Rahmenbedingungen und Instrumente der Filmfinanzierung in Deutschland und den USA: Eine kritisch-vergleichende Analyse
Zusammenfassung
Im ersten Abschnitt wird auf die Makrostruktur, insbesondere die Marktbeschaffenheiten in den beiden Ländern eingegangen. Anschließend liegt der Fokus auf einer Charakterisierung des Gutes Film an sich. Hierbei wird der Leser mit einer Verständnisgrundlage für die Finanzierung von Filmen ausgestattet, dem Kernthema dieser Studie.
Dieser Abschnitt widmet sich detailliert den Hauptinstrumenten und Finanzkonstruktionen, derer sich Filmproduzenten heutzutage bedienen. Ob Film- und Medienfonds, das sogenannte Slate Financing, die öffentliche Filmförderung oder Kollaborationen im Sinne von Koproduktionen, all diese Aspekte und Modi werden ausführlich und kritisch dargestellt. Da das Gesamtkapital für die Herstellung eines Filmprojekts nahezu immer aus diversen Geldmittelquellen stammt und ein Film nur selten im Rahmen einer Innenfinanzierung vom Hersteller selbst finanziert wird, ist ein differenzierter Überblick über die unterschiedlichen Gesichtspunkte äußerst hilfreich. Hier zeichnen sich auch die gravierendsten Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Filmindustrie ab.
Um das Bild zu vervollständigen, erfährt der Leser im letzten Teil Grundlegendes zu Monetarisierungsaspekten und der Wertschöpfung in der Filmbranche. Dies wird anhand von Industriebeispielen illustriert.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2. Marktbeschaffenheiten
2.1 Heterogene Branchenstruktur in Deutschland
Zuvorderst unterscheidet sich die filmwirtschaftliche Landschaft in Deutschland und den Vereinigten Staaten vornehmlich durch die Anzahl größerer filmproduzierender -und verleihender Unternehmen. Wie unten näher erläutert wird, generieren in den USA ein halbes Dutzend Filmstudios, die sog. Majors[1], das Gros der Umsätze.
In Deutschland sind die zur Constantin Media AG (Umsatz 2010, 470.300.000€) gehörende Constantin Film AG[2], die zur Bertelsmann Gruppe gehörende UFA Film& Fernsehproduktions GmbH mit Ihrer relativ neuen Division UFA Cinema (Umsatz über 300 Mio. Euro[3] ), die Senator Film GmbH und die Bavaria Film GmbH (umsatz 2009/2010 248,7 Mio €)[4] die wenigen studioähnlichen Unternehmen auf dem deutschen Markt. Allerdings ist bei manchen der großen Firmen das TV-, und nicht das Kinofilmgeschäft die größere Einnahmequelle.
Der größte deutsche Independentverleih, die Kinowelt GmbH, deren Haupttätigkeiten im Verleih, aber auch in der Eigenproduktion von Filmen lag, und die über eine erhebliche Rechtebibliothek verfügt, wurde 2008 zu 100% von der zur Vivendi Gruppe gehörenden StudioCanal übernommen[5].
Neben den großen Produzenten und Verleihern, existieren in Deutschland über tausend weitere kleinere Produktionsfirmen.
Viele sind Ende der 1990er Jahre gegründet worden. Der deutsche Filmproduzent Andreas Bareiss über diese Phase: „ Angestachelt durch die Privatsender und die Aktiengesellschaften am ‚neuen Markt‘ ,war die Produktnachfrage so enorm, dass (...) gar nicht alles, was produziert wurde, überhaupt “ verwendet wurde.(...) „ So wurden unglaublich hohe Summen investiert, und es sind viele Produzenten und Produktionsfirmen entstanden.“[6] In den letzten Jahren führten knappere Mittel bei den Fernsehanstalten zu einer teilweisen Konsolidierung der Branche durch Marktaustritte und Zusammenschlüsse von Produktionsunternehmen.
Prof. Thorsten Henning-Thurau sieht in diesem Zustand die Wettbewerbsfähigkeit des Deutschen Films gefährdet und beklagt, dass „ ein zentrales Problem der deutschen Produzenten – und Verleiherlandschaft das seit langem bestehende hohe Maß an Atomisierung ist; es gibt nur wenige ‚studioähnliche‘ Strukturen,(...)die meisten Produzenten machen nur ein bis zwei Filme pro Jahr.“[7]
So können Managementvorteile, beruhend auf dem Prinzip der Arbeitsteilung nicht realisiert werden und „ der einzelne Produzent, der sowohl für Marketing, Finanzierung und Stoffentwicklung zuständig ist, wird es schwer haben, in allen drei Bereichen mit Spezialisten mithalten zu können.“[8]
Während also die kleinsten Unternehmen Schwierigkeiten haben, zu überleben, liegt mehr als die Hälfte des jährlichen Produktionsvolumens bei den Top 15 der deutschen Produktionsfirmen. [9]
Analog zu den größeren deutschen Produktionsunternehmen, besteht auch bei den mittelständischen Produzenten das Kerngeschäft oft aus der Herstellung von TV-Formaten. Die Finanzierung von Kinofilmprojekten geschieht dann häufig über eine Quersubventionierung, bei der Kinoprojekte mittels der Profite aus dem Fernsehgeschäft realisiert werden. Oft wird die Kinofilmproduktion diesem Zusammenhang als ein reines Prestigeprojekt des Filmunternehmens betrachtet.
Warum es erheblich schwerer ist, in Deutschland ein profitables und rentables Kinofilmproduktionsunternehmen zu führen, hat eine Hauptursache.
Ein deutscher Film ist alleine aus Gründen der Sprache nur begrenzt international auswertbar. Nach Hoskins und Mirus müssen nämlich beim Handel mit internationalen Filmen sog. „ cultural discounts“ in Kauf genommen werden. Das bedeutet, dass Rezipienten bei gleicher Filmqualität einheimische gegenüber ausländischen Produkten bevorzugen, „da sie mit den inhärenten Werten“ und den „Verhaltensweisen der Charaktere(...) besser vertraut sind.“[10] Internationale Zuschauer haben demnach nicht nur aus sprachlichen Gründen Schwierigkeiten, sich mit Charakteren deutscher oder beispielsweise dänischer Filme zu identifizieren.
Der deutschsprachige Raum beschränkt sich auf Zentraleuropa, womit die Nachfrage nach deutschen Filmen einer natürlichen Begrenzung unterliegt, denn der Bedarf nach synchronisierten Filmen ist weltweit (im Gegensatz zu Deutschland) gering. Zudem werden Filme mit Untertiteln oft nur in Arthouse Kinos einem Nischenpublikum vorgeführt, und finden selten große Multiplexfilmtheater als Abnehmer. Das geht soweit, dass beispielsweise erfolgreiche europäische Produktionen in einer Hollywoodfassung neu verfilmt werden müssen, um eine Kompatibilität für den amerikanischen Markt zu erhalten.
Eine Konsequenz hieraus ist, dass 2010 von den 193 deutschen Langfilmen nur 61 ohne ausländische finanzielle Beteiligung entstehen konnten.[11] Bei solchen internationalen Koproduktionen werden Filme oft multilingual[12], oder gleich auf Englisch produziert, um die Verwertungsmöglichkeiten zu steigern.
Diese restriktiven Marktbedingungen machen es schwer für kleinere Produktionsfirmen in Deutschland zu großen Unternehmen zu werden. Somit wird die heterogene Branchenstruktur der deutschen Filmwirtschaft wohl weiter fortbestehen. Nur eine Verringerung der Marktteilnehmer durch Insolvenzen und Zusammenschlüsse kleinerer Unternehmen, die von Größenvorteilen profitieren wollen, könnte zu einer Konsolidierung und Homogenisierung der Branche in Deutschland führen.
Die deutsche Filmindustrie könnte jedoch von der Spezialisierung einiger Filmunternehmen auf Teilbereiche des Produktionsablaufs profitieren. Die Nachfrage nach spezifischem Know-How deutscher Postproduktionsunternehmen hat im letzten Jahrzehnt stark zugenommen. So findet immer häufiger ein Outsourcing mancher Herstellungsprozesse , auch seitens amerikanischer Major-Studios, nach Deutschland statt. So wurde zum Beispiel ein Großteil der Visual Effekts für den Film „Hugo Cabret“ vom frankfurter Unternehmen Pixomondo gestaltet, welche dafür auch den Oscar erhielten.[13] Durch Großaufträge wie diese, kann sich eine Stärkung der Branche trotz des begrenzten lingualen Marktes ergeben.
2.2 Oligopolistischer Markt in den USA
In den Vereinigten Staaten ist die Film- und Fernsehbranche[14] im letzten Jahrhundert zu einer global vernetzten Kulturindustrie erwachsen. Die Zahl an Arbeitsplätzen, die zumindest mittelbar an der Filmindustrie hängen, ist beträchtlich. Im Jahre 2009 bezogen 2.2 Millionen Arbeitnehmer Löhne in Höhe von 137 Mrd. US Dollar[15]. Die sogenannte „creative Industry“ ist auch einer der größten Exporteure des Landes.[16]
Während in Deutschland nur wenige große Unternehmen Filme produzieren und gleichzeitig ein größeres Verleihwesen besitzen und das Gros der deutschen Spielfilme nur durch Co-Produktionen zahlreicher kleinerer Produzenten entstehen kann, unterscheidet sich das Bild in den USA. Derzeit bedienen sechs große Filmstudios (sog. Majors) die Nachfrage am nordamerikanischen Produzenten- und Verleihmarkt. Nahezu der gesamte Branchenumsatz entfällt auf sie . Diese Studios, welche ursprünglich nach Ihrer Gründung eigenständige Unternehmen waren, gehören mittlerweile alle, mit Ausnahme von den Walt Disney Pictures, multinationalen bzw. globalen Medienkonglomeraten an:
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Abbildung 1: The MPAA Motion Picture Studios, Major Subsidiary Studios, Distributors and Parent Corporations[17]
1. Warner Brothers Pictures, als Sparte von Warner Bros. Entertainment, wiederum eine Division des Medienunternehmens Time Warner Inc. (Umsatz 2010: 26,888 Mrd. USD). Der Marktanteil an Kinoerlösen der Warner Bros. Pictures von 17,93% entspricht einem Umsatz von 1,876 Mrd. USD und 238 Mio. verkauften Kinokarten.
2. Paramount Pictures, integriert im Medienkonzern Viacom ( Umsatz 2011: 14,9 Mrd. USD), erzielt, bei einem Marktanteil von 16,51%, Umsatzerlöse von 1,73 Mrd. USD.
3. Walt Disney Pictures, dem gleichnamigen Medien Konzern zugehörig (Umsatz 2011: 40,9 Mrd. USD), brachte 17 Filme in die Kinos, die 1,466 Mrd. USD umsetzten und somit einen Marktanteil von 14,01 % erreichen konnten.
4. 20th Century Fox, Filmdivision des australischen Medien Konglomerates News Corporation von Rupert Murdoch (Umsatz 2011: 33,4 Mrd. USD), machte mit 19 Filmen einen Umsatz von 1,38 Mrd. USD und erzielte somit einen Marktanteil von 13,22%.
5. Sony/Columbia Pictures, Teil des japanischen Elektronik Konzerns Sony (Umsatz 2011: 86 Mrd. USD, hatte 2010 bei einem Umsatz von 1,277 Mrd. USD einen entsprechenden Marktanteil von 12,22%.
6. Universal Pictures, Sparte von Comcast/NBC Universal(Umsatz:54,8 Mrd. USD), erzielte einen Marktanteil von 8,48% bei einem Umsatz von 887 Mio. USD.[18]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Umsatzverteilung in der US Filmbranche[19]
Somit besitzen die sechs großen Studios gemeinsam mit ihren Independent Divisionen[20] einen Marktanteil von ca. 95% im Nordamerikanischen Markt[21] des Jahres 2010[22]. Die übrigen 5% entfallen auf eine Vielzahl an kleineren Produktionsfirmen (Independents[23]), die oft über Koproduktionen am Markt partizipieren. Zwischen dem amerikanischen Independentsektor und der allgemeinen filmökonomischen Struktur Deutschlands, sind einige Parallelen zu erkennen.
Denn auch die mit geringen Budgets ausgestatteten Filmwerke von amerikanischen Independentproduzenten können nur in Ausnahmefällen mit den Produkten der Majors kommerziell mithalten. Sie sind, wie deutsche Filme auch, aufgrund des Mangels an bedeutenden Marketingmitteln, stark abhängig von Erfolgen bei Filmfestspielen, positiven Rezensionen, sowie den damit einhergehenden „ Word- of –Mouth “- Effekten. Bleibt ein positives Zuschauerecho aus, werden sie oft früh in die Peripherie der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt. In Deutschland konnten im Jahr 2010 zwei Drittel der Filme nur maximal 20.000 Zuschauer für sich gewinnen[24].
Die großen Studios, deren eingegliederte Verleihfirmen pro Film mit mittleren bis hohen zweitstelligen Millionenbudgets für Print and Advertising (P&A) ausgestattet sind, eröffnen ihre Spielfilme oftmals auf über 3000 inländischen und ebenso vielen ausländischen Leinwänden. Im Vorhinein öffnen diversifizierte Kampagnen den Markt für das Produkt, und egalisieren in der entscheidenden Anlaufphase ungünstige Rezensionen oder negative Erfahrungsberichte. Durch diese Macht, ist es den Majors in den letzten Jahrzehnten gelungen ihre Stellung im Markt zu behaupten. Den übrigen Filmunternehmen bleibt, wie in obiger Grafik zu erkennen ist, nur ein geringer Anteil am gesamten Marktvolumens. In Anbetracht der fast gleichmäßigen Aufteilung des Anbietermarktes zugunsten der Majors, ist ein größtenteils homogen aufgebautes Oligopol im klassischen Sinne zu erkennen.
So stellt Janet Wasko fest: „ From theatrical box office, to VHS and DVD sales, to the sale of films to television and cable outlets, the Hollywood majors rule the film business as a reigning oligopoly. Although there may be some competition (...), the studios also cooperate in typical oligopolistic fashion to determine industry policies and to protect and promote the industry. “[25]
Die in finanzstarken Konzernen integrierten Produktions- und Verleiheinheiten der Majors, können stets über sehr hohe Geldmengen verfügen, um Ihre Filme aufwändig zu produzieren und kostenintensiv zu vermarkten. Dies sorgt für prohibitiv hohe Eintrittsbarrieren für Marktneulinge. Folglich wird sich in Zukunft ohne einen exogenen Einfluss[26] an dieser Marktaufteilung wenig ändern.
3. Die Finanzierung von Filmen
3.1 Genereller Ausblick über die Kosten
Es spielt keine Rolle in welchem Land ein Film entsteht, er ist immer Synonym für ein Projekt, welches in vielen Phasen heranreift, und von etlichen Beteiligten über einen langen Zeitraum getragen werden muss. Hierbei fallen in jeder Entstehungsphase Kosten an. Noch bevor ein Drehtag absolviert wurde, können diese leicht im Millionenbereich liegen. Einteilen lässt sich ein solches Projekt generell in folgende Abschnitte:
1. Stoffakquise: Verfassen des ersten Skripts oder Verbalisierung einer Idee
2. Developement: Entwicklung des ersten Skripts oder der Idee zu einem fertigen Drehbuch inklusive Inszenierungsanleitung / Storyboard. Erstellung des Finanzierungsplans, und Zusammenstellung von Stab & Besetzung.
3. Pre- Production: u.a. Drehortbestimmung, erste Proben mit Schauspielern, Bau von Sets und Vorbereitung von Special Effects.
4. Production: Der eigentliche Dreh.
5. Post- Production: Nachbearbeitung (Bild und Ton), Komposition von Filmmusik, Visual Effects, Schnitt
6. Marketing und Vertrieb: Werbung, Kampagnen und Bestimmung von Vorführregionen.
7. Vorführung im Kino/ Heimkino.
Obgleich die einzelnen Posten von Film zu Film und auch im Ländervergleich mit einer unterschiedlichen Höhe zur Verfügung stehender Mittel ausgestattet sind, durchläuft nahezu jeder Spielfilm diese Phasen,[27] ob Independentwerk mit einem Budget von einigen Zehntausend Euro, oder einer Majorproduktion mit Aufwendungen für die Herstellung im neunstelligen Dollarbereich.
Ein jedes Filmprojekt fußt somit auf den Elementen der Finanzierung, der kreativen Implementierung und des Vertriebs. Die Finanzierung ist immer der neuralgische Punkt des gesamten Projektes. Mit ihr steht und fällt der Film.
Obwohl die Kostenverursacher bei der Herstellung audiovisueller Werke in Deutschland und den USA nahezu identisch sind, kommen doch in beiden Ländern unterschiedliche Kalkulationsmethoden zum Einsatz. In Deutschland werden Schemen, wie das der Filmförderungsanstalt (FFA) verwandt, welches die Kosten in folgende Bereiche aufgliedert:
1. Vorkosten
2. Rechte und Manuskript
3. Gagen (Produktionsstab, Regiestab, Ausstattungsstab, Darsteller, Zusatzkosten Gagen)
4. Kosten für die Filmkulisse(n)
5. Ausstattung und Technik
6. Reise- und Transportkosten
7. Filmmaterial und Bearbeitung
8. Endfertigung
9. Versicherung
10. Allgemeine Kosten
11. ./. Kostenmindernde Erträge.[28]
Diese Punkte können um weitere ergänzt werden, wie beispielsweise Handlungskosten (für das Produktionsunternehmen), Finanzierungskosten oder Treuhandgebüren.[29] In den Vereinigten Staaten jedoch, und auch in Großbritannien, findet eine vorhergehende Kategorisierung statt. Hier wird durch das sogenannte above-the-line / below-the-line Prinzip eine Unterscheidung zwischen kreativen und nicht kreativen Bereichen vorgenommen. Im „below-the-line“- Pool werden die Kosten des letzteren Bereichs erfasst. In dieses Feld entfallen beispielsweise Material- und Transportkosten, Komparsenlöhne, Versicherungs- und Kapitalbeschaffungsaufwendungen, sowie jedwede Form von Gebühren, die durch logistische oder organisatorische Vorgänge anfallen.
„above-the-line costs“, sind demnach Aufwendungen für Besetzung, Stuntleute, Regie, Produktionsstab, Autoren, Komponisten etc. .
Der Anlass für diesen methodischen Unterschied ist in zum Teil exorbitanten Gagen begründet. Speziell in Hollywood, wo der Verdienst von Regisseuren 10 Millionen und der mancher Schauspieler gar 25 Millionen US-Dollar betragen kann, ist es möglich, dass Personalentscheidungen im above-the-line Abschnitt das bisherige Budget im Extremfall vervielfachen. Außerdem befinden sich Net- oder Gross-Participants[30] immer im above-the-line Sektor. Dieses Verfahren dient also vornehmlich der Wahrung einer gewissen Transparenz zugunsten möglicher Investoren.
In Deutschland ist durch die im Vergleich zu Hollywood relativ moderaten Stargagen eine solche Art der Unterscheidung zumeist obsolet.
3.2 Produktcharakteristika und mangelhafte Prognostizierbarkeit; Hindernisse für die Mittelbeschaffung
Eine eindeutige Zuordnung des Produktes Film in eine Kategorie ist schwer möglich. Ein programmfüllender Spielfilm ist ein hybrides Produkt, welches Eigenschaften eines Konsumartikels und Merkmale eines Kulturgutes in sich vereint. Mit den verschiedenen Elementen der Finanzierung gehen diverse Investorinteressen einher. Diese sind von finanziellen, wirtschafts- und standortpolitischen sowie kulturellen Motiven geprägt.[31]
Nach Harold L. Vogel setzen sich die Finanzierungsoptionen für einen Spielfilm in den USA aus „Industry sources, lenders and investors“ zusammen.[32] Also z.B. Banken, Fonds, respektive Studios und TV Sender. Diese sollten allerdings vor allem in Deutschland um Filmförderungsanstaltenen ergänzt werden, da jene an einem Großteil der hergestellten Filme in Deutschland finanziell beteiligt sind.
Für kommerziell motivierte Investoren stellt die ex ante herrschende Unsicherheit wohl das größte Hindernis für eine eventuelle Beteiligung dar. Die Gründe für die hohe Unsicherheit sollen im Folgenden erläutert werden.
Die sich aus den oben dargestellten Posten zusammensetzenden Gesamtkosten, entsprechen, wie bei allen anderen Medienprodukten auch, hohen „first copy costs“. Diese gilt es im Zuge massenhafter Distribution auf möglichst viele Kopien zu verteilen.[33] Aufgrund des immateriellen Charakters des Endproduktes, gelten diese Kosten als versunken, sind also sunk Costs, da keine verwertbaren Teilprodukte bei einer Produktion entstehen. [34]
Filme sind außerdem Erfahrungsgüter, welche einen hedonistischen, anstelle eines utilitaristischen Nutzen für den Zuschauer erzeugen[35]. Die Konsumentenrente für den Käufer einer Kinokarte besteht somit aus einem emotionalen, erlebnisorientierten Wert, anstelle eines bloßen funktionalen Nutzens, wie beispielweise bei einem Gebrauchsgegenstand.
Somit ist die Qualität eines Spielfilms nur subjektiv messbar, und das macht eine verlässliche Vorhersage über einen kommerziellen Erfolg nahezu unmöglich.
In der Industrie wird beispielsweise oftmals im Entwicklungsstadium eines Konsumgutes mittels multinomialer Conjoint Analysen versucht, die Wichtigkeit einiger Produktattribute aus Konsumentensicht zu quantifizieren. Anschließend wird das Produkt im Einklang mit dem gewonnenen Präferenzmuster gestaltet und vermarktet. Dieses Verfahren ermöglicht es, den Markterfolg bei Massenware im Voraus recht gut einschätzen zu können.
Filme jedoch haben Unikatscharakter, somit kann jeder Film streng genommen als Produktinnovation definiert werden.[36] Zwar werden im Rahmen empirischer Studien im Nachhinein auch Conjoint Analysen an Filmen durchgeführt, die dann beispielsweise messen sollen, welchen Effekt ein sog. Star in der Besetzung auf den Umsatz hat, oder wie sich eine bestimmte Genrezugehörigkeit auf die Profitabilität auswirkt, jedoch kann so nie eine zuverlässige Vorhersage entstehen, da eine Reihe komplexer Nebenfaktoren der Formulierung eindeutiger Kausalbeziehungen oftmals im Wege stehen.
So postuliert Harold Vogel: „ In fact, statistical research suggests that the success and profitability of any film, no matter what the star, genre, budget, or target demographic, is pretty much a hit-or-miss, best-guess proposition.”[37]
Diese fehlende Prognostizierbarkeit und die damit einhergehende hohe Unsicherheit sind der Grund, weshalb es so schwierig ist, ausreichend Kapital für die Entwicklung und Herstellung eines Films zu akquirieren. Ein Film wird heute (besonders in Deutschland) in der Regel in Zusammenwirkung mehrerer Finanziers ermöglicht. Deshalb sollen die vielen Formen der Finanzmittelbeschaffung im Folgenden beleuchtet werden. Denn insbesondere hier tun sich große Differenzen des deutschen und des amerikanischen Filmgeschäfts auf.
3.3 Innenfinanzierung
Prinzipiell verhält es sich mit der Filmfinanzierung wie bei den meisten Unternehmungen. Je höher der Anteil an Eigenmitteln ist, desto größer fällt der Anteil an etwaigen Gewinnen aus. Zugleich erhöht sich dadurch aber natürlich auch das Risiko, Verluste erleiden zu müssen. Entsteht also ein Film in Eigenfinanzierung, so bedeutet dies, dass ein Produktionsunternehmen die Herstellung eines Filmwerks durch Eigenkapital umsetzt. Die Möglichkeiten der sogenannten Innenfinanzierung sind allerdings aus Gründen des erheblichen Kapitalbedarfs begrenzt.
Wie oben erläutert, fallen bis zum fertig verwertbaren Film hohe Kosten an, die es im Laufe der Wertschöpfung zu refinanzieren gilt. Einem üblichen deutschen mittelständischen Produktionsunternehmen wird es schwer fallen, die Kosten für ein solches Projekt alleine zu tragen.
Und sogar wenn es möglich ist, einen Spielfilm in Eigenfinanzierung herzustellen, so ist dies doch ein sehr riskantes und hochspekulatives unternehmerisches Unterfangen, weil somit der existenzielle Fortbestand der gesamten Firma vom Erfolg eines Filmes abhängt. Zumal kein Film, wie aufwendig er auch produziert sein mag, vor einem Scheitern gefeit ist.
Der Schlüssel zu einer rein internen Mittelaufwendung für Projekte, ist somit die Fähigkeit, durch eine Portfoliobildung aus mehreren Filmprojekten, das gesamtunternehmerische Risiko zu diversifizieren, und damit nicht auf den Erfolg eines einzelnen Produktes angewiesen zu sein.Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass ein beträchtlicher Eigenkapitalstock vorhanden sein muss, um die nötige Anzahl an Filmen zu produzieren.
Die sechs großen Studios in den USA haben 2011 im Mittel mehr als 24 Filme produziert und verliehen. Universal und Walt Disney mit jeweils 18 Kinofilmen und Warner Brothers als Spitzenreiter mit 39 Filmen.[38]
Die Kinodivision der Ufa Film&TV GmbH, Ufa Cinema, plant jährlich acht Kinoproduktionen. In diesem Sinne relativiert Thomas Friedl, der Geschäftsführer der recht neuen Sparte, das Risiko des Filmgeschäfts: „Kinoproduktion ist ein Portfolioansatz, wenn der ein oder andere Film nicht funktioniert, ist das ganz normal“.[39]
Eine weitere Problematik stellt die lange Dauer der Kapitalzirkulation für Initiatoren eines komplett aus Eigenmitteln hergestellten Spielfilms dar. Die einzelnen Phasen der Projektentwicklung sind von Film zu Film unterschiedlich. Es dauert ab dem Zeitpunkt der ersten Kostenentstehung für die Entwicklung meist mindestens ein Jahr, bis die Rückflüsse die Auslagen refinanziert haben, das sogenannte „ Recoupment “ also erreicht wird. Für Unternehmen, die Projekte vollständig durch Eigenkapital finanzieren wollen, ist dies ein entscheidendes Problem, denn somit kann der, bei mangelndem Kapital entstehende
Liquiditätsverlust, dafür sorgen, dass auf plötzlich eintretende unvorhergesehene Ereignisse nicht angemessen reagiert werden kann. Ganz zu schweigen von nicht vernachlässigbaren Zins- und Opportunitätskosten des eingesetzten Kapitals. Somit ist also nicht nur aus Gründen der Risikodiversifikation eine möglichst große Anzahl an Filmprojekten notwendig, sondern auch aus Gründen der Liquiditätserhaltung. Der Idealzustand wäre hierbei, wenn die Einnahmen erfolgreicher Filme, die Ausgaben für andere Projekte, sowie die Handlungskosten des Unternehmens zu tragen im Stande wären.
Vereinfachend kann der ‚Saldo‘ eines Filmprojektes wie folgt dargestellt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Cashflow für ein einzelnes Filmprojekt[40]
„ Nach Start des Projekts zum Zeitpunkt (a) fallen zunächst relativ geringe Kosten für die Drehbuch und Projektenwicklung an. Mit Beginn der Dreharbeiten (b) steigen die Ausgaben rapide, sodass auch Zinskosten eine Rolle zu spielen beginnen. Der Tiefpunkt im Saldo (d) liegt zeitlich hinter der Veröffentlichung des Films (c), da die Einnahmen zunächst nicht dem Produzenten zufließen. Erst wenn die Kosten der Distribution gedeckt sind, gelangen Erlöse zum Produzenten.“ (e) markiert den Break- even Punkt.[41]
Es ist also für ein Produktionsunternehmen zwingend notwendig durch eine „ Überlappung mehrerer Saldokurven von einzelnen Filmen die Zeitverschiebung auszunützen und die Erlöse aus anderen Filmen für die Finanzierung der Entwicklung und Produktion eines neuen Films zu nutzen.“[42] Dass eine Innenfinanzierung überhaupt eher für Hollywood- Studios in Frage kommt, ist ebenfalls der Tatsache geschuldet, dass diese, eigebettet in riesigen Medienkonzernen, in der Lage sind Liquiditätsengpässe verkraften zu können.
Zudem befinden sich zehntausende Filmwerke in den Rechtebibliotheken der US Unternehmen. Sie generieren gut vorhersehbare, stetige Cash-Flows.[43] Die Umsätze, die durch die Auswertung der Rechte an den Filmwerken entstehen, sind im vornherein gut zu kalkulieren. Dadurch sorgen sie für eine gewisse Planungssicherheit und eine fortwärende Unterfütterung der Kapitalbasis des Unternehmens.[44] Vor allem hierzulande, aber auch in Hollywood sind vollständig eigenfinanzierte Kinofilme die Ausnahme. Auch bei den großen Studios kommen häufiger Außenfinanzierungen in Form von eigenkapitalähnlicher Kapitalzufuhr zu Stande. Meistens liegen die Motive hierfür in der Risikoteilung, denn es gibt nur wenige Projekte, die, ungeachtet enormer Budgetvoranschläge, zu groß wären, um von einem Unternehmen alleine finanziert werden zu können.
Für die Außenfinanzierung von Kinofilmen gibt es unterschiedliche Methoden. In den USA kommen zunehmend Wagniskapitalgeber als Geldquellen zum Einsatz. Auch Co- Finanzierungen mit anderen großen Majors werden oft eingegangen, wobei dann die unterschiedlichen Auswertungsrechte unter den jeweiligen Finanziers verteilt werden. Eine besonders interessante Form der Außenfinanzierung, stellten die bis Mitte der 2000er Jahre aktiven deutschen Medienfonds dar, da sie für die Filmstudios hohe Summen bereitstellten, ohne sie an einschränkende Bedingungen zu knüpfen. Auf die Entstehungsgrundlage dieser Fonds, sowie deren unterschiedliche Arten, soll in Kapitel 3.4.2 detaillierter eingegangen werden.
In Deutschland entsteht die Mehrzahl der Projekte mit Hilfe von Fremdkapital. Neben den obengenannten Finanzierungsmethoden, die auch in Deutschland Gebrauch finden, spielt vor allem auch die öffentliche Filmförderung eine Rolle, die mit insgesamt knapp 317 Mio. € im Jahr 2011, einen erheblichen Teil des Umsatzes audiovisueller Produkte ermöglicht hat.[45]
[...]
[1] In dieser Arbeit werden die Begriffe Major, Major-Studio und Studio als Synonym verwandt.
[2] Vgl. Constantin Medien AG Jahresabschluss 2010, S. 50
[3] Vgl. Siebenhaar (15.10.11) http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/bertelsmann-tochter-ufa- strebt-in-neue-wachstumsfelder/4737146.html (zuletzt besucht, 28.2.2012)
[4] Referat für Arbeit und Wirtschaft, München 2011 http://www.wirtschaft-muenchen.de/publikationen/pdfs/1108_medien_d.pdf (zuletzt besucht 28.2.2012)
[5] Vgl. Kinowelt Presseinformation www.studiocanal.de/material/pressePMStudioCanal.pdf (zuletzt besucht, 28.2.2012)
[6] Vgl.Adreas Bareiss (2009), S. 29
[7] Vgl.Henning-Thurau (2009), S. 16
[8] Vgl.Henning-Thurau (2009), S. 16
[9] Vgl. Bareiss (2009), S. 29
[10] Vgl. Hoskins/Mirus (1988), S. 500
[11] Vgl. Berauer (2011), S. 15
[12] Hier entsteht der Film in verschiedenen Sprachen. In der Postproduktion wird der Film dann in der Sprache des jeweiligen Marktes vertont.
[13] Vgl. Siebenhaar (2012), http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/auszeichnung-fuer-pixomondo-oscar-adelt-deutsche-garagenfirma/6262834.html (zuletzt besucht. 28.2.2012)
[14] Die starken Ähnlichkeiten beim Kino- und TV- Geschäft führen zu einer gewissen Unschärfe. Es ist schwierig Kennzahlen zu produzieren, die allein für eine der beiden Bereiche stehen. Somit werden in vielen Berichten und Statistiken beide Branchen zusammengefasst.
[15] Vgl. Motion Picture Association of America, Idustry Report www.mpaa.org/Resources/3a76ac00-6940-4012-a6e2-da9a7b036da2.pdf (zuletzt besucht, 28.2.2012)
[16] Washighton Post (25.10.98) http://www.washingtonpost.com/wp-srv/inatl/longterm/mia/part1.htm (zuletzt besucht, 28.2 2012)
[17] Vgl. Young, Gong, van der Stede (2008), S. 29
[18] The Numbers http://www.the-numbers.com/market/2010.php (zuletzt besucht, 28.2.2012)
[19] Eigene Darstellung
[20] Als die Nachfrage nach Filmen außerhalb des Mainstreambereichs zu wachsen begann, schufen oder akquirierten die Majors ihre eigenen Independentsparten, um so einerseits Nischenmärkte besser bedienen zu können, aber auch um von Vorteilen einer kleineren Unternehmensgröße zu profitieren. (Haupteffekte:Minimierung von Bürokatieverlusten und Steigerung der Effizienz)
[21] Der sog. ‚domestic market‘ beeinhaltet auch die entstandenen Umsätze aus Kanada
[22] Vgl. http://www.the-numbers.com/market/Distributors2010.php (zuletzt besucht, 28.2.2012)
[23] Meißt (bei Gründung) mittelständische Unternehmen, die keinen eigenen Verleih haben und keinem Konzern zugehörig sind- daher werden sie als unabhängig bezeichnet.
[24] Vlg. Berauer (2011), S. 50
[25] Vgl. Wasko (2005), S. 16
[26] Wie etwa politischer/gesellschaftlicher Natur, oder in Folge neuer Megatrends
[27] Ausgenommen sind reine Animationsfilme. Hier entfällt ein Dreh im klassischen Sinne zugunsten einer Symbiose der Phasen 2 bis 5, in der mit Hilfe von beträchtlichem monetären Aufwand und durch die Arbeit von einer Vielzahl hochspezialisierter und –bezahlter Angestellter der Film entsteht.
[28] Vgl. Zwirner (2012), S. 90
[29] Vgl. Zwirner (2012), S. 90
[30] Akteure, denen vertraglich eine Umsatz- oder Gewinnbeteiligung zugestanden wird, meißtens sehr berühmte Schauspieler, Regisseure oder auch Autoren (häufig bei Buchvorlagen).
[31] Vgl. Zwirner (2011), S. 95
[32] Vgl. Vogel (2004), S. 84
[33] Vgl. Von Rimscha (2010), S. 101
[34] Bsp. Zur Erläuterung: In der Automobilindustrie entstehen für die Herstellung eines neuen Prototyps ebenfalls enorme Kosten, die es über den massenhaften Vertrieb zu decken gilt. Scheitert ein Modell, so können immerhin die Investitionen in die F&E oder die für die Entwicklung von wichtigen Teilkomponenten über andere Modellreihen amortisiert werden. Die Investitionen in die Herstellung eines Films sind jedoch i.d.R. hochspezifisch; und verloren, sollte der Film floppen.
[35] Vgl. Fuchs (2010), S. 43
[36] Vgl. Fuchs (2010), S. 42
[37] Vgl. Vogel (2006), S. 142
[38] Vgl. http://www.the-numbers.com/market/2011.php
[39] Vgl. Fuchs (2010), S.47
[40] Vgl. von Rimscha (2010), S. 104
[41] Vgl. von Rimscha (2010), S. 104
[42] Vgl. von Rimscha (2010), S. 104
[43] Vgl. von Rimscha (2010), S. 104
[44] So kann z.B. 20th Century Fox jedes Jahr um die Weihnachtszeit mit erheblichen Einnahmen durch die TV- Ausstrahlung von Klassikern, wie beispielsweise „Kevin allein zu Haus“ rechnen.
[45] Vgl. Berauer (2011), S. 69
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783955495374
- ISBN (Paperback)
- 9783955490379
- Dateigröße
- 481 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Passau
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Filmproduktion Medienfonds Filmfonds Value Chain Filmwirtschaft Medienökonomie