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Patentierungsstrategien und die TRIZ Innovationsprinzipien: Analyse, Systematik und Handlungsmuster

©2012 Diplomarbeit 118 Seiten

Zusammenfassung

Wer die aktuellen Wirtschaftsnachrichten verfolgt, der wird immer wieder auf Meldungen über Patentstreits aufmerksam. Ein aktuelles und zugleich spannendes Beispiel liefert hierbei die Auseinandersetzung zwischen Yahoo und Facebook. Kurz vor dem Börsengang von Facebook versuchte Yahoo Anfang März 2012 Facebook wegen der Verletzung von zehn Patenten zu verklagen. Dabei beanspruchte Yahoo eine Reihe von grundlegenden Funktionen für soziale Netzwerke, wie die Technologien zum Versenden von Nachrichten, zur Anzeige von Neuigkeiten oder zur Abgabe von Kommentaren. Als Abwehrvorbereitung auf mögliche Patentauseinandersetzungen im Rahmen des bevorstehenden Börsengangs erwarb Facebook im Voraus mehrere hundert Patente von IBM, auf die auch Yahoo Lizenzen hält. Damit war Facebook in der Lage Anfang April 2012 mit einer Gegenklage zu kontern, die eine umfangreiche Liste von Yahoo-Diensten betraf, um die Klage von Yahoo zurückzuweisen, bzw. den Konkurrenten von weiteren Angriffen abzuhalten.
Anhand dieses Beispiels lässt sich erahnen, welche Bedeutung das Themenfeld der Patente für die strategische Unternehmensführung hat. Speziell Deutschland wird von internationalen Unternehmen gerne als Schlachtfeld für Patentstreitigkeiten gewählt, insgesamt werden sechzehnmal mehr Patentprozesse als in Großbritannien oder Frankreich geführt. Dies liegt zum einen am bedeutungsvollen deutschen Markt und an der spezialisierten Gerichtbarkeit, zum anderen sind in Deutschland Verkaufsverbote deutlich schneller zu erwirken, da hierzulande die Prüfung von Patentverletzung von der Prüfung der Berechtigung entkoppelt ist.
Man kann das Patentmanagement von zwei Standpunkten aus betrachten: Von dem des Marktes, der Patente als Gegenstand der strategischen Handlungsfähigkeit eines Unternehmens definiert, oder unternehmensintern mit einem Fokus auf Innovationsmanagement und innerbetriebliche Forschungs- und Entwicklungsbemühungen (F&E-Bemühungen) zur Generierung von Patenten.
Folgt man letzterer Darstellung, dann ist ein Patent das Ergebnis eines schöpferischen Prozesses. Es ist also die Essenz einer erfinderischen Tätigkeit. Das Leitmotiv dieser Abhandlung ist die Suche nach einer Möglichkeit zur Verknüpfung einer spezifisch ausgewählten Kreativitätsmethodik mit dem strategischen Patentmanagement. Darauf basierend werden Muster für den Umgang mit Patenten entwickelt, um verwertbare Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Trend in total patent applications ... 2
Abbildung 2: Darstellung der Methode des "Versuchs und Irrtums" ... 6
Abbildung 3: Phasen des Innovationsprozesses ... 12
Abbildung 4: Abgrenzung Inventionen, Patente und Innovationen ... 13
Abbildung 5: Patentmanagement in der Unternehmensplanung ... 24
Abbildung 6: Schutzreichweite und Erfindungshöhe ... 27
Abbildung 7: Technologielebenszyklus (nach Sommerlatte/Deschamps) ... 33
Abbildung 8: Technologieportfolio ... 34
Abbildung 9: Unternehmensbezogenes Patentportfolio (nach Ernst) ... 35
Abbildung 10: Normstrategien des strategischen Patentportfoliomanagements ... 37
Abbildung 11: Die fünf Offensivstrategien nach Kotler ... 42
Abbildung 12: Offensive Patentstrategien im Technologieraum ... 44
Abbildung 13: Die sechs Defensivstrategien nach Kotler ... 49
Abbildung 14: Einordnung der Kampfstrategien nach Durö und Sandström ... 50
Abbildung 15: Defensive Patentstrategien im Technologieraum ... 51
Abbildung 16: Strategien für eine Konfrontation mit einem Blockadepatent ... 52
Abbildung 17: TRIZ-Werkzeuge ... 59
Abbildung 18: Algorithmus der Transformation ... 63
Abbildung 19: Innovationscluster 1: Zerlegung/Abtrennung/Loslösung ... 73
Abbildung 20: Erzeugung von Patent-Netzwerken und Patent-Schachtelungen ... 75
Abbildung 21: Innovationscluster 2: Universalität (Multifunktionalität)/Funktionskopplung ... 78
Abbildung 22: Angreifbarkeit von Patentportfolien ... 84
Abbildung 23: Innovationscluster 3: Optimale Arbeitsbedingungen ... 85
Abbildung 24: Innovationscluster 4: Schadensvorbeugung ... 89

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht über den gewerblichen Rechtsschutz ... 14
Tabelle 2: Arten von Informationsabfluss ... 28
Tabelle 3: Inter-, multi-, transnationale und globale Patentstrategien ... 54
Tabelle 4: Stärken und Schwächen der TRIZ ... 60
Tabelle 5: Umkehr- und Universalprinzipien ... 70

Abkürzungsverzeichnis
ANErfG
Arbeitnehmererfindungsgesetz
ARIZ
Algorithmus zur Lösung von Erfindungsaufgaben
CAD
Computer
Aided
Design
CiDaD-WPS
Competence in Design and Development ­ Working Paper Series
DPMA
Deutsches
Patent-
und
Markenamt
EG
Europäische
Gemeinschaft
EPA
Europäisches
Patentamt
EPÜ
Europäisches
Patentübereinkommen
et
al.
und
andere
EU
Europäische
Union
F&E
Forschung
und
Entwicklung
GebrMG Gebrauchsmustergesetz
i.d.R.
in
der
Regel
i.e.S.
im
engeren
Sinne
IGP
innovative
Grundprinzipien
i.w.S.
im
weiteren
Sinne
KDT
Kammer
der
Technik
KMU
kleine und mittlere Unternehmen
MarkenG Markengesetz
MZK
Maße,
Zeit,
Kosten
NIH
not
invented
here
OECD
Organisation for Economic Cooperation and Development
PatG
Patentgesetz
PatKostG Patentkostengesetz
PCT
Patent
Cooperation
Treaty
R&D
Research
and
Development
SP
Strategic
Patent
TIPS
Theory of Inventive Problem Solving

TNW
Technisch-Naturgesetzmäßige,
Physikalische
Widersprüche
TÖW
Technisch-Ökonomische
Widersprüche
TRIZ
Theorie des erfinderischen Problemlösens
TTW
Technisch-Technologische
Widersprüche
US
United
States
USA
United States of America
WIPO
World Intellectual Property Organization
WSP-Matrix
Widerspruchs-Matrix

1 Einleitung
Wer die aktuellen Wirtschaftsnachrichten verfolgt, der wird immer wieder auf Meldun-
gen über Patentstreits aufmerksam. Ein aktuelles und zugleich spannendes Beispiel lie-
fert hierbei die Auseinandersetzung zwischen Yahoo und Facebook. Kurz vor dem
Börsengang von Facebook (geplant für Mai 2012
1
) versuchte Yahoo Anfang März 2012
Facebook wegen der Verletzung von zehn Patenten zu verklagen. Dabei beanspruchte
Yahoo eine Reihe von grundlegenden Funktionen für soziale Netzwerke, wie die Tech-
nologien zum Versenden von Nachrichten, zur Anzeige von Neuigkeiten oder zur Ab-
gabe von Kommentaren. Des Weiteren bezog sich die Klage auf die Haupteinnahme-
quelle beider Unternehmen, die Werbeanzeigen.
Als Abwehrvorbereitung auf mögliche Patentauseinandersetzungen im Rahmen des be-
vorstehenden Börsengangs erwarb Facebook im Voraus mehrere hundert Patente von
IBM, auf die auch Yahoo Lizenzen hält.
Damit war Facebook in der Lage Anfang April 2012 mit einer Gegenklage zu kontern,
die eine umfangreiche Liste von Yahoo-Diensten betraf, um die Klage von Yahoo zu-
rückzuweisen, bzw. den Konkurrenten von weiteren Angriffen abzuhalten.
2
Anhand dieses Beispiels lässt sich erahnen, welche Bedeutung das Themenfeld der
Patente für die strategische Unternehmensführung hat.
Speziell Deutschland wird von internationalen Unternehmen gerne als Schlachtfeld für
Patentstreitigkeiten gewählt, insgesamt werden 16-mal mehr Patentprozesse als in
Großbritannien oder Frankreich geführt. Dies liegt zum einen am bedeutungsvollen
deutschen Markt und an der spezialisierten Gerichtbarkeit, zum anderen sind in
Deutschland Verkaufsverbote deutlich schneller zu erwirken, da hierzulande die
Prüfung von Patentverletzung von der Prüfung der Berechtigung entkoppelt ist.
3
Man kann das Patentmanagement von zwei Standpunkten aus betrachten: Von dem des
Marktes, der Patente als Gegenstand der strategischen Handlungsfähigkeit eines Unter-
nehmens definiert oder unternehmensintern mit einem Fokus auf Innovationsmana-
gement und innerbetriebliche Forschungs- und Entwicklungsbemühungen (F&E-Be-
mühungen) zur Generierung von Patenten.
1
Vgl. Raice/Smith (2012), o.S.
2
Vgl. dpa/dapd (2012), o.S.
3
Vgl. Hecking (2012), o.S.
1

Folgt man letzterer Darstellung, dann ist ein Patent das Ergebnis eines schöpferischen
Prozesses. Es ist also die Essenz einer erfinderischen Tätigkeit.
Um die Generierung einer Erfindung und schließlich auch eines Patents zu begleiten,
existieren unterschiedlichste Unterstützungs- und Kreativitätsmethoden.
Das Leitmotiv dieser Abhandlung ist die Suche nach einer Möglichkeit zur Ver-
knüpfung einer spezifisch ausgewählten Kreativitätsmethodik mit dem strategischen
Patentmanagement. Darauf basierend werden Muster für den Umgang mit Patenten
entwickelt, um verwertbare Handlungsempfehlungen abzuleiten.
1.1 Patente zwischen Rechtsschutz und ökonomischer
Bedeutsamkeit
,,Everything that can be invented has been invented!" sagte Charles H. Duell, der
damalige Direktor des US-amerikanischen Patentamtes im Jahre 1899.
4
Entgegen dieser Voraussage ist in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Anstieg der
weltweit neugelisteten Patente zu datieren (vgl. Abbildung 1). Eine genauere Analyse
dieses Trends liefert die Erkenntnis, dass die Wachstumsraten der Patentanmeldungen
vor allem in den letzten Jahren, hauptsächlich durch drei Technologien getrieben
wurden: Computer-Technologie, digitale Kommunikation und Telekommunikation.
Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass vielschichtige und komplexe Technologien, wie
die oben genannten, für die Wachstumsraten sehr viel entscheidender sind, als parti-
kuläre Technologien.
5
Abbildung 1: Trend in total patent applications
Quelle: WIPO (2011), S. 35.
4
Vgl. Gassmann/Bader (2007), S. 1.
5
Vgl. WIPO (2011), S. 29.
2

Es ist jedoch nicht nur eine rein nominale Zunahme an Anmeldungen zu vernehmen,
sondern auch eine Verschärfung der Rahmenbedingungen, in denen sich Innovationen
und gewerbliche Schutzrechte bewegen. Dazu zählen die Globalisierung des Wettbe-
werbs, die Explosion des technischen Wissens, die Technologiefusion, die Dezentra-
lisierung des Wissens, die Eskalation von Innovationskosten, kürzere Innovations-
zyklen und die Beschleunigung der Innovationsdiffusion.
6
Um dieser verschärften Wettbewerbssituation unter den Technologieunternehmen ge-
recht zu werden, greifen viele deutsche Unternehmen auf offensive Innovationsstrate-
gien zurück. Da allerdings anzunehmen ist, dass die F&E-Aktivität eines Unternehmens
mit der Anzahl der erzielten Erfindungen korreliert, mündet ein progressiver Umgang
mit Innovationen fast zwangsläufig in steigenden Ausgaben für den Bereich der F&E.
Des Weiteren gelten Patente als Output-orientierte Indikatoren der technologischen und
innovativen unternehmerischen Tätigkeit.
7
Um den technologischen Status eines Unter-
nehmens zu bestimmen, können auch noch andere Informationen, wie Experten-
meinungen (F&E-Personal, Wettbewerber, Kunden, etc.), Beobachtungen und Analysen
von Marktdaten (Verkaufszahlen, Marktanteil, etc.) und F&E-Berichte (Budgets, etc.)
bemüht werden.
8
Das Ziel eines privatwirtschaftenden Unternehmens sollte dennoch primär die Erwirt-
schaftung von Gewinnen sein. Dies gilt auch für Unternehmen die im Wettbewerb mit
anderen Technologieunternehmen über Innovationen und Patente ein Alleinstellungs-
merkmal erarbeiten und damit eine bessere Marktstellung erreichen.
Insbesondere für Unternehmen, deren strategische Ausrichtung es ist, den Wettbewerb
über Innovationen auszutragen, ist es existenziell einen Schutz ihrer Erfindungen gegen-
über Imitationen erlangen zu können.
Wären keine intellektuellen Eigentumsrechte vorhanden könnten Imitatoren ohne
weiteres die Gewinne des Innovators abschöpfen, was jeglichen Anreiz zur Schaffung
eigener F&E-Leistungen verhindern würde.
9
Der Hauptzweck jedes Patents liegt dem-
nach darin, temporäre Monopolgewinne zu ermöglichen und Anreize zur Generierung
von Erfindungen zu schaffen, was sich nicht nur positiv auf das Unternehmen, sondern
auch auf die Entwicklung, das Wachstum und den Wohlstand der gesamten Volkswirt-
6
Vgl. Gassmann/Bader (2007), S. 1.
7
Vgl. Tiefel/Dirschka (2007), S. 1.
8
Vgl. Haupt (2005), S. 232.
9
Vgl. Burr et al. (2007), S. 3.
3

schaft auswirkt.
10
Damit ist die ,,Produktion von Wissen", ein für die Volkswirtschaft
nicht zu unterschätzender Faktor und innerhalb einer Wissensgesellschaft eine wichtige
Determinante für technologische Leistungsfähigkeit.
Der Gedanke, dass ein Unternehmen seine Erfindungen und Ideen ausschließlich für
den Eigengebrauch nutzt und keinerlei Wissens- und Know-how-Transfer bzw. -Diffu-
sion stattfindet, erscheint ökonomisch ineffizient.
Dementsprechend werden intellektuelle Eigentumsrechte von vielen Unternehmen über
ihren originären Zweck hinaus genutzt und auf strategischer Ebene eingesetzt.
11
Eine
wirtschaftliche Nutzung von Schutzrechten in einem Unternehmen erfolgt also genau
dann, wenn es gelingt systematisch und planmäßig vorzugehen und ein auf das Unter-
nehmen angepasstes Patentmanagement mit optimalen Patentstrategien zu erarbeiten.
12
Als Beispiel zur unterschiedlichen Handhabung von Patenten lassen sich große, global
agierenden Unternehmen und kleine, umsatzschwächere Unternehmen gegenüber-
stellen. Während letztere oftmals Schutz und Sicherung im Wettbewerb als Grund für
eine Patentanmeldung angeben, sind bei den großen Unternehmen meist weitergehende
Überlegungen hinsichtlich einer rein strategischen und langfristigen Absicherung, z.B.
auf ausländischen Märkten, zu vernehmen. Des Weiteren ist das Verhältnis von Patent-
gebühren zu potenziellem Absatzmarkt ein Kriterium zur Strategiewahl.
13
Die Relevanz des Patentschutzes für kleinere und mittleren Unternehmen (KMU) ist
nicht zu unterschätzen, da alleine der KMU-Anteil an inländischen (deutschen) Patent-
anmeldungen, im Jahre 2005, bei circa 20% und damit bei einer absolut Zahl von etwa
12.000 Patenten lag.
14
Eine Verengung des Betrachtungswinkels auf das reine Patentmanagement, ohne eine
Untersuchung anderer unternehmerischer Funktionen, stellt im operativen Bereich eine
sinnvolle Überlegung dar, während auf strategischer Ebene der Bezug zu den Schnitt-
stellen mit F&E- und Innovationsmanagement entscheidend ist, um Wettbewerbsvor-
teile zu erlangen und das langfristige Überleben des Unternehmens zu sichern.
15
10
Vgl. Schumpeter (2008), S. 168.
11
Vgl. Frietsch/Köhler/Blind (2008), S. 9.
12
Vgl. Weber/Hedemann/Cohausz (2007), S. 1.
13
Vgl. Ernsthaler/Strübbe (2006), S. 37.
14
Vgl. Weissenberger-Eibl/Bierwisch (2007), S. 389.
15
Vgl. Tiefel/Dirschka (2007), S. 15.
4

1.2 Was ist TRIZ? ­ Von Kreativität und Erfindungen
Jede neue Maschine oder Technologie generiert sich aus einer neuartigen Idee. In
unserem Leben sind wir stetig gezwungen Probleme kreativ zu lösen. Was kreative Pro-
blemlösungen ausmacht, lässt sich wie folgt kurz beschreiben: Eine kreative Lösung ist
eine einfache Lösung für ein Problem, welches aber äußerst komplex erscheint. Oft
werden derartige Problemlösungen als genial oder innovativ bezeichnet.
16
Die primäre Eigenschaft, die einen Menschen kreativ macht, ist die Fähigkeit divergent,
d.h. in alle Richtungen, zu denken. Der entscheidende Vorteil dieser Denkweise ist, dass
zum Lösen eines Problems Lösungsschemen benutzt werden, die dem ursprünglichen
Verwendungszweck oder dem konventionellen Denkmuster gar nicht oder nur entfernt
entsprechen.
An dieser Stelle erscheint es zweckmäßig eine Erfindung zu definieren. Die folgende
Definition bezieht sich ausdrücklich nicht auf die notwendige Definition einer Er-
findung im Rahmen des Patentwesens sondern soll vielmehr den Kontrast zu einer Ent-
deckung darstellen.
Einer Erfindung liegt die Schaffung eines ökonomisch effizienten und zuverlässig funk-
tionierenden Mittel-Zweck-Zusammenhanges zugrunde. Der Erfinder erarbeitet diesen
Zusammenhang mit Hilfe des bereits bekannten Wissens. Dieses wird allerdings oft-
mals in einer ungewöhnlichen und unkonventionellen Form eingesetzt, um eine tech-
nische Aufgabe zu lösen oder einen bestimmten technischen Zweck zu erreichen. Eine
Entdeckung hingegen basiert auf dem Feststellen bereits bestehender, bisher aber
vollkommen unbekannter Gesetzmäßigkeiten in Natur, Gesellschaft oder Technik sowie
dem Auffinden und Erklären eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhanges. Bei einer Ent-
deckung ist es schutzrechtlich uninteressant, ob es sich um eine schon lange bekannte
oder erst kürzlich aufgefundene Gesetzmäßigkeit handelt, da diese Naturgesetzmäßig-
keiten grundsätzlich nicht schutzfähig sind. Dieser Umstand stellt sich bei schutzfähigen
Erfindungen vollkommen diametral dar.
Beim Erarbeiten einer Erfindung lassen sich zwei Stufen voneinander trennen. Zum
einen die Suche nach der erfinderischen Idee (1. Stufe) und zum anderen die wirtschaft-
16
Vgl. Salamatov (1999), S. 3.
5

lich relevante, in der es um die Sicherung der in der ersten Stufe gewonnen Erkennt-
nisse geht (2. Stufe).
17
In der Literatur werden Dutzende, unter Einbeziehung aller Sonderformen sogar Hun-
derte von Kreativitätsmethoden behandelt, um Hilfestellungen beim kreativen Lösen
von Problemen zu geben, Sachverhalte von möglichst vielen Winkeln zu betrachten
oder um den Erfinder bei der Suche nach einer erfinderischen Idee zu unterstützen.
Abbildung 2: Darstellung der Methode des "Versuchs und Irrtums"
Quelle: Zobel (2006b), S. 5 (nach: G. S. Altschuller (1973), S. 17).
Die wohl älteste und am weitesten verbreitete Methode ist die des Versuchs und Irr-
tums (,,Trial and Error"). Sie beruht auf dem gedanklichen ,,Herumprobieren", dem
eine theoretische und/oder praktische Überprüfung des Gedankenspiels folgt (vgl. Ab-
bildung 2).
Hauptmangel dieses Vorgehens ist das Entstehen sehr vieler Spontanideen, welche
überwiegend in der Richtung des Trägheitsvektors liegen. Dieser Trägheitsvektor (TV)
beschreibt die Richtung des geringsten Denkwiderstands. Obige Abbildung jedoch
zeigt, dass eine Lösung dort meist nicht anzutreffen ist.
18
Damit ist die Methode des Versuchs und Irrtums ineffektiv und hängt entscheidend vom
Glück und von den persönlichen Eigenschaften des Erfinders ab. Als wohl größter Ver-
treter und Anhänger dieser Methode ist Thomas A. Edison
19
zu nennen.
Noch heutzutage ist dieses Prinzip weit verbreitet und findet großen Anklang in der
Wissenschaft. Oftmals steigt hierbei mit der Aufgabenkomplexität auch die Anzahl der
17
Vgl. Zobel (2006a), S. 1-8.
18
Vgl. Zobel (2007), S. 25.
19
Thomas Alva Edison (* 11.02.1847; 18.10.1931).
6

durchgeführten Lösungsversuche sowie die Anzahl der Menschen, die zur Problem-
lösung eingesetzt werden.
20
Als Abkehr von dieser Theorie, wurde von Genrich Saulowitsch Altschuller die Metho-
de des TRIZ (deutsch: Theorie des erfinderischen Problemlösens) entwickelt.
Die Hauptgedanken und das Methodengebäude der TRIZ werden in Kapitel 3 vorge-
stellt, bevor dort die in der TRIZ enthaltenen 40 innovativen Prinzipien eine entschei-
dende Position einnehmen werden.
1.3 Ziel der Arbeit
Der Schutz neuer technischer Ideen und Lösungen durch Patente ist für Unternehmen
jeder Größe von enormer, wirtschaftlicher Bedeutung. Gelingt es einem Unternehmen
seine Mitarbeiter zu Kreativität anzuspornen und ein modernes, strategisches Patent-
management zu implementieren, kann es stärkende gewerbliche Schutzrechte erlan-
gen.
21
Welche aktuellen Bezüge die Thematiken des strategisches Patentmanagements und des
Patentstreits haben, lässt sich, neben dem einführenden Beispiel im Rahmen der Ein-
leitung, auch am andauernden ,,Patentkrieg" in der Mobilfunkbranche, zwischen
Google, Motorola, Appel, Samsung und Co. veranschaulichen: Google kaufte im
August 2011 die Mobilfunksparte von Motorola für 12,5 Milliarden Dollar und erwarb
damit rund 17.000 Patente. Dies hatte direkte Auswirkungen auf die Verbraucher in
Deutschland, da Google Anfang Februar 2012 eine Verfügung gegen Apple durch-
setzte, die auf einem Patent aus den neunziger Jahren basierte und sich auf den Empfang
von Kurznachrichten bzw. den Mailversand anwenden ließ. Dies führte dazu, dass
Apple-Kunden zeitweilig einige Sonderformen dieser Dienste innerhalb Deutschlands
nicht mehr nutzen konnten. Diese Einschränkungen bestanden zwar lediglich für einen
Tag,
22
sind aber anschauliche Beispiele für mögliche Auswirkungen von Patentstreitig-
keiten.
20
Vgl. Altschuller (1998), S. 23 f.
21
Vgl. Weber/Hedemann/Cohausz (2007), S. 1.
22
Vgl. Fuest (2012), o.S.
7

Ziel der Arbeit soll es sein, die 40 innovativen Prinzipien der TRIZ für das strategische
Management von Patenten in Unternehmen und Unternehmensnetzwerken einsetzbar zu
machen, um einen Beitrag zur Verbesserung des Patentmanagements zu liefern. Indem
Gemeinsamkeitsherde (sogenannte ,,Cluster") aus den Prinzipien generiert werden, soll
ein vereinfachter Umgang in der Vorausschau von Patentierungsstrategien erfolgen.
Hierbei wird innerhalb der Patentstrategien eine Aufgliederung in Anmelde-, Nutzungs-
strategien, sowie Verwertungs- bzw. Kommerzialisierungsstrategien angestrebt, ein
besonderer Fokus liegt auf der Unterscheidung zwischen offensiven und defensiven
Patentierungsstrategien.
Auch eine Strategiewahl bzgl. nationaler und internationaler Ausrichtung wird in die
Betrachtung mit einbezogen, so dass eine Transformation der innovativen Prinzipien auf
die Patentierungsstrategien auf einer möglichst breiten Grundlage des innerbetrieblichen
strategischen Patentmanagements geschehen kann.
Dass die Übertragung der 40 innovativen Prinzipien auf andere Themengebiete bereits
Erfolg hatte zeigen zahlreiche Beiträge im ,,TRIZ-journal".
23
U.a. wurden die Prinzipien
erfolgreich auf die Themengebiete Mikroelektronik
24
, Qualitätsmanagement
25
, che-
mische Darstellungen
26
, Finanzen
27
und Marketing, sowie Vertrieb und Werbung
28
an-
gewandt.
Des Weiteren soll ein Denkanstoß für die Verbesserung des innerbetrieblichen Patent-
managements geliefert und anhand einer ausführlichen Analyse von Patentstrategien
Handlungsempfehlungen im Umgang mit Patentstreitigkeiten entwickelt werden.
Bestenfalls könnten die Ergebnisse der Arbeit praktische Anwendung in der lebhaften
Materie des Patentmanagements finden und als Ermutigung zur Verwendung abstrakter
Denkmuster verstanden werden.
23
www.triz-journal.com.
24
Retseptor (2002), o.S.
25
Retseptor (2003), o.S.
26
Grierson et al. (2003), o.S.
27
Dourson (2004), o.S.
28
Retseptor (2005), o.S.
8

1.4 Aufbau der Arbeit
Zunächst wird innerhalb des folgenden Abschnitts eine Einführung in das strategische
Patentmanagements dargestellt, innerhalb der auch die treibenden Innovationsauslöser
vorgestellt werden. Daraufhin wird der Innovationsprozess skizziert und es erfolgt eine
Begriffsabgrenzung bzgl. der Termini Invention, Innovation und Patent. Auf Basis
dieser einleitenden Betrachtung erfolgt anschließend eine Definition der wichtigsten
und für die Arbeit bedeutsamen gewerblichen Schutzrechte. Zudem, wird die ökono-
mische Bedeutung von Patenten innerhalb dieses Abschnitts in den Vordergrund
gerückt, bevor eine Analyse von Patenten in Bezug auf die Eignung als Indikator für
erfinderische Tätigkeiten folgt. Als schließend Betrachtung innerhalb diese Abschnitts
erfolgt eine Einordnung des strategischen Patentmanagements in die unternehmerischen
Funktionen.
Als Vorarbeit für den analytischen Teil der Arbeit werden verschiedene Arten von Pa-
tentierungsstrategien vorgestellt. Zunächst erfolgt eine Betrachtung von Patentanmelde-
strategien, danach werden Patentnutzungsstrategien, mit den Schwerpunkten des Tech-
nologie- und Patentportfolios, sowie des Patentportfoliomanagements vorgestellt, bevor
eine Analyse von Patentverwertungs- und Patentkommerzialisierungsstrategien erfolgt.
Innerhalb letztgenannter Strategiebetrachtung erfolgt die wichtige Unterscheidung
zwischen offensiven, defensiven, sowie nationalen und internationalen Strategien zur
Patentverwertung.
Nach dieser ausführlichen Analyse der unterschiedlichen Ausprägungen der Paten-
tierungsstrategien erfolgt die notwendige Einführung in die 40 innovativen Prinzipien
G. Altschullers. Zunächst werden innerhalb dieses Kapitels, die der Methode zugrunde-
liegenden Widersprüche definiert, bevor dann eine Vertiefung in die Überlegung zur
Abstraktion und Transformation folgt. Nach diesen Abgrenzungen werden die Ver-
fahrensprinzipien vorgestellt und einige, die Prinzipien erweiternde Anmerkungen er-
gänzt. Abschließend wird eine Kritik an den Verfahrensprinzipien geübt.
Auf Basis dieser umfassenden Betrachtung erfolgt eine Einteilung der Prinzipien in
Gemeinsamkeitsherde, sogenannte ,,Cluster". In diesen werden allgemein gültige
Muster erarbeitet, die direkt an die Analyse des jeweiligen Clusters anknüpfend auf die
Thematik der Patentstrategien übertragen werden. In diesem Abschnitt wird versucht
neue Handlungsempfehlungen für das innerbetriebliche strategische Patentmanagement
zu erarbeiten.
9

Als schließende Betrachtung erfolgt in einer Schlussfolgerung, eine retrograde Be-
trachtung der Arbeit. Dort werden offene Fragen behandelt und mögliche kritische
Stellungnahmen formuliert.
2 Strategisches Patentmanagement
Im folgenden Abschnitt wird nun Bezug auf den Innovationsprozess genommen und
somit die Grundlage für die Einführung in das Patentmanagement gelegt.
2.1 Der Innovationsprozess
Für den weiteren Verlauf der Arbeit erscheint es sinnvoll, einen kurzen Überblick über
den Innovationsprozess zu geben und wichtige Begriffe von einander abzutrennen bzw.
diese in eine Relation zueinander zu setzen. Außerdem werden im Folgenden ausge-
wählte Treiber für Innovativität dargestellt und damit die Grundlage zu einem Not-
wendigkeitsverständnis des Patentmanagements im Unternehmen gelegt.
2.1.1 Die Innovationsauslöser
Wodurch werden Innovationen eigentlich ausgelöst?
Zum einen existieren externe Auslöser bei denen, durch die Wahrnehmung eines
Problems auf der Marktseite die Suche nach der schnellstmöglichen, ökonomisch sinn-
vollen und den Kundenwünschen entsprechenden Problemlösung angestoßen wird.
Externe Auslöser sind also in der Unternehmensumwelt zu finden, wobei u.a. folgende
Faktoren das externe Entstehen von Innovationen fördern:
10

· erhöhte Änderungshäufigkeit und -geschwindigkeit der relevanten Umwelt-
faktoren (gesetzliche Anforderungen, Qualitätsansprüche der Kunden, Einführ-
ung substitutiver Produkte durch die Wettbewerber usw.).
· eine generell steigende Wettbewerbsintensität durch das Vordringen neuer und
aggressiver Konkurrenten auf dem relevanten Markt.
· bestimmte Nachfragetrends (Trendprodukte, Veränderungen in den Lebens- und
Konsumgewohnheiten der Käufer).
· epochale Erfindungen, die eine starke Innovationstätigkeit nach sich ziehen.
Zum anderen existieren auch Einflussgrößen, die sich direkt aus der Unternehmens-
tätigkeit ergeben und spezifische Innovationsvorhaben anstoßen. Zu diesen endogenen
innovationsfördernden Faktoren gehören:
· das Innovationspotenzial einer neuartigen Idee.
· ein erkanntes Problem, dass aus Unternehmenssicht einer Lösung zugeführt
werden muss.
· die voraussichtlichen Erfolgschancen einer bereits bestehenden Problemlösung
im Markt und die damit verbundenen Gewinnaussichten.
· eine auf die Hervorbringung von Innovationen ausgerichtete Unternehmens-
philosophie und -kultur.
29
2.1.2 Phasen des Innovationsprozesses
Für einen nachhaltigen Innovationserfolg lassen sich zwei Hauptphasen des Innova-
tionsprozesses unterscheiden: Die Phase der kreativen Invention, in der Problem-
lösungspotenziale generiert werden und die Phase der Innovation i.e.S. innerhalb derer,
die in der Inventionsphase entwickelten Lösungen produktionsreif entwickelt, herge-
stellt und vermarktet werden. Die in der Inventionsphase geforderte, kreative und inno-
vative Leistung der Mitarbeiter ist mit einem erhöhten Freiraumbedürfnis verbunden.
Damit haben Unternehmensphilosophie und -kultur (Organisationsstrukturen) eine di-
rekte Auswirkung auf den Innovationsprozess. Innovationsbewusste Unternehmen re-
29
Vgl. Vahs/Burmester (2005), S. 136 f.
11

duzieren daher ihren Organisationsgrad in der Inventionsphase und versuchen, mit mög-
lichst wenigen organisatorischen Verpflichtungen, wie z.B. dem Einhalten von Dienst-
wegen, auszukommen.
30
Die Hauptphasen des Innovationsprozesses lassen sich wie
folgt skizzieren (vgl. Abbildung 3):
Abbildung 3: Phasen des Innovationsprozesses
Quelle: erstellt in Anlehnung an Matzler et al. (2005), S. 47 (nach Specht & Beckmann, 1996, S. 15).
Die Invention ist eine notwendige Vorstufe der Innovation. Sie beschränkt sich auf den
Prozess der Wissensgenerierung durch die F&E und auf die erstmalige technische Rea-
lisierung einer neuen Problemlösung. Damit kann die Invention sowohl geplant als auch
ungeplant, also zufällig erfolgen.
Die Innovation hingegen ist die erstmalige wirtschaftliche Anwendung einer neuen
Problemlösung. D.h. es geht hierbei um die ökonomische Optimierung der Wissensver-
wertung. Wobei Innovation i.e.S. die Markteinführung und die Innovation i.w.S. die
Marktbewährung bzw. -diffusion einer Invention, in Form eines neuen Produktes oder
Verfahrens zum Ziel hat.
31
Nachdem nun einige Begriffe abgegrenzt wurden, erscheint es sinnvoll, diese in
Beziehung zu setzen, um dann zum großen Komplex der Patente überzuleiten:
30
Vgl. Matzler et al. (2005), S. 47 f.
31
Vgl. Vahs/Burmester (2005), S. 44.
12

Das Humankapital, dessen Wert durch Erfahrung und Fähigkeit der Mitarbeiter be-
stimmt wird, generiert sich aus immateriellen, wissensbasierten Vermögensgegen-
ständen (Technologie, Erfindungen, Prozesse), die wiederum immaterielle Vermögens-
werte in Form von gewerblichen Schutzrechten schaffen.
Durch das Wissen der Mitarbeiter werden Erfindungen generiert (Inventionen), die u.U.
in marktfähige Produkte umgesetzt werden können (Innovationen). Unternehmen haben
dann die Möglichkeit sich ihre Inventionen, bei Erfüllung notwendiger Bedingungen,
durch ein gewerbliches Schutzrecht (bspw. ein Patent) sichern zu lassen, was die
Erfolgswahrscheinlichkeit der Innovation erhöhen kann. Die Begriffe Inventionen, Pa-
tente und Innovationen stehen also nicht überschneidungsfrei nebeneinander, sind aber
auch nicht kongruent. Es ist vielmehr so, dass Innovationen und Patente, Teilmengen
der Invention sind (vgl. Abbildung 4).
32
Abbildung 4: Abgrenzung Inventionen, Patente und Innovationen
Quelle: erstellt in Anlehnung an Bittelmeyer (2007), S. 21 (nach Ernst (1999)).
2.2 Gewerbliche Schutzrechte und Funktionalität von
Patenten
Aufbauend auf das Kapitel 2.1 erscheint es zweckmäßig einige Definitionen und Be-
griffsabgrenzungen bzgl. der gewerblichen Schutzrechte zu tätigen. Darauffolgend wird,
in diesem Abschnitt, die ökonomische Bedeutung von Patenten herausgearbeitet, so
dass ersichtlich wird, warum es zum einen notwendig, zum anderen aber auch sinnvoll
32
Vgl. Bittelmeyer (2007), S. 9 f.
13

erscheint, Innovationen schützen zu lassen und welche Mittel dafür gesetzlich zur Ver-
fügung stehen.
2.2.1 Definition gewerblicher Schutzrechte
Wirtschaftlich erfolgreiche Ideen und Erfindungen werden oftmals Nachahmer finden.
Ein effektives Vorgehen gegen diese Plagiate und Imitationen liefern gewerbliche
Schutzrechte. Wichtige Schutzrechte sind hierbei Patente und Gebrauchsmuster zum
Schutz technischer Entwicklungen, die Marke zum Schutz des ,,guten Namens" und das
Geschmacksmuster zum Schutz des Designs.
Diese gewerblichen Schutzrechte verleihen dem Besitzer Unterlassungsansprüche gegen
Imitatoren und eröffnen ggf. die Möglichkeit auf Schadensersatzansprüche bei Ver-
letzung dieser Schutzrechte. Des Weiteren sind sie dem geistigen Eigentum zuzuordnen.
Das Recht des geistigen Eigentums umfasst Regelungen, die dem Schutz des geistigen
Schaffens dienen. Ideen, Erfindungen, Entdeckungen und somit auch das geistige
Eigentum gehören rechtlich gesehen zum sogenannten Immaterialgüterrecht.
Tabelle 1: Übersicht über den gewerblichen Rechtsschutz
Quelle: erstellt in Anlehnung an DPMA (2010a), S. 5.
Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über einige relevante gewerbliche Schutzrechte, die
allerdings keinesfalls eine vollständige Aufstellung aller Schutzrechtsarten darstellt.
14

Dem Schutz der Ergebnisse des geistigen Schaffens auf gewerblichem Gebiet, dienen
auch die Topographieschutzrechte, welche dreidimensionale Strukturen mikroelek-
tronischer Halbleitererzeugnisse schützen
33
, sowie Sortenschutzrechte, für Pflanzen-
sorten und Urheberrechte, auf kulturellem Gebiet, für Werke der Literatur, Kunst,
Wissenschaft und Software.
34
2.2.1.1 Patente
Ein Patent ist ein hoheitlich erteiltes, gewerbliches, zeitlich und räumlich beschränktes
Schutzrecht für eine Erfindung. Es verleiht dem Besitzer für einen Zeitraum von
maximal 20 Jahren exklusive Nutzungsrechte an einer technischen Erfindung, was die
Berechtigung einschließt, anderen die Benutzung der Erfindung zu untersagen.
35
Patente
stellen also Verbietungs- bzw. Ausschließlichkeitsrechte dar mit denen man seinen
Konkurrenten an der Imitation patentgeschützter Technologien hindern kann.
36
Der Schutzbereich von Patenten erstreckt sich auf Erfindungen auf allen Gebieten der
Technik, also auf Erzeugnissen und/oder Verfahren, sofern diese neu sind, auf einer er-
finderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.
37
Insbesondere nicht
schutzfähig sind Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathematische
Methoden, ästhetische Formschöpfungen, Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche
Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Daten-
verarbeitungsanlagen und die Wiedergabe von Informationen.
38
Damit sind drei Kri-
terien identifiziert, denen ein Patent genügen muss, nämlich der Neuheit, der er-
finderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit. Die Kriterien der Neuheit
und der erfinderischen Tätigkeit sind ,,absolut" und gelten weltweit, so dass sie unab-
hängig vom Ursprung des zum Prioritätstags vorliegenden Wissens sind.
39
33
Vgl. DPMA (2010a), S. 4 f.
34
Vgl. Gassmann/Bader (2007), S. 9.
35
Vgl. Koppel (2011), S. 4.
36
Vgl. Burr et. al. (2007), S. 3 und § 9 Patentgesetz (PatG).
37
Vgl. § 1 Abs. 1 Patentgesetz (PatG) und § 52 Abs. 1 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ).
38
Vgl. § 1 Abs. 3 Patentgesetz (PatG) und § 52 Abs. 2 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ).
39
Vgl. Gassmann/Bader (2007), S. 10.
15

· Neuheit: Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik
gehört. Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem, für den
Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche
Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zu-
gänglich gemacht worden ist.
40
· Erfinderische Tätigkeit: Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätig-
keit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus
dem Stand der Technik ergibt.
41
· Gewerbliche Anwendbarkeit: Eine Erfindung gilt als gewerblich anwendbar,
wenn ihr Gegenstand auf einem gewerblichen Gebiet einschließlich der Land-
wirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann.
42
Die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bzw. der sog. Erfindungshöhe unterliegt
nationalem Recht. Der beurteilende Fachmann sollte kein ,,Super-Experte" und auch
kein Laie, sondern ein durchschnittlicher Industriefachmann sein.
Der Prioritätstag, der ausschlaggebend für den Stand der Technik ist, ist i.d.R. der Tag
der ersten Einreichung der Anmeldung der Erfindung bei einem Patentamt. Die USA
allerdings stellen dabei eine Ausnahme dar, da dort nicht das Erstanmeldeprinzip
(,,first-to-file"), sondern das Prinzip des Erfindungszeitpunktes (,,first-to-invent") gilt.
43
Insgesamt ist eine Vielzahl von Länder- und Branchenspezifika beim Patentanmelde-
verfahren zu verzeichnen.
Das weltweite Patentsystem weist momentan eine große Dynamik auf. Unternehmen
steigern durch zunehmende F&E-Aktivität ihre Patentierungsaktivitäten und lassen ihre
Erfindungen zunehmend international schützen.
44
Gerade weil die Thematik des Patent-
wesens eine sehr komplexe und umfangreiche sowie übergeordnete Rolle einnimmt,
wird in dieser Arbeit eine Behandlung der übrigen gewerblichen Schutzrechte möglichst
kurz und unter dem Anspruch einer Abgrenzung zum Patent geschehen.
40
Vgl. § 3 Abs. 1 Patentgesetz (PatG) und § 54 Abs. 1 und 2 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ).
41
Vgl. § 4 Patentgesetz (PatG) und § 56 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ).
42
Vgl. § 5 Patentgesetz (PatG) und § 57 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ).
43
Vgl. Gassmann/Bader (2007), S. 12.
44
Vgl. Koppel (2011), S. 4.
16

2.2.1.2 Gebrauchsmuster
Wie beim Patent können auch beim Gebrauchsmuster alle technischen Erfindungen
geschützt werden. Die Prüfung und Erteilung eines Gebrauchsmusters dauert, im
Gegensatz zum Patent
45
nur wenige Monate, falls die eingereichten Unterlagen den
Vorschriften entsprechen. Der Besitzer hat die gleichen Rechte wie bei einem Patent,
weshalb das Gebrauchsmuster auch als ,,kleiner Bruder" des Patents bezeichnet wird.
Allerdings ist das Gebrauchsmuster ein ungeprüftes Schutzrecht, d.h. es werden Neu-
heit, erfinderischer Schritt (nicht gleichzusetzen mit der erfinderischen Tätigkeit) und
gewerbliche Anwendbarkeit bei der Eintragung nicht geprüft. Des Weiteren kann ein
Gebrauchsmuster maximal 10 Jahre aufrechterhalten werden.
46
Ein weiterer großer
Unterschied besteht darin, dass durch Gebrauchsmuster keine Verfahrenserfindungen
geschützt sind.
47
2.2.1.3 Marken
,,Als Marken können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen,
Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen ein-
schließlich der Form einer Ware, sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben
und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienst-
leistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer zu unterscheiden."
48
Der
Markenschutz entsteht i.d.R. durch Eintragung eines Zeichens in das geführte Register.
Es befähigt den Besitzer dazu, Dritten die Benutzung einer identischen oder ver-
wechselbar ähnlichen Kennzeichnung zu untersagen. Auf Wunsch können eingetragene
Marken mit dem Registrierhinweis
® gekennzeichnet werden.
49
45
Die Prüfung und Erteilung eines Patents dauert in der Regel einige Jahre.
46
Vgl. DPMA (2010b), S. 4 f.
47
Vgl. § 2 Nr. 3 Gebrauchsmustergesetz (GebrMG).
48
§ 3 Abs. 1 Markengesetz (MarkenG).
49
Vgl. DPMA (2011), S. 9.
17

2.2.1.4 Geschmacksmuster
Das Geschmacksmuster ist das passende gewerbliche Schutzrecht für ein Design. Es
kann hierbei eine zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsform eines Teils oder eines
ganzen Erzeugnisses geschützt werden. Also die Gestaltung einer Fläche oder die Ge-
staltung eines dreidimensionalen Gegenstandes. Eine Prüfung der Neuheit und Eigenart
erfolgt nicht, weswegen das Geschmacksmuster analog zum Gebrauchsmuster als ein
ungeprüftes Schutzrecht gilt.
50
2.2.2 Ökonomische Funktion von Patenten im Unternehmen
Die Vergabe von Patenten bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Schutz des geistigen
Eigentums und wettbewerbspolitischen Erwägungen. Durch künstliche Ausschaltung
möglicher Konkurrenz erhält der Besitzer eines Eigentumsrechts einen temporären
Monopolstatus, der es ihm ermöglicht seine patentrechtlich geschützten Produkte und
Dienstleistungen im Vergleich zu einer Wettbewerbssituation zu überhöhten Preisen zu
verkaufen und in der Folge Pionier- und Monopolrenten abzuschöpfen.
51
Die Möglich-
keit auf Schutz und Exklusivität eines Patents ist ein politisches Instrument. Es zielt
darauf ab, Innovatoren zu ermutigen in F&E zu investieren und Inventionen praktisch
anwendbar zu machen.
52
Allerdings kann der Patentschutz auch Innovativität behindern,
in dem der Zugang zu wichtigem Wissen erschwert wird. Dies ist insbesondere bei
emergierenden Technologien der Fall, wenn bspw. die Nutzungslizenz für ein Basis-
patent zu angemessenen Konditionen verweigert wird. Von diesen Lizenzen kann aber
die Weiterentwicklung einer Technologie abhängig sein.
53
Patente sind daher für Unternehmen in bestimmten Branchen von herausragend ökono-
mischer Bedeutung und tragen wesentlich zur Steigerung des Unternehmenswertes
bei.
54
Dabei ist vorrangig die Qualität der Patente und Patentportfolien entscheidend
50
Vgl. DPMA (2010c), S. 4 ff.
51
Vgl. Koppel (2011), S. 5.
52
Vgl. OECD (2009), S. 21.
53
Vgl. Gassmann/Bader (2007), S. 22.
54
Vgl. Burr et al. (2007), S. 6.
18

(vgl. Kapitel 2.4.3.2).
55
Zu den wichtigsten ökonomischen Funktionen von Patenten
zählen:
· Anreizfunktion: Anreize zur Investition in F&E- und Innovationstätigkeiten.
· Ausschluss- und Schutzfunktion: Hinderung von Konkurrenten am Markteintritt.
· Informationsfunktion: Die Erfindung wird nach 18 Monaten in Patentdaten-
banken veröffentlicht, so dass die Gesellschaft als Ganzes profitieren kann.
· Signalfunktion (Signalling): Funktion als Qualitätsgütesiegel gegenüber Dritten.
· Reputationsfunktion: Öffentlichkeitswirksame Werbemittel und Unternehmens-
imagebildung.
· Unternehmensinterne Anreiz- und Kontrollfunktion: Leistungsmessung des
F&E-Bereichs und Anreiz zur Leistungssteigerung.
· Tauschmittelfunktion: Funktion von rechtlich geschützten Tauschmitteln für
eine Kreuzlizenzierung (,,Cross Licensing") (vgl. Kapitel 2.4.4.1) oder für die
Einbringung in einen Patentpool (vgl. Kapitel 4.1.2.1).
· Stabilisierung und rechtliche Absicherung von Lizenzverhältnissen, Ko-
operationen und Unternehmensnetzwerken: Schaffung einer gesicherten Grund-
lage für Lizenzbeziehungen und -zahlungen. Mit Patentrechten kann der Lizenz-
geber eine Kontrolle über die Verwendung des Know-hows ausüben.
· Finanzierungsfunktion: Einnahmengenerierung, durch Lizenzvergabe an Dritte.
· Überraschungs-, Erpressungs- und Nötigungsfunktion: Erfinder können von
Unternehmen Lizenzgebühren fordern, obwohl diese glaubten in einem patent-
freien Technologiefeld zu operieren (,,U-Boot-Patente" (vgl. Kapitel 2.4.4.1)).
· Vorleistungs- und Testfunktion: Patente können eine Vorbedingung zum Markt-
eintritt sein, da manche Länder eine Lizenzierung von Technologien an einhei-
mische Unternehmen fordern. Es kann aber auch als Test verstanden werden,
wie erfolgreich in einem neuen Markt operiert werden kann.
56
Als besonders interessante Formen der Patentverwertung haben sich Patentver-
wertungsfonds und Patentauktionen herauskristallisiert. Unter dem Begriff Patentver-
55
Vgl. Gassmann/Bader (2007), S. 24.
56
Vgl. Burr et al. (2007), S. 36 ff.
19

wertungsfonds werden meist von Banken aufgelegte, geschlossene Fonds
57
verstanden,
die sich Rechte an Patenten sichern und diese anschließend bspw. über Lizenzierung
oder Verkauf verwerten. Patentverwertungsfonds haben das Ziel für den Investor sowie
für den Patentinhaber die größtmögliche Rendite aus den Schutzrechten zu generieren.
Insbesondere für KMU, die meist nur über kleine Patentportfolien verfügen und den
Aufbau einer spezialisierten Patentverwertungsabteilung als nicht erstrebenswert ein-
schätzen, sind diese Patentverwertungsfonds sinnvoll, da Veredelungs- und Verwer-
tungsstrategie entwickelt und die gesamten Kosten dafür, vom Fond selber getragen
werden. Es besteht hier also für den Patentinhaber kein wirtschaftliches Risiko.
Patentauktionen, bei denen gewerbliche Schutzrechte versteigert werden bilden eben-
falls einen wichtigen Baustein in der Patentverwertungsinfrastruktur. Durch standar-
disierte Vertragskonstruktionen und transparenten, elektronischen Handel können
Transaktionskosten bei Patentverkäufen oder -lizenzierungen deutlich gesenkt werden.
Dies kann zur positiven Stimulierung des Marktes für gewerbliche Schutzrechte bei-
tragen.
58
2.2.3 Patente als Indikator für erfinderische Tätigkeit
Da in den letzten Kapiteln Patente zur Messung von F&E-Output und als Indikatoren
für Innovations- und Leistungsfähigkeit der F&E im Unternehmen benutzt wurden,
folgt an dieser Stelle nun eine kurze Behandlung dieser Thematik.
Unter den heranziehbaren Indikatoren für Technologie-Output sind Patente die wohl
gebräuchlichsten. Patente erlauben unter der Annahme der Reflektion schöpferischer
Tätigkeit eine Innovationsfähigkeitsmessung von Ländern, Regionen und Unternehmen.
Patente können einen guten Hinweis auf die technologische Leistungsfähigkeit liefern.
Gleichzeitig besteht auf Länderebene eine hohe Korrelation zwischen Patentanzahl und
F&E-Leistungsfähigkeit. Dennoch spiegeln Patente nicht alle Forschungs- und Innova-
tionsbemühungen wieder, da eine Invention nicht zwangsläufig industrielle Einsetzbar-
57
Geschlossene Fonds erlauben dem Investor meist nur während eines bestimmten Zeitraums in den
Fond zu investieren (Platzierungs- bzw. Emissionszeitraum). Bei offenen Fonds kann der Anleger
meist jederzeit ein- oder aussteigen.
58
Vgl. Lipfert/Ostler (2007), S. 85 ff.
20

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955495428
ISBN (Paperback)
9783955490423
Dateigröße
4.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Kassel
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Patent Patentstrategie Schutzrecht Patentportfolio Rechtsschutz
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Titel: Patentierungsstrategien und die TRIZ Innovationsprinzipien: Analyse, Systematik und Handlungsmuster
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