Bildungsstandards und Kompetenzen auch im Fach Sport? Neue Wege der fachlichen Qualitätsentwicklung
Zusammenfassung
Standards kennt man ursprünglich aus der Produktion und Wirtschaft. Sie geben Maßstäbe an, bzw. ein einheitliches Muster vor (Ruhloff, 2007). Ein solcher Transfer auf die Bildung wird von vielen kritisch gesehen und die Ökonomisierung stark hinterfragt, da Standardisierung nicht unbedingt mit Qualität einhergeht (ebenda). Die Effektivität des Unterrichts soll durch Zielsetzungen gesteigert werden. Es erscheint hierbei jedoch schwierig, die Erwartungen und Interessen von allen Beteiligten Institutionen und Personen auf einen Nenner zu bringen und mit einem einzigen Instrument zu kontrollieren (Herrmann, 200).
Externe Evaluationen und die daraus entstandenen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz sind als Fortschritt nicht unumstritten und werden in Anbetracht des vernachlässigten Erziehungs- und Bildungsauftrag hinterfragt. Insgesamt wird jedoch daran festgehalten, dass sie die Zukunft der Qualitätssteuerung sind - auch für nicht getestete Fächer und Themengebiete bei PISA (Menz & Reuter, 2009).
Das Fach Sport ist eins der Fächer, das zunächst von der Diskussion um die Bildungsstandards unberührt blieb, da die […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2.1 Schulentwicklung nach 2000
Der bereits erwähnte Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputsteuerung wurde innerhalb von sechs Jahren fast vollständig realisiert (Franke, 2008, S.10). Die Veränderung im deutschen Schulwesen fing an sich um die Jahrtausendwende zu entfalten: Als Konsequenz der schlechten Ergebnisse bei den großen internationalen Vergleichsstudien (TIMSS und PISA) wurde die Kritik an der Bildungsqualität zunehmend größer. Als einheitliches Ziel zur Qualitätssicherung rückte die neue Steuerung in den Fokus (Kurz & Gogoll, 2010, S.228). Den Qualitätsmangel im deutschen Bildungswesen veranschaulicht Thiele (2007) durch ein metaphorisches Bild. Die Krankheit „Qualitätsmangel“ zeigt sich durch das Symptom „mangelnder Leistungsergebnisse, so dass als Folge der „Diagnose“ durch PISA ein neues Wunderheilmittel gefunden werden musste. Dieses Heilmittel verspricht man sich durch eine neue Steuerung (Thiele, 2007, S65 f.). Aufwändige Entwicklungsmodelle für Schulen sind zu kostspielig, zeitintensiv und luxuriös angesehen, hinzukommt, dass schnell sichtbare Ergebnisse benötigt werden (Serwe, 2010, S.45).
Trotz der neuen Richtung war es unabdingbar, die Leitprinzipien des deutschen Schulwesens zu berücksichtigen. Diese sind zum einen das Individualrecht auf Bildung und zum anderen der staatliche Erziehungsauftrag. Außerdem ist es Teil der doppelten Aufgabe, für alle Mitglieder der Gesellschaft gleiche Bildungschancen einzuräumen, so dass durch vermittelte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen eine selbstbestimmte Lebensgestaltung möglich wird (Menz & Reuter, 2009, S.137). Als gelungene Qualitätsentwicklung der letzten Jahre wird daher die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Verhältnissen angesehen. Allerdings ist dies nur ein Aspekt der Schulentwicklung nach 2000, da im Fokus die nicht unumstrittene Ökonomisierung und Standardisierung steht und der allgemeine Erziehungs- und Bildungsauftrag durch kontinuierliche Leistungsvergleiche vernachlässigt wird (ebenda, S.147). Im Rückblick auf die vielen einzelschulorientierten Ansätze der 90er Jahre, erscheint die Ökonomisierung als „massive Entfremdung“ der bisherigen schulpädagogischen Intention. Für das 21. Jahrhundert stehen Begriffe wie „innovieren, beschleunigen, effektivieren, motivieren und exzellent werden“ (Serwe, 2010, S.42).
Politiker setzen häufig Bildung mit einem wirtschaftlichen Produkt gleich. Sie betonen, dass Bildungsreserven der einzige Rohstoff in unserem Land sind, über den wir ausreichend verfügen, und zwar trotz PISA-Schock und dem Dilemma, das die Bildungspolitik kennzeichnet. Das Problem dabei ist, dass die Förderung aufgrund des steigenden Personals teuer wäre und Investitionen nur getätigt werden, wenn der Nutzen glaubhaft gemacht werden kann, damit der Staat nicht weiter verschuldet wird. Die langfristige Entwicklung junger Menschen vorherzusagen, um die es sich letztendlich beim Thema schulischer Bildung handelt, scheint allerdings unmöglich. Aus diesem Grund wurde es zum Ziel erklärt, eine möglichst gute Qualität bei möglichst geringen Kosten zu erhalten – ein rein wirtschaftliches Denken. Das wirtschaftswissenschaftliche Denken führte so auch dazu, die Verbesserung der Qualität vom Ende her zu konzipieren und sich auf den ‚output‘, das was am Ende herauskommt, zu konzentrieren (Kurz & Gogoll, 2010, S.228 f.). Im Gegensatz dazu wurde vorher beim ‚input‘ angesetzt, wozu die Rahmenbedingungen der Schule, Lehrpläne, Stundentafeln, Unterrichtsstunden sowie Lehrkräfte samt Qualifikation zählten. Neben dieser Komponente soll auch Wettbewerb ein wesentliches Prinzip im Bildungssystem werden. Nicht nur die Leistungen der Schüler, sondern auch die der Schulen, Regionen und Bundesländer sollen so verglichen werden und letztlich der Qualität zugutekommen (ebenda, S.230.).
Die innovative Wende in der Erziehungswissenschaft zur outputorientierten Steuerung und dem wirtschaftswissenschaftlichen Denken begann schon 1997, nachdem die Basisinformationen der Studie das Bildungssystem aufgrund von eher mäßigen Leistungen in die Krise stürzten. Als Folge dessen einigte sich die KMK 2003 und 2004 auf verbindliche Bildungsstandards und 2006 auf eine Gesamtstrategie zur Qualitätssicherung für die Primarstufe und Sekundarstufe I (Köller, 2007, S.13 f.). Der so forcierte wirtschaftliche Ansatz erfolgte von der Politik selbst und nicht etwa von den Wirtschaftswissenschaften. Angesichts der Versuche Standards zu formulieren, steigerte sich auch der Konflikt an Schulen zwischen ökonomischen und pädagogischen Werten (Serwe, 2010, S.60).
Lehrpläne, die als zentrales Medium der Steuerung galten und sich als Steuerungsinstrumente lange bewährten, mussten wegen der desolaten Ergebnisse überarbeitet werden (Stibbe, 2009, S.176). Eine solche Überarbeitung war aber keinesfalls neu, da der Kern eines Lehrplans darin bestehen sollte, die Schüler auf die Zukunft vorzubereiten und zu qualifizieren. So ändert sich dieser stetig mit unserem rasch entwickelnden Wissensbestand und den benötigten Qualifikationen (Krick, 2010, S.181). Neu war vielmehr der Funktionswandel in Richtung von standardorientierten Kerncurricula und schuleigenen Lehrplänen, die sich an den Bildungsstandards, dem ‚output‘, orientieren (Stibbe, 2009, S. 176). Die Qualitätssicherung sollte von da an durch Qualitätsindikatoren überprüft werden: „Qualitätsindikatoren des Bildungssystems sollen die von Schülerinnen und Schülern erreichten Kompetenzen sein, welche in festen Zeitabständen in der dritten Jahrgangsstufe und am Ende der Sekundarstufe I überprüft werden“ (Köller, 2007, S.13). Eine Reflexion ob Bildungserträge wirklich mess- und überprüfbar sind, trat in Anbetracht des dringenden Handlungsbedarfs in den Hintergrund. Im Vordergrund stand das Formulieren von Leistungsstandards und -niveaus, die Schülerinnen und Schüler erreichen sollten. Mit den neuen Standards folgten auch flächendeckende Vergleichsarbeiten, um auf Länder- und Bundesebene Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen (ebenda, S.14).
Die weiteren Jahre hat sich nicht viel getan, außer dass immerzu an der Outputorientierung gearbeitet und entwickelt wurde. So stellt Kurz (2008) fest:
Auch mit dem Wechsel der politischen Konstellation in der Landesregierung im Jahr 2006 hat sich die Grundüberzeugung nicht geändert. Sie lautet nach wie vor: Die bisher eingesetzten Maßnahmen zur Steuerung unseres Bildungswesens seien nicht wirksam genug gewesen; daher müsse zukünftig viel mehr darauf gesetzt werden, die gewünschten Ergebnisse, den output des Unterrichts zu definieren und regelmäßig zu messen (Kurz, 2008, S.24).
Mittlerweile gibt es hingegen auch einige kritische Stimmen, die den Versuch das Bildungssystem zu ökonomisieren und an wirtschaftswissenschaftlichen Modellen festzumachen für bedenklich halten (Kurz & Gogoll, 2010, S.231).
Der Trend im Bildungswesen zur Standardisierung und Ökonomisierung war geboren. Die immer stärker geforderte outputorientierte Steuerung nach den schlechten Ergebnissen bei Vergleichsstudien brachte die Bildungsstandards hervor, die eben genau diesen ‚output‘ beschreiben sollen. Man könnte auch sagen die Standards sind das neue Qualitätsinstrument der Bildungspolitik (Pack, 2005, S.66).
2.2 Bildungsstandards als neues Qualitätsinstrument
Der großen bildungspolitischen Forderung die weithin anerkannten Bildungsstandards zu entwickeln, führte zu einer neuen Methode der Sicherung von Unterrichtsqualität. Bildungs- oder auch Leistungsstandards zählen mittlerweile als eines der wichtigsten Kriterien zur Qualitätsüberprüfung (Heid, 2007, S.29). Sie bezeichnen die wesentlichen Ziele pädagogischer Arbeit in Form von Lernergebnissen und Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler zu bestimmten Zeitpunkten ihrer Schullaufbahn erbringen sollten (Köller, 2007, S.15). Um diese Kompetenzen sinnvoll überprüfen zu können ist ein wesentlicher Aspekt das Einstufen in Mindest-, Regel-, oder Maximalnormen (Heid. 2007, S.29 f.).
Die Funktion der Bildungsstandards wird aus folgender Definition recht deutlich:
Nationale Bildungsstandards formulieren verbindliche Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule. Sie stellen damit innerhalb der Gesamtheit der Anstrengungen zur Sicherung und Steigerung der Qualität schulischer Arbeit ein zentrales Gelenkstück dar. Bildungsstandards benennen präzise, verständlich und fokussiert die wesentlichen Ziele der pädagogischen Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Damit konkretisieren sie den Bildungsauftrag, den Schulen zu erfüllen haben (Klieme, 2007, S.9).
2.2.1 Von der Outputsteuerung zu den Bildungsstandards
Die Outputsteuerung ist ein wesentlicher Teil der zunehmenden Ökonomisierung und Globalisierung. Beim Blick auf die anderen Länder fällt jedoch auf, dass etwa englische oder amerikanische Erziehungswissenschaftlicher sich deutlich länger mit der Standardisierung beschäftigen, weil dort schon früher eine neue Steuerung thematisiert wurde (Thiele, 2007, S.68).
2003 und 2004 wurden in Deutschland zur systematischen Überprüfung der Bildungserträge verbindliche und länderübergreifende Bildungsstandards formuliert (Köller, 2007, S.13). Das heißt, alle 16 Bundesländer haben sich dazu verpflichtet und tragen Sorge dafür, dass den Schülern ermöglicht wird, die Kompetenzen aus den Standards zu erreichen (ebenda, S.15). Das Qualitätsinstrument ‚Bildungsstandards‘ soll nach Auffassung der KMK:
1. allgemeine Bildungsziele aufgreifen,
2. festlegen, welche Kompetenzen in einer Jahrgangsstufe erworben werden,
3. erwartete Lernergebnisse beschreiben,
4. sich auf Kernbereiche konzentrieren, sowie
5. fachliche und überfachliche Basisqualifikationen formulieren (Franke, 2008, S.9).
Die KMK betont zusätzlich, dass nicht das Lehren, also die Art und Weise der Wissensvermittlung, standardisiert werden soll, sondern lediglich die Ergebnisse (ebenda, S.10).
Ausgangspunkt für die Umsetzung von Bildungsstandards ist die Expertise „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“ aus dem Jahre 2003, die von der Bundesregierung und der KMK in Auftrag gegeben wurde (Kurz & Gogoll, 2010, S.228). Mittlerweile gibt es auch eine überarbeitete Version aus dem Jahr 2007 (Klieme et al., 2007).
„Die Expertise […] formuliert einen grundlegenden Wandel der Vorstellungen darüber, wie Verbesserungen des Bildungssystems auf den Weg zu bringen sind“ (Kurz & Gogoll, 2010, S.228). Sie soll zeigen was eine gute Schule und guten Schulunterricht ausmacht und wie dies durch Outputsteuerung erreicht werden kann. Vorher wurden massive Fehleinschätzungen zur Leistungsfähigkeit gemacht, die durch Zielvorgaben der Bildungsstandards deutlich gemacht werden sollen. Gymnasiallehrer überschätzen sich zum Beispiel auffällig hoch, die Schüler empfanden den Unterricht als wenig förderlich und durch regionale Unterschiede kam es zu Ungerechtigkeiten hinsichtlich des Schulerfolgs (Herrmann, 2003, S.630).
Die Bildungsstandards lassen sich in drei Hauptfunktionen unterteilen, die sich im Wesentlichen durch die Rückmeldungsebenen unterscheiden.
Die erste wichtige Funktion ist das Bildungsmonitoring. Die Bildung kann anhand von Standards auf Bundesebene gesteuert und die Qualität durch Vergleiche gesichert werden. Zudem sollen Ungleichheiten zwischen Bundesländern und sozialen Gruppen so aufgedeckt und eine entsprechende Chancengleichheit ermöglicht werden (Kurz, 2008, S.27).
Außerdem soll die Schulqualität durch Standards gefördert werden. Die Bildungsstandards kommen den Schulen insofern zugute, indem sie auf Testergebnisse professionell reagieren können (ebenda, S.27).
Die dritte Ebene der Rückmeldung ist auf Schülerebene. Durch Kompetenzdiagnostik soll eine individuelle Förderung ermöglicht werden. Die Erwartungen an die Schulen und Schüler wurden vorerst in „Regelstandards“ formuliert, die ein mittleres Niveau angeben sollen. Jedoch ist man insgesamt der Meinung, dass Mindest- und Maximalstandards wichtig sind, da durch die gestuften Standards expliziter auf Schwächen der Schüler im Sinne der Kompetenzdiagnostik eingegangen werden kann (Kurz & Gogoll, 2010, S.233 ff.).
Die Erwartungen und Ziele aus der Expertise machen deutlich, warum Bildungsstandards entwickelt werden sollten:
- Disparitäten, die das Schulsystem nach wie vor kennzeichnen, sollen hierdurch offen gelegt werden. Diese gibt es in der Regel zwischen Regionen und Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten.
- Die Förderung und Integration von Kindern und Jugendlichen soll stärker verfolgt werden.
- Durch den Aufbau von Kompetenzen, Qualifikationen, Wissensstrukturen, Einstellungen, Überzeugungen, Werthaltungen sollen Kinder für das gesellschaftliche Leben vorbereitet werden, diese äußern sich in Outputerwartungen.
- Selbstgesteckte Ziele werden oft nicht erreicht und sollen vergleichbar und überprüfbar gemacht werden, da die PISA-Studie erhebliche Unterschiede in Deutschland aufgezeigt hat und andere Länder mit einer systematischen Qualitätssicherung besser abgeschnitten haben (Klieme, 2007, S12 f.).
Damit diese Ziele auch erfüllt werden können gibt es einige Bedingungen und Voraussetzungen, welche Herrmann (2003) zusammengefasst hat:
- Bildungsstandards benötigen eine stärkere Übernahme der Planung, Begleitung und Überwachung von Lernprozessen, sowohl von Schülern, als auch Eltern.
- Schülerkompetenzen müssen sich in Modellen darstellen und differenzieren lassen.
- Transformation von Lehrplänen in Kerncurricula mit konkretisierten Bildungsstandards.
- Festlegung der Anforderungen durch die Fachdidaktik.
- Standards, Tests und Kompetenzmodelle werden langfristig erprobt.
- Die Ziele lassen sich durch Testverfahren überprüfen.
- Bildungsstandards beschreiben Anforderungen an die Schüler und Schülerinnen, die sich in Niveaustufen feststellen lassen. (Stufenmodell)
- Alle Institutionen der Lehreraus- und Fortbildung müssen an der neuen Akzentuierung mitwirken.
- Jede Schule hat mehr Eigenständigkeit und Freiraum um die Mindestanforderungen zu erfüllen.
Genau diese Bedingungen können jedoch zu Schwierigkeiten führen, wie beispielsweise beim Einbeziehen von Elternhäusern oder dem komplexen Konstrukt von Kompetenzmodellen (Hermann, 2003, S.230 ff.).
An welchen Punkten es speziell für das Fach Sport Probleme gibt wird in 3.2.2 genauer erörtert.
Als wichtigster Zweck wird die Qualitätsverbesserung und Qualitätssicherung des Bildungs- und Schulwesens - sowohl im nationalen, als auch internationalen Vergleich - gesehen. Heid fasst die Bildungsstandards zusammen als:
- Normierung
- Vereinheitlichung
- Überprüfbarkeit
- Vergleichbarkeit
von dem, was die Lernenden zu bestimmten Zeitpunkten in ihrer Schullaufbahn wissen und können sollten (Heid, 2007, S.33).
Besonders beachten sollte man die Warnung, die sich in der Klieme-Expertise befindet. So dürfen trotz Normierung und Vergleichen die Standards nicht als Kriterium für die Notengebung oder Regelungen für den Schulwechsel gleichgesetzt werden. Gründe dafür sind unter anderem, dass nur der Kern des Curriculums abgedeckt wird und die Lehrer mit ihrer pädagogischen Verantwortung verschiedene Aspekte zur Beurteilung betrachten müssen (Klieme et al., 2007, S.48). Zudem soll die Formulierung von Standards keinesfalls einen Leistungsdruck für die Kinder bedeuten, sondern sie eher unterstützen. Wörtlich heißt es:
„Bildungsstandards könnten in unserer Gesellschaft vielmehr dazu führen, dass bestimmte Erwartungen an das Kompetenzniveau als selbstverständlich gelten, für deren Einlösung Schülerinnen und Schüler, Eltern und Schule gemeinsam die Verantwortung übernehmen“ (ebenda, S.49).
Die Bildungsstandards hören sich möglicherweise nach einer Einschränkung der pädagogischen Freiheit an, jedoch ist genau das Gegenteil das Ziel. Es ist durch die Outputüberprüfung vollkommen egal, wie diese Ziele erreicht werden, und somit hat die Schule wesentlich mehr Freiheiten, wie sie das mit Standards definierte Niveau erreicht (Kurz & Gogoll, 2010, S.231). Es heißt jedoch auch, dass die Standards neben mehr Flexibilität noch mehr Verantwortung mit sich bringen (Klieme, 2007, S.49). Dieser Logik liegt zugrunde, dass mehr Autonomie auch eine stärkere Kontrolle am Ende verlangt. Die neue Steuerung ist also auf eine gewisse Art und Weise paradox, da sie versucht die Kreativität und Fantasie der einzelnen Schulen in der Umsetzung zu fördern, gleichzeitig aber beim Resultat eingegriffen wird (Serwe, 2010, S.69).
Auch bei den Standards selbst wird den Fachdidaktikern entsprechend Freiraum gelassen. Klieme schreibt lediglich vor, wie gute Standards aussehen sollten:
1. Fachlichkeit: Bildungsstandards sind jeweils auf einen bestimmten Lernbereich bezogen und arbeiten die Grundprinzipien der Disziplin bzw. des Unterrichtsfachs klar heraus.
2. Fokussierung: Die Standards decken nicht die gesamte Breite des Lernbereiches bzw. Faches in allen Verästelungen ab, sondern konzentrieren sich auf einen Kernbereich.
3. Kumulativität: Bildungsstandards beziehen sich auf die Kompetenzen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Verlauf der Lerngeschichte aufgebaut worden sind. Damit zielen sie auf kumulatives, systematisch vernetztes Lernen.
4. Verbindlichkeit für alle: Sie drücken die Mindestvoraussetzungen aus, die von allen Lernern erwartet werden. Diese Mindeststandards müssen schulformübergreifend für alle Schülerinnen und Schüler gelten.
5. Differenzierung: Die Standards legen aber nicht nur eine „Meßlatte“ an, sondern differenzieren zwischen Kompetenzstufen, die über und unter bzw. vor und nach dem Erreichen des Mindestniveaus liegen. Sie machen so Lernentwicklungen verstehbar und ermöglichen weitere Abstufungen und Profilbildungen, die ergänzende Anforderungen in einem Land, einer Schule, einer Schulform darstellen.
6. Verständlichkeit: Die Bildungsstandards sind klar, knapp und nachvollziehbar formuliert.
7. Realisierbarkeit: Die Anforderungen stellen eine Herausforderung für die Lernenden und die Lehrenden dar, sind aber mit realistischem Aufwand erreichbar (ebenda, S.24 f.).
Ein wesentlicher Baustein der Bildungsstandards sind die Kompetenzen, ohne eine Neujustierung der Erwartungen ließe sich daher das Konzept nicht verwirklichen.
2.2.2 Neujustierung der Bildungserwartungen anhand von Kompetenzen
Mehrere Autoren stellten bereits fest, dass es nicht möglich ist, den gesamten Bildungsbegriff einfach durch die Bildungsstandards zu ersetzen. Selbst die Konstrukteure der Bildungsstandards mit Klieme et al. können die traditionellen Bildungsbegriffe nur wenig für ihre Zwecke gebrauchen, benötigen aber anscheinend die positive Verknüpfung (Thiele, 2007, S.70).
Der grundlegende Bildungsauftrag, nämlich die „Generalisierung universeller Prämissen für die Teilhabe an Kommunikation“, das Vorbereiten auf die Gesellschaft, darf bei den Überlegungen um die Bildungsstandards nicht in den Hintergrund geraten. Bildung wird in diesem Zusammenhang als ein nicht abschließbarer Selbstformungsprozess gesehen und es ist nicht offensichtlich, was die Bildungsstandards mit diesem Prozess gemeinsam haben (Gogoll, 2009, S.50 f.). Die Bildungsstandards führen gewissermaßen sogar zu einer Reduzierung der Bildungserwartungen, da die Schülerleistungen sich folglich nicht mehr an den weitreichenden Bildungsansprüchen orientieren, sondern an operationalisierbaren und überprüfbaren Kompetenzmodellen (Gogoll, 2010, S.111).
Mit Hilfe von Baumerts Modell (Abb.1), versucht Gogoll die Verbindung herzustellen. So beruht das „Modell allgemeiner Bildung“ von Baumert auf zwei Dimensionen, den „Modi der Weltbegegnung“ und den „Basiskompetenzen“. Die Modi der Weltbegegnung repräsentieren die Grundstruktur der allgemeinen Bildung in vier eigenständigen und in sich abgeschlossenen Bereichen. Sie spiegeln sich in den Schulfächern wieder, wenn auch nicht deckungsgleich. Die Basiskompetenzen repräsentieren ein notwendiges Minimum an Sprach- und Selbstregulationskompetenzen, die für Bildung und ein Teilnehmen an der Gesellschaft nötig sind und somit die „funktional-pragmatische“ Dimension. Wesentliche Kompetenzen moderner Gesellschaften sind beispielsweise die muttersprachliche Kompetenz, mathematische Modellierungskompetenz, Kompetenz zur Beherrschung informationstechnischer Verfahren zur Wissenserschließung und Kompetenz zur Selbstregulation des Wissenserwerbs. Hinter diesen Basiskompetenzen stecken vor allem komplexe kognitive Fähigkeiten, welche sich für die Neuausrichtung der Bildungserwartungen eignen, wenn sie sich in den formulierten Bildungsstandards wiederfinden lassen (Gogoll, 2009, S.52; Gogoll 2010, S.112).
In der Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards heißt es:
„Kompetenzen beschreiben aber nichts anderes, also solche Fähigkeiten der Subjekte, die auch der Bildungsbegriff gemeint und unterstellt hatte.“ Ein wichtiger Punkt ist jedoch die Steigerung und Verfeinerung (Klieme, 2007, S.65).
In Bezug auf die Kompetenzen ist von Basisfähigkeiten die Rede, die sich auf moralische, kognitive, soziale und individuelle Dimensionen des Handelns beziehen und in verschiedenen Modi der Weltbegegnung erlernt werden können (ebenda, S.66 f.). Als Übersicht dient das bereits angesprochene Modell von Jürgen Baumert:
„Kompetenz“ ist nach diesem Verständnis eine Disposition, die Personen befähigt, be
stimmte Arten von Problemen erfolgreich zu lösen, also konkrete Anforderungssituationen eines bestimmten Typs zu bewältigen.“ Für das Entwickeln von Kompetenzmodellen gibt es noch weitere Folgerungen, so dass Kompetenzen nur leistungsbezogen erfasst und gemessen werden können, jedoch nie durch einzelne und isolierte Darstellungen zu erfassen sind. Bei der Förderung von Kompetenzen ist daher auf eine ausreichende Menge von Kontexten und Transfers zu achten (ebenda, S.72 f.).
Bei den Bildungsstandards steht im Vordergrund das Individuum mit Kompetenzen auszustatten, so dass ein selbständiges und vor allem auch selbstverantwortliches Handeln und Bewältigen von Aufgaben ermöglicht wird (Gogoll, 2009, S.53).
Die Definition von dem Wort „Kompetenz“ scheint mit vielen verschiedenen Auffassungen zu sein. Da sich jedoch die Standards auch für den internationalen Vergleich eignen sollen, scheint die Aussage der PISA-Autoren plausibel, dass durch unterrichtliche Maßnahmen folgendes bewirkt werden soll:
Lernende sollen nicht nur in der Lage sein, Gehörtes, Gelesenes, Erfahrenes zu reproduzieren. Sie sollen auch in dafür geeigneten methodisch anspruchsvollen Prüfverfahren nachweisen, dass sie in der Lage sind, mit den Ergebnissen der Verarbeitung des zuvor (im Unterricht) Erfahrenen, also mit den Ergebnissen organisierten Lernens zu arbeiten, und zwar bei der Bewältigung praktischer Probleme und bei der Lösung neuer Lernaufgaben (Heid, 2007, S.30).
Man könnte auch zusammenfassend sagen, Kompetenzen sind erlernbare kognitive „Fähigkeiten und Fertigkeiten, die notwendig sind, um bestimme Probleme bzw. Aufgaben lösen zu können“ (Köller, 2007, S.16).
Daraus ergibt sich, dass das Kompetenzkonstrukt nicht bloß aus reinem Wissen und Können besteht, sondern auch aus einer verantwortlichen Handlungsfähigkeit. Man unterscheidet in drei Kompetenzen:
- man ist fähig selbstverantwortlich zu Handeln (Selbstkompetenz)
- man ist fähig für Sachbereiche zu Urteilen und zu Handeln (Sachkompetenz)
- man ist fähig über gesellschaftliche relevante Sach- und Sozialbereiche zu Urteilen und dafür zu Handeln (Sozialkompetenz)
Früher ging der Begriff Kompetenz mit dem höchsten allgemeinen Bildungsziel einher, die Basiskompetenzen setzen bewusst niedriger an. „Die Begriffe Kompetenz und Bildung stehen damit nicht mehr auf einer Ebene, sondern bedeuten unterschiedliche Ausprägungsgrade von Bildung“ (Gogoll, 2009, S.53; Gogoll 2010, S.112).
Die Kompetenzen, die Klieme in seiner Expertise nennt, untergliedern sich zwar anders, doch ist ein wesentlicher Punkt die Neuausrichtung des Bildungsverständnisses, dass sich an der untersten Stufe orientiert, welche auf ein höheres Niveau gesteigert werden kann. Ein weiterer Gewinn durch die Neujustierung der Bildungserwartungen könnte sein, dass selbst im Enttäuschungsfall wertvolle Konsequenzen gezogen werden können. So können beispielsweise die Schülerinnen und Schüler eine gezielte Förderung erhalten, um das anvisierte Minimum zu erreichen. Ebenso sieht eine Schule vorhandene Schwächen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Vor allem aber würde dies zu einem Hinterfragen der Ergebnisse führen, was mindestens genauso wichtig ist (Gogoll, 2009, S53 f.).
Aus Sicht der pädagogischen Psychologie unterscheidet man Kompetenzen in einem inhaltlich engeren und weiteren Sinne.
Der inhaltlich enge Sinn meint, dass Kompetenz hauptsächlich als funktionales Konstrukt verstanden wird, das sich nur auf ganz spezielle Situationen bezieht. Das Konstrukt der Kompetenz ist ein Netzwerk aus Kenntnissen, Fertigkeiten und Strategien, die dabei helfen die spezifische Situation zu lösen.
Im weiteren Sinne bezieht sich der Kompetenzbegriff nicht nur auf die kognitiven Dispositionen, sondern etwa auch auf motivationale, volitionale, soziale und moralische Komponenten. Erfolgreiches Handeln gründet demnach auf der „Handlungskompetenz“ (Gogoll, 2010, S.113 f.).
Die alten Lehrpläne präzisierten stärker die Unterrichtsinhalte und wurden im Sinne der Outputsteuerung durch die Fokussierung von Kompetenzen abgelöst. Der Unterricht orientiert sich nun an dem Aufbau der zu erreichenden Kompetenzen, was zugleich die Steuerung wiederspiegelt. Wesentlich bei der neuen Qualitätssicherung ist aber auch, dass die Kompetenzen mit Hilfe von Messinstrumenten operationalisiert werden, das heißt entsprechende Test zur Überprüfung entwickelt werden (Köller, 2007, S.16). Folglich bedeutet dies, dass man die Bildungsstandards auf konkrete Aufgaben und sowohl valide, als auch reliable Testitems herunterbrechen muss, damit die Einstufung der Kompetenzen geschehen kann. Weiterhin müssen dafür die Kompetenzen zunächst inhaltlich präzisiert werden, damit man dann Abstufungen treffen kann und somit Mindest-, Regel- und Idealstandards formuliert werden können. Ab der PISA-Erhebung 2006 fand eine solche Normierung statt, so dass es für die getesteten Fächer möglich ist die Leistungen durch Bereiche zu bewerten (ebenda, S.20).
Das theoretische Konstrukt der Kompetenz, wie es für die Bildungsstandards benötigt wird, stellt Helmut Heid recht anschaulich dar:
Abb. 2: Das theoretische Konstrukt der Kompetenz (Heid, 2007, S.32).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Kompetenzbegriff ist im Zusammenhang mit Bildungsstandards immer wichtiger geworden, wie man aus dem Schema zum Status und Funktion der Kompetenz (Abb.2) entnehmen kann. Man kann sogar so weit gehen, dass Bildungsstandards ohne die Vorgabe von entsprechenden Kompetenzen gar nicht durchführbar wären, da durch sie präzisiert und operationalisiert werden kann, was die Schüler zu bestimmten Zeitpunkten können sollen (Heid, 2007, S.32).
Um das zu überprüfen sind Testaufgaben notwendig, die die formulierten Kompetenzen beinhalten, denn die Bildungsstandards werden nicht allein durch das Formulieren ein Steuerungsinstrument (Kurz & Gogoll, 2010, S.230).
Hierbei ist der Unterschied zwischen Test- und didaktischen Aufgaben zu beachten. Nicht aus allen Testaufgaben können ohne weiteres sinnvolle didaktische Aufgaben abgeleitet werden. Selbst in den PISA-Aufgaben finden sich Schwachstellen, wenn man sie an den Kriterien für didaktisch anspruchsvolle Aufgaben analysiert (Benner, 2007, S.128).
Wichtige Aspekte die man bei didaktischen Aufgaben beachten sollte, sind zum Beispiel der Sinn und Ertrag aus Anwendungsaufgaben und die Nachhaltigkeit der Lösung. Außerdem sollte man hervorheben, dass Anwendungsprobleme oft Problemkonstellationen ökonomischer, pädagogischer, ethnischer, politischer, ästhetischer oder religiöser Herkunft sind und diese auch logischerweise im Hinblick darauf zu lösen sind. Für die Konstruktion von Testaufgaben sind andere Dinge zu beachten. Durch sie sollten basale Wissensstrukturen überprüft, eine Evaluation der Lehr-Lernprozesse, sowie Anregungen für neue didaktische und methodische Arrangements ermöglicht werden (ebenda, S.128 f.).
Damit beide Arten von Aufgaben Früchte tragen, sollte eine Wechselwirkung stattfinden. Das bedeutet, dass Testaufgaben so formuliert werden, dass in ihnen auch didaktische Aufgaben auftauchen und den Inhalt mitbestimmen. Eine andere Möglichkeit wäre die Testergebnisse zu nutzen um didaktische Aufgaben zu konstruieren und den Schwierigkeitsgrad zu überprüfen. Auch für die Evaluation lässt sich das Risiko einer bloßen Aufgabenorientierung einschränken, indem man offene Fragen stellt. Diese könnten durch Erkundungen oder auch fächerübergreifende Projekte bearbeitet und evaluiert werden (ebenda, S.129).
Eine Verknüpfung von didaktischen Aufgaben und Testaufgaben hat daher einen besonders großen Stellenwert und spielt auch eine wichtige Rolle bei der Überprüfbarkeit durch Testitems und deren Entwicklung für die Bildungsstandards.
Wie bereits in 2.2.1 beschrieben dürfen die Bildungsstandards - und damit auch Tests, bzw. Vergleichsarbeiten - nicht als bloßes Instrument der Notengebung eingesetzt werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist, weil Erfahrungen aus den USA belegen, dass durch das Einführen von Tests ein sogenanntes „teaching to the test“ stattfindet. Die Schüler lernen nur entsprechend notwendige Aufgaben im Unterricht und es käme zu einer falschen Leistungswahrnehmung (Herrmann, 2003, S.628).
Es scheint keine leichte Aufgabe geeignete Kompetenzen und passende Testitems zu entwickeln. Diese sind jedoch zur Verwirklichung der Bildungsstandards unabdingbar, da Bildungsstandards die Messlatte zur Erfassung des outputs sein sollen (Kurz & Gogoll, 2010, S.230).
Zu beachten ist auch noch, dass die Tests je nach Rückmeldungsebene und Hauptfunktion unterschiedlich sein müssen, da sich die Anforderungen unterscheiden (Kurz, 2008, S.28).
Bereits hier wird deutlich, dass im Zuge der Standardisierung einige Schwierigkeiten in der Umsetzung auftauchen, die es noch zu lösen gilt.
2.2.3 Die Bildungsstandards sind da – und nun?
Die Kultusministerkonferenz hat am 23./24.05.2002 beschlossen, für ausgewählte Schnittstellen der allgemein bildenden Schularten - Primarbereich (Jahrgangsstufe 4), Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9), Mittlerer Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10) - Bildungsstandards zu erarbeiten. Mit Beschluss vom 04.12.2003 hat die Kultusministerkonferenz eine „Vereinbarung über Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10)“ getroffen (KMK, 2004b, S.3).
Bundesweite Bildungsstandards gelten bislang im Primarbereich für die Fächer Deutsch und Mathematik. Für den Hauptschulabschluss haben die Fächer Deutsch, Mathematik und die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) verbindliche Bildungsstandards. Für den Mittleren Schulabschluss sind es die Fächer Deutsch, Mathematik, die Erste Fremdsprache (Englisch/Französisch), sowie Biologie, Chemie und Physik (KMK, 2004b).
Mit Hilfe der Bildungsstandards erhoffte man sich auf Ebene der Politik unter anderem ein besseres Ergebnis im internationalen Vergleich. Es gilt jedoch zugleich als Meilenstein in der Bildung, dass die Politik regelmäßig das Erreichen von Kompetenzen und Standards überprüft und sich mit den Bildungserträgen auseinandersetzt (Köller, 2007, S.13).
Da von einem längeren Prozess ausgegangen wird, ist es schwierig zu sagen ob und wann die Bildungsstandards bei internationalen Vergleichen Wirkung zeigen werden (Köller, 2007, S.15). Man ist mittlerweile soweit, dass man plant parallel zu PISA, IGLU/PIRS und TIMSS immer mehr Fächer im nationalen Vergleich an den Bildungsstandards zu messen. Im Grundschulbereich wird dies im Fünf-Jahres-Rhythmus gehandhabt zu IGLU/PIRS, beginnend im Jahr 2011. Für die Sekundarstufe I war das Einstiegsjahr bei PISA 2009 mit den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Im Jahr 2012 folgen die Vergleiche in Mathematik und den Naturwissenschaften. Die Überprüfungen werden von da an mit einem Sechs-Jahres-Rhythmus fortgesetzt, wobei Sprachen und Mathematik/Naturwissenschaften getrennt geprüft werden. Bei dem Vergleich geht es vor allem um die 8. und 9. Jahrgangsstufen, welche zum Hauptschul- und mittleren Abschluss führen (ebenda, S.21).
Die Bildungsstandards wurden eingeführt um die Messbarkeit des „Bewirkten“ zu ermöglichen. Was nun aber die Leistungen der Schüler zwangsläufig mit der Leistung der Lehrenden und der Qualität der Schule, bzw. des Unterrichts zu tun haben, ist nur schwer aus der Outputüberprüfung herauszufiltern (Heid, 2007, S.32).
Denn wenn die Standards die Funktion der Sicherung und Überprüfung hätten, so wären nach Heid mehrere Schlussfolgerungen möglich:
- Wer das in Standards Kodifizierte nicht nachweist, hat nicht erfolgreich gelernt.
- Lernmisserfolge sind Resultat mangelnden Lehrerfolgs – oder der Lehrperson ist es im konkreten Misserfolgsfall nicht gelungen, Lernerfolge zu ermöglichen.
- Lehrmisserfolg ist Resultat geringer oder fehlender Lehrkompetenz – oder verweist auf fehlende Lehrkompetenz.
- Geringe Lehrkompetenz ist Resultat erfolgloser Lehrerbildung – oder verweist auf Mängel in der Lehrerbildung.
- Erfolglose Lehrerbildung ist das Resultat fehlender oder „falscher“ erziehungswissenschaftlicher Theorien oder unzulänglicher Bildungsforschung – oder: verweist auf Defizite in der Bildungsforschung (ebenda, S.39).
Es ist relativ offensichtlich, dass die Argumentationskette so nicht zulässig ist. Heid zeigt auf, dass spätestens nach den ersten beiden Schlussfolgerungen Grenzen der Zulässigkeit überschritten werden, dabei wären gerade die weiteren Schritte wichtig für die Lehrerbildung, Lehrkompetenzentwicklung und Qualitätssicherung des Unterrichts (ebenda, S.39).
Wie also sollen sich durch bloße Standardisierung eindeutige Rückschlüsse auf Leistung und Qualität ziehen lassen?
Letztlich lassen sich zwei Problemstränge ausmachen. Zum einen führen Standards zu einer deutlichen Engführung des Faches und beschränken es nur auf das wesentliche, zum anderen wurde die Qualitätssicherung vorerst nur für Kernfächer eingeführt und zumindest von offizieller Seite her, scheint in den anderen Fächern eine Qualitätssicherung nicht notwendig (Serwe, 2010, S.135).
Offen bleibt auch, ob die Bildungsstandards als übereifriges Produkt noch zu unausgereift sind, um sie in allen Fächern umzusetzen oder dies überhaupt je zufriedenstellend möglich sein wird. Auf den Schultern der ästhetisch-expressiven Fächer Sport, Kunst und Musik, lastet nun ein großer Legitimationsdruck und Ungewissheit, sollte die Aufgabe sinnvolle Bildungsstandards für das Fach zu formulieren nicht gemeistert werden (Franke, 2008, S.10).
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783955495633
- ISBN (Paperback)
- 9783955490638
- Dateigröße
- 1.7 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Technische Universität Dortmund
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Bildungsstandard Kultusministerkonferenz Expertise Kompetenzmodelle Pädagogik