Segeln in der Schule! Planung, Durchführung und Evaluation einer außerunterrichtlichen Segel-AG
Zusammenfassung
Durch den aktuellen gesellschaftlichen Wandel kommt es zu verstärkter Ausgrenzung und Isolation, besonders von sozial Schwächeren. Des Weiteren lösen sich traditionelle soziale Strukturen auf, was zu einem Mangel an sozialen Interaktionen, Resignation und Vereinsamung führt. Der aktuelle Prozess der Individualisierung verstärkt zudem die negativen Auswirkungen auf das soziale Miteinander. Soziale Kompetenz gehört heutzutage zu den wichtigsten Kompetenzen im Berufsleben und bildet eine der bedeutenden Grundlagen der Persönlichkeitsentwicklung und damit für das Teilhaben an der Gesellschaft. Nach Klippert vermissen Betribe die Vermittlung einzelner Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit, Problemlösungsfähigkeit und soziale Kompetenz, u.a. Teamkompetenz. Daher wird es mehr denn je erforderlich, dass soziale Kompetenz durch die Institution Schule mit ihrem Doppelauftrag Bildung und Erziehung wieder erlernt werden muss.
‚Das Schiff hinterlässt keine Spuren in der See, aber unendlich vielen in deinem Herzen.‘ (Joseph Conrad, o.J.) Mit der erfolgreichen Installation und Durchführung einer Segel-AG an der Schule kann außerunterrichtlich auf die soziale Kompetenz der Schüler positiv Einfluss genommen werden. Segelsport ist ein Natursport, der erlebnispädagogisch vermittelt werden kann.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
I Einführung
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Segelsport als außerunterrichtliches Engagement
II Erlebnispädagogik
2. Erlebnispädagogik im Segelsport
2.1 Wirksamkeit und Einsatz in der Schule
2.2 Definition Segeln und Erlebnis Schiff
III Planung
3. Schulrechtliche Legitimationen
3.1 Lehrerfunktionen
3.1.1 Unterrichten
3.1.2 Erziehen
3.1.3 Organisieren und Verwalten
3.1.4 Evaluieren, Kooperieren, Innovieren
3.1.5 Leistung messen und beurteilen
3.2 Planungsansätze einer Segel-AG
IV Durchführung
4. Segel-AG am SGW
4.1 Realisierungsansätze
4.1.1 Theorieunterricht im Klassenzimmer
4.1.2 Praxisunterricht am Nievenheimer See
4.2 Segelcamp am Steinhuder Meer
4.2.1 Verlaufsplan Segelcamp
4.2.2 Theorieunterricht
4.2.3 Segelpraktischer Unterricht
V Evaluation
5. Empirische Methodik zur Messung der sozialen Kompetenz
6. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
IV Resümee
7. Zusammenfassung
8. Diskussion und Ausblick
Abkürzungsverzeichnis/Segelvokabular
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Zeitstrahl der Segel-AG 2011/12
Abbildung 2: links: Rettungsschleppen, rechts: Einstieg in die Rettungsinsel
Abbildung 3: Verlaufsplan des Segelcamp
Abbildung 4: Plakate: Segelmanöver und alle Kurse zum Wind+Segelstellung
Abbildung 5: Segelmanöver/Kurse zum Wind
Abbildung 6: Wetterlogbuch für das 5-tägige Segelcamp am Steinhuder Meer
Abbildung 7: links: Schulungsrevier am Steinhuder Meer, rechts: Kanutour
Abbildung 8: links: Aufriggen, rechts: Ablegen vom Steg 29
Abbildung 9: Schiften und Halse vor dem Steg 29
Abbildung 10: Kompetenzraster Segeln
Abbildung 11: -On Bord Modell- ab 4 Windstärken
Abbildung 12: Beurteilung der sozialen Kompetenz – Ausgangzustand 08/2011
Abbildung 13: Beurteilung der sozialen Kompetenz – Zustand 05/2012
Abbildung 14: Entwicklung der sozialen Kompetenz 08/2011-05/2012
Anhang 13: Bewertung Arbeits- und Sozialverhalten
Digitales Anhangverzeichnis
(Aus technischen Gründen direkt angehangen, mit Ausnahme der zwei Videos.)
Anhang 1: Ganzheitliches Lehren und Lernen Deutsche Sporthochschule Köln
Anhang 2: Internetauftritt Segel-AG
Anhang 3: Fördermittelantrag vom Landessportbund NRW 2011/12
Anhang 4: Bewerbungsschreiben Yacht Youngster 2011
Anhang 5: Video: Teilnehmerwerbung Segel-AG
Anhang 6: Kooperationsvertrag Yacht-Club Bayer Leverkusen e.V.
Anhang 7: Ausbildungsinhalte SBF-Binnen
Anhang 8: Fragenkatalog SBF-Binnen
Anhang 9: Vermittlungsmodelle Segeln
Anhang 10: Kommandosprache SBF-Binnen
Anhang 11: Übungsformen
Anhang 12: Video: Segelcamp Steinhuder Meer 2011
Anhang 14: Bewertung Arbeits- und Sozialverhalten der AG-Teilnehmer
Anhang 15: Expertenbericht der Schüler
Anhang 16: Fächerübergreifender Einsatz am Beispiel Segelphysik
I Einführung
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit zur Thematik - Planung, Durchführung und Evaluation einer außerunterrichtlichen Segel-AG mit erlebnispädagogischem Schwerpunkt am Städtischen Gymnasium Wermelskirchen - ist dem außerunterrichtlichen Engagement zuzuordnen und nachfolgender gesellschaftlicher Problematik gewidmet.
1.1 Problemstellung
Durch den aktuellen gesellschaftlichen Wandel kommt es zu verstärkter Ausgrenzung und Isolation, besonders von sozial Schwächeren. Des Weiteren lösen sich traditionelle soziale Strukturen auf, was zu einem Mangel an sozialen Interaktionen, Resignation und Vereinsamung führt. Der aktuelle Prozess der Individualisierung verstärkt zudem die negativen Auswirkungen auf das soziale Miteinander (Hradil, 2002, S.35; Beck & Gernsheim, 1994, S.132; Beck, 1986, S.28ff).
Soziale Kompetenz gehört heut zu Tage zu den wichtigsten Kompetenzen im Berufsleben und bildet eine der bedeutenden Grundlagen der Persönlichkeitsentwicklung und damit für das Teilhaben an der Gesellschaft (Merk, 2006, S.55-56). Nach Klippert vermissen Betriebe die Vermittlung einzelner Schlüsselqualifikationen wie Selbständigkeit, Problemlösungsfähigkeit und soziale Kompetenz, u.a. Teamkompetenz (2000, S.9). Daher wird es mehr denn je erforderlich, dass soziale Kompetenz durch die Institution Schule mit ihrem Doppelauftrag Bildung und Erziehung wieder erlernt werden muss (MSW-NRW, 2012a, S.2f).
1.2 Segelsport als außerunterrichtliches Engagement
„Das Schiff hinterlässt keine Spuren in der See, aber unendlich viele in deinem Herzen.“ (Joseph Conrad, o.J.)
Mit der erfolgreichen Installation und Durchführung einer Segel-AG an der Schule kann außerunterrichtlich auf die soziale Kompetenz der Schüler positiv Einfluss genommen werden. Segelsport ist ein Natursport, der erlebnispädagogisch vermittelt werden kann. Die Sportart ist fest im Lehrplan Sport -Gleiten, Fahren, Rollen/(Inhaltsbereich 8)- verankert, jedoch aus technischen/organisatorischen und personellen Gründen nur selten durchführbar (MSW-NRW, 2011d, S.20). Dabei kommt Segeln eine hohe ganzheitliche Bedeutung zu. So werden kognitive, motorische und soziale Fähigkeiten besonders gefordert und gefördert. Mit Freude, Engagement, Mut, Wissen und Teamgeist wird den Schülern in einer Segel-AG vermittelt, Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Diese Erfahrungen, Erkenntnisse und gemeinsamen Erlebnisse in der Gruppe können die Persönlichkeit der Jugendlichen und ihr Verhalten im Alltag nachhaltig positiv prägen. Dieser Ansatz ist Grundlage der vorliegenden Hausarbeit.
Die Arbeit soll zunächst Einblicke in die Planung und Durchführung einer Segel-AG am Städtischen Gymnasium Wermelskirchen geben. Unterstützend wird der Einsatz von kooperativen und selbständigen Lernformen angeführt, die die Wirksamkeit der Erlebnispädagogik fördern. Empirisch soll belegt werden, dass die soziale Kompetenz der Schüler durch die erlebnispädagogische Aktivität Segeln positiv beeinflusst werden kann. Ansätze zur Evaluation und Beobachtung einer solchen Persönlichkeitsentwicklung werden aufgezeigt.
Es sei darauf hingewiesen, dass im weiteren Verlauf der Hausarbeit die Bezeichnung Schüler grundsätzlich auch Schülerinnen impliziert. Aus Gründen der Lesefreundlichkeit wird jedoch auf die ausdrückliche Nennung des weiblichen Geschlechts verzichtet, gleiches gilt für Lehrer und Lehrerinnen. Des Weiteren wird aus denselben Gründen das Städtische Gymnasium Wermelskirchen mit SGW abgekürzt. Anzumerken ist, dass für verwendete Bilder die Genehmigung der Erziehungsberichtigten eingeholt wurde und die Namen der AG-Teilnehmer anonymisiert sind. Die Zitieranleitung folgt dem -American Psychological Association- (APA) Standard, weil dieser dem wissenschaftlichen Anspruch der Arbeit genügt.
II Erlebnispädagogik
2. Erlebnispädagogik im Segelsport
Nach Ziegenspeck stellt die Erlebnispädagogik einen ganzheitlichen Ansatz dar. „Unmittelbar Lernen mit Herz, Hand und Verstand in Ernstsituation und mit kreativen Problemlösungsansätzen und sozialem Aufforderungscharakter.“ (1996, S.22)
Erlebnispädagogik entspringt aus einer abenteuerlichen Situation und einem subjektiven Erlebnis heraus. Das Ergebnis ist dabei weder planbar, noch richtig, noch falsch, noch brauchbar und es benötigt viel Zeit und Raum. Der erlebte Weg steht im Vordergrund.
Daher ist nach Lindner ein erlebnispädagogischer Unterricht nur sehr schwer durchführbar. Um dennoch über den normalen Schulalltag hinaus erlebnispädagogisch Inhalte vermitteln zu können, ist die Installation von AGs, die neue Reize, Erfahrungen und Erlebnisse hervorbringen, sinnvoll und für die Zukunft wünschenswert. Deshalb bietet sich eine Segel-AG als außerunterrichtliche Aktivität und unbekannter Lernort sehr gut an, Erlebnispädagogik gezielt umzusetzen.
Die Erlebnispädagogik verfolgt didaktische Ziele, die untrennbar von dem pädagogischen Anspruch einer Segel-AG sowie dem Bildungs-/Erziehungsauftrag der Institution Schule sind. Auf der einen Seite soll die Persönlichkeit (Kreativität, Durchhaltevermögen, Leistungsbereitschaft, positive Einstellung zu sich selbst, Selbstverantwortung etc.) gestärkt werden und auf der anderen Seite das soziale Lernen (Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Sozialverhalten, Ökologisches Handeln, etc.) gefördert werden (Bauer & Nickolai, 1993, S.32f).
2.1 Wirksamkeit und Einsatz in der Schule
Die Institution Schule wird von Schülern oftmals als Zwang und Langeweile empfunden. Die Gründe sind dabei vielseitig: mangelnde psychosoziale Identität, Verkopfung und Verwissenschaftlichung, mangelnde Sinndeutung, mangelnde ästhetische Erfahrungen, mangelnde Übung des eigenen Könnens sowie fachliche Lernziele vor sozialen Lernzielen (Oelkers & Prior, 1982, S.28; Giesecke, 1996, S.248). Durch den Einsatz von Erlebnispädagogik in außerunterrichtlichen Engagements kann diese Empfindung positiv aufgebrochen und neue Lernimpulse gesetzt werden.
Auf einen historischen Abriss der Erlebnispädagogik, der Bezug auf die reformpädagogischen Ansätze nimmt, wird verzichtet, weil dieser für die Hausarbeit nicht zielführend ist, gleichwohl aber das Fundament der heutigen modernen Erlebnispädagogik darstellt.
Die moderne Erlebnispädagogik besteht aus den nachfolgenden drei Lernmodellen, die jeweils ein subjektives Erlebnis bei den Schülern erzeugen sollen.
Das Erlebnis als solches wird nach Prouty nur dabei wahrgenommen, wenn es die Stress-Zone nach dem Komfort-Zonen-Modell erreicht (et al., 2007, S.38ff). In der Komfort-Zone befindet sich das Individuum im Gleichgewicht, wobei in der Panik-Zone das Individuum so stark gestresst ist, dass es keine Informationen mehr verarbeiten bzw. erlernen kann. Lernen findet demnach in der Stress-Zone statt. Auch in der Erlebnispädagogik initiiert kognitives oder emotionales Ungleichgewicht Lernen (Prouty, et al., 2007, S.38f). So setzt bei Segelübungen zu Wasser und leichten Windstärken bei Anfängern bereits ein erlebnispädagogischer Lernprozess ein, der gleichzeitig durch die neuen Erfahrungen und Erfolge die Persönlichkeit stärkt (bspw. Kurs trotz starkem Wind erfolgreich bewältigt) und die soziale Kompetenz wie Teamfähigkeit schult und weiterentwickelt.
Aus neurowissenschaftlicher Perspektive wird nach Spitzer durch die emotionale Ansprache der Schüler der plastische Botenstoff Dopamin generiert. Dieser ist Bausubstanz jeglicher neuronaler Bahnungsprozesse im Gehirn und somit neuronale Grundlage von Lernprozessen jeglicher Art, s. Anhang 1. Für eine nachhaltige Wirksamkeit des emotional stimulierten Lernprozesses ist eine positiv geprägte Emotionalisierung, die nicht von Angst gesteuert wird, Voraussetzung (2006, S. 45ff). Demnach besteht im Segelunterricht die Herausforderung, den Schülern Kompetenzen zu vermitteln, die ihnen ein gewisses Gefühl der Kontrolle verleihen. Daher verspricht der Segelunterricht als erlebnispädagogisches Instrument außerordentliche Erfolgserlebnisse (Spitzer, 2006, 60ff).
- 1. Das Historische Modell, dessen Leitsatz -the mountains speak for themselves- ist, bezeichnet die Natur als den Lehrmeister. Das Lernen bedarf keiner pädagogischen Initiierung und Reflexion von Seiten des Lehrers (Heckmair & Michl, 2008, S.67ff).
- 2. Das Metaphorische Modell geht davon aus, dass Metaphern dazu genutzt werden, das Erlebte in den Alltag zu transferieren (Heckmair & Michl, 2008, S.67ff).
- 3. Das Klassische Modell basiert auf dem Ansatz, dass der Lehrer die erlebnispädagogischen Maßnahmen vorstrukturiert und die Reflexionsprozesse moderiert. So können die Erlebnisse zu Erfahrungen verdichtet und effizienter in die Lebenswelt der Schüler transferiert werden (Niestrath, 2011, S.11ff). Aufgrund dessen ist die Segel-AG dem -Klassischen Modell- des Lernens in der Erlebnispädagogik zuzuordnen.
In der AG kann vor allem die Segelpraxis zu Wasser zur Verdichtung von Erfahrungen beitragen. Daher ist besonders der Mix aus theoretischen und praktischen Inhalten einer solchen AG pädagogisch wertvoll. Die Durchführung eines Segelcamps als außerunterrichtliches Engagement (vgl. Kapitel 4) bietet zudem verschiedene Vorteile für erlebnispädagogisches Handeln:
- kein enger Zeitrahmen, Lernprozesse müssen nicht unterbrochen werden,
- ein außerschulischer Lernort bietet eine neuartige Situation,
- eröffnet die Chance für intensive soziale Kontakte (Baltz, 1993, S.14ff).
Die Weiterentwicklung der sozialen Kompetenz durch Segeln unter erlebnispädagogischen Aspekten verbessert zudem das Lernen in kooperativen und selbständigen Arbeitslernphasen des Unterrichts (Wentzel, 1991, S.1-24; Green & Green, 2005, S.45; Johnson & Johnson, 1990, S.29-33). So beschreibt Wentzel, dass die soziale Kompetenz (z.B. Kritikfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktlösefähigkeit etc.) den kooperativen Lernerfolg positiv beeinflussen kann (1991, S.1-24). Green & Green postulieren, dass das kooperative Lernen die soziale Kompetenz fördert, aber auch voraussetzt und daher bereits vor den kooperativen Lernphasen entwickelt werden sollte (2005, S.45).
Besonders soziale Interaktionen eröffnen die Möglichkeit, die soziale Kompetenz (Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit) der Schüler zu verbessern. Einerseits wird durch das Erlebnis Schiff (vgl. Kapitel 2) und andererseits durch das gemeinsame Überstehen kritischer Situationen die Interaktionen zwischen den Schülern verstärkt und dadurch die emotionale Verknüpfung entwickelt.
2.2 Definition Segeln und Erlebnis Schiff
Nach dem Seglerlexikon von Schult bezeichnet Segeln das Fahren mit einem Wasserfahrzeug, dessen Fortbewegung mithilfe eines Segels unter Nutzung der Windenergie erfolgt (2008, S.570). Das Erlebnis Segeln ist eine emotional hochgeladene Empfindung, die durch aktives, freiwilliges Handeln initiiert wird. Das Überstehen von kritischen Situationen (z.B. von Stürmen) führt zu tiefgreifenden bedeutsamen Erlebnissen an Bord, die zu einer selbstbewussten Persönlichkeit beitragen können (Ziegenspeck, 1991, S.10f; Aumann, 2010, S.94). Die optische Erscheinung eines Segelschiffes ruft im Betrachter zudem Assoziationen von Seefahrt, fremden und exotischen Ländern, Piraten, Schatzsuchenden, waghalsigen und räuberischen Seemännern und Abenteuern hervor (Loos, 1989, S.22). Alleine die Wesenseigenschaft eines Segelschiffs gewährleistet die Voraussetzung für handlungs- und erlebnisorientierte Ansätze der Pädagogik (Niestrath, 2011, S.26f). Nach Loos lassen sich diese Eindrücke auch auf Jollensegelboote, wie sie in der Segel-AG der SGW genutzt werden, übertragen (1989, S.22). An Bord eines Schiffes, das eine abgeschlossene, räumliche Einheit darstellt, kann das weite Feld des sozialen Handelns erlernt werden. Die Bereitschaft zur Toleranz, zur Kooperation und zur Kommunikation sind die Grundlagen für die Arbeit und das erfolgreiche Steuern auf jedem Segelschiff (Loos, 1989, S.25f). „Nur wenn alle mitmachen, werden Segel gesetzt, wird Kurs gehalten, wird man satt und kommt man an.“ (Ziegenspeck 1983, S.3)
Erlebnispädagogik, in Verbindung mit dem Natursport Segeln, ist daher bei der Planung und Durchführung einer Segel-AG zu berücksichtigen. Die Entwicklung der sozialen Kompetenz sollte bei der Evaluation im Mittelpunkt stehen und die Wirksamkeit im Sozialverhalten intensiv beobachtet werden.
III Planung
Dieser Teil der Arbeit geht im Schwerpunkt auf die Lehrerfunktionen -Organisieren und Verwalten- ein (vgl. Kapitel 3).
3. Schulrechtliche Legitimationen
Die Planung einer AG im Allgemeinen und im speziellen Falle die Implementierung einer Segel-AG bedarf die Berücksichtigung der schulrechtlichen Legitimationen.
Das Schulgesetz des Bundeslandes NRW führt als Grundlage von Unterricht und Erziehung in allen Schulformen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sowie die Landesverfassung NRW (Artikel 7) an (MSW-NRW, 2011a).
Nach dem Schulgesetz NRW (§ 2 Punkt 4) fördert die Schule zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages die Entfaltung der Person, die Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt. Die Schüler werden befähigt, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten (MSW-NRW, 2011a). Die erlebnispädagogische Vermittlung vom Natursport Segeln in einer AG unterstützt diesen Auftrag der Institution Schule in vollem Umfang.
Des Weiteren achtet die Schule das Erziehungsrecht der Eltern. So wirken Schule und Eltern bei der Verwirklichung der Bildungs- und Erziehungsziele partnerschaftlich zusammen (MSW-NRW, 2011a). Für die Realisierung der segelpraktischen Ausbildung der AG ist die Unterstützung durch die Eltern erforderlich, wie beispielsweise Fahrdienste an außerschulische Lernorte (Yachtclubs, Segelcamps usw.). Zudem können sie einen ergänzenden Beitrag dazu leisten, die erworbene Segelfähigkeit in der Freizeit zu vertiefen und die soziale Kompetenz weiter zu stärken. Außerdem können nach den Richtlinien des Bundeslandes NRW -Schulwanderungen- oder -Studienfahrten- durchgeführt werden. Dazu muss der Unterrichtsausfall durch die Schulleitung genehmigt werden. Innerhalb einer Segel-AG die segelpraktische Ausbildung auf einer Studienfahrt als Segelcamp durchzuführen, entspricht den Ansprüchen der Erlebnispädagogik und Richtlinien im gleichem Maße (2001, S.25). Nach Baltz stellen solche Fahrten das - Highlight der gesamten Schulkarriere - dar (1993, S.14). Es sei darauf hingewiesen, dass bei Segelfahrten mit Übernachtungen immer eine Person des anderen Geschlechts vertreten sein muss (MSW-NRW, 1997b).
3.1 Lehrerfunktionen
Für die Installation und Durchführung einer Segel-AG sollten die gleichen Qualitätsansprüche gelten und die gleiche Wirksamkeit wie im Unterricht erreicht werden. So erwerben Referendare im Vorbereitungsdienst die notwendigen berufsbezogenen Fähigkeiten (Kompetenzen) und Standards, um mit professionellem Wissen/Können und Berufsethos auch gezielt außerunterrichtliche Vorhaben erfolgreich umzusetzen. Dabei wird sich an den sieben Lehrerfunktionen (Unterrichten; Erziehen; Diagnostizieren und Fördern; Beraten; Leistung messen und beurteilen; Organisieren und Verwalten; Evaluieren, Innovieren und Kooperieren) orientiert (MSW-NRW, 2004b). Im Folgenden werden die relevanten Lehrerfunktionen, die für die Durchführung einer Segel-AG wesentlich sind, vorgestellt und der Bezug zur AG aufgezeigt.
3.1.1 Unterrichten
Die adressatengerechte Vermittlung grundlegender Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Methoden bildet den zentralen Handlungsbereich der Lehrerfunktion -Unterrichten- (MSW-NRW, 2004a). Im Hinblick auf die Umsetzung einer Segel-AG formt diese Arbeit die Basis aller möglichen Schüleraktivitäten. Erst wenn der Schüler das Grundlagenwissen über Navigation, Seemannschaft, Knotenkunde, Wetter, Verkehrskunde etc. beherrscht, kann sicher in die praktische Wasserausbildung übergegangen werden. Die AG-Inhalte sind sehr eng an den inhaltlichen Rahmenvorgaben des SBF-Binnen gekoppelt und daher nur beschränkt individualisierbar (Bark, 2008, S.318). Anzumerken ist, dass für den Erwerb der theoretischen Kenntnisse unterschiedliche Unterrichtsmethoden eingesetzt werden können, selbständiges Lernen gefördert und neue Medien sach- und adressatengerecht angewandt werden können.
Um die Erlebnispädagogik gezielt in das Unterrichten zu integrieren, bietet es sich an, verstärkt kooperative und selbständige Lernphasen einzusetzen.
3.1.2 Erziehen
Die Lehrerfunktion -Erziehen- manifestiert sich in der Förderung der Entwicklung einer mündigen und sozialverantwortlichen Persönlichkeit der Schüler. Die Mitglieder werden in progressiver Weise in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert und erweitern stetig ihre Handlungskompetenzen (MSW-NRW, 2004a). Da dem Segeln eine hohe ganzheitliche Bedeutung zukommt, kann dieser Funktion in vollem Umfang nachgekommen werden. Kognitive, soziale und motorische Fähigkeiten werden beim Segeln besonders gefordert und gefördert, die mit einem ökologischen Wertebewusstsein einhergehen und die Persönlichkeit weiter prägen (Dreyer, 2010, S.94f).
3.1.3 Organisieren und Verwalten
Durch die Installation einer Segel-AG am SGW ist auch eine Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit durch engagierte Beteiligung und effektive Arbeitsorganisation gewährleistet (MSW-NRW, 2004a). Bevor die Segel-AG installiert werden konnte, mussten zahlreiche Sondierungsgespräche mit der Schulleitung geführt werden, in denen schulorganisatorische, personelle, finanzielle und räumliche Voraussetzungen diskutiert wurden. Zuletzt bedarf es der Genehmigung durch die Lehrerkonferenz (MSW-NRW, 2012). Parallel zu den Sondierungsgesprächen galt es, systematisch die AG-Teilnehmerwerbung zu organisieren. Des Weiteren mussten Theorie- und Praxisphasen mit erlebnispädagogischem Schwerpunkt eingeplant und die Durchführung organisiert werden.
3.1.4 Evaluieren, Kooperieren, Innovieren
Diese Lehrerfunktion umfasst die berufsbezogene Fähigkeit der Überprüfung schulischer Arbeit und der Weiterentwicklung beruflicher Kompetenzen (MSW-NRW, 2004a). So können in der AG kooperative und selbständige Lernphasen in Kleingruppen ausprobiert werden, die anschließend auf Unterrichtsreihen übertragen werden können. Der innovatorische Aspekt kommt allein durch den Neuaufbau der Segel-AG zum Tragen und bietet den Schülern ein ganz neues Lernfeld. Die Möglichkeiten der Evaluation werden im empirischen Teil der Arbeit vorgestellt.
3.1.5 Leistung messen und beurteilen
Diese Lehrerfunktion umfasst die berufsbezogene Fähigkeit, Verfahren der Leistungsmessung sinnvoll anzuwenden, Leistungen sachgerecht zu beurteilen, zurückzumelden und zu dokumentieren (MSW-NRW, 2004a). Die Schüler hatten das Ziel, den SBF-Binnen zu erwerben. Daraus ergab sich die Konsequenz Lernerfolgskontrollen in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Dabei dienten die Prüfungsfragen aus dem SBF-Binnen als Fragenkatalog für die Schüler. Dadurch erhielten sie eine kontinuierliche Rückmeldung über ihren Leistungsfortschritt. Des Weiteren wird durch die Evaluation mithilfe eines Bewertungsbogens die soziale Kompetenz durch den Referendar gemessen und beurteilt.
3.2 Planungsansätze einer Segel-AG
Angelehnt an die Planung von Unterrichtsreihen ist es empfehlenswert, für die erfolgreiche Durchführung der Segel-AG die AG ausführlich vorzubereiten und durchzuorganisieren. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass Segeln ein Natursport ist und aufgrund zahlreicher Unwägbarkeiten alternative Szenarien zur Verfügung stehen müssen. Neben den rechtlichen Inhalten sind des Weiteren nachfolgende Aspekte für die Planung zu berücksichtigen:
- AG-Verantwortliche und Betreuer: Es bietet sich hierbei an, neben erfahrenen Pädagogen, Referendare und engagierte Elternteile aufzunehmen. Entscheidend ist jedoch, dass die AG-Betreuer eine ausreichende Segelerfahrung und -kompetenz vorweisen. Empfehlenswert ist, dass mindestens ein Betreuer den SBF-See und den Rettungsschwimmerschein vorweisen kann. Besonders wichtig ist auch die Fähigkeit, Segelpraxis zu Wasser vermitteln und durchführen zu können. Dazu bietet der Verband deutscher Sportbootschulen die Ausbildung zum Segellehrer an. Zudem bietet der SVNRW für Lehrer und Referendare eine Fortbildung zum -Leiten von Segelfreizeiten- an. Dabei werden folgende wesentliche Ausbildungsinhalte zertifiziert vermittelt:
- Unfallverhütung und Sicherheitsmaßnahmen
- Vermittlung der didaktischen und methodischen Vorgehensweisen
- Vermittlung der segelsportartspezifischen Rettungsfähigkeit mit Motorboot
- Verbesserung der Eigenrealisation (Hasse & Koch, 2011)
[...]
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783955497651
- ISBN (Paperback)
- 9783955492656
- Dateigröße
- 9 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Engelskirchen
- Erscheinungsdatum
- 2013 (Juli)
- Note
- 2
- Schlagworte
- Erlebnispädagogik Soziale Kompetenz Steinhuder Meer Arbeitsgemeinschaft Wassersport
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing