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Leistungsorientierte Vergütung im Gesundheitswesen: P4P bei niedergelassenen Ärzten

©2012 Masterarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

In der heutigen Wirtschaftswelt ist es mittlerweile zum Standard geworden, dass die Mitarbeiter in Abhängigkeit des Unternehmenserfolges vergütet werden. Immer mehr Organisationen wenden sich von einer rein festverbindlichen Entlohnung ab und tendieren zu einer Kombination aus einem fixen und variablen Vergütungsanteil. Das Ziel dieser Vergütungsform liegt in den motivationalen Anreizen, die durch den variablen Entlohnungsanteil zum Ausdruck kommen. Dieser monetäre Anreiz hat das Ziel, die Motivation eines Mitarbeiters bei seiner Arbeitsverrichtung zu erhöhen, um den damit korrelierenden Unternehmenserfolg positiv zu beeinflussen.
In der Gesundheitsökonomie geht es hierbei um die Fragestellung, ob durch ein adäquates System von erfolgsorientierter Vergütung, die Versorgungsqualität verbessert, respektive die Versorgungskosten im Gesundheitswesen reduziert werden können. Gründe solcher Überlegungen sind auch in den stetig steigenden Gesundheitsausgaben sowie im Bedürfnis nach mehr Transparenz in der Versorgung zu finden. Neben den steigenden Gesundheitsausgaben und den damit verbundenen Beitragserhöhungen der Krankenversicherungen, kristallisiert sich sowohl politisch, als auch gesundheitsökonomisch ein Handlungsbedarf heraus, der dazu führt, in die bis dato bestehende Vergütungssystematik des Gesundheitswesens einzugreifen. Mittlerweile hat das Konzept der erfolgsabhängigen Vergütung an Relevanz zugenommen, sodass es in weiten Teilen institutioneller Leistungsfinanzierer wesentlicher Bestandteil der Kostenkompensation ist.
Das vorliegende Buch erläutert die wesentlichen Grundzüge dieser Vergütungssystematik und gibt Einblicke in bereits bestehende Indikatorenprogramme, mit denen die jeweilige Leistung gemessen und anschließend vergütet werden kann. Die Studie fokussiert damit die Methodik und Praxisrelevanz des P4P Konzeptes im Rahmen niedergelassener Leistungserbringer und betrachtet die Wirkungsmechanik dieses Entgeltprinzips kritisch. Neben der Entstehungsgeschichte von P4P werden zudem Spezifika des deutschen Gesundheitssystems, wie gesetzliche Anforderungen, unterschiedliche Vergütungsformen und Implementierungsmodalitäten erläutert, um anschließend den Aufbau des P4P Konzeptes ausführlich zu beschreiben. Das grundlegende Problem bei der performancebasierten Vergütung stellt die objektive Operationalisierung von medizinischen Leistungen dar. Hierfür werden neben allgemeinen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Qualitätsindikatoren, die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


IV
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
AOK Allgemeine
Ortskrankenkasse
App Application
AQUA
Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im
Gesundheitswesen
AQUIK
Ambulante Qualitätsindikatoren und Kennzahlen
ÄZQ
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin
BÄK Bundesärztekammer
BRD Bundesrepublik
Deutschland
bspw. beispielsweise
COPD
Chronic Obstructive Pulmonary Disease
D.C.
District of Columbia
DAX Deutscher
Aktienindex
Dr. Doktor
ebd. ebenda
EDV elektronische
Datenverarbeitung
EQUAM
Externe Qualitätssicherung in der Medizin
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
GBE
Gesundheitsberichterstattung des Bundes
GKV Gesetzliche
Krankenversicherung
GKV-WSG Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Kran-
kenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz)
HbA
1c
Glykohämoglobin (Hämoglobin A
1c
)
IHA
Integrated Healthcare Association
IOM Institute
of
Medicine
IQWiG
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
KBV Kassenärztliche
Bundesvereinigung
KVen Kassenärztliche
Vereinigungen
MDK
Medizinische Dienst der Krankenversicherung
NPCRDC
National Primary Care Research and Development Centre
Nr. Nummer
o.V. ohne
Verfasser

V
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
P4P Pay
for
Performance
Prof. Professor
QEP
Qualität und Entwicklung in Praxen
QiSA
Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung
QS-Reha
Qualitätssicherung medizinischer Rehabilitation
QuE
Qualität und Effizienz
QUINTH Qualitäts-Indikatoren-Thesaurus
RAND
Research and Development
S. Seite
SGB V
Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
SQG
Sektorübergreifende Qualität im Gesundheitswesen
SVR
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Ge-
sundheitswesen
u.a. und
andere
UCLA
University of California, Los Angeles
vgl. vergleiche
Vol. Volume


1
1 Einleitung
In der heutigen Wirtschaftswelt ist es mittlerweile zum Standard geworden, dass
die Mitarbeiter in Abhängigkeit des Unternehmenserfolges vergütet werden. Im-
mer mehr Organisationen wenden sich von einer rein festverbindlichen Entloh-
nung ab und tendieren zu einer Kombination aus einem fixen und variablen Ver-
gütungsanteil. Eine Untersuchung der DAX-30-Unternehmen und weiterer 160
nicht börsennotierter Organisationen zeigt, dass der variable Vergütungsanteil
zwischen 15 und 35 Prozent der jeweiligen Gesamtvergütung liegt und diese
Entlohnungssystematik bei über 43 Prozent der Mitarbeiter bereits Anwendung in
Form von Provisionen, Prämien oder Gratifikationen, findet.
1
Das Ziel dieser
Vergütungsform liegt in den motivationalen Anreizen, die durch den variablen
Entlohnungsanteil zum Ausdruck kommen. Dieser monetäre Anreiz hat das Ziel,
die Motivation eines Mitarbeiters bei seiner Arbeitsverrichtung zu erhöhen, um
den damit korrelierenden Unternehmenserfolg positiv zu beeinflussen.
2
Seit längerem werden ähnliche Ansätze im Rahmen der Gesundheitsökonomie
hinterfragt und diskutiert. Hierbei geht es um die Fragestellung, ob durch ein
adäquates System von erfolgsorientierter Vergütung, die Versorgungsqualität
verbessert, respektive die Versorgungskosten im Gesundheitswesen reduziert
werden können, da vermutet wird, dass im deutschen Gesundheitssystem mittel-
fristig 20 Milliarden Euro an Effizienzreserven schlummern.
3
Gründe solcher
Überlegungen sind auch in den stetig steigenden Gesundheitsausgaben sowie im
Bedürfnis nach mehr Transparenz in der Versorgung zu finden.
4
So umfasste
beispielsweise der deutsche Gesundheitsetat im Jahr 2009, 11,6 Prozent des Brut-
toinlandproduktes und lag damit 2,1 Prozentpunkte über dem Durchschnittswert
der OECD Länder.
5
Neben den steigenden Gesundheitsausgaben und den damit
verbundenen Beitragserhöhungen der Krankenversicherungen, kristallisiert sich
sowohl politisch
6
, als auch gesundheitsökonomisch ein Handlungsbedarf heraus,
der dazu führt, in die bis dato bestehende Vergütungssystematik des Gesundheits-
wesens einzugreifen. Erstmals im Jahr 1997 wurde durch den ,,Sachverständigen-
1
Vgl. Focus (2010), S. 1.
2
Vgl. FAZ (2006), S. 2.
3
Vgl. Welt (2006), S. 1.
4
Vgl. Bartholomäus (1999), S. 32.
5
Vgl. OECD (2011), S. 1.
6
Vgl. CDU u.a. (2009), S. 85.

2
rat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen" (SVR), das Thema
Pay for Performance, im Rahmen eines Sondergutachtens in den Mittelpunkt
gestellt.
7
Mittlerweile hat das Konzept der erfolgsabhängigen Vergütung an Rele-
vanz zugenommen, sodass es in weiten Teilen institutioneller Leistungsfinanzierer
wesentlicher Bestandteil der Kostenkompensation ist. Die vorliegende Arbeit
erläutert die wesentlichen Grundzüge dieser Vergütungssystematik und gibt Ein-
blicke in bereits bestehende Indikatorenprogramme, mit denen die jeweilige Leis-
tung gemessen und anschließend vergütet werden kann. Die Arbeit fokussiert
damit die Methodik und Praxisrelevanz des P4P Konzeptes im Rahmen niederge-
lassener Leistungserbringer und betrachtet die Wirkungsmechanik dieses Entgelt-
prinzips kritisch. Einleitend werden dazu in Kapitel 2 definitorische Grundlagen
geschaffen. Neben der Entstehungsgeschichte von P4P werden zudem Spezifika
des deutschen Gesundheitssystems, wie gesetzliche Anforderungen, unterschiedli-
che Vergütungsformen und Implementierungsmodalitäten erläutert, um anschlie-
ßend den Aufbau des P4P Konzeptes ausführlich zu beschreiben. Das grundlegen-
de Problem bei der performancebasierten Vergütung stellt die objektive Operatio-
nalisierung von medizinischen Leistungen dar. Hierfür werden im dritten Kapitel
neben allgemeinen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Qualitätsindi-
katoren, die Qualitätsdimensionen nach Avedis Donabedian dargestellt. Die Quali-
tätsindikatorenprogramme QiSA und AQUIK sind praxistaugliche und evidenzba-
sierte Projekte, mit denen der Leistungserfolg eines Anbieters von ambulanten
Gesundheitsleistungen evaluiert werden kann. Diese Programme werden daher
eigenständig und umfassend im vierten Kapitel detailliert beschrieben. Die zeitin-
tensive und aufwendige Entwicklung eines solchen Programmes zeigt, dass das
P4P Konzept ein komplexes Gefüge ist und daher sowohl positive, als auch nega-
tive Effekte mit sich bringen kann. Inwieweit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen
sowie Akzeptanz und Nutzung im Praxisalltag Berücksichtigung finden, werden in
Kapitel fünf kritisch betrachtet. Beendet wird dieses Kapitel mit dem Betrach-
tungsobjekt der Vereinbarkeit der P4P Systematik mit dem Ärztestand und be-
schreibt den Zusammenhang zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation.
Im sechsten Kapitel der vorliegenden Arbeit werden nochmals die Inhalte der
Arbeit komprimiert dargestellt und im Rahmen eines Resümees beendet.
7
Vgl. SVR (1997), S. 66 und 77.

3
2 Das Konzept des P4P Ansatzes
In diesem zweiten Kapitel werden die Grundlagen für das weitere Verständnis
dieser Arbeit geschaffen. Einleitend wird hierzu im ersten Kapitel der definitor-
ische Begriff des P4P Ansatzes erläutert und in Kapitel 2.2 die Entstehung dieser
Vergütungssystematik in ihrem zeitlichen Ablauf kurz skizziert. Im Kapitel 2.3
werden zu Beginn die gesetzlichen Anforderungen und Möglichkeiten zur Etablie-
rung eines solchen Ansatzes dargestellt. Eine Einordnung von P4P in den Gesamt-
zusammenhang der Vergütungslandschaft von Leistungserbringern sowie Aspekte
der Implementierung in das Gesundheitswesen werden hier ebenfalls vorgenom-
men. Anschließend werden anhand zweier Unterkapitel die beiden Säulen des P4P
Konzeptes, ,,Erfolgsorientierte Vergütung" (Kapitel 2.4.2) und ,,Public Reporting"
(Kapitel 2.4.3) erläutert und in ihren Zusammenhang gesetzt.
2.1 Begriffsdefinition von Pay for Performance
Das Konzept von Pay for Performance (P4P) versucht mittels Anreize den Erfolg
einer Leistung zu erhöhen. Es handelt sich hierbei um eine Vergütungssystematik,
die ausgehend vom Erfüllungsgrad einer Verrichtung, den Leistungserbringer
entsprechend entlohnt. Im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen wird der
Gedanke fokussiert, den Behandlungserfolg und damit die Qualität einer Behand-
lung zu verbessern. Das P4P Konzept kann somit als ein Vergütungssystem ver-
standen werden, das versucht, zieladjustiert die Qualität der Leistungen von An-
bietern von Gesundheitsleistungen zu vergüten.
8
Die Begrifflichkeit Pay for Per-
formance
9
ist in der gesundheitswissenschaftlichen Diskussion als Weiterent-
wicklung von ,,Public Disclosure"
10
zu verstehen. ,,Public Disclosure" stellt hier-
bei die Veröffentlichung von Ergebnissen, insbesondere von Qualitätsdaten, dar.
11
Zielvorstellungen des P4P Ansatzes sowie der Aufbau und Zusammenhang in
Verbindung mit ,,Public Disclosure" werden in Kapitel 2.4 näher beschrieben.
Neben dem bisher verwendeten Ausdruck von Pay for Performance werden auch
weitere englischsprachige Begrifflichkeiten, wie ,,Value-Based Performance" oder
8
Vgl. Rosenthal, Dudley (2006), S. 1.
9
Im Deutschen zu übersetzen als ,,Qualitätsorientierte Vergütung", vgl. Rieser (2009), S. 13.
10
Im Deutschen zu übersetzen als ,,Veröffentlichung von Qualitätsergebnissen", vgl. Schrappe
(2001), S. 647.
11
Vgl. SVR (2007), Nr. 725.

4
auch ,,Payment for Quality", unter dem Verständnis einer erfolgs- und qualitäts-
orientierten Vergütung subsumiert.
12
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird ver-
einfachend von P4P gesprochen, um auf einer einheitlichen Begriffsdefinition
aufbauen zu können. Im nachfolgenden Kapitel werden der Entstehungsgedanke
und die Entwicklung des P4P Konzeptes zusammenfassend dargestellt.
2.2 Entstehung und Entwicklung des P4P Konzeptes
Ausgangspunkt und somit Initialgedanke, welches das P4P Konzept in den öffent-
lichen Diskurs brachte, war die Veröffentlichung eines Gutachtens des ,,Institute
of Medicine" (IOM) aus Washington, D.C. im Jahr 1998. Darin dokumentierte das
IOM erhebliche Qualitätsprobleme des amerikanischen Health Care Systems und
den damit verbundenen Missbrauch des Gesundheitssystems auf Grund von über-
mäßiger und unterproportionaler Inanspruchnahme von Behandlungsleistungen.
13
In den darauffolgenden Jahren wurden mögliche Lösungsansätze diskutiert und es
wurde ein Ansatz fokussiert, der sich die Anreizwirkung von Entlohnungssyste-
men zur Qualitätssteigerung zu Nutze macht. Absicht hierbei ist nicht die Erhö-
hung der Effizienz, sondern die Steigerung der Versorgungsqualität.
14
Das be-
kannteste Projekt, welches konkret an dieser neuen Versorgungssystematik arbei-
tete und diese weiterentwickelte war die ,,Integrated Healthcare Association"
(IHA) in Kalifornien. Die IHA initiierte im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe
15
, die
einen umfassenden Ansatz für performancebasierte Entlohnung erarbeitete. Die
IHA formulierte in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 das Ziel ihres P4P Gedan-
kens wie folgt:
,,To create a business case for quality improvement through a compelling
set of incentives that would drive breakthrough improvements in the quali-
ty and experience of health care."
16
In den Folgejahren schlossen sich die größten Health Plans der Vereinigten Staa-
ten von Amerika, wie beispielsweise ,,Aetna", ,,Blue Cross of California" oder
12
Vgl. SVR (2007), Nr. 730.
13
Vgl. IOM (2003), S. 23.
14
Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 7.
15
Die Arbeitsgruppe besteht unter Anderem aus amerikanischen Versorgungssystemen, Arbeitge-
bern, Akademikern, Konsumenten und Repräsentanten der pharmazeutischen Industrie.
16
IHA (2006), S. 1.

5
,,PacifiCare" diesem Vergütungssystem an und unterstrichen damit die Bedeutung
und Relevanz dieses Projektes für das amerikanische Gesundheitswesen. Der
wesentliche Aufbau und die jeweils verwendeten Indikatoren zur Messung und
Bewertung von Gesundheitsleistungen, um die Leistungserbringer qualitätsorien-
tiert zu vergüten, werden in Kapitel 2.4 und 3.1 ausführlich dargestellt und daher
an dieser Stelle nicht weiter erläutert.
Heute zählt die IHA über 200 Institutionen mit über zehn Millionen Mitglieder,
die sich dem System angeschlossen haben und gemeinsam mit diesem Projekt die
Behandlungsqualität im amerikanischen Gesundheitswesen verbessern.
17
Der erste Einfluss eines solchen Qualitätsgedankens im deutschen Gesundheits-
system bestand im Rahmen des Gesundheitsreformgesetzes aus dem Jahr 1989.
Seither wurde der Qualitätsaspekt im Rahmen des Qualitätsmanagements in Form
von Qualitätstransparenz oder Qualitätssteuerung jedem großen Reformgesetz
hinzugefügt.
18
Eine konsequente und praxisbasierende Umsetzung der leistungs-
orientierten Vergütungsdisziplin blieb aber aus. Erstmals im Jahr 1997 nahm der
SVR zur Thematik des P4P Gedankens Stellung. In diesem Sondergutachten heißt
es, dass ,,die Vergütung im Mittelpunkt steht" und ,,Anreize zu mehr Ergebnisori-
entierung" geschaffen werden müssen. Weiterhin betont der SVR, dass ,,auf die-
sem Wege (..) die Vergütung zur Erhöhung von Effektivität und Effizienz in der
Krankenhausversorgung und gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung" bei-
trägt und die ,,erfolgsorientierten Vergütungsformen einzusetzen" sind, ,,wo immer
sich eine sinnvolle Möglichkeit dazu bietet."
19
Eine erste Anwendung von quali-
tätsorientierten Verträgen zwischen den Leistungsfinanzierern und Erbringern von
Gesundheitsleistungen, erfolgte faktisch erst durch die Einführung der neuen
Versorgungsformen im Rahmen der Gesundheitsreform aus dem Jahr 2000.
20
Hierbei wurde beispielsweise die Integrierte Versorgung
21
gesetzlich ermöglicht,
was dazu führte, dass neben kollektiven Kontrahierungsmöglichkeiten jetzt auch
die Möglichkeit des selektiven Kontrahierens in Bezug auf die erfolgsorientierte
Vergütung bestand. Weitere Ausführungen hierzu und die Stellung des Paragra-
phen 136 SGB V, ,,Förderung der Qualität durch die Kassenärztliche Vereinigung-
17
Vgl. Rusin (2012), S. 4.
18
Vgl. Gruhl (2011), S. 42.
19
SVR (1997), S. 66 und 77.
20
Vgl. Klusen u.a. (2009), S. 99.
21
SGB V, §140a-d.

6
en"
22
, werden in Kapitel 2.3.1 ausführlich erläutert. Neben ein durch das Bundes-
ministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenes ,,Gutachten zur Ermittlung des
nationalen und internationalen Sachstandes im Bereich Pay for Performance"
23
aus
dem Jahr 2010, gibt es bereits auch praxisbasierte Programme, mit deren Hilfe die
Qualität einer Behandlung gemessen und erfolgsadjustiert vergütet werden kann.
Beispielhaft ist hier das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung
(QiSA) zu erwähnen, welches ausführlich im vierten Kapitel beschrieben wird.
2.3 Einordnung des P4P Ansatzes in das System des deutschen Ge-
sundheitswesens
In diesem Abschnitt des Grundlagenkapitels wird der P4P Ansatz in den Gesamt-
zusammenhang des deutschen Gesundheitssystems gesetzt. Zuvorderst werden die
gesetzlichen Anforderungen und Möglichkeiten erörtert, die eine Etablierung des
P4P Gedankens im Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland möglich
machen. In Kapitel 2.3.2 werden ausgewählte Vergütungsformen grafisch darge-
stellt und anschließend in Bezug auf die gesundheitsökonomische Vergütungssys-
tematik detailliert beschrieben. Zum Schluss des Kapitels 2.3, werden ausgewählte
Implementierungsmodalitäten kurz erläutert und in Bezug auf das Gesundheitssys-
tem ausgearbeitet.
2.3.1 Gesetzliche Anforderungen und Möglichkeiten
In Kapitel 2.2 wurde aufgezeigt, dass erst durch die Gesundheitsreform aus dem
Jahr 2000 der vertraglichen Ausgestaltung zwischen Leistungserbringern und
Leistungsfinanzierern mehr Freiraum gegeben wurde. Neben der erwähnten Inte-
grierten Versorgung
24
wurden auch weitere Versorgungsformen, wie die hausarzt-
zentrierte Versorgung
25
, die besondere ambulante ärztliche Versorgung
26
, die
ambulante stationäre Versorgung
27
sowie Rabattverträge
28
und Wahltarife
29
, mit
zum Teil erheblichem Handlungsspielraum für die Akteure eingeführt. Grundle-
22
SGB V, §136.
23
Vgl. BMG (2010), S. 1.
24
SGB V, §140a-d.
25
Ebd., §73b.
26
Ebd., §73c.
27
Ebd., §116.
28
Ebd., §130a.
29
Ebd., §53.

7
gend sind qualitätsorientierte Vergütungsmodelle eher den Selektivverträgen
zuzuordnen, wenngleich sie im kollektiven Bereich ebenfalls Anwendung fin-
den.
30
Ausschlaggebend beim selektiven Kontrahieren ist, dass die staatlichen
Organisationen, Krankenkassen oder einzelne Leistungsanbieter hierbei zu Ein-
käufern werden. Folglich entwickelt sich daraus eine gewisse Vertragsfreiheit, die
aber unter kritischen Gesichtspunkten zu bewerten ist. So müssen beispielsweise
Kriterien für die Auswahl von Vertragspartnern und Vertragsgegenständen gefun-
den werden. Zudem muss es klare Indikatoren geben, mit denen der Outcome
bewertet werden kann.
31
Ausführliche Erläuterungen und Prämissen zu solchen
Qualitätsindikatoren werden im dritten Kapitel dieser Arbeit beschrieben.
Als wegweisende Norm in Richtung Praxistauglichkeit des P4P Ansatzes, ist der
Paragraph 136 SGB V zu erwähnen. Dieser Gesetzesabschnitt verpflichtet die
Kassenärztlichen Vereinigungen, zielgerichtet die Versorgungsqualität zu fördern
und anhand standardisierter Richtlinien
32
das jeweilige Ergebnis zu evaluieren.
33
In der praktischen Umsetzung bedeutet das, dass zur Wahrnehmung der Förde-
rungspflicht beispielsweise Qualitätsmanagementsysteme entwickelt und imple-
mentiert werden.
34
Im Rahmen des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes wurde der
Paragraph 136 SGB V durch den Absatz vier ergänzt. Dieser ermöglicht den
Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen, in ihrem zuständigen
Bereich Qualitätssysteme zu implementieren und zu unterhalten. Ihnen obliegt die
Verantwortung gesamtvertragliche Vereinbarungen zu schließen, ,,in denen für
bestimmte Leistungen einheitlich strukturierte und elektronisch dokumentierte"
Sollgrößen festgelegt werden, ,,bei deren Erfüllung, die an dem jeweiligen Vertrag
teilnehmenden Ärzte, Zuschläge zu den Vergütungen erhalten."
35
Diese Sollgrößen
und ihre Bedeutung im Rahmen der Qualitätsmessung werden im dritten Kapitel
näher erläutert. Durch die Aufnahme des vierten Absatzes im Paragraph 136 SGB
V wurde der Idee, höhere Qualität entsprechend höher zu vergüten, die ersten
Impulse zum P4P Ansatz im deutschen Gesundheitswesen gegeben. Neben diesen
gesetzlichen Anforderungen und Möglichkeiten der erfolgsorientierten Vergütung,
30
Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 8.
31
Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 10.
32
Die Richtlinien der Kriterien zur Qualitätsbeurteilung sowie die Maßgabe der Vorgaben zur
Auswahl, Umfang und Verfahren der Qualitätsprüfungen werden durch den Gemeinsamen Bun-
desausschuss entwickelt.
33
SGB V, §136 Abs. 1 bis 3.
34
Vgl. Beck (2012).
35
SGB V, §136 Abs. 4 Satz 1.

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9
Nachfolgend werden die Entlohnungselemente im Einzelnen beschrieben und
ausgewählte Charakteristika zu erwünschten oder unerwünschten Effekten darge-
legt.
Leistungskomplex
Bei Leistungskomplexen handelt es sich um eine Ansammlung von Leistungen
bezüglich der Behandlung eines einzelnen Falles eines Patienten. Diese Behand-
lungsleistungen können beispielsweise operative Eingriffe, Pflegeleistungen oder
auch Verwaltungsaufwendungen darstellen. Hierbei wird der Leistungserbringer
in der Summe pauschal vergütet. Unerwünschte Effekte, wie die Ausweitung der
Einzelleistungen finden bei dieser Form der Vergütung keine Anwendung.
37
Fallpauschale
Die Fallpauschale ist als weiterführende Stufe des Leistungskomplexes zu verste-
hen. Der Leistungserbinger erhält hierbei eine adjustierte Pauschale für den je-
weils behandelten Fall. Eine Adjustierung bedeutet in diesem Fall, eine Berück-
sichtigung von Alter, Prozedur und Krankheitsintensität. Das Morbiditätsrisiko
wird in diesem Fall von den Krankenkassen getragen. Ein jeweiliger Mehr- oder
Minderaufwand pro Patient wird vom Leistungserbringer getragen.
38
Bei dieser
Form bestehen keinerlei Anreize die Leistungen auszuweiten, sehr wohl aber bei
der Verlagerung von Behandlungsaufwendungen, um mögliche Kosten auf andere
abzuwälzen.
39
Kopfpauschale
Die Kopfpauschale, auch bekannt unter dem Begriff ,,capitation", umfasst einen
pauschalierten Grundbetrag, den der jeweilige Leistungserbringer für einen, bei
ihm vertraglich verpflichteten Versicherten erhält. Im Gegensatz zur Fallpauschale
findet hier eine Risikoadjustierung in Bezug auf Alter, Geschlecht und Morbidität
statt. Die Pauschale erhält der Leistungserbringer prospektiv für eine vereinbarte
Periode. Die hierbei auftretende Gefahr liegt im Bereich der Risikoselektion.
Obwohl Anreize bestehen, alle notwendigen Mittel zur Gesunderhaltung des
Patienten einzusetzen, besteht der unerwünschte Effekt, dass beispielsweise chro-
37
Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 15.
38
Vgl. ebd.
39
Vgl. Amelung (2009). S. 10.

10
nisch Erkrankte selektiert und damit ausgeschlossen werden, um den ärztlichen
Behandlungsaufwand kostengering zu halten.
40
Tagespauschale
Dieser Pauschalbetrag wird speziell im stationären Bereich eingesetzt und kom-
pensiert die Behandlungskosten des Leistungserbringers in Form von tagesglei-
chen Pflegesätzen. Eine Berücksichtigung des Behandlungsaufwandes oder der
Morbidität des Patienten findet nicht statt. Ein unerwünschter Effekt hierbei wirkt
sich auf die Verweildauer der Patienten aus.
41
Da mit zeitlicher Zunahme des
Krankenhausaufenthaltes und der damit verbundenen Verbesserung des Gesund-
heitszustandes des Patienten die Behandlungskosten tendenziell sinken, hat der
stationäre Bereich einen großen Anreiz die Verweildauer zu erhöhen, um damit
einen höheren Deckungsbeitrag zu erwirtschaften.
42
Einzelleistung
Hierbei erhält der Leistungserbringer für jede am Patienten erbrachte Leistung
eine gesonderte Vergütung. Auch unter dem Begriff ,,free for service" bekannt,
beinhaltet diese Form der Vergütung einen zentralen unerwünschten Effekt. Es
besteht ein immanenter Anreiz besonders aufwendige oder umfangreiche und
gegebenenfalls unnötige Behandlungsleistungen anzusetzen, da der Leistungser-
bringer dadurch mehr anrechnen kann. Positiv ist hierzu zu vermerken, dass die
Leistungsorientierung mit Mittelpunkt steht und dadurch auch die Produktivität
der Leistungserbringer gefördert wird.
43
(Faktor) Kostenerstattung
Bei der Kostenerstattung erhält der Leistungserbringer retrospektiv die tatsächlich
angefallenen Kosten der Behandlungsaufwendungen vergütet. Berechnungsgrund-
lage hierfür sind beispielsweise die Faktoren Arbeitsleistung oder Geräteeinsatz.
Unerwünschte Effekte bestehen im Anreiz der Ressourcenausweitung oder in der
Ausweitung der Verweildauer im stationären Bereich.
44
40
Vgl. Emmert (2008), S. 224 bis 228.
41
Vgl. Amelung (2009), S. 11.
42
Vgl. Emmert (2008), S. 229.
43
Vgl. Klusen u.a. (2009), S. 96.
44
Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 15.

11
Festgehalt
Diese Vergütungsform ist die einfachste Art Leistungserbringer zu entlohnen.
Hierbei erhält dieser unabhängig von der erbrachten Leistung ein festes, perioden-
terminiertes Gehalt. Wirtschaftlichkeitsfördernde Anreize bestehen dabei ebenso
wenig, wie die Gefahr der Mengenmaximierung oder Leistungsausweitung.
45
Pay for Performance
Diese Vergütungsform impliziert, dass die Kompensation von Behandlungsausga-
ben von dem jeweiligen Behandlungserfolg abhängig ist. Somit orientiert sich die
Höhe der Vergütung am Outcome der erbrachten Leistung. Dies führt im Idealfall
zu Qualitätsverbesserungen, wohingegen der Hauptkritikpunkt in der objektiven
Bewertung dieser erbrachten Gesundheitsleistungen liegt.
46
Diese letzte Vergütungsform stellt den zentralen Untersuchungsgegenstand dieser
Arbeit dar. Sie impliziert, dass Leistungserbringer nur im Erfolgsfall vergütet
werden, was dazu führt, dass dieser permanent einem finanziellen Risiko ausge-
setzt ist. P4P stellt damit kein existenzsicherndes und monokausales Vergütungs-
konzept dar, sondern ist parallel, respektive begleitend, zu den anderen dargeleg-
ten Vergütungsformen zu verstehen und anzuwenden.
47
Durch die vorhergehende Betrachtung der einzelnen Entlohnungssysteme wurde
gezeigt, dass P4P zwar einen eigenständigen Vergütungscharakter hat, aber nur in
Kombination mit erfolgsunabhängigen Systemen, als Lösungsansatz zur Quali-
tätsverbesserung im Gesundheitswesen wirken kann.
48
Dieser Sichtweise schlie-
ßen sich auch die Autoren des Krankenhaus-Reportes aus dem Jahr 2011 an. Sie
sehen den P4P Gedanken als einen unter vielen Ansätzen zur effizienten Verbesse-
rung der Qualität der Versorgung und rücken daher den Fokus auf die jeweiligen
Merkmale und Parameter, die zu berücksichtigen sind, um ein solches System
sinnvoll in das Gesundheitssystem zu implementieren.
49
Diese Aspekte werden im
nächsten Kapitel komprimiert dargestellt.
45
Vgl. Amelung, Zahn (2009), S. 14.
46
Vgl. Klusen u.a. (2009), S. 97.
47
Vgl. Klakow-Franck (2009), S. 19.
48
Vgl. Reißig (2009), S. 11.
49
Vgl. Schrappe, Gültekin (2011), S. 106.

12
2.3.3 Implementierungsmodalitäten im Gesundheitssystem
Die Erstellung und Ausarbeitung eines P4P Konzeptes erfordert neben einer ge-
nauen Zielformulierung, auch die Berücksichtigung von methodischen Aspekten,
die die Etablierung einer performancebasierten Vergütung möglich machen.
50
Folgende Diskrepanzfelder sind hierbei in die Evaluationsbetrachtung mit einzu-
beziehen und werden anschließend im Einzelnen beschrieben.
x Adressatenkreis
x Häufigkeit und Höhe der zusätzlichen Vergütung
x Auswahl und Spezifizierung der Indikatoren
x Anreizspezifikationen
Der erste Bereich beschreibt die Art der Adressaten. Es ist zu klären, ob einzelne
niedergelassene Ärzte oder größere Organisationen, wie Krankenhäuser oder
Ärztenetze, angesprochen werden. Werden beispielsweise einzelne Leistungser-
bringer angesprochen, sind hier individuelle Faktoren in den Betrachtungsfokus zu
rücken, wobei hier unterschiedliche Wirkungsaspekte zwischen Hausärzten, Fach-
ärzten und Krankenhausärzten zu beachten sind. Bei Ärztenetzen stehen hingegen
System- und Managementfaktoren im Mittelpunkt der Betrachtung, die bei der
Implementierung dieser externen Anreizgestaltung zu berücksichtigen sind.
Die Häufigkeit dieser zusätzlichen Zahlungen stellt einen weniger relevanten
Aspekt dar, solange sie periodengerecht gezahlt wird. Die Höhe der Vergütung
hingegen hat einen erheblichen Einfluss auf die Leistung der Entgeltempfänger.
Die zusätzliche Vergütung muss zwei Finanzaspekte mit einbeziehen. Zum Einen
muss sie die zusätzlichen Investitionsausgaben, die im Rahmen der Beteiligung an
einem P4P Konzept getätigt werden, wie beispielsweise EDV-Software oder -
Einrichtungen, berücksichtigen, und zum Anderen die Verhältnismäßigkeit der
Zahlungen. Hierbei muss die Vergütung ,,in der gleichen Größenordnung, wie die
inkrementellen Kosten der Qualitätsverbesserungsmaßnahme, einschließlich der
Opportunitätskosten (zum Beispiel Verdienstausfall durch die nicht mögliche
Behandlung anderer Patienten in diesem Zeitraum) liegen."
51
50
Die angeführten Felder basieren auf internationalen Erfahrungen und sind zusammenfassend
dargestellt. Ausführliche Erläuterungen und weiterführende Aspekte hierzu werden in Rosenthal,
Dudley (2006),,Pay-for-Performance. Will the Latest Payment Improve Care?" beschrieben.
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SVR (2007), Nr. 733, nach Rosenthal, Dudley (2006).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2012
ISBN (PDF)
9783955495886
ISBN (Paperback)
9783955490881
Dateigröße
4.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Pay for Performance Arzt Gehalt Lohn Gesundheitsökonomie erfolgsorientierte Vergütung
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing
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Titel: Leistungsorientierte Vergütung im Gesundheitswesen: P4P bei niedergelassenen Ärzten
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