternativ führt das Finanzamt aus, dass kein Mietverhältnis in den Akten angegeben ist. Das Jobcenter prüft nun das weitere Vorgehen in eigener Zuständigkeit. Ebenso stellt das Finanzamt Nachforschungen an. Bevor es den Steuerpflichtigen direkt anschreibt, wird der Vorgang mit seinen gesamten bisherigen Erkenntnissen an die Fahndung weitergeleitet. Hierdurch soll eine strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 AO ausgeschlossen werden. Erst nach Einleitung eines etwaigen Strafverfahrens, unter Berücksichtigung interner Vorschriften, ermittelt das Veranlagungsfinanzamt den Sachverhalt weitergehend. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine steuerrechtliche und eine steuerstrafrechtliche Aufarbeitung und Auswertung des Sachverhalts.

Die Zusammenarbeit zwischen den Finanzämtern und den Finanzämtern für Fahndung und Strafsachen, welche nochmal in die Bußgeld- und Strafstelle und die Steuerfahndung untergliedert sind, ist in der Praxis in den meisten Fällen sehr gut. Viele Angelegenheiten werden schnell und unbürokratisch besprochen und gelöst, der „kurze Dienstweg“ ist Grundlage der Zusammenarbeit. Ebenso führen die internen Anweisungen beider Behörden und die umfangreichen Zugriffsmöglichkeiten der Finanzämter für Fahndung und Strafsachen zu einer engen Verbindung zwischen beiden Bereichen, Steuer- und Steuerstrafrecht. Weitergehende Ausführungen erfolgen im Rahmen des sechsten Kapitels dieser Ausarbeitung.

Die technischen Entwicklungen sowie die Lockerungen des Steuergeheimnisses in der frühen Vergangenheit zeigen eine Tendenz, die unter Beachtung der Bundesdatenschutzgesetzes, eine Zusammenarbeit der einzelnen Behörden steigert. Das Allgemeininteresse an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung überwiegt. Steuerhinterziehung sowie sozialer Leistungsmissbrauch werden aktiv, präventiv und repressiv, bedingt durch die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten, bekämpft.

[...]


[1] BGH v. 13.01.1988, Az. 3 StR 450/87.

[2] FG München v. 20.04.2011, Az. 13 V 446/11.

[3] BR-Drs. 14/7085, S. 1.

[4] Gast-deHaan, B., Steuerhinterziehung, Rn. 143.

[5] Gast-deHaan, B., Steuerhinterziehung, Rn. 51.

[6] Joecks, W., Steuerhinterziehung, § 370 AO, Rn. 45.

[7] BGH v. 30.07.1985, Az. 1 StR 286/85.

[8] Joecks, W., Steuerhinterziehung, Rn. 22.

[9] Gußen, P., Praxiswissen Steuerstrafrecht, Rn. 79.

[10] Joecks, W., Steuerhinterziehung, Rn. 51.

[11] BGH v. 24.09.1953, Az. 4 StR 249/53.

[12] BGH v. 31.01.1984, Az. 5 StR 706/83.

[13] Seer, R., Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 33.

[14] BGH v. 15.03.1991, Az. 5 StR 516/90.

[15] Rolletschke, S., Steuerstrafrecht, Rn. 3.

[16] Goetz, J. / Neumann, C. / Schmid, B., Das Dagobert-Duck-Prinzip.

[17] Leyendecker, H., Liechtenstein-CD beschert Staat 807 Millionen Euro.

[18] Leyendecker, H. / Nitschmann, J., Ex-Post-Chef wird angeklagt.

[19] Jahn, J., Wenn Manager aus Angst von Haft auspacken.

[20] Leyendecker, H. / Nitschmann, J., Ex-Post-Chef wird angeklagt.

[21] Leyendecker, H. / Nitschmann, J., Zumwinkel will nicht erneut am Pranger stehen.

[22] Schmid, B., Zumwinkel profitiert von Justizpanne.

[23] Schmid, B., Zumwinkel profitiert von Justizpanne.

[24] Handelsblatt, Zumwinkel verlässt Acandor Aufsichtsrat.

[25] Stern.de, Zumwinkel gibt Bundesverdienstkreuz zurück.

[26] Spiegel-Online, Zumwinkel zu 24 Monaten auf Bewährung verurteilt.

[27] Stern.de, Zumwinkel verlässt Deutschland.

[28] Leyendecker, H. / Nitschmann, J., Zumwinkel will nicht erneut am Pranger stehen.

[29] Süddeutsche.de, Skandal gigantischen Ausmaßes.

[30] Spiegel-Online, Zumwinkel zu 24 Monaten auf Bewährung verurteilt.

[31] BFH v. 05.08.2004, Az. VI R 90/02.

[32] BFH v. 07.07.2004, Az. XI R 10/03.

[33] BFH v 09.07.2002, Az. IX R 47/99.

[34] BMF-Schreiben v. 8.10.2004, BStBl I 2004 S. 933, Rn. 34.

[35] St. Rspr., vgl. u.a. BFH v. 15.04.1992, Az. III R 96/88.

[36] Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011, welches am 04. November 2011 verkündet wurde, reduziert sich ab dem Veranlagungszeitraum 2013 die Anzahl der Veranlagungsarten für Ehegatten auf vier Stück. Die Getrennte Veranlagung wird durch die Einzelveranlagung ersetzt und einige Paragraphen sowie Absätze fallen weg.

[37] Simon, H.E. / Vogelberg, C.-A., Steuerstrafrecht, S. 8.

[38] BFH v. 13.12.1985, Az. VI R 190/82.

[39] Vgl. EuGH v 25.01.2007, Az. C-329/05.

[40] Drüen, K.-D., Bedeutung des § 9 KStG, Rn. 5.

[41] Steuerbar.de, War bei VW auch Steuerhinterziehung im Spiel?.

[42] Bayerischer Oberster Rechnungshof, Jahresbericht 2010, S. 9.

[43] BT-Drcks. 15/1495, S. 8.

[44] Weimann, R., Umsatzsteuer in der Praxis, S. 270.

[45] Birk, D., Steuerrecht, S. 476, Rn. 1740.

[46] Leyendecker, H. / Batlinger, H. - Ein Schutzengel für Steuerflüchtige.

[47] Handelsblatt, Steuerabkommen mit der Schweiz.

[48] Vgl. Tartler, J., Steinbrücks Abgeltungssteuer taugt doch etwas.

[49] Schreiber, U., Besteuerung der Unternehmen, S. 379.

[50] Jarass, L. / Obermair, G. M., Steuermaßnahmen zur nachhaltigen Staatsfinanzierung, S. 60, 61.

[51] Bundesregierung, Die Abgeltungssteuer – Eine moderne Besteuerung privater Kapitaleinkommen.

[52] BT-Drcks. 16/4841, S. 30.

[53] Demuth, B. / Kaiser, D., Abgeltungsteuer, S. 4.

[54] BMF – Aktuelles zur Steuerpolitik.

[55] BR-Drcks. 220/07, S. 1 ff., 49 ff.

[56] BT-Drcks. 16/4841, S. 44.

[57] Schreiber, U., Besteuerung der Unternehmen, S. 379.

[58] Strohm, J., Abgeltungssteuer, S. 169.

[59] Jarass, L. / Obermair, G. M., Unternehmenssteuerreform 2008, S. 123.

[60] BMF, Kassenmäßige Steuereinnahmen nach Steuerarten in den Kalenderjahren 2006 – 2010.

[61] BFH v. 25.01.1988, Az. VII B 85/87.

[62] Zöllner, G., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 4.

[63] Rüsken, R., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 8.

[64] BFH v. 20.04.1983, Az. VII R 2/82.

[65] Vgl. BVerwG v. 30.09.1959, Az. VI C 378.56.

[66] Rüsken, R., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 6.

[67] Zöllner, G., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 6.

[68] Zöllner, G., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 8.

[69] BFH v. 02.04.1992, Az. VIII B 129/91.

[70] Zöllner, G., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 11.

[71] Zöllner, G., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 11.

[72] BFH v. 02.11.2000, Az, X R 17/00.

[73] Intemann, J., Steuergeheimnis, Rn. 141.

[74] BFH v. 02.04.1992, Az. VIII B 129/91.

[75] Rüsken, R., Steuergeheimnis, Rn. 1.

[76] Drüen, K.-D., Steuergeheimnis, Rn. 1.

[77] Zöllner, G., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 1.

[78] Zoll.de, Jahresstatistik 2011, S. 18.

[79] Brockmeyer, H. B., Hinzuziehung zum Verfahren, Rn. 10.

[80] Söhn, H., Rechts- und Amtshilfe, Rn. 21.

[81] Seer, R., Sachlicher Umfang einer Außenprüfung, Rn. 27.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863419820
ISBN (Paperback)
9783863414825
Dateigröße
391 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinnützige GmbH, Hochschulstudienzentrum Hamburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
CD-Ankauf Selbstanzeige Steueridentifikationsnummer Kontenabruf Steuerstrafverfahren

Autor

Nicolas Ramm, Dipl.-Fw. (FH), Master of Law, machte seine Ausbildung in der Finanzverwaltung und wechselte nach mehrjähriger Tätigkeit von der Finanzverwaltung zu einer der Big-Four- Gesellschaften in die Steuerabteilung. Im Rahmen seiner behördlichen Berufsjahre bestand ein enger Kontakt zu dem zuständigen Finanzamt für Fahndung und Strafsachen.
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Titel: Bekämpfung von Steuerhinterziehung
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