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Können „Remittances“ aufgrund von Migration zur Maximierung der positiven Einflüsse in Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft beitragen? Mit Fokus auf den Hilfsverein Baileke (HIBA) in Linz

©2012 Bachelorarbeit 59 Seiten

Zusammenfassung

Migration beziehungsweise Wanderung war und ist ein globales Phänomen. Einzelne Menschen, Gruppen von Menschen oder ganze Stämme (Völkerwanderung) haben zu allen Zeiten - jahrtausendelang zu Fuß - ihre Herkunftsregionen verlassen und sich in anderen Gebieten angesiedelt. Seit Menschen auf diesem Planeten leben, zeigen sie Tendenzen zu Wanderbewegungen aus den unterschiedlichsten Gründen: Chinesische Familien wandern ins kanadische Vancouver aus, ägyptische Intellektuelle suchen Arbeit in Frankreich, US-Amerikaner afrikanischer Herkunft suchen Arbeit in Südafrika, deutsche Männer suchen in Thailand oder auf den Philippinen nach einer Ehefrau, Mosambikaner kehren nach Ende des Bürgerkriegs in ihr Land zurück, Kameruner fliegen nach Österreich, um weiter zu studieren und so weiter (Vgl. Treibel 2011: 11). Laut Weltbank lebten im Jahr 2010 mehr als 215,8 Millionen MigrantInnen weltweit und belegen damit circa 3,2% der Weltbevölkerung (Vgl. Dalip/Ratha et al 2011). Allein 73 Millionen MigrantInnen aus Entwicklungsländern leben in Industrieländern.
Das vorliegende Buch setzt sich kritisch mit dieser Thematik auseinander und gibt einen umfassenden Überblick über die Situation der MigrantInnen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2 Begriffserklärungen

„Wer freiwillig und aus wirtschaftlichen Gründen geht, ist ein Einwanderer, und wer unfreiwillig und aus politischen Gründen geht, ist ein Flüchtling. Diese Begriffsbildung ist jedoch in vielerlei Hinsicht problematisch.“ (Suhrke/Zolberg 1992: 39)

2.1. Migration

Migration beziehungsweise Wanderungsbewegungen sind komplexe Prozesse, die nicht nur die wandernden Menschen/MigrantInnen beeinflussen sondern auch die Gesellschaften und Regionen zwischen denen diese Menschen sich bewegen (Vgl. Treibel 2010: 17). Die gesamte Menschheit wird entweder direkt oder indirekt von solchen Prozessen tangiert, weil die ganze Welt inzwischen zu einer globalen Gesellschaft, einer Art „globales Dorf“ gewor­den ist. Aufgrund der Komplexität des Themas Migration greift diese Thematik in die unterschiedlichsten Bereiche der Gesellschaft ein.

Nach Treibel (2010: 18) wird Migration oder Wanderung von zahlreichen Wissenschaftern unterschiedlich definiert. Diese Definitionen gehen von einem weiten Begriffsverständnis bis hin zu einem engeren Verständnis. Die folgenden Beispiele des Begriffsverständnisses richten sich nach dem Ordnungsparameter Allgemeinheitsgrad. Laut Hoffmann-Novotny (1970: 107) gilt „(…) jede Ortsveränderung von Personen“ als Wanderung. Heberle (1955: 2) definiert Migration dadurch, dass “(…) jeder Wechsel des Wohnsitzes, und zwar des de- facto-Wohnsitzes, einerlei ob freiwillig oder unfreiwillig, dauernd oder vorübergehend“ Migration bedeutet. Nach Castles (1993: 1) sind „(…) Menschen, die dauerhaft oder für längerer Zeit außerhalb ihres Herkunftslandes leben“ der Definition nach MigrantInnen. Einen ähnlichen – noch weiteren – Ansatz verfolgt Wagner (1989: 26), und beschreibt als Migration „(…) jeden Wechsel des Hauptwohnsitzes einer Person“. Im Gegensatz dazu erklärt Eisenstadt (1954: 1) Migration ist „(…) der Übergang eines Individuums oder einer Gruppe von einer Gesellschaft zu einer anderen“.

Demnach ist zu erkennen, dass es eine vielfältige Unterscheidung in der Begriffsdefinition gibt und eine Definition von Migration im engeren Sinn sowie eine im weiteren Sinn auszumachen ist. Allen Ansätzen gemein ist, dass Migration zunächst in der Überwindung einer gewissen Entfernung im Sinne einer Ortsveränderung zu verstehen ist. Einzig Eisenstadt spricht von Migration erst dann, wenn eine Wechsel im Sinne einer gesellschaftlichen Veränderung stattfindet. Wagner und Castle geht es in erster Linie um prinzipielle und um direkte Aspekte der Ortsveränderung sowie um Elemente der Dauerhaftigkeit. Dazu wies Jakson (1969) darauf hin, dass zur Definition von Migration zentrale Elemente des Wechsels und der Bewegung erforderlich sind, da Bewegung zu jeder menschlichen Erfahrung dazu gehört. Demnach bewege sich jeder Mensch ein- oder mehrmals im Leben, sei es aus individuellen oder kollektiven Gründen.

Um den Begriff Migration zu untermauern bzw. differenzieren zu können, wurden mehrere Typologien von Migration entwickelt (Vgl. Treibel 2011: 20).

2.1.1. Typologie der Räumlichkeit:

Nach räumlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf Zielrichtung und Distanz der Wanderung wird unterschieden zwischen Binnen- oder interner Wanderung (häufig Abwanderung von ländlichen Gebieten in die Städte) und internationaler und/oder externer Wanderung. Die internationalen oder externen Wanderungen werden nochmals unterteilt in kontinentale oder interkontinentale Wanderungen.

Tabelle 2: Zuwanderung nach Deutschland in den Jahren 1988-1996 (in Tausend); Aussiedler im Sinn von „Deutscher Volkszugehörigkeit“ sind ein deutsches Spezifikum. Unter den genannten Ländern sind Polen, Rumänien und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Hauptherkunftsländer der Aussiedler. 1989 stellten die Personen aus Polen mit 250.340 die größte Gruppe dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Vgl. Treibel 2011: 32)

2.1.2. Typologie der Dauer:

Darin wird zwischen zeitlich begrenzter oder temporärer Wanderung (beispielsweise Saison­arbeiter oder Auslandsstudenten) und dauerhafter oder permanenter Wanderung (Ein- oder Auswanderung mit anschließender Niederlassung im Aufnahmegebiet) unterschieden.

2.1.3. Typologie der Freiwilligkeit:

Bei dieser Unterscheidung geht es um die Ursache der Wanderung bzw. um die persönlichen Entscheidungsgründe der MigrantInnen. Freiwillige Migration kann bsw. Arbeitsmigration sein während erzwungene oder unfreiwillige Migration meist durch Flucht oder Vertreibung hervorgerufen wird.

2.1.4. Typologie des Umfangs:

Je nach Anzahl und Umfang der MigrantInnen aus einem Land bzw. aus einer Region wird zwischen Einzel- bzw. Individualwanderung und Gruppen- oder Kollektivwanderung unterschieden.

Die Begriffsbestimmungen anhand dieser Typologien lassen erkennen, dass es sich beim Thema Migration um eine komplexe Angelegenheit handelt, die sowohl in der Aufnahme- als auch in der Herkunftsgesellschaft eine wesentliche Rolle spielt. Die Migrationsvolumina und die Aktivitäten der MigrantInnen in einer Gesellschaft bestimmen den Einfluss der Migrant­Innen auf beide Gesellschaften. Im Zuge dieser Wanderbewegungen werden Menschen häufig in eine andere Gesellschaft aufgenommen, als die in der sie sich bisher befunden haben. Auf­grund dieser Veränderungen passieren erhebliche Veränderungen in fast allen Lebens­bereichen der MigrantInnen. Häufige Veränderungen im Leben der MigrantInnen spielen sich auf wirtschaftlicher Ebene im Sinne von finanzieller Veränderung ab. Viele MigrantInnen verlassen die Herkunftsgesellschaft aus dem Grund, um in ihrer Herkunftsgesellschaft eine wirtschaftliche oder auch kulturelle Veränderung herbeizuführen. Dies geschieht häufig auch mit dem Ziel, Geldüberweisungen von der Aufnahme- in die Herkunftsgesellschaft zu tätigen.

Die internationale Migration sowie die Bewegung von Menschen über internationale Grenzen hinweg, hat enorme wirtschaftliche, soziale und kulturelle Implikationen sowohl in den Herkunfts- wie auch in den Aufnahmeländern. Nicht unerheblich dabei ist der Einfluss von Geldüberweisung durch die MigrantInnen direkt von einer Gesellschaft in eine andere. Vielfach werden wirtschaftliche Beziehungen zweier – oft unterschiedlichster Länder – einzig durch Geldüberweisungen von MigrantInnen an deren Herkunftsfamilien getätigt. Dies führt in weiterer Folge dazu, dass diese Geldtransfers sowohl auf Armut und Migration wirken, aber auch Wohlfahrts- und Investitionsentscheidungen ermöglichen und die Folgen des Brain-Drain („Gehirn-Abfluss“) und des Brain-Waste (Nicht-Nutzung von Qualifikationen) hin zu einem Brain-Gain („Gehirn-Gewinn“) auszugleichen vermögen.

2.2. „Remittances“ = Geldüberweisungen

Der Begriff „Remittances“ meint jene Geldflüsse, die von MigrantInnen, die in einem anderen Land leben, stammen und in das Herkunftsland der MigrantInnen fließen. Meist sind dies kleinere oder größere Bargeld-Beträge, die von MigrantInnen an deren Familien oder Verwandtschaft nach Hause geschickt werden. Diese Geldflüsse werden als „Migrant Remittances“ bezeichnet.

„Migrant Remittances aind „the sum of workers remmitances, compensation of employees, and migrants` transfer“ (Worldbank Factbook 2011: Xvi). „(…) workers Remittances, as defined by International Monetary Found (IMF) in the balance of Payment Manual, 6th edition (IMF 2010a), are current private transfer from migrant workers who are considered residents of the host country to recipients in the workers country of origin. If the migrants live in the host country for one year or longer, they are considered residents, regardless of their immigration status. If the migrants have lived in the host country for less than one year, their entire income in the host country should be classified as compensation of employees.“

Migrant Remittances sind die Transfers von Vermögenswerten, die durch MigrantInnen von einem Land zu einem anderen Land im Zeitraum der Migration (für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr) übertragen werden. Wenn die Anzahl der ArbeitsmigrantInnen ansteigt, erhöhen sich auch die Vermögenstransfers durch MigrantInnen.

Obwohl die Rahmenbedingungen klar definiert wären, sammeln die meisten Länder ihre Daten basierend auf den Zugehörigkeiten der ausländischen Beschäftigten „migrant workers“ statt basierend auf ihren Staatsbürgerschaften. Vielfach werden die Daten der Geldüber­weisungen kategorisiert als „compensation of employees or worker remittances“, obwohl diese beiden Kategorien voneinander getrennt zu betrachten und zu analysieren wären. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Kategorien erscheint willkürlich zu sein je nach Land, Steuergesetzgebung und Verfügbarkeit von Daten. Als weitere Schwierigkeit stellt sich allgemein die Sammlung und Analyse der internationalen Daten heraus, denn die Geldtransfers erfolgen in der Regel über private Geldtransporteure. Auch veröffentlichen viele Staaten ihre Remittances nicht beim IMF, andere Länder, am häufigsten die Länder der „developing countries“ verweigern dem IMF gänzlich, Angaben über ihre Geldzuflüsse aufgrund von Migrant Remittances zu machen. Zu diesen Ländern gehören beispielsweise Afghanistan, Kuba, Turkmenistan, Usbekistan oder Zimbabwe (Vgl. Worldbank Factbook 2011: XVII). Aber auch Staaten der „high income countries“ insbesondere Kanada, Katar, Singapur oder die Vereinigten Arabischen Emirate geben ihren Ausfluss von Remittances dem IMF nicht bekannt, obwohl gerade diese Staaten wichtige Einwanderungsländer und somit kräftige „Vermögens­exporteure“ wären. Eine genaue Erhebung und Analyse der Daten und Zahlen ist aus diesen Gründen aber auch aufgrund der Komplexität und Internationalität der Materie nicht möglich. Global gesehen ist aber festzustellen, dass die weltweiten Geldüberweisungen von MigrantInnen aus Industriestaaten in ihre Herkunftsländer das Dreifache dessen betragen, was von staatlichen Stellen für Entwicklungshilfe geleistet wird. Laut Factbook (2011: VII) der Weltbank „(…)there are more than 215 million international migrants in the world. Recorded remittances received by developing countries, estimated to be US $325 billion in 2010, far exceed the volume of official aid flows and constitute more than 10% of gross domestic product (GDP) in many developing countries“.

Demnach zeigt sich, dass Migration und die damit verbundenen Geldüberweisungen in der Lage sind, in den Herkunftsgesellschaften Armut zu reduzieren. Remittances können zu steigendem Investment im Bereich Gesundheit oder Bildung führen, aber es kann auch zu Verbesserungen im kleinunternehmerischen Bereich kommen.

Auf der anderen Seite führt vermehrte Auswanderung (auch Auswanderung zum Zweck von Remittances) dazu, dass es in den Auswanderungsgesellschaften zu negativen Entwicklungen im Sinne eines Brain-Drain durch die Auswanderung von qualifizierten Personen kommen kann. Die ausgewanderten Personen eines Staates bilden demnach eine Diaspora. Dieser Diaspora – insbesondere der Diaspora der „developing countries“ – kommt in der Leistung von „Entwicklungshilfe“ in diesen Ländern eine wesentliche Rolle zu. Der Diaspora kommt dabei die Funktion eines doppelten Brückenbaus zwischen der Herkunfts- und den Aufnahme­gesellschaften zu. In der der Diaspora finden sich die meisten finanziellen Ressourcen, die in der Herkunftsgesellschaft zu Investment und Wirtschaftstätigkeit benutzt werden können.

Die Volumina dieser Überweisungen wachsen immer schneller und stellen einen nicht unbedeutenden Faktor im Bereich Wirtschaftswachstum der Herkunftsländer, Integration und Entwicklungszusammenarbeit dar.

3. Zur Theorie

Die meisten soziologischen Migrationstheorien beschäftigen sich entweder mit den Folgen oder den Ursachen von Migration. Einerseits geht es um die Frage, warum Menschen wandern und ihr Handeln sich durch soziale Ordnungssysteme erklären lässt und auf der anderen Seite geht es um die Untersuchung der Etablierung der Zuwanderer in der Aufnahmegesellschaft (Vgl. Oswald 2007: 85-86). Diese komplexe Ausgangs- und Zielsituation stellt eine herausfordernde Arbeit der soziologischen Aufklärung dar. Es hat in den letzten Dekaden eine Vielzahl von Arbeiten gegeben, die genau diese Thematik der Migration insbesondere Folgen und Ursachen, die die sich oft im Brain-Drain sowie Brain-Gain auswirken, bearbeiteten. Seit den 1970er Jahren stellt sich die Migrationstheorie von H.-J. Hoffmann Novotny als sehr erfolgreich und einflussreich dar, weil sich dessen Theorie grundsätzlich stetig weiterentwickeln und in andere Theorien integrieren lässt (Vgl. Oswald 2007: 87).

3.1. Der Ansatz von H.-J. Hoffmann-Nowotny

Nach Oswald (2007: 87) ist der Ausgangspunkt von Hoffmann-Nowotnys Therorie darin zu sehen, dass MigrantInnen grundsätzlich deshalb auswandern, weil sie ihre Lebens­bedingungen verbessern wollen. Soziologisch betrachtet ist der Maßstab für „gut“ oder „besser“ entweder ökonomisch oder aufgrund individueller Motivation an sich nicht plausibel. Eine solche Beurteilung muss etwa von außen (durch die Wissenschafter) oder durch die Betroffenen selber erfolgen. Hoffmann-Nowotny (1970) weist darauf hin, dass sowohl objektive Gegebenheiten als auch subjektive Motivlagen systematisch miteinander zu verknüpfen und sowohl makrosoziologische und -ökonomische Aspekte auf mikrosoziale, individuelle Entscheidungssituation zu beziehen sind (Vgl. Oswald 2007: 87).

Hoffmann-Nowotny (2007: 26ff) verfolgt weiters den Ansatz, dass „Macht“ und „Prestige“ eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung zur Wanderung spielen. Dabei geht es um in erster Linie um Ausgleich, denn „Macht“ steht für die Möglichkeit eines Akteurs seinen Anspruch auf Teilhabe der sozialen Werte durchzusetzen, während „Prestige“ darauf gerichtet ist, inwiefern die Teilhabe als legitim gilt. Dazu zeigt er mögliche Beispiele von „Macht“ auf, wie soziale Positionen, Einfluss, Status und Höhe des Einkommens, während „Prestige“ auf individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten wie etwa Ausbildungs- und Berufsqualifikationen gerichtet ist (Oswald 2007: 87).

Häufig kommen für MigrantInnen diese beiden Dimensionen aber nicht zur Deckung, insbesondere dann, wenn ein großer Anteil der Bevölkerung über eine gute Ausbildung verfügt und die entsprechenden Arbeitsplätze besetzt sind (Oswald 2007: 88).

Nach der Theorie Hoffmann-Nowotnys kann jedoch Abwanderung auf beiden Seiten von Vorteil sein: „(…) Für die MigrantInnen selbst, sofern diese eine ihrer Qualifikationen entsprechende und eine eine Aufwärtsmobilität ermöglichende Arbeit finden und für das Herkunftsland, weil Protestpotential vermindert und der Arbeitsmarkt entlastet wird sowie mit nennenswerten Rücksendungen an zurückgebliebene Familienmitglieder gerechnet werden kann und somit Spannungsabbau erfolgt. Weiters für das Zielland, weil es Stellen mit Personen besetzen kann, in deren Ausbildung nicht investiert werden musste“ (Oswald 2007: 88).

Ein weiterer Punkt, in dem Inhalt und Form der Hoffmann-Novotnyschen Theorie typischerweise zusammenzukommen, ist die Formulierung seiner Theorie ursprünglich „(…) vor dem Hintergrund der Migration aus Entwicklungsländern in Industriegesellschaften“ (Oswald 2007: 88). Ebenso zeigt es sich, dass Migration empirisch als ein Ausweg aus Entwicklungsblockaden sein kann, wodurch eine bessere Verkehrs- und Kommunikations­technik ermöglicht wird, die eine Begleiterscheinung der Globalisierungsprozesse ist (Vgl. Oswald 2007: 88).

Nach Hoffmann-Nowotny (1993; 1997;) sind die Migrationsursachen vor allem durch zwei Aspekte zu untermauern:

- Die Entwicklungsdisparitäten zwischen den nationalen Einheiten der Weltgesellschaft nehmen zu und
- gleichzeitig erfolgt aufgrund der Ausbreitung des westlichen Struktur- und Kulturmodells eine Wertintegration der Gesellschaften auf kultureller Ebene.

Grenzüberschreitende oder internationale Migrationen werden somit als eine besondere und kollektive Strategie des individuellen sozialen Aufstiegs angesehen. Die MigrantInnen können dadurch mehr Geld verdienen, um die Herkunftsfamilien mit Geldüberweisungen zu versorgen. Diese Überweisungen spielen auch eine wesentliche Rolle in der Entwicklungs­zusammenarbeit, weil die Familien das Geld in unterschiedlichen Bereichen anwenden beziehungsweise nützen können.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass aktuelle Migrationsphänomene einem einfachen Push und Pull-Modell gleichen, demzufolge Migration durch Lohndifferenzen zwischen zwei Ländern/Regionen ausgelöst wird. (Vgl. Oswald 2007: 89). Diese Differenzieren sollen durch Wanderbewegungen neutralisiert werden. Aufgrund dieser Neutralisierung kann es vor allem aufgrund internationaler Migration zum Brain-Drain in vielfach ohnedies schon unterent­wickelten Regionen kommen.

3.2. „Brain-Drain“ und „Brain-Gain“

Bei Brain-Drain geht es um den Verlust von menschlichem Kapital und Wissen innerhalb einer Gesellschaft bedingt durch Ab- oder Auswanderung. Brain-Gain hingegen meint den Gewinn von Wissen und geistigem Potential in einer Gesellschaft durch Einwanderung oder durch zirkuläre (hin- und herwandern) Migration.

Schon Galinski (1986: 9ff), wies darauf hin, dass „Brain-Drain“ eine Abwanderung von Wissenschaftern oder Intellektuellen in Form von Intelligenz-, internationalem Human-Kapitalflussverlust sowie Verlust von Technologietransfer darstellt. Insbesondere wenn begabte oder hochqualifizierte Personen oder -gruppen ein Land verlassen, kann es in diesem Land zu Engpässen in diesen Bereichen kommen. Der Vorteil für das Auswanderungsland im Zuge eines solchen Brain-Drain kann aber darin gesehen werden, dass ihre gut ausgebildeten und hochqualifizierten Auswanderer im Aufnahmeland das Vielfache dessen verdienen können, als ihnen im Herkunftsland möglich sein wird. Dieses im Ausland verdiente Geld kommt dann wiederum in Form von Rücküberweisungen den zurückgebliebenen Familien und somit der Herkunftsgesellschaft zugute. Durch Remittances kann das Haushalts­einkommen und somit der Lebensstandard der Herkunftsfamilien aufgebessert, aber auch das Haushaltsbudget eines Staates verbessert werden.

Nach Bhagwati (1976: 10f) ist Brain-Drain die Erscheinung, dass weniger entwickelte Länder hoch ausgebildete Arbeitskräfte verlieren, da sie in höher entwickelte Länder wechseln, in denen ihre Qualifikationen fehlen und sie demnach viel Geld verdienen können. Gerade die ohnehin schon höher entwickelten Länder profitieren dabei wiederum von diesem Wissens-Transfer, vor allem auch deshalb, weil sie kein Geld in die Ausbildung der MigrantInnen zu investieren hatten. Gerade aber die wenig entwickelten Länder würden aber ganz dringend solches menschliches Kapital benötigen, um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme ihrerseits in den Griff zu bekommen. Gerade diese Personen sind es aber, die das Land zuerst verlassen.

Profiteure dieser Bewegungen sind wiederum die hoch entwickelten Länder, weil dort auch gut ausgebildete und hochqualifizierte MigrantInnen als Arbeitskräfte eingestellt werden. Diese stellen in dieser Gesellschaft einen Multiplikator sowie einen Katalysator für die wirtschaftliche Weiterentwicklung der – ohnedies schon gut entwickelten – Gesellschaft dar. Diese Tendenzen gehen vielfach soweit, dass hoch qualifizierte Arbeitskräfte von höher entwickelten Ländern gekauft werden, um das Wirtschaftssystem in diesen Ländern zu beleben (Vgl. Kwok/Leland (1982), 91).

Auf der folgenden Tabelle sind jene zehn Staaten aufgelistet, in denen im Jahr 2010 die meisten Hochschulabsolventen weltweit emigrierten. Aus Guyana beispielsweise emigrierten 89% der Hochschulabsolventen.

Tabelle 3: Top 10 Emigration Countries of Tertiary-Education 2010

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Vgl. Worldbank 2011)

Die meisten dieser hoch qualifizierten Arbeitskräfte sind in der Technik und im medizinischen Bereich beschäftigt. In Südostasien sind im Jahr 2010 beispielsweise 76,517 Millionen Personen, das entspricht 10,6 % der dortigen Bevölkerung in ein anderes Land emigriert. Aus den Gebieten südlich der Sahara sind im Jahr 2010 52,298 Millionen Personen in nördliche Länder ausgewandert, um dort im medizinischen Bereich tätig zu sein, das entspricht 11 % der dortigen Bevölkerung. In Asien liegt Sri Lanka mit 29,7 % Auswanderung von hochqualifizierten MigrantInnen an erster Stelle, den zweiten Platz belegt Afghanistan mit 23,3 % und Pakistan mit 12,6 %.

Tabelle 4: Emigration Rate of tertiary-educated population of South Asia 2010 (Top 5 Countries)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Vgl. Worldbank 2011: 31) „Migration and Remittances Factbook 2011“

Von den Ländern südlich der Sahara besitzen die Kapverden mit 67,5% die höchste Auswanderungsrate an HochschulabsolventInnen.

Tabelle 5: Emigration Rate of tertiary-educated population of South-Saharan Afrika 2010 (Top 10 Countries)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Vgl. Worldbank: 2011), „Migration and Remittances Factbook 2011“

Es ist davon auszugehen, dass es zwei Arten von Brain-Drain gibt. Einerseits sind dies die hochqualifizierten Arbeitskräfte häufig aus den Bereichen Medizin und Technik, andererseits StudentInnen, die oft nach ihrem Auslandsstudium nicht mehr in ihrer Herkunftsländer zurückkehren. (Vgl. Nayar (1986), S. 78.). Solche Tendenzen sind häufig in den afrikanischen Staaten, aber auch in Lateinamerika oder den asiatischen Staaten zu beobachten (Vgl. für Indien Malik (1998), S. 1ff und für Mexiko Cornelius/Marcelli 2000: 1ff.).

In dieser Hinsicht werden die höher qualifizierten und mit besserer Ausbildung ausgestatteten Personen letztlich höhere Steuern in den Aufnahmestaaten zahlen. Die meisten der höher qualifizierten MigrantInnen in höheren oder mittleren Schichten tragen somit mehr zum Staatsbudget bei. Auch beanspruchen höher ausgebildete Staatsbürger im Normalfall weniger Sozialleistungen (Vgl. auch Borjas 1999: 19.).

Brain-Drain ist meistens eine Folge von komplexen Abläufen in einer Gesellschaft und hat in der Regel viele Ursachen. Im Vordergrund stehen auch hier sogenannte Push und Pull-Faktoren, obwohl auch eine gewisse Distanztheorie zu Kenntnis genommen wird (Vgl. Bhagwati/ Krugmann 1985: 362ff.).

Als Pull und Push-Effekte sind eine Vielzahl von Faktoren sowohl in der Herkunfts- als auch in der Aufnahmegesellschaft zu benennen, die die Menschen zu Wanderungen bewegen. Einige Beispiele sogenannter Pull-Faktoren sind höhere Einkommen in den Industriestaaten, Hoffnung auf ein besseres Leben, mediale Berichte aus den Industriestaaten, Traum vom Leben im Westen, bessere Chancen auf Bildung, größeres Angebot an Bildung und Arbeit, Reiselust usw. Hingegen als Push-Faktoren anzusehen sind geringe Möglichkeiten für Bildung und Arbeit, Kriege oder Naturkatastrophen, Soziale oder ethnische Spannungen usw.

In der Aufnahmegesellschaft sind die MigrantInnen wiederum mit einer Vielzahl an Pro­blemen konfrontiert wie Ausschluss an Ausbildungsmöglichkeiten, sprachliche sowie kulturelle Hindernisse. Aufgrund der Komplexität von Migrationsentscheidungen ist die Herausarbeitung und Entwicklung einer Brain-Drain-Theorie als schwer einzustufen (Vgl. Galinski 1986: 65f).

4. Rücküberweisungen von MigrantInnen

Aufgrund des Phänomens des Brain-Drain hin zum Brain-Gain von der Herkunftsgesellschaft in die Aufnahmegesellschaft kommt es auch in der Herkunftsgesellschaft zu positiven Veränderungen. Diese Veränderungen sind vor allem darin zu sehen, dass der Verlust des Wissens aufgrund der Auswanderungen durch das Hereinkommen von Geld in Form von Remittances ausgeglichen wird. Der Fluss dieser Geldtransfers wird Remittances-Flow genannt und wird dem statistischen Rahmen dieser Trends zugrunde gelegt.

4.1. Quellen und Daten

Nach Straubhaar/Vädean ist in den Quellen aus „(…) the Compensation of employees, (…) zwischen Workers Remittances (…) und Migrant Transfers” (…) zu differenzieren. Beim Vorgang der Datensammlung muss auf diese Unterscheidung Bedacht genommen werden, denn existieren eine Vielzahl von sowohl formellen als auch informellen Quellen darüber, in welchem Umfang MigrantInnen Geld in ihre Herkunftsländer überweisen. Die informellen Quellen spielen eine große Rolle bei der Quantität der migrantischen Rücküberweisungen, und diese sind nicht einfach zu erfassen. Die Volumina der Remittances sind demnach nahezu uneinschätzbar, weil gerade die höchsten Beträge durch informelle Kanäle strömen und deshalb schwer zu beziffern sind. Straubhaar/Vädean (2006) beschreiben, dass „(…) on the other hand the same remittances flows can be seen as underestimated because they do not include transfer through informal channels, such as hand-carries by friends or family members, or in kind remitttances of jewellery, cloths and other consumer goods (…).

In vielen Staaten sind die migrantischen Remittances eine sehr wichtige Einkommensquelle für den Staat; Statistiken sprechen in bestimmten Ländern dabei von etwa 10 bis 50% der gesamten ausländischen Geldflüsse sind Überweisungen von MigrantInnen. In offiziellen Statistiken sind diese Zahlen aber leider nicht zu finden (Vgl. Puri/Ritzema 1999; El-Qorchi et al 2002).

Die offiziellen Datenquellen wiedergeben keine sinnvollen und richtigen Zahlen und zeigen nicht deutlich aktuelle Transfers sondern lediglich Import, wobei migrantische Remittances aber nicht explizit ausgewiesen sind. Indien beispielsweise hat eingeführt, mitgebrachtes Gold von Einreisenden einzutragen und registrieren zu lassen. Dieses Gold wird dort schon über lange Zeiträume eingeführt, wurde aber bisweilen nicht als Remittance wahrgenommen (Vgl. Ratha (2003).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955495077
ISBN (Paperback)
9783955490072
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Migrationssoziologie Remittance Interkulturelle Bildung Social Entrepreneurship Transkulturalität

Autor

Eddy Bruno Esien wurde 1974 in Kumba, Kamerun, geboren. Sein BA Studium der Soziologie an der Johaness Kepler Universität schloss der Autor erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte er umfassende praktische Erfahrungen in der sozialen Branche. Fasziniert von Interkulturalität, Remittances, Social Entrepreneurship, Sprache und Ethnizität, verbrachte der Autor mehr als 16 Jahren in Österreich und anderen Teilen der Welt, um die Besonderheiten verschiedener Länder kennenzulernen. Seine Tätigkeiten in unterschiedlichen sozialen Bereichen, wie z.B. ehrenamtliche Arbeit zur Integration von Botschaftern und Mentoren sowie als Gründer und Vereinsobmann des Hilfsverein Baileke - HIBA in Linz, Oberösterreich, motivierten ihn, sich mit der Thematik des Buches auseinanderzusetzen.
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