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Das Konzept Computerspielschule: Anforderungen an die medienpädagogische Arbeit mit Gamern, Eltern und Lehrern

©2011 Bachelorarbeit 48 Seiten

Zusammenfassung

Computer- und Videospiele sind als Bestandteil der neuen Medien in unserer Gesellschaft omnipräsent. Sie sind bei Kindern und Jugendlichen beliebt, wohingegen Eltern und Großeltern oftmals Verständnis für, und Wissen über die Spiele fehlen. Zudem sind die Spiele bei vielen Menschen in Verruf geraten und werden oftmals mit sozialen und leistungsbezogenen Problemen verbunden. Vom medienwissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen wird schnell klar, dass Risiken und Gefahren vielmehr durch mangelnde Kompetenzen im Umgang mit den Spielen als von den Spielen an sich ausgehen. Dies erklärt sich dadurch, dass die Spiele meist nur von den Spielern selbst im privaten Raum genutzt werden, darüber hinaus aber selten Beachtung finden. In den Schulen existieren zu wenig medienpädagogische Angebote, als dass man dieses Thema hinreichend behandeln könnte. Selbst wenn in Schule oder Freizeiteinrichtung Betreuer vorhanden sind, welche den verantwortungsbewussten Umgang mit Spielen begleiten, scheitern diese Bemühungen oftmals am Elternhaus, wo das Interesse an den Spielmedien kaum vorhanden ist. Aus diesem Grund muss das Angebot an außerschulischen Einrichtungen und Projekten um diese Problemstellungen erweitert werden. Es muss ein Ort geschaffen werden, an dem Besucher ohne Zwang und Verpflichtung die Möglichkeit haben, Wissen über Computer- und Videospiele zu erlangen, eigene Erfahrungen mit ihnen zu sammeln und Vorurteile gegenüber einem solch dominanten Medium aufzulösen. So ein Angebot muss sie befähigen, selbstverantwortlich und kompetent mit den Spielen umzugehen. Zeit für das Konzept der Computerspielschule.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2. Außerschulische Pädagogik
Erziehung und Bildung im pädagogischen Sinne finden in nahezu allen Lebensberei-
chen statt. Das Schulsystem zielt auf ein gesellschaftlich gleiches Maß an Allgemein-
bildung ab und soll die Heranwachsenden dazu befähigen, den weiteren Verlauf ihres
Bildungswegs zu bestehen. Doch Schule allein vermag den komplexen Anforderungen,
die ein Mensch während seiner frühen Entwicklung an seine Umwelt und sich selbst
stellt, nicht gerecht zu werden. Ein Bewusstsein darüber, wie Familie, Peergroup und
soziales Umfeld prägen können, ist für Pädagogen notwendig, um zusätzliche Angebo-
te außerhalb der Schule zu schaffen.
So beschrieb der deutsche Erziehungswissenschaftler DIETER BAACKE bereits im
Jahr 1976 die Polarität, die zwischen Schule und allen übrigen Sozialisationsbereichen
bestehe. Seiner Meinung nach unterscheide sich das Schulwesen von allen übrigen
Bereichen durch die Organisations- und Kontrollstrukturen, den verpflichtenden und
nicht selbstbestimmten Charakter, sowie durch den pädagogischen Qualifikationsstand
seiner Mitarbeiter.
2
BAACKE benennt die übrigen Bereiche als ,,(...)Familie, Massen-
medien, Jugendarbeit, Bereiche der Autonomiesuche der Jugend (Altersgruppen), be-
triebliche Ausbildung und Zwangserziehung"
3
.
Die Familie bestimme bis zum Eintritt in die Schule entscheidend die Erfahrungen und
Handlungsmöglichkeiten, auch für die Zukunft des Heranwachsenden. Der Einfluss der
Massenmedien entstehe durch ihre Allgegenwärtigkeit. Mit Jugendarbeit und Zwangs-
erziehung habe nur ein geringer Teil von Jugendlichen zu tun, wohingegen die betrieb-
liche Ausbildung, bzw. im heutigen Sinne Ausbildung allgemein, einen Großteil aller
Jugendlichen betreffe. Der Bereich der Autonomiesuche meint die Jugendlichen im
Kreise ihrer Subkultur und Altersgruppe. Zum Zeitpunkt der Publikation BAACKEs galt
dieser Bereich als wenig gesichert und für pädagogischen Einfluss zunehmend unzu-
gänglich.
4
Heute jedoch haben pädagogische Angebote im Bereich der Jugendarbeit einen Stel-
lenwert. Der § 11 Strafgesetzbuch VIII Jugendarbeit bestimmt auf gesetzlicher Ebene
die Jugendarbeit.
Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören: 1. außerschulische Jugendbil-
dung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkund-
licher und technischer Bildung, 2. Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit, 3.
arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit, 4.internationale Jugend-
arbeit, 5. Kinder- und Jugenderholung, 6.Jugendberatung.
5
2
Vgl
. Baacke, Dieter: Einführung in die außerschulische Pädagogik, S. 13.
3
Ebda. S. 14.
4
Vgl
. ebda. S. 14.
5
Sozialgesetzbuch (SGB) VIII § 11 Absatz 3: Kinder- und Jugendhilfe.
5

Diese Festlegung im Sozialgesetzbuch ist von hoher Bedeutung. Der Gesetzgeber
erkennt an, dass jeder Jugendliche das Recht auf informelle und kulturelle Bildung in
den genannten Bereichen hat. Aber auch abseits der systemischen Vorgaben wird bei
der außerschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen klar, dass diese entschei-
dend zur Entwicklung der Heranwachsenden beitragen kann.
Die grundlegenden Annahmen hinter der von BAACKE beschriebenen Polarität treffen
auch heute noch zu. Das Schulwesen hat durch neue Konzepte und Einflüsse an Er-
fahrung und Leistungsvermögen gewonnen. Die Anforderungen, welche die Jugendli-
chen an eine pädagogische Einrichtung stellen, haben sich entwickelt und erfordern
von Akteuren und Pädagogen Kompetenzen in neuartigen Handlungsfeldern. Sie be-
dingen auch eine Erweiterung des staatlich legitimierten Umfangs, in dem Pädagogik
stattfinden kann. Die Allgegenwärtigkeit multimedialer Angebote erfordert von Pädago-
gen eine Auseinandersetzung mit deren Techniken, Wirkungsweisen, Chancen und
Risiken. Auch in Familie und Freizeit sollten die zu vermittelnden Kompetenzen im
Umgang mit neuen Medien berücksichtigt werden. Aus diesem Grund liegt das Haupt-
augenmerk dieser Bachelorarbeit im außerschulischen Bereich der Jugendarbeit, spe-
ziell im Segment der angewandten Medienpädagogik in Freizeiteinrichtungen und Fa-
milie.
2.1 Handlungsorientierte Medienpädagogik
Pädagogische Arbeit orientiert sich häufig an etablierten Lerntheorien, welche sich in
ihrer Entwicklung immer mehr spezifizierten und gegenseitig ablösten. So galt der Ein-
fluss von äußeren Reizen und die darauf folgende Reaktion, der Behaviorismus, lange
als klassische Lerntheorie, an der sich die Mediendidaktik orientiert hat. Durch die
Entwicklung weg von diesen behavioristischen Lerntheorien hin zu kognitionstheoreti-
schen Modellen wurde es möglich, Inhalte und Wirkungsweisen neuer Medien losge-
löst von deren Reizwirkung auf den Rezipienten zu betrachten.
6
Dieser Aspekt der kognitiven Entwicklungspsychologie, wie von PIAGET oder BRU-
NER beschrieben
7
, besagt, ,,(...)dass sich der Lernende aus eigener Initiative heraus
mit der Umwelt auseinandersetzt, indem er vorhandene Schemata und Begriffe an
neue Erfahrungen anpasst (...) oder neue Gegebenheiten in seine kognitive Strukturen
integriert(...)"
8
.
Die Auseinandersetzung mit den vorhandenen Erfahrungen des Jugendlichen rückt in
den Mittelpunkt, denn ausgehend davon ergeben sich Chancen, die individuellen Kom-
petenzen im Umgang mit dem spezifischen Medium ausreichend zu fördern. Da jeder
6
Vgl. Witt, Claudia de: Lehren und Lernen mit neuen Medien/E-Learning, S. 441.
7
Vgl. ebda. S. 441.
8
Ebda. S. 441.
6

Lernende Wissen individuell wahr- und aufnimmt, ist es wichtig, sich von objektiven
Musterbeispielen zu lösen und individuelle Lernfortschritte zu erkennen, selbst wenn
diese nicht dem Standard entsprechen mögen.
9
Erfahrungen mit neuen Medien sind heute bei den meisten Jugendlichen bereits vor-
handen. Oft sind die neuen Medien Schnittstellen im sozialen Umgang, der Organisati-
on innerhalb der Peergroup und Mittel zur Freizeitgestaltung. Der Umgang mit ihnen ist
vom individuellen Erfahrungs- und Bedürfnisschatz des Rezipienten geprägt.
Kenntnisse werden durch Schulangebote vermittelt, unterscheiden sich jedoch vom
autodidaktischen Wissen, welches in Freizeit und Familie selbst erworben wurde. Die-
ses pädagogische Problem gilt in den Lerntheorien des gemäßigten Konstruktivismus
als Ausgangspunkt und wird als ,,träges Wissen" bezeichnet
10
, ,,(...)das in Bildungsinsti-
tutionen erworben wird, in anderen Kontexten aber schwer oder kaum anwendbar
ist"
11
.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, stellt man in der handlungsorientierten Medi-
enpädagogik die Erfahrung mit dem Medium dem theoretischen Wissen darüber voran.
,,Es wird davon ausgegangen, dass durch die aktive Aneignung eines Mediums die
Wirkmechanismen von Medien am besten durchschaut werden können."
12
Denn handlungsorientierte Medienpädagogik ist Medienpraxis, deren Bemühung es ist,
die Nutzer dahingehend zu befähigen, ,,(...)Medien produktiv zur Artikulation eigener
kollektiver Interessen zu nutzen(...)"
13
. Den Mittelpunkt dieser Bemühungen bilden
nicht die Medien selbst, sondern die Individuen und ihr gesellschaftlicher Kontext, in
dem die Medien eine Rolle spielen.
14
Diese Position trägt zur Entscheidung bei, hand-
lungsorientierte Medienangebote vor allem außerhalb des Schulsystems zur Anwen-
dung zu bringen, insbesondere um den gesellschaftlichen Kontext der Nutzer als Aus-
gangspunkt berücksichtigen zu können. Handlungsorientierte Medienpädagogik kann
als integral gekennzeichnet werden, denn sie versucht
,
die Beziehung zwischen Nutzer,
Medien und Gesellschaft den Prämissen einer demokratischen Mediengesellschaft
anzupassen, sodass Inhalte und Zielstellungen von allen Menschen bestimmt werden.
,,Die Zielsetzung Medienkompetenz ist allgemein gültig"
15
, denn in einer beinah totalen
Mediengesellschaft wird die mediale Kommunikation zur primären Art der Verständi-
gung in der Gesellschaft. Die handlungsorientierte Medienpädagogik ist im Stande
,
auf
9
Vgl. Witt, Claudia de: Lehren und Lernen mit neuen Medien/E-Learning, S. 441.
10
Vgl. ebda. S. 441.
11
Ebda. S. 441.
12
Röll, Franz Josef: Außerschulische Jugendmedienarbeit, S. 512.
13
Schorb, Bernd: Handlungsorientierte Medienpädagogik, S. 77.
14
Vgl. ebda. S. 77.
15
Ebda. S. 78.
7

biografisch bedingte individuelle Unterschiede als auch auf Alter, Geschlecht und Le-
benswelt des Adressaten berücksichtigend einzugehen
16
, denn ,,alle medienpädagogi-
schen Bemühungen müssen diesen angemessen sein"
17
.
2.2 Lernprozesse in der Medienarbeit
In allen aktiven Verwendungsweisen von Medien ist der Prozess der Herstellung eines
Medienproduktes entscheidend. Nur so erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Ge-
genstandsbereich. Ob im gesellschaftlich-sozialen oder persönlichen Umfeld
,
spielt
dabei keine Rolle. Lernprozesse finden statt und implizieren unterschiedliche Möglich-
keiten, welche mit den Zielsetzungen einer handlungsorientierten Medienpädagogik
konform gehen.
18
Der Medienpädagoge BERND SCHORB beschreibt diese Lernprozesse. Nach
SCHORB könne inhaltliches Wissen vertieft oder neu erworben, eigene Erfahrungen
reflektiert und erweitert werden. Der Adressat könne Einsichten in Bereiche sozialer
Realität, eigener Lebensbedingungen oder Verhaltensweisen bekommen und die eige-
nen Fähigkeiten, sich mit unterschiedlichen Positionen und Meinungen auseinanderzu-
setzen, entwickeln. Bei der Herstellung medialer Produkte können Erfahrungen ge-
macht und auf inhaltlicher, technischer, kreativer oder gestalterischer Ebene neu ent-
deckt oder gestärkt werden. Gemeinsames solidarisches Arbeiten und eine Differenzie-
rung eigener Handlungsorientierungen seien anregbar.
19
In solchen Lernprozessen liegt die Chance, die Entwicklung von Selbstwertgefühl
und das Selbstbewusstsein Jugendlicher zu unterstützen, ihre Sensibilität gegen-
über anderen und sozialen Verhältnissen zu erhöhen, also zu ihrer Emanzipation
beizutragen.
20
Neue Medien bieten zumeist die Option der aktiven Mediengestaltung. Inhalte aus In-
ternet, Computer- und Videospielen und audio-visuellen Medien lassen sich mit einfa-
chen Mitteln technisch, inhaltlich oder gestalterisch erfahrbar, nutzbar und reproduzier-
bar machen. Dieses Nutzbarkeits-Potenzial kann mit Hilfe reflexiv-praktischer Medien-
arbeit aktiviert und an die Adressaten transportiert werden.
Da der Erwerb oder die Aktivierung und Stärkung der Medienkompetenzen des Adres-
saten immer als Ziel des Lernprozesses steht, begünstigen Medien gestaltende Pro-
zesse deren Bewertungskriterien, die den drei von SCHORB klassifizierten Bereichen
Medienwissen, Medienbewerten und Medienhandeln entsprechen.
21
16
Vgl. Schorb, Bernd: Handlungsorientierte Medienpädagogik, S. 78.
17
Ebda. S. 78.
18
Vgl. ebda. S. 83.
19
Vgl. ebda. S. 83.
20
Ebda. S. 83.
21
Vgl. ebda. S. 79.
8

Mit der kritischen Reflexion aller Medieninhalte wird die handlungsorientierte Medien-
pädagogik in ihrer aktiven Ausführung zu reflexiv-praktischer Medienarbeit.
2.3 Voraussetzungen reflexiv-praktischer Medienarbeit
Um den Erfolg der angestrebten Lernprozesse zu unterstützen, bedarf es einiger pä-
dagogischer Prinzipien und Voraussetzungen. So ist Grundbedingung, dass dem Ad-
ressaten von Grund auf eine gesellschaftliche Handlungs- und Gestaltungskompetenz
zugestanden wird. Die Berücksichtigung aller individuell-spezifischen Problemlagen,
Formen der Lebensbewältigung und alltagspraktischen Handlungen schließt sich dem
an. Die Summe der Interessen, Problemlagen und Erfahrungen bestimmen grundle-
gend das Thema und die Art der reflexiv-praktischen Medienarbeit mit dem Adressa-
ten.
22
Der Pädagoge fungiert im Prozess der Herstellung eines medialen Produktes als Un-
terstützer oder Ratgeber, denn er setzt die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung
des Adressaten voraus. Dieser sollte den Prozess weitgehend selbst in der Hand ha-
ben. Des Weiteren sollte reflexiv-praktische Medienarbeit nicht auf die Vermittlung von
technischen oder gestalterischen Kompetenzen beschränkt sein. Wichtiger ist die
Schärfung des Bewusstseins beim Adressaten, dass Medien Mittel und Mittler von
Kommunikation sind.
23
,,Die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Themenbereich (...) und die dabei (...)
in Gang gesetzten Lern- und Erfahrungsprozesse sind wesentlicher als ein technisch
perfekt umgesetztes und gestaltetes Produkt."
24
Unter Berücksichtigung solcher Voraussetzungen kann reflexiv-praktische Medienar-
beit einen Beitrag zur gesellschaftlichen Partizipation und Entwicklung des Nutzers
leisten.
25
Damit wird diese Form der handlungsorientierten Medienpädagogik auch den soziokul-
turellen Anforderungen außerschulischer Jugendarbeit gerecht. Bereits 1976 benannte
DIETER BAACKE Aufgaben und Ziele der Jugendarbeit als Freiwilligkeit der Teilnah-
me, Bedürfnisorientierung und erfahrungsbezogenes Lernen mit Offenheit zur Aktion.
26
So bewahrheiten sich Aspekte der kognitionstheoretischen Lerntheorien, die nicht das
Medium, sondern dessen Nutzer und seinen individuellen Erfahrungsraum als Mittel-
punkt der pädagogischen Arbeit bestimmen. Unabhängig vom Medium gilt es, diese
Grundsätze zu berücksichtigen und auf ihnen aufzubauen.
22
Vgl. Schorb, Bernd: Handlungsorientierte Medienpädagogik, S. 83.
23
Vgl. ebda. S. 84.
24
Ebda. S. 84.
25
Vgl. ebda. S. 84.
26
Vgl. Baacke, Dieter: Einführung in die ausserschulische Pädagogik, S. 125-126.
9

3. Computer- und Videospiele
Computer- und Videospiele gelten als neue Medien. Die Kategorie der neuen Medien
meint heute nicht mehr die Gesamtheit aller Medien, die sich im zeitlichen Kontext
durch ihre neuartigen Techniken realisiert von den althergebrachten und handwerklich
gestalteten Medien unterscheiden. Der Begriff bezieht sich heute fast ausschließlich
auf digitale Angebote, speziell im Internet, auf Computer, Konsole und digitale Daten-
träger.
In dieser Bachelorarbeit werden die Computer- und Videospiele zum Untersuchungs-
gegenstand hinsichtlich ihrer spezifischen Eigenschaften, ihrer Klassifikation und den
Wirkungsweisen, die sie auf die Rezipienten haben.
Die stetig wachsende Verbreitung von Computer- und Videospielen geht mit der fort-
schreitenden Entwicklung von Soft- und Hardwaretechnik einher. Die Spiele sind längst
keine Nischenprodukte mehr, die nur von einer speziellen Gruppe genutzt werden. Die
Angebote der Spiele-Industrie sind reichhaltig, es werden
,
mit steigender Tendenz, Mil-
lionenumsätze gemacht. So wurden in Deutschland im Jahr 2010 für Spiele in den Be-
reichen Computer, Konsole und mobile Geräte 1.590 Millionen Euro Umsatz verzeich-
net, die Anzahl der verkauften Spiele lag bei 71 Millionen Einheiten.
27
Des Weiteren
existiert ein Unterschied in der Nutzung der verschiedenen Plattformen, bei dem die
Spielekonsolen, also Geräte, die spezifisch für die Nutzung von Spielen konstruiert
sind, weit vorne liegen.
28
Dies soll verdeutlichen, wie präsent die Angebote sind und dass davon auszugehen ist,
dass immer mehr potenzielle Spieler diese Angebote nutzen werden. Bei Betrachtung
dieser Zahlen kann man von einem Großteil an Rezipienten ausgehen, die sich nicht
auf ein Spiel oder ein Spielesystem beschränken. Es lässt sich aber auch beobachten,
dass sogenannte Familienkonsolen die Verkaufsränge anführen
29
, was vermuten lässt,
dass nicht nur stark spielaffine Kunden für den Verkaufserfolg jener Systeme verant-
wortlich sind.
Um einen Überblick über das Feld der Computer- und Videospiele zu bekommen, fol-
gen in den nächsten Kapiteln Erklärungen zur Klassifikation der Spielmedien.
3.1 Plattformen und Systeme
Grundsätzlich lassen sich die technischen Systeme, die zur Darstellung von Computer-
und Videospielen existieren, in verschiedene Kategorien klassifizieren. Daraus ergibt
sich allerdings keine zwangsläufige Differenz in der Wirkungsweise des speziellen
27
Vgl. Abbildung 1, S. 34.
28
Vgl. Abbildung 2, S. 35.
29
Vgl. Abbildung 3, S. 36.
10

Spiels, da die Entwicklung meist für mehrere Spielesysteme erfolgt, der Inhalt des
Spiels dabei aber in der Regel unverändert bleibt.
Die Kategorie der Spielekonsolen lässt sich abermals in zwei Unterkategorien aufglie-
dern. Neben stationären Spielekonsolen existieren kleinere Konsolen mit integrierten
Displays, die für den mobilen Gebrauch konzipiert sind. Zur ersten Gruppen zählen die
Konsolen Sony Playstation 3, Microsoft Xbox 360 sowie Nintendo Wii. Mobile Konsolen
sind Nintendo DS und Sony Playstation Portable.
Darüber hinaus existiert eine Vielzahl von älteren Varianten dieser Systeme, sowie
einige, nicht etablierte Alternativ-Systeme, die innerhalb der Spieleindustrie aber ohne
Relevanz sind.
Die Bedienung erfolgt bei den stationären Systemen über Controller, das Bild wird über
ein TV-Gerät oder einen externen Monitor angezeigt. Der Spieler steuert mit Hilfe der
vorgegebenen Tasten das Spielgeschehen. In den mobilen Konsolen sind Display und
Steuertasten bereits integriert.
In der Kategorie der Computerspiele, d.h. Spiele, die für den Gebrauch auf PC- oder
Macintosh-Systemen entwickelt wurden, kann man nochmals zwischen Spielen unter-
scheiden, die offline oder online über das Internet gespielt werden. Zu den Onlinespie-
len zählen neben Spielen, die ausschließlich für die Nutzung über das Internet gedacht
sind, auch Spiele, die dem Nutzer die Möglichkeit eines Online-Spielmodus anbieten.
Die Spiele werden auch hier über Eingabegeräte wie Tastatur und Maus, Kontroller
oder Joysticks gesteuert. Bei Onlinespielen wird die Steuerung über festgelegte Tasten
durch sprachliche Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Spielern erweitert. So werden
nicht nur Spielfiguren bewegt, sondern auch Texte und Befehle über das Spiel mit an-
deren Spielteilnehmern kommuniziert. Der Computer wird in diesem Fall zu einem mul-
timedialen Interface, mit dessen Hilfe der Spieler in der Spielwelt interagiert.
Diese beiden technischen Spielsystemprinzipien unterscheiden sich im Angebot der
Spiele nur gering. Auch Konsolenhersteller nutzen das Internet für eine Vernetzung der
Spieler untereinander. Kostenpflichtige Zusatzangebote und Zubehör in Hard- und
Software existieren für fast alle dieser Systeme.
3.2 Genre-Klassifikation
Um einen Überblick über das vielfältige Angebot der Computer- und Videospiele zu
bekommen, ist eine Klassifizierung in inhaltliche Genre-Kategorien sinnvoll. Da die
Zuordnung eines Spiels in ein vordefiniertes Genre abhängig von der subjektiven Ein-
11

schätzung des Betrachters ist, existieren bisher keine offiziellen Klassifizierungen. Al-
lerdings kann man eine Einteilung in etablierte Genreklassen beobachten, welche in-
ternational ähnlich benannt und beschrieben werden. Die folgenden Klassifizierungen
orientieren sich an der Genre-Einteilung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
(USK), welche als eine von der Industrie selbst eingesetzte Kontrollinstanz die Interes-
sen von Entwicklern und Nutzern in Aspekten des Jugendmedienschutzes und der
Wirkungsweise der Spiele vertritt.
30
Im Genre der klassischen Adventure stehen Komplexität und Spielspaß in opulenten
und detailreich gestalteten Welten im Vordergrund. Obwohl das Spielprinzip in der Re-
gel gewaltlos ist, sind jüngere Kinder nicht die Hauptzielgruppe der Spielehersteller.
Rätsel und logisches Denken sind oft tragende Elemente der Spielgeschichte, welche
nur durch das Lösen von Puzzeln, das Weiterverwenden von Informationen und das
Interagieren über Multiple-Choice-Dialoge bis zum Ende erlebt werden kann. Bekannte
Vertreter des Genres sind ,,Day of the Tentacle", die ,,Monkey-Island"-Reihe, ,,The Lon-
gest Journey" oder ,,Sam & Max".
Bei Spielen des Genres Action-Adventure steht eine actionorientierte Steuerung der
Spielfiguren im Mittelpunkt. Die Inhalte beschreiben meist fantastische Abenteuerge-
schichten, welche den Spieler durch Dschungel, Katakomben und alte Tempel führen.
Nicht selten muss die Figur sich durch den Einsatz von Gewalt zur Wehr setzen, um im
weiteren Spielverlauf bestehen zu können. Die Rätsel- und Logikelemente werden hier
meist in den Kontext der Spielgeschichte eingearbeitet. Der Action-Anteil dieser Spiele
führt oft zu Altersbeschränkungen, die allerdings abhängig vom jeweiligen Spielkontext,
dem Realismusgehalt und Handlungsdruck des spezifischen Spiels erteilt werden. Be-
kannte Vertreter sind ,,Tomb Raider", ,,Metal Gear Solid", Spiele der ,,Zelda"-Reihe,
,,Assassin's Creed" oder Spiele der Reihe ,,Resident Evil".
Das Genre der Shooter lässt sich in Untergenre einteilen. Diese Einteilung ist zur Be-
wertung der Inhalte und Vergabe einer Altersbeschränkung hilfreich. Neben Ego-
Shootern und 3rd-Person-Shootern existieren noch Taktik-Shooter und Online-Shooter.
Charakteristisch für alle Arten ist, dass der Spieler einer im Spielkontext festgelegten
Bedrohung gegenübersteht, die es mit Hilfe von Waffengewalt zu besiegen gilt. Geg-
nerfiguren können fiktive Fantasiegestalten, aber auch realistische menschliche Alter
Ego sein, die vom Computer oder anderen Spielern gesteuert werden. Taktik-Shooter
erweitern das zu Grunde liegende Spielprinzip um militärisches Strategiedenken. Vom
30
Vgl. USK: Die Genres der USK, Online.
12

Spieler wird verlangt, sich reaktionsschnell in der Spielwelt zu bewegen und mit
Teammitgliedern effektiv zu interagieren. Bekannte Vertreter sind ,,Counterstrike", ,,Call
of Duty", ,,Medal of Honor" oder ,,Quake".
Ein weiteres traditionelles Spielgenre trägt den Namen Arcade. Ihren Ursprung haben
diese Spiele in den Automaten der Spielhallen. Primäres Ziel der meisten Arcade-
Spiele ist der Erwerb von Punkten, die den Spieler letztendlich zu einem Highscore
führen. Reaktionsfähigkeit und Geschick werden dem Spieler ab dem Einstieg in das
Spielgeschehen abverlangt, nehmen aber im Spielverlauf deutlich zu. Die Steuerung ist
meist unkompliziert, die Spielideen sind vielfältig und kreativ. Bekannte Vertreter des
Genres sind ,,Tetris", ,,Alex Kidd", ,,Space Invaders" oder ,,Pac-Man".
Rollenspiele sind ein erfolgreiches und beliebtes Genre. Der Spieler schlüpft in der
Regel in die Rolle eines Helden mit verschiedenen Eigenschaften und Talenten, wel-
cher sich in einer mittelalterlichen oder fantastischen Spielwelt behaupten muss. Dabei
stehen die Bewältigung von Haupt- und Nebenaufgaben sowie die Interaktion mit an-
deren Spielern oder computergesteuerten Figuren im Vordergrund. Innerhalb des Gen-
res existieren noch reine Online-Rollenspiele, die s.g. Massively Multiplayer Online
Role-Playing Games. Diese Spiele erweitern das Spielprinzip der klassischen Rollen-
spiele um die Komponenten der Interaktion mit anderen, realen und in Echtzeit agie-
renden Spielern über das Internet, sowie eine kommerzielle Angebotsstruktur von Zu-
satzinhalten für die Spiele. Das Angebot der Spiele umfasst alle Alterseinstufungen.
Bekannte Vertreter sind ,,The Witcher", ,,World of Warcraft" oder ,,Dragon Age".
Das Genre Jump'n`Run umfasst eine variantenreiche Anzahl von Spielen, die sich hin-
sichtlich ihrer Gestaltung teils stark unterscheiden können. Die Spiele reichen vom rei-
nen Kinderspiel bis hin zu Spielen, die mit Action-Adventure-Elementen versehen ei-
nen spielerischen Handlungsdruck auf den Spieler aufbauen und somit schwieriger zu
bewältigen sind. Der Spieler steuert meist eine Fantasiefigur, die hüpfend, springend
und rennend verschiedene Hindernisse überwinden und Plattformen erklimmen muss.
Die Spielwelten sind dabei sehr fantasievoll und themenorientiert gestaltet und bieten
eine enorme Abwechslung. Vertreter sind ,,Super Mario Bros." und ,,Rayman".
Im Genre der Denkspiele zielt das Spiel auf die Lösung von Rätseln und Problemstel-
lungen. Die Denkleistung des Spielers ist hierbei mehr gefordert als seine Reaktionsfä-
higkeit oder Feinmotorik. Die Spiele sind grafisch oft aufwendig gestaltet und unterlie-
gen nur in den seltensten Fällen einer Altersbeschränkung. Bekannte Vertreter des
Genres sind ,,Crazy Machines", ,,Crayon Physics Deluxe" oder Wimmelbildspiele.
13

Ein weiteres Genre sind digitale Formen von Gesellschaftsspielen. Bekannte Brett-
oder Kartenspiele sind durch die digitale Umsetzung auf der Konsole oder dem PC
verfügbar. Die Gestaltung richtet sich meist nach dem Original, das Regelwerk wird
übernommen. Ergänzend erhält der Spieler die Möglichkeit, die Spiele im Mehrspie-
lermodus zu spielen. Bekannte Adaptionen sind ,,Schach", ,,Texas Hold`em Poker",
,,Backgammon" oder ,,Mah-Jongg".
Spiele, die sich direkt an sehr junge Spieler richten, werden mit Kinder/Kreativ be-
zeichnet. Die Inhalte zielen darauf ab, spielerisch Kreativität und Produktivität zu ver-
mitteln. Die Gestaltung ist dabei einfach und bunt und meist altersgemäß gehalten.
Auch Lernspiele für Mathematik, Deutsch oder Fremdsprachen sind Teil des Angebots.
Bekannte Vertreter sind ,,Create", ,,Capt'n Sharky" oder ,,Lauras Stern".
Im Genre Management übernimmt der Spieler die Rolle eines Unternehmers. Er stellt
sich den komplexen Aufgaben und monetär-wirtschaftlichen Aspekten der Finanzwelt
und versucht technische Entwicklung, Finanzen und Personalfragen, welche für die
Entwicklung seiner Stadt von Bedeutung sind, zu berücksichtigen. Auch Aspekte aus
Sport und Politik fließen hier ein. Vertreter des Genres sind ,,Fußball Manager", ,,Big
City Life", ,,My Free Farm" oder ,,Zoo Mania 3D".
Merkmal des Genres Simulation ist es, dass der Spieler komplexe Zusammenhänge
virtuell nachvollzieht. Die Spiele umfassen Themen aus Wirtschaft, Leben oder Tech-
nik. Der Spieler steigt direkt in die Zusammenhänge und Umgebungen ein, erlebt sie
von innen und lässt sie funktionieren. Hinsichtlich der Altersfreigabe müssen Simulati-
onsspiele noch in zivile und in militärische Simulationen unterschieden werden. Be-
kannte Spiele sind ,,Die Sims", ,,Sim City", ,,Trackmania" oder ,,Flug Simulator".
Eine erweiterte Form von Simulationen stellen Strategiespiele dar. Hierbei geht es um
Taktik und Ressourcenverwaltung und um Sieg oder Niederlage einer beteiligten Frak-
tion. Sie sind grafisch sehr hochwertig produziert und fast immer mehrspielerfähig. Hier
wird zwischen Aufbaustrategie und militärischer Strategie unterschieden. Bekannte
Strategiespiele sind ,,Command & Conquer", ,,Starcraft" oder ,,Die Siedler".
Ein relativ junges Genre stellen Spiele der Kategorie Lifestyle dar. Die Spiele ahmen
Alltagsthemen nach und bieten dem Spieler leichte Unterhaltung. Themen der Spiele
sind Fitness, Kosmetik, Nichtrauchen oder Mode. Dazu gehören beispielsweise ,,Let´s
Dance", ,,Wii Fit Plus" oder ,,Wii Sports Resort".
14

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2011
ISBN (PDF)
9783955495022
ISBN (Paperback)
9783955490027
Dateigröße
4.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Merseburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,6
Schlagworte
handlungsorientere Pädagogik außerschulische Projektarbeit Multiplikator Weiterbildung Neue Medien
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Gabriel Richter, B.A., wurde 1985 in Halle (Saale) geboren. Sein Studium der Kultur- und Medienpädagogik schloss der Autor im Jahr 2011 erfolgreich ab und studiert momentan im weiterführenden Studiengang der Angewandten Medien- und Kulturwissenschaft (M.A.). Bereits während des Studiums lernte der Autor in Projekten die Besonderheiten der praktischen und handlungsorientierten Medienpädagogik kennen. Die alltägliche Arbeit mit Medien fasziniert ihn auch privat, wo er als Fotograf und Autor tätig ist. Ein halbjähriges Praktikum in einer besonderen medienpädagogischen Einrichtung motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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