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Erfolgt das Informations-Integrations-Kategorienlernen über das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis? Eine empirische Studie

©2011 Bachelorarbeit 58 Seiten

Zusammenfassung

Würden Sie eine Eule immer als Eule erkennen? Natürlich, werden Sie sich jetzt denken. Aber warum ist das so? Das liegt daran, dass der Mensch in der Lage ist Objekte mit ähnlichen Merkmalen zu Kategorien zusammenzufassen. Diese Kategorien können dabei auf unterschiedliche Art und Weise gebildet werden. Im Falle der Eule spricht man von regelbasiertem Kategorienlernen. Die Merkmale, die erfüllt sein müssen, um eine Eule als Eule zu kategorisieren, sind derart miteinander verknüpft, dass dies leicht verbalisiert werden kann; im Falle der Eule: „Wenn ein Vogel einen gekrümmten Schnabel und einen runden Kopf und nach vorn gerichtete Augen hat, dann ist es eine Eule.“. Manchmal sind die Merkmale allerdings auch derart verknüpft, dass sich eine Regel nur schwer oder gar nicht formulieren lässt. In dem Fall spricht man von Informations-Integrations-Kategorienlernen. Viele Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Frage welche Prozesse den beiden Formen des Kategorienlernens zugrunde liegen. Während für das regelbasierte Lernen der allgemeine Konsens besteht, dass es stark abhängig vom verbalen Arbeitsgedächtnis ist, existiert keine derartige Einigkeit bezüglich des Informations-Integrations-Kategorienlernens. Die weit verbreitete COVIS-Theorie (Ashby, Alfonso-Reese, Turken & Waldron, 1998) nimmt ein prozedural lernendes System an, das die Kategorienzugehörigkeit über Assoziationen bildet und daher stark abhängig ist von Feedback. Eine neue Theorie (Minda & Miles, 2010) besagt, dass das Informations-Integrations-Kategorienlernen über das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis erfolgt und demnach auch ohne Feedback gelingen sollte. Diese neuere Theorie wird in diesem Buch anhand einer empirischen Studie überprüft. Dazu wird untersucht, ob das Informations-Integrations-Kategorienlernen noch möglich ist, wenn entweder das verbale oder das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis durch eine Zusatzaufgabe ausgelastet ist und für den Lernprozess nicht zur Verfügung steht.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


5.3 Zusammenfassende
Diskussion
...
39
5.4 Ausblick
... 40
Literatur ... 43
Anhang A ... 48
Anhang B ... 49
Anhang C ... 50

1
1 Einleitung
Das Kategorisieren erlaubt es uns die immense Masse an Informationen, der wir ständig
ausgesetzt sind, zu komprimieren und basiert darauf, dass verschiedene Objekte, die sich in
bestimmten Merkmalen ähneln, die gleiche Reaktion hervorrufen. Anstatt also für jedes uns
neue Objekt eine eigene Kategorie entwickeln zu müssen, können wir dieses in eine bereits
bestehende Kategorie einordnen, in dem sich Objekte mit ähnlichen Merkmalen befinden, die
die gleiche Reaktion nach sich ziehen. Doch wie verhält es sich, wenn man mit Objekten
konfrontiert wird für die noch keine passenden Kategorien vorhanden sind? In dem Fall
müssen die Objekte auf Ähnlichkeiten in relevanten Merkmalen überprüft werden, um neue
Kategorien bilden zu können, denen die Objekte dann zugeordnet werden. Aufgrund der Be-
deutung des Kategorisierens im Alltag ist es nicht verwunderlich, dass den Prozessen, die das
Bilden perzeptueller Kategorien beeinflussen, ein großes Interesse zuteil wurde. Im Laufe der
Zeit wurden unterschiedliche Formen des Kategorienlernens voneinander abgegrenzt und
auch verschiedene Theorien bezüglich der Prozesse, die hinter dem Lernprozess stehen, ent-
wickelt. Einen Überblick über die verschiedenen Formen und die angenommenen behaviora-
len und neuropsychologischen Prozesse während des perzeptuellen Kategorienlernens bietet
die Arbeit von Ashby und Maddox (2005).
In dieser Arbeit wird die Theorie von Minda und Miles (2010) untersucht, die den Einfluss
verbaler und nonverbaler Prozesse auf das Kategorienlernen beschreibt. Dabei beschränkt sich
die vorliegende Studie auf die Überprüfung des Einflusses des verbalen und des visuell-
räumlichen Arbeitsgedächtnisses auf das Informations-Integrations-Kategorien-lernen. Für die
Untersuchung wird die verbale oder die visuell-räumliche Komponente des Arbeitsgedächt-
nisses durch eine Kombination aus Delayed-Matching-Aufgabe und Dual-Task ausgelastet,
während die Zuordnung von Objekten zu den Kategorien erlernt werden muss.

2
2 Theoretischer
Hintergrund
Nachfolgend werden alle psychologischen Konstrukte, die für das Verständnis der Studie
notwendig sind, näher erläutert. Dabei ist zu beachten, dass nicht auf alle in der Literatur
beschriebenen Aspekte eingegangen wird, sondern nur auf diejenigen, die für die vorliegende
Arbeit von Relevanz sind.
2.1 Arbeitsgedächtnis
Die Begriffe ,,Arbeitsgedächtnis" und ,,Kurzzeitgedächtnis" werden häufig synonym
verwendet. Allerdings dient das Kurzzeitgedächtnis nur der Speicherung von Informationen,
während die Struktur des Arbeitsgedächtnisses komplexer und eher prozessorientiert ist.
Demnach kann das Arbeitsgedächtnis als eine Art Kurzzeitspeicher betrachtet werden, in dem
eine begrenzte Menge an Informationen, die für eine komplexe Aufgabenstellung von direkter
Relevanz ist, nicht nur aufrecht erhalten, sondern auch manipuliert wird (Miyake & Shah,
1999, zitiert nach DeCaro, Thomas & Beilock, 2008). Eines der einflussreichsten Arbeits-
gedächtniskonzepte stellt das von Baddeley und Hitch (1974) eingeführte Mehrkomponenten-
Modell dar. Dieses postulierten sie ausgehend von Experimenten, in denen das Kurzzeit-
gedächtnis durch das Behalten und Wiederholen von Zahlenreihen blockiert wurde, während
simultan komplexe Aufgaben wie logisches Denken, Verstehen oder Lernen bearbeitet werden
mussten. Das Modell umfasst zwei voneinander weitgehend unabhängige Speichersubsys-
teme: die Phonologische Schleife als verbales und den Visuospatialen Skizzenblock als visuell-
räumliches System. Die Unabhängigkeit dieser beiden Systeme wird durch Läsionsstudien
gestützt, in denen Patientengruppen mit unterschiedlichen Läsionen komplementäre Defizite
in verbalen und visuell-räumlichen Aufgaben zeigten (für einen Überblick siehe Della Sala &
Logie, 2002). Laut Baddeley (2010) beinhaltet die Phonologische Schleife einen begrenzten
Speicher, dessen Inhalt nach etwa zwei Sekunden verfällt, sofern dieser nicht durch Wieder-
holungsprozesse (Rehearsal) aufrecht erhalten wird. Zusätzlich können auch durch das Re-
hearsal verbalisierte Informationen von ehemals visuell präsentierten Stimuli gespeichert wer-
den. Der Visuospatiale Skizzenblock hingegen ist für das Memorieren und Manipulieren von
visuellen und räumlichen Informationen zuständig (Baddely, 2007). Ursprünglich wurde die-
ses Subsystem als einheitlicher Speicher betrachtet, allerdings liefern Ergebnisse aus Dual-
Task-Paradigmen (siehe 2.1.3.2) Evidenz für eine Trennung zwischen visuellen und räum-
lichen Informationen (u.a. Darling, Della Sala & Logie 2009; Della Sala, Gray, Baddeley,

3
Allamano & Wilson, 1999; Logie 2003). Die dritte Komponente, die Zentrale Exekutive, ist
die komplexeste und wohl am wenigsten verstandene Komponente innerhalb des Arbeitsge-
dächtnismodells. Sie koordiniert die beiden Subsysteme untereinander und stellte ursprüng-
lich einen Pool allgemeiner Verarbeitungskapazität für alle komplexen Prozesse dar, die sich
nicht eindeutig einem der beiden Subsysteme zuordnen ließen (Baddeley, 2003, 2007). Ba-
sierend auf den Arbeiten von Norman und Shallice (1986) zum Supervisory Attentional
System (SAS), wurde das Konzept der zentralen Exekutive in ein limitiertes Aufmerksam-
keitssystem ohne Speicherfähigkeit geändert. Ihre Funktion besteht seither zusätzlich zu der
Koordination der Subsysteme in der Fokussierung, der Teilung und dem Wechsel von
Aufmerksamkeit (Baddeley, 2003). Später wurde das Modell durch den episodischen Puffer
ergänzt, der fähig ist multimodale Episoden aus visuellen und auditorischen Informationen zu
speichern. Die ursprüngliche Annahme, er spiele durch das Bündeln von Informationen zu
integrierten Episoden eine aktive Rolle, wurde durch neue Studien (Baddeley, Hitch & Allen,
2009) nicht bestätigt. Daher wird angenommen, dass er eher als passiver Speicher dient.
Zusätzlich bildet er die Schnittstelle der bisherigen drei Komponenten mit dem Langzeitge-
dächtnis (Baddeley, 2007). Die Ergänzung dieses weiteren multimodalen Speichersubsystems
war nötig, da dem Modell ein System fehlte, das den Prozess des Chunkings und die Interak-
tion mit dem Langzeitgedächtnis sowie die Interaktion zwischen der Phonologischen Schleife
und dem Visuospatielen Skizzenblock ermöglichte (Baddeley, 2003).
Abbildung 1.
Das revidierte Mehrkomponenten-Modell (nach Baddeley, 2010). Es ist deutlich, dass die
Phonologische Schleife und der Visuospatiale Skizzenblock über den episodischen Puffer in Interaktion treten
können und dieser für alle Komponenten die Schnittstelle zum Langzeitgedächtnis bildet. Die zentrale Exkutive
als Aufmerksamkeitssystem steht in Verbindung mit allen Subsytemen und koordiniert diese.

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Demnach beinhaltet das revidierte Modell eine Kontrollinstanz für die Aufmerksamkeit, die
zentrale Exekutive, und drei temporäre Speichersysteme, die Phonologische Schleife, den
Visuospatialen Skizzenblock und ein allgemeineres multimodales Speichersystem, den
episodischen Puffer. Abbildung 1 stellt das aktuelle Arbeitsgedächtnismodell dar. Folgend
werden die für die vorliegende Arbeit relevanten Komponenten, die Phonologische Schleife
und der Visuospatiale Skizzenblock, näher erläutert.
2.1.1 Phonologische
Schleife
Die Phonologische Schleife stellt das verbale Subsytem in Baddeleys und Hitchs 1974
postuliertem Arbeitsgedächtnismodell dar. Sie nehmen an, dass die Phonologische Schleife
aus zwei Komponenten besteht: dem phonologischen Speicher und dem artikulatorischen Re-
hearsalprozess. Laut Baddeley (2010) können im phonologischen Speicher verbale Gedächt-
nisspuren für etwa zwei Sekunden gehalten werden, bevor sie verfallen. Das Rehearsal
dagegen ist ein aktiver Prozess, der dem Verfall dieser Gedächtnisspuren durch verbales oder
subvokales Wiederholen entgegenwirkt. Weiterhin wird es benötigt, um die Grapheme visuell
präsentierten Materials in Phoneme umzuwandeln, sodass diese in den phonologischen
Speicher gelangen können. Demnach kann visuell verbale Information stets nur über den Um-
weg des Rehearsals in den Speicher eintreten, während akustisch präsentiertes Material
direkten Zugang besitzt. Dieses bildet die Ausgangslage für eine weitere Annahme, die besagt,
dass das Wiederholen von Wörtern, die nicht im Zusammenhang mit der eigentlichen Aufgabe
stehen (artikulatorische Unterdrückung) verhindert, dass visuelles in phonologisches Material
umkodiert werden und somit in den phonologischen Speicher gelangen kann (Baddeley, 2010).
Dies ist eine oft verwendete Methode, wenn sichergestellt werden soll, dass Informationen
nicht verbalisiert werden. Im Gegensatz dazu kann akustisches Material, aufgrund eines
direkten Zugangs zum phonologischen Speicher, aufgenommen werden, auch wenn die
phonologische Schleife bereits verwendet wird (Dittrich, 2009).
Die artikulatorische Unterdrückung stellt einen der vier Effekte dar, die als Evidenz für die
phonologische Schleife herangezogen werden. Der phonologische Ähnlichkeitseffekt, der
Wortlängeneffekt und der Effekt irrelevanter Sprache bilden die übrigen Effekte (Baddely
2003, 2010; für einen Überblick siehe Logie, 1995), welche allerdings für die vorliegende
Arbeit nicht von Relevanz sind und daher nicht näher erläutert werden.

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2.1.2 Visuospatialer
Skizzenblock
Der Visuospatiale Skizzenblock stellt das visuell-räumliche Subsystem im Arbeitsge-
dächtnismodell von Baddeley und Hitch (1974) dar, dessen Speicherkapazität bei etwa drei
bis vier (komplexen) Objekten liegt, die wiederum mehrere Merkmale, wie z.B. Farbe, Größe
und Form umfassen können (Luck & Vogel, 1997). Dies spricht dafür, dass das visuell-räum-
liche Arbeitsgedächtnis die Eigenschaften komplexer Objekte in ähnlicher Weise zusammen-
fasst, wie das verbale Arbeitsgedächtnis Buchstaben zu einem Wort. Ursprünglich wurde das
System als einheitlicher Speicher für visuelle und räumliche Informationen konzipiert, ohne
dass eine genauere Differenzierung vorgenommen wurde. Logie (1995) schlug analog zur
phonologischen Schleife ein detaillierteres Modell des Skizzenblocks vor, in dem zwischen
einem passiven visuellen Speicher und einer aktiven Komponente, dem inneren Skizzieren
unterschieden wird. Während im visuellen Speicher Informationen über die visuelle Erschei-
nung eines Reizes, wie z.B. Farbe, Form oder Struktur, gespeichert werden, dient das innere
Skizzieren als Rehearsal für räumliche Informationen und ermöglicht das Aufrechterhalten
der Informationen im visuellen Speicher (Rudkin, Pearson & Logie, 2007). Dazu werden
dynamische Informationen wie die Bewegung zwischen den Stimuluspositionen wiederholt.
Dieser aktive Prozess bedarf im Gegensatz zum passiven Speicher einer starken Aufmerk-
samkeitskontrolle (Logie, 2003). Der Prozess des artikulatorischen Rehearsals spielt ebenfalls
eine wichtige Rolle für das Memorieren von Reizen im Visuospatialen Skizzenblock. Indem
visuelle und räumliche Informationen in verbale Informationen umgewandelt werden, wie z.B.
,,blaues Quadrat links oben" (Wynn & Coolidge, 2010), können sie zusätzlich in der
phonologischen Schleife gespeichert werden. Daher werden idealerweise nicht-verbalisierbare
visuelle und räumliche Reize als Stimuli verwendet, um eine Kontamination der Resultate
durch verbale Ersatzstrategien zu vermeiden. Alternativ kann auch über die artikulatorische
Unterdrückung eine Verbalisierung des Materials verhindert werden.
2.1.3 Methodiken
zur
Überprüfung
des
Arbeitsgedächtnisses
Es existiert eine Reihe an Methoden für die Untersuchung von Arbeitsgedächtnisleistungen,
die sich hinsichtlich der untersuchten Modalität (verbal / visuell-räumlich) und der Aufgaben-
stellung unterscheiden. Eine typische Methode ist die Delayed-Matching-to-Sample-Aufgabe,
in der das einfache Aufrechterhalten von Informationen untersucht wird. Sie bietet vielfältige
Variationen und kann so der jeweiligen Fragestellung angepasst werden. Eine weitere Metho-

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de, die nicht explizit für das Arbeitsgedächtnis entwickelt wurde, sondern für die Untersu-
chung der Verteilung kognitiver Ressourcen, ist das Dual-Task-Paradigma. Dieses Paradigma
wird oft genutzt, um Aufschluss darüber zu erhalten welche Komponenten des Arbeitsge-
dächtnisses in andere Aufgaben, wie z.B. das in dieser Studie untersuchte Kategorienlernen,
involviert sind. Beide Methodiken werden in der vorliegenden Studie verwendet und daher
nun näher erläutert.
2.1.3.1 Delayed-Matching-to-Sample-Aufgaben
Delayed-Matching-to-Sample-Aufgaben werden oft verwendet, um Gedächtnisfunktionen zu
überprüfen. Dazu wird zunächst ein meist komplexer visueller oder auditiver Reiz präsentiert,
der memoriert werden muss. Nach einem Delay (auch Behaltens- oder Retentionsintervall)
wird meist ein Teststimulus präsentiert, der danach beurteilt werden muss, ob er in dem zuvor
zu memorierenden Reiz enthalten war oder nicht. Oftmals stehen zur Abfrage auch mehrere
Reize gleichzeitig zur Auswahl und der anfangs präsentierte Reiz muss aus diesen
wiedererkannt werden. Dieses Aufgabenparadigma ermöglicht eine Vielzahl an Variationen
und kann so der jeweiligen Fragestellung der Untersuchung angepasst werden.
2.1.3.2 Dual-Task-Paradigma
Das Dual-Task-Paradigma bzw. Zweitaufgabenparadigma, wird häufig verwendet, um die
Verteilung von Ressourcen zu überprüfen. Dazu werden die Probanden aufgefordert zwei
Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten. Im Vergleich zu Bedingungen, in denen die Aufgaben
einzelnen bearbeitet werden, findet hierbei zumeist eine Leistungsverschlechterung statt
(Pashler, 1994). Für diese auftretenden Interferenzen gibt es zahlreiche Erklärungsansätze (für
einen Überblick siehe Tombu & Jolicoeur, 2003), wobei sich vor allem die Ressourcentheorie
durchgesetzt hat. In der vorliegenden Studie ist die multiple Ressourcentheorie nach Navon
und Gopher (1979) von Relevanz. Sie nehmen die Existenz von verschiedenen kognitiven
Ressourcen an, sodass zwei zu bearbeitende Aufgaben in dem Maße miteinander interferieren,
in dem sie die gleichen Ressourcen beanspruchen. Dies bedeutet auch, dass zwei Aufgaben,
die keine gemeinsamen Ressourcen miteinander teilen, gleichzeitig bearbeitet werden können,
ohne dass Interferenzen auftreten. (Navon und Gopher 1979, zitiert nach Tombu & Jolicoeur,
2003) Als Evidenz für multiple Systeme gilt häufig die Dissoziation verschiedener Ressour-

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cen in einem Dual-Task-Paradigma. Dabei ist in der vorliegenden Arbeit die einfache Disso-
ziation relevant. Diese tritt auf, wenn eine zusätzliche Aufgabe selektiv die Leistung in der
Aufgabe A, nicht aber in der Aufgabe B beeinträchtigt. Ein solcher Befund wird häufig damit
erklärt, dass die Zusatzaufgabe Ressourcen beansprucht, die zur Bearbeitung von Aufgabe A,
nicht aber zur Bearbeitung von Aufgabe B benötigt werden.
2.2 Kategorienlernen
Das Kategorisieren beschreibt die Zuordnung von (neuen) Objekten zu Kategorien, in denen
sich Objekte mit ähnlichen Merkmalen befinden. So wird z.B. ein unbekanntes Tier, das zwei
Flügel, einen Schnabel, Federn, einen großen runden Kopf und nach vorn gerichtete Augen
besitzt, stets in die Kategorie ,,Eule" eingeordnet werden. Um allerdings das perzeptuelle
Erlernen von neuen Kategorien und die damit einhergehenden Prozesse untersuchen zu
können, ist es notwendig der Person nicht nur unbekannte Objekte, sondern auch unbekannte
Kategorien vorzulegen und ihr Verhalten im Verlauf des Lernprozesses zu beobachten (Ashby
& Maddox, 2005). Hierfür werden der Person mehrere Objekte präsentiert, die jeweils einer
von mindestens zwei verschiedenen Kategorien angehören. Die Aufgabe besteht grundsätz-
lich darin, die Objekte miteinander zu vergleichen und zu lernen, welche Objekte welcher
Kategorie zuzuordnen sind. Dabei werden verschiedene Formen des perzeptuellen Lernens
unterschieden, wobei folgend nur auf das regelbasierte und das Informations-Integrations-
Kategorienlernen eingegangen wird (für einen Überblick siehe Ashby & Maddox, 2005).
2.2.1 Regelbasiertes
Kategorienlernen
In Aufgaben, die regelbasiertes Kategorienlernen erfordern, können die Kategorien über
explizite Regeln erlernt werden, die für gewöhnlich einfach zu verbalisieren sind. Häufig ist
für die Zuordnung der Objekte (folgend Stimuli) nur eine Dimension relevant, z.B. ,,alle
schwarzen Stimuli gehören zu Kategorie A und alle weißen Stimuli zu Kategorie B" (Shepard,
Hovland & Jenkins, 1961). Allerdings stellt die Eindimensionalität keine Pflicht für regel-
basiertes Lernen dar, denn auch aus mehreren Dimensionen kombinierte Regeln können sich
einfach verbalisieren lassen (Ashby & Maddox, 2005), z.B. ,,alle schwarzen Dreiecke und alle
weißen Quadrate gehören zu Kategorie A und alle weißen Dreiecke und alle schwarzen
Quadrate zu Kategorie B" (Shepardet al., 1961). Als Voraussetzung für regelbasiertes Katego-

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rienlernen wird somit die Möglichkeit der Verbalisierung der optimalen Zuordnungsregel
betrachtet. Ashby und Maddox (2005) beschreiben drei Bedingungen, die dafür erfüllt sein
müssen. Zunächst muss für jede Eigenschaft bzw. Dimension der Stimuli, die für die korrekte
Zuordnung relevant ist, eine semantische Bezeichnung vorhanden sein. Dies wären bei den
genannten Beispielen ,,Farbe" bzw. ,,Form". Des
Weiteren
muss
es
möglich
sein,
die
Aufmerk-
samkeit
auf
jede
dieser
Eigenschaften selektiv richten zu können. Dies ist der Fall, wenn die
Merkmale der Stimuli voneinander separierbar sind (Ashby & Maddox, 1994). Zuletzt muss
die Regel, in der die Ausprägungen der Stimuli auf den relevanten Dimensionen kombiniert
werden, selbst verbalisierbar sein. Dazu muss es möglich sein unabhängige Entscheidungen
für die Ausprägungen auf den einzelnen Dimensionen treffen zu können, um daraufhin die
separaten Entscheidungen mithilfe von logischen Konjunktionen, wie ,,und", ,,oder" und
,,nicht" zu einer Regel zu kombinieren. In dem oben genannten Beispiel für eine verknüpfte
Regel wäre die Kombination aus den Einzelentscheidungen ,,Für die Kategorie A muss ein
Stimulus weiß und ein Dreieck sein oder schwarz und ein Quadrat, sonst gehört er zu
Kategorie B.". Sind diese drei Bedingungen erfüllt, lässt sich die Zuordnung zu den einzelnen
Kategorien über eine explizite Regel ausdrücken, sodass regelbasiertes Kategorienlernen am
ehesten zu einer perfekten Leistung führt (Minda & Miles, 2010).
2.2.2 Informations-Integrations-Kategorienlernen
Gegensätzlich zum regelbasierten Lernen sind Informations-Integrations-Aufgaben dadurch
gekennzeichnet, dass sich die optimale Zuordnung nicht oder nur sehr schwer verbalisieren
lässt. Diese Tatsache entsteht daraus, dass die Entscheidungen über die Ausprägungen auf den
einzelnen Dimensionen nicht separierbar sind, sodass die Informationen aus den einzelnen
relevanten Dimensionen integriert werden müssen, bevor eine Entscheidung über die
Kategorienzugehörigkeit getroffen werden kann (Ashby & Maddox, 2005). Des Weiteren
kann die optimale Entscheidungsgrenze, die die Kategorien voneinander trennt und aus der
sich die Zuordnungsregel ergibt, bei Informations-Integrations-Aufgaben (auch bei regelba-
sierten Aufgaben) sowohl linear als auch nichtlinear sein (ein Beispiel für eine lineare
Entscheidungsgrenze in regelbasierten und Informations-Integrations-Aufgaben befindet sich
im Anhang A). Linear bedeutet in dem Zusammenhang, das die Unterscheidung zwischen den
Kategorien am besten durch eine Grenze erfolgt, die einen linearen Anstieg besitzt, d.h.
mathematisch durch eine lineare Funktion (y= mx+n) ausgedrückt werden kann. Die Theorie

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der Entscheidungsgrenzen (decision bound theory) nimmt an, dass Personen beim Erlernen
der Kategorien den Wahrnehmungsraum der Stimuli (der Wahrnehmungsraum kann als
Koordinatensystem betrachtet werden, das durch die Dimensionen der Stimuli aufgespannt
wird) in Regionen aufteilen, denen Reaktionen zugeordnet werden (Maddox & Ashby, 1993).
Fällt demnach ein präsentierter Stimulus z.B. in die Region A des multidimensionalen Raums,
wird auf ihn mit der assoziierten Reaktion, in dem Fall die Zuordnung zu Kategorie A,
geantwortet. Dabei wird aufgrund einer Studie von Ashby und Waldron (1999) vermutet, dass
nicht die Entscheidungsgrenze, sondern die Regionen mit den assoziierten Reaktionen gelernt
werden, sodass perzeptuelles Kategorienlernen im Fall einer Informations-Integrations-Auf-
gabe nicht parametrisch erfolgt. Diese Tatsache ist noch strittig, hat jedoch keinen Einfluss
auf die Theorie der Entscheidungsgrenzen, da sie sowohl als parametrisch (Lernen der Ent-
scheidungsgrenzen) als auch als nicht parametrisch (Lernen der Regionen assoziiert mit den
Reaktionen) ausgelegt werden kann (Ashby & Maddox, 2005).
2.2.3 COVIS-Theorie
Im Laufe der Zeit wurden viele Theorien und Modelle entwickelt, um die kognitiven Prozesse
während des perzeptuellen Kategorienlernens zu beschreiben. Eine von ihnen stellt die eben
beschriebene Theorie der Entscheidungsgrenzen dar. In den letzten Jahren wurden vor allem
Theorien postuliert, die von multiplen Kategorisierungssystemen ausgehen (u.a. Ashby,
Alfonso-Reese, Turken & Waldron, 1998; Erickson & Kruschke, 1998; Nosofsky, Palmeri &
McKinley, 1994). Während zwischen den meisten Theorien Einigkeit herrscht, dass eines der
Systeme explizit und eines implizit ist, herrscht Uneinigkeit über die Beschaffenheit des
impliziten Systems. Eine der verbreitetsten Theorien stellt das Competition of Verbal and
Implicit Systems (COVIS) von Ashby et al. (1998) dar, das ebenfalls zwischen einem System
für implizite und einem System für explizite Regeln differenziert und auf einer
neuropsychologischen Basis beruht (für einen Überblick der neuronalen Strukturen siehe
Ashby & Ell, 2001; Seger & Miller 2010). Wie der Name bereits vermuten lässt, wird eine Art
Wettbewerb zwischen den beiden Systemen angenommen, wobei anfänglich stets das expli-
zite System dominiert, da es vom Bewusstsein gesteuert wird. Im Laufe des Lernprozesses
setzt sich allerdings das System durch, das den größten Lernerfolg verspricht.

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Das explizite System, das dem Lernen von regelbasierten Kategorien dient, verwendet dem
Bewusstsein zugängliche Hypothesen, die relativ einfach verbalisierbar sind. Es ist stark
abhängig vom Arbeitsgedächtnis und der exekutiven Aufmerksamkeit. Das Arbeitsgedächtnis
wird benötigt, um potentielle Regeln im Gedächtnis zu behalten, während sie auf ihr Zutreffen
getestet werden. Dabei wird angenommen, dass eine Regel solange angewendet wird bis
etwas (z.B. ein negatives Feedback) ihre Richtigkeit widerlegt. In diesem Fall werden laut
COVIS zwei separate Prozesse aktiviert, die die Verwendung exekutiver Aufmerksamkeit er-
fordern. Zum Einen muss eine neue Regel gesucht und ausgewählt werden und zum Anderen
muss die Aufmerksamkeit von der alten auf die neue Regel gelenkt werden. Dabei wird ange-
nommen, dass die Auswahl der Regeln im Wesentlichen vom präfrontalen Cortex und dem
anterioren Cingulum gesteuert wird, während der Aufmerksamkeitswechsel wiederum im
Striatum (insbesondere dem Kopf des Nucleus caudatus) bestimmt wird (Ashby et al., 1998;
Ashby & Maddox, 2005).
Das implizite System, das unter anderem dem Lernen von Informations-Integrations-
Kategorien dient, stellt ein prozedural lernendes System dar, das dem Bewusstsein nicht
zugänglich ist. Die Kategorien werden im Sinne der Theorie der Entscheidungsgrenzen (siehe
weiter oben) erlernt, wonach Stimuli bestimmten Regionen innerhalb des Wahrnehmungs-
raums zugeordnet werden. Da diesem Lernen keine verbalen Regeln zugrunde gelegt werden
können, nehmen Ashby et al. (1998) an, dass es stark von einem zeitnahen Feedback abhängig
ist, um die geeignete Assoziation zwischen Stimulus und Reaktion zu stärken. Zwar existieren
Studien, die diese Vermutung stützen (Ashby, Maddox & Bohil, 2002; Maddox, Ashby &
Bohil, 2003), jedoch konnten Cincotta & Seger (2007) diese Abhängigkeit nicht replizieren.
Als neuronales Korrelat zum impliziten System wird der Schwanz des Nucleus caudatus
betrachtet, da er direkten Input aus den visuellen Arealen (ausgenommen V1) und dopami-
nergen Input aus der Substantia nigra erhält (Ashby et al., 1998, Ashby & Maddox, 2005).
2.2.4 Theorie des verbalen und nonverbalen Kategorienlernens
Minda
und
Miles
(2010)
postulieren
ebenfalls
eine
Theorie
multipler Kategorisierungs-systeme.
Sie schlagen eine Differenzierung nach verbalen und nonverbalen Prozessen vor, wonach sich
eines der Systeme stark auf verbale Fähigkeiten stützt und eines die nonverbalen Aspekte der
Stimuli und der Kategorie nutzt. Beide werden als kognitive Systeme, bestehend aus einer

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Sammlung kognitiver Prozesse, verstanden (Abb. 2). Mit ihrer Theorie nehmen sie erstmals
ein Unterteilung des Arbeitsgedächtnisses in Bezug auf das Kategorienlernen vor, wie es
bereits Maddox, Ashby, Ing und Pickering (2004) als möglich erachteten. Sie wiesen mit ihrer
Aussage ,,A third, intriguing possibility is that working memory is involved in both rule-based
and information integration category learning, but that verbal working memory mediates rule-
based learning, whereas visuospatial working memory mediates information integration
learning." (S. 590) auf einen neuen möglichen multiplen Systemansatz hin und schufen damit
die Grundlage für Minda und Miles' Theorie.
Abbildung 2.
schematische Darstellung der Theorie des verbalen und nonverbalen Kategorienlernens (nach
Minda & Miles, 2010). Das verbale System ist auf das verbale Arbeitsgedächtnis und auf exekutive Funktionen
angewiesen, während sich das nonverbale System auf das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis und auf die
Assoziation stützt. Zusätzlich bildet das mentale Vorstellungsvermögen eine weitere Komponente des nonver-
balen Systems.
Das verbale System nach Minda und Miles (2010) korrespondiert mit den meisten multiplen
Systemtheorien und lernt Kategorien, indem es versucht eine geeignete Regel zu finden, die
die Stimuli klassifizieren kann. Dafür bedient es sich zweier kognitiver Funktionen: dem
verbalen Arbeitsgedächtnis und der Fähigkeit des Hypothesentestens. Das verbale
Arbeitsgedächtnis, welches gleichzusetzen ist mit der phonologischen Schleife (siehe 2.1.1),

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783955495725
ISBN (Paperback)
9783955490720
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Kategorie Kategorienlernen regelbasiertes Lernen COVIS-Theorie Minda Miles

Autor

Melanie Lietz wurde 1990 in Schönebeck geboren. Ihr Bachelor-Studium der Psychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg schloss die Autorin im Jahr 2011 mit dem akademischen Grad Bachelor of Science erfolgreich ab. Nach dem Studium widmete sich Melanie Lietz ihren beiden Leidenschaften - der Wirtschaft und sozialen Projekten. Sie sammelte Erfahrungen im HR-Management in der Automobilbranche und leistete im Rahmen von Entwicklungshilfe Freiwilligenarbeit in Kapstadt. Derzeit widmet sich die Autorin wieder ihrer akademischen Ausbildung und studiert an der Universität Mannheim Wirtschaftspsychologie im Master.
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