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Die Rolle der Think Tanks innerhalb der Power-Structure-Debatte in den USA: Eine elitentheoretische Einordnung unter besonderer Berücksichtigung der Advocacy Think Tanks

©2012 Bachelorarbeit 53 Seiten

Zusammenfassung

„Vorherrschaft einer Meinung, also einer Geisteshaltung bedeutet, dass Herrschaft letzten Endes nichts anderes ist als geistige Macht“ – Ortega y Gasset
Innerhalb der letzten 40 Jahre hat sich das Feld der Politikplanung enorm gewandelt. Non-Profit Organisationen wie Think Tanks sind wichtige politische Akteure geworden, welchen jedoch in Forschung und Wissenschaft nicht ausreichend Beachtung zukommt. Die USA sind mit etwa 1500 Denkfabriken weltweit führend. Think Tanks befinden sich im Wettbewerb der Ideen streitend um die Deutungshoheit. Ziel der Studie ist es, das Phänomen amerikanischer Think Tanks elitentheoretisch, vor dem Hintergrund der Power-Structure-Debatte in den USA zwischen Pluralisten und Elitisten, zu verorten.
“American foreign and defense policy is adrift. (…) We aim to change this. We aim to make the case and rally support for American global leadership” – PNAC 1997
Der Think Tank PNAC war mit insgesamt 17 seiner Mitglieder im Bush-Kabinett vertreten, wobei Ansichten, Ideen und Ideologien – vorerst – kaum Gehör fanden. Doch mit den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 änderten sich die politischen Rahmenbedingungen grundlegend.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Einleitung

„Vorherrschaft einer Meinung, also einer Geisteshaltung bedeutet, dass Herrschaft letzten Endes nichts anderes ist als geistige Macht“ (Ortega y Gasset 1957, 192).

Innerhalb der letzten 40 Jahre hat sich das Feld der Politikplanung enorm gewandelt. Non-Profit Organisationen wie Think Tanks sind in den Bereichen Verteidigung, Außenpolitik und Sozialpolitik wichtige politische Akteure geworden, welchen jedoch in Forschung und Wissenschaft nicht ausreichend Beachtung zukommt (Abelson 1995, Beam 1996, Gehlen 2005, Weaver 1989). Die USA sind mit etwa 1500 Denkfabriken weltweit führend, wovon die Mehrheit am Speckgürtel des politischen Zentrums Washington angesiedelt ist und sich im Wettbewerb der Ideen streitend um die Deutungshoheit befindet (McGann und Sabatini 2011, Rich und Weaver 1998, 245).

Ziel der Arbeit ist es, das Phänomen amerikanischer Think Tanks elitentheoretisch, vor dem Hintergrund der Power-Structure-Debatte in den USA zwischen Pluralisten und Elitisten, zu verorten. Die Pluralismustheorie definiert die Machtstruktur in den Vereinigten Staaten als ein dezentralisiertes offenes System, welches von vielfältigen Interessengruppen dominiert wird, die im öffentlichen Diskurs verhandeln. Deshalb ist Macht stark fragmentiert und potenzielle Machtungleichheiten werden über den demokratischen Prozess mittels Wahlen verhindert oder beseitigt (Bentley 1949, Dahl 1961, Polsby 1970, Truman 1960). Davon abgrenzend argumentiert die Elitismustheorie, dass die USA von einer zahlenmäßig kleinen Minderheit, die geschlossen und kohäsiv ist, regiert werden. Die Mitglieder dieser Machtelite stammen aus der sozial-ökonomischen Oberschicht und besetzen die wichtigen Kommandoposten in Politik, Wirtschaft, Medien und Militär, wobei personelle Verflechtungen zwischen den Bereichen nachgewiesen werden (Domhoff 1967, Dye 1976, Mills 1971). Die Autoren beider Denkschulen beziehen sich auch auf Think Tanks, wobei diese höchst konträr interpretiert werden. Der Grund dafür liegt im Definitionsproblem der Denkfabriken.

Das Definitionsproblem

Die Bezeichnung „ think tank“ trat erstmals 1950 in den Sozialwissenschaften auf, um Forschungseinrichtungen und -organisationen wie beispielsweise die RAND Corporation zu beschreiben (J. A. Smith 1991, xiii).[1] Erst zehn Jahre später etablierte sich der Begriff Think Tank. Historiker James A. Smith schreibt:

“By the 1960s, ‘think tank’ had entered the popular lexicon, but it is an imprecise term that refers to all sorts of private research groups. It is a curious phrase, suggesting both the rarified isolation of those who think about policy, as well as their prominent public display, like some rare species of fish or reptile confined behind the glass of an aquarium zoo (J. A. Smith 1991, XIV).”[2]

Um den vielumfassenden Begriff „Think Tank“ zu definieren, muss zunächst zwischen drei Kategorien unterschieden werden: university without students, contract researcher und advocacy tank (Weaver 1989, 563).[3]

Universities without students sind Think Tanks, die sich in erster Linie den Standards wissenschaftlichen Arbeitens verschreiben. Es existiert keine Lehre, sondern nur Forschung. Im Mittelpunkt steht die langfristige Forschung, deren Ergebnisse sowohl in Büchern und Fachzeitschriften als auch auf Vorträgen und Seminaren präsentiert werden (Denham und Garnett 1996, 44, Gehlen 2005, 22 f., Weaver 1989, 564 f.). Kent Weaver schreibt: “Although these organizations often address specific legislative proposals, their horizons have traditionally been long-term, focused on changing the climate of elite opinion” (Weaver 1989, 564). Hinzu kommt, dass diesen Think Tanks ein enorm hohes Budget zur Verfügung steht. Beispielsweise kann das 1943 gegründete konservativ ausgerichtete American Enterprise Institute (AEI) auf etwa 16,3 Millionen Dollar (Stand: 2001) zurückgreifen (McGann 2005, 14).

Contract researcher arbeiten eher kurzfristig, da sie sich stark auf Aufträge der Regierung konzentrieren, die schneller Ergebnisse bedürfen. Statt Bücher und Monographien stellen die Experten ihre Ergebnisse übersichtlich und handbuchartig in „Reports“ bzw. kürzeren Expertisen dar (Gehlen 2005, 23). Weiter sind diese Think Tanks profitorientiert – der Meistbietende erhält den Zuschlag (Weaver 1989, 566). Deshalb sind sie laut Weaver nicht vollständig unabhängig: “Contract researchers often face pressures to follow the agency line, especially if they are highly dependent on a single agency” (Weaver 1989, 567). Ein bedeutender Think Tank dieser Kategorie ist RAND Corporation (R&D) mit einem laut McGann (2005, 15) sagenhaften Budget von knapp 170 Millionen Dollar (Stand: 2001). Bekannt ist R&D wegen des Auftraggebers: US-Department of Defense.

Advocacy think tanks bilden in dieser Arbeit den zentralen Untersuchungsgegenstand. Sie gelten als die umstrittensten Think Tanks, da sie weniger wissenschaftlich-objektiv, als vielmehr ideologisch motiviert arbeiten. Nicht um die „best policies“ zu artikulieren, sondern um den „war of ideas“ zu gewinnen (McGann und Sabatini 2011, 20).[4] Advocacy Think Tanks rechnen sich einer ideologischen Richtung zu, arbeiten auf dieser Grundlage und kommen somit zu ideologisch stark eingefärbten Ergebnissen, wobei auch nicht davor zurückgeschreckt wird, Zahlen und Fakten anderer wissenschaftlich fundierter Studien zu nutzen, um die eigene Weltanschauung zu stützen (Gehlen 2005, 24). “Advocacy tanks combine a strong policy, partisan or ideological bent with aggressive salesmanship and an effort to influence current policy debates”, schreibt Weaver (Weaver 1989, 567). Ziel der Advocacy Think Tanks ist es deshalb nicht neue Forschungserkenntnisse zu erarbeiten, sondern anderen Ergebnissen einen politischen „spin“ zu verleihen (Weaver 1989, 567, Rich und Weaver 1998). Formell werden die ideologieunterstützenden Ergebnisse in kurzen übersichtlichen Artikeln dargestellt (Reinicke 1996, 37). Ein herausragendes Beispiel ist die mit einem Etat von etwa 33,5 Millionen Dollar (Stand: 2001) ausgestattete Heritage Foundation, die McGann zu den „Top 15 Think Tanks“ in den USA zählt (McGann 2005, 14). In dieser Arbeit wird der Think Tank Project for the New American Century analysiert, der als ultrakonservative Denkfabrik neokonservative Ansichten[5] vertritt und versuchte, die Ideen in die Bush-Administration (2001-2004) hineinzutragen und als Leitlinie zu etablieren (Greve 2005, Keller 2008).

Die Forschungsfrage und die Leitfragen

Eine umfassende Definition für Think Tanks kann wegen der unterschiedlichen Typologisierung nur schwer entwickelt werden.[6] Da sich universities without students und contract researcher nahe stehen, werden diese unter dem Dach der akademischen und semi-akademischen Think Tanks verortet, während advocacy think tanks getrennt betrachtet werden. Weil die advokatorischen Denkfabriken ab den 1970er Jahre einen exponentiellen Bedeutungszuwachs erlebt haben (J. A. Smith 1991, Weaver 1989), bilden diese den zentralen Untersuchungsgegenstand der Arbeit, wobei auch die akademischen und semi-akademischen Think Tanks nicht komplett ausgespart werden.

Da der Pluralismus die vorherrschende Theorie über die Machtstruktur in den USA ist (Domhoff 1990, XV), ergibt sich folgende Fragestellung: Inwiefern können Advocacy Think Tanks mit der Pluralismustheorie erklärt werden? Daraus resultieren folgende Leitfragen, die sich in den Kapiteln der Arbeit widerspiegeln:

I. Wie entwickelte sich die Power-Structure-Debatte?
II. Wie ist der Erklärungsgehalt der Theorien zu bewerten?
III. Wo sind Think Tanks theoretisch zu verorten?
IV. Wie bewerten Theoretiker beider Denkschulen Think Tanks nach der historischen Zäsur?
V. Wie einflussreich sind Advocacy Think Tanks tatsächlich?

Das Vorgehen

Kapitel 1 behandelt die Ursprünge sowohl der Pluralismus- als auch der Elitismustheorie. Dieser Punkt ist nötig, um einen theoretischen Zugang zu den modernen Macht- und Systemtheorien zu öffnen. Wesentliche Charakteristika der Power-Structure-Debatte stammen aus den traditionellen Theorien, entweder übernommen, weiterentwickelt oder widerlegt sowie abgegrenzt (Leitfrage I). Mit den erarbeiteten Fundamenten der Theorieschulen, wird in Kapitel 2 die Power-Structure-Debatte zwischen Pluralisten und Elitisten dargestellt und die einzelnen Theorien werden verglichen sowie bewertet (Leitfrage II).

Mithilfe der dargebotenen Blaupausen beider Theorien, werden in Kapitel 3 Think Tanks theoretisch verortet. In Punkt 3.1 werden pluralistische und elitistische[7] Interpretation der Think Tanks exzerpiert (Leitfrage III). Es wird bewiesen, dass sich Pluralisten stark an den akademischen und semi-akademischen Think Tanks orientieren und diese als Zeichen eines real existierenden Pluralismus bewerten, da sie die Qualität einer Debatte durch objektiv neutrale wissenschaftliche Expertise anheben (Fischer 1991, 345, Rich und Weaver 1998, 239, Weiss 1999). Elitisten argumentieren, Think Tanks seien ein Steuerungs- und Koordinationsmechanismus der Machtelite, um Ideen und Entscheidungen zu entwickeln und durchzusetzen (Dye 1976, 193). Dabei werde ein Konsens hergestellt und die Agenda entwickelt, bevor politische Parteien, Entscheidungsträger, Interessengruppen und die Öffentlichkeit Zugang zum Herrschaftsprozess bekommen (Dye 1976, 197). Folglich entsprechen Elitisten eher der Definition der Advocacy Think Tanks. Aufgrund des Patts gilt es nun, nicht mehr rein theoretisch, sondern empirisch zu argumentieren. Punkt 3.2 behandelt die Zäsur in der historischen Entwicklung der Think Tanks und bettet diese in den elitentheoretischen Diskurs ein (Leitfrage IV). Da besonders konservative Advocacy Think Tanks als organisierte „Gegenintelligenz“ (Fischer 1991, 340) den politisch mehrheitlich liberalen akademischen und semi-akademischen Think Tanks seit den 1970ern den Rang ablaufen, ist es problematisch, Einfluss und Fortbestand advokatorischer Think Tanks pluralistisch zu erklären (Beam 1996, 435, Rich und Weaver 1998, 240). Stattdessen ist die elitistische Interpretation, Think Tanks seien ein Steuerungs- und Marketingorgan der Elite, überzeugender (Fischer 1991, 345, Ricci 1993, 166). In Punkt 3.3 wird der tatsächliche Einfluss advokatorischer Think Tanks auf theoretischer Basis diskutiert, wobei den ideell ausgerichteten Think Tanks aus pluralistischer Sicht ein verschwindend geringer Einfluss im politischen Prozess bescheinigt wird (Schweigler 1977, 221). Elitisten hingegen identifizieren einen hohen Einfluss der Advocacy Think Tanks, auch wenn sie als wenig glaubwürdig empfunden werden (Rich und Weaver 1998, 248 f.).

Wieder gilt es, empirisch zu untersuchen, ob und wenn zutreffend, unter welchen Bedingungen die advokatorischen Denkfabriken einflussreich sind (Leitfrage V). In Kapitel 4 wird der Fall des Advocacy Think Tank Project for the New American Century analysiert und bewiesen, dass der Think Tank federführend bei der Bush-Doktrin nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington war. Getestet wird der Fall anhand John Kingdons (1984) Modell des Policy Windows. In Punkt 4.2 werden Voraussetzungen für hohen Einfluss advokatorischer Think Tanks isoliert. Gleichzeitig wird die Verschwörungstheorie widerlegt, PNAC habe bewusst ihre Mitglieder in die Bush-Administration installiert, um eine Irak-Invasion durchzusetzen (Abelson 2009).

In der Konklusion werden die Ergebnisse der Arbeit vorgestellt und erklärt, dass die Elitismustheorie Wirkung und Fortbestand der Advocacy Think Tanks überzeugend erklären kann. Die Pluralismustheorie, die zwar akademische und semi-akademische Think Tanks und die Entstehung aller drei Think Tank-Kategorien plausibel explizieren kann, zeigt Schwächen hinsichtlich der Erklärung advokatorischer Think Tanks, sobald diese unter den in Punkt 4.2 entwickelten Voraussetzungen einflussreich werden.

1. Elitetheoretischer Diskurs

Das erste Kapitel stellt die Ursprünge der Power-Structure-Debatte in den USA dar. Der Denkschule moderner Elitisten liegen die klassischen Elitetheorien zugrunde, die in Punkt 1.1 erläutert werden, wobei Demokratie- und Elitenverständnis fokussiert werden. In Punkt 2.2 wird sich den Ursprüngen pluralistischen Denkschulen zugewandt. Denn kaum ein moderner pluralistisch motivierter Theoretiker lässt es vermissen, James Madison und Alexis de Tocqueville zu zitieren (Dahl 1961, Polsby 1970, et al.). Das erste Kapitel ist wesentlich, um die Debatte über die amerikanische Machtstruktur zu verstehen. Denn nur unter Betrachtung der Entwicklung kann die Debatte in einen historischen und philosophisch-theoretischen Kontext verortet werden. Zentrale Elemente resultieren – entweder weiterentwickelt oder gar falsifiziert – aus den klassischen Elitetheorien oder der ursprünglichen Pluralismustheorie.

1.1 Klassische Elitetheorien

Die Ursprünge des Elitismus finden sich in den Machttheorien europäischer Theoretiker, die unter dem Dach „klassischer Elitetheorien“ verbunden werden.[8]

Wer herrscht und wie geherrscht wird, bilden die zentralen Fragestellungen tonangebender Elitetheoretiker wie Gaetano Mosca, José Ortega y Gasset, Robert Michels sowie Vilfredo Pareto, die allesamt spätere moderne Theoretiker – insbesondere Robert A. Dahl und C. Wright Mills – beeinflusst haben.[9] Das verbindende Element der klassischen Elitetheoretiker ist, dass eine Mehrheit von einer mehr oder weniger legitimierten Minderheit regiert wird (Michels 1970, 371, Mosca 1950, 53, Ortega y Gasset 1957, 190).

Unterschiede lassen sich hinsichtlich des schlagkräftigen Begriffs Elite aufzeigen. Während Karl Marx noch eine herrschende Klasse (Marx 1946, 43) identifiziert, schreiben Pareto und Ortega y Gasset über die herrschende Elite (Ortega y Gasset 1957, 192, Pareto 1962, § 2032), die sich wiederum bei Mosca als präziser formulierte politische Klasse (Mosca 1950, 53)[10] findet, wohingegen Michels nicht müde wird, die Existenz oligarchischer Tendenzen (Michels 1970, 493) innerhalb des repräsentativ-demokratischen Systems zu betonen. Mills, der noch detailliert diskutiert wird, prägte den Begriff der Machtelite (Mills 1971).

Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Repräsentative Demokratie erfasst die Volksherrschaft indirekt über die Wahl und Abwahl ihrer Vertreter (Madison 1958, 77). Repräsentative Demokratie ist im Sinne Moscas surreal, da sie letztlich nichts mehr sei als eine Oligarchie in scheindemokratischen Hüllen. Die volksvertretende Demokratie wird deshalb abgelehnt, da „jeder Staat von einer organisierten Minderheit beherrscht wird und dass darum jede Staatsform, die auf dem Mehrheitswillen zu beruhen vorgibt, eine Unwahrheit in sich enthält, die auf lange Sicht zu ihrem Untergang führen muss“ (Mosca 1950, 317).

Laut Michels sind Wahl und Abwahl der Volksvertreter nur beschränkte Kontrollmechanismen der Masse, denn Oligarchie sei überall dort, wo es Herrschafts- und Machtgefüge gebe. Da die Natur schon Herrschaft hervorbringe, bilden sich also in allem Organisierten oligarchische Tendenzen. Auch und besonders in Demokratien existiere „Macht der gewählten Führerschaft über die gewählten Massen“ und „die oligarchische Struktur des Aufbaus verdeckt die demokratische Basis (Hervorhebungen im Original)“ (Michels 1970, 371).

Ähnlich wie Michels beschreiben auch Mosca, Ortega y Gasset und Pareto Eliten[11] als naturgegeben (Mosca 1950, 53, Ortega y Gasset 1957, 75, Pareto 1962, § 2025). Folglich wirkt die ge­sellschaftliche Ungleichheit elitenbildend und die Beherrschten ordnen sich bewusst unter, da „alle die Existenz dieser herrschenden oder ‚politischen Klasse‘ [anerkennen]“ (Mosca 1950, 53).

Die Herrschenden verfügen über das Gewaltmonopol und versuchen, die Deutungshoheit für sich zu beanspruchen, da man „nicht gegen die öffentliche Meinung herrschen [kann]“, weshalb er resümiert, dass „Herrschen Vorherrschaft einer Meinung, also einer Geisteshaltung bedeutet, dass Herrschaft letzten Endes nichts anderes ist als geistige Macht“ (Ortega y Gasset 1957, 190-192).[12] Daneben widmet er sich im Besonderen dem Massenmenschen, der das eigentliche Hindernis der Realisierung demokratischer Prinzipien sei, nicht etwa das Parlament (Ortega y Gasset 1957, 213 f.). „Es gibt keine Helden mehr; es gibt nur noch den Chor“, so Ortega y Gasset. Denn die Masse „stand im Hintergrund der sozialen Szene. Jetzt hat sie sich an die Rampe vorgeschoben; sie ist Hauptperson geworden“ (Ortega y Gasset 1957, 72). So sehnt der reaktionäre Elitetheoretiker eine gebildete Elite herbei, die imstande ist, die Masse zu retten (Bachrach 1970, 13).

Paretos Ansatz des Elitenpluralismus ist dahingehend schon fast ein Brückenschlag zu pluralistischen Vordenkern wie Alexis de Tocqueville (Röhrich 1991, 31).[13] In seiner Methode der Elitenzirkulation kategorisiert Pareto die Menschen mit Indizes, um ihre soziale Stellung und Fähigkeiten zu identifizieren (Pareto 1962, § 2026).[14] Dabei unterscheidet der Ökonom und Sozialwissenschaftler eine „herrschende“ und eine „nicht herrschende Elite“. Wobei auch diejenigen, die indirekt Zugang zur Regierung genießen, die „unmittelbar herrschende Elite“ bilden (Pareto 1962, § 2032). Folglich ist der Zugang nicht komplett versperrt, da neben der sozialen Stellung auch die Fähigkeiten den Schlüssel zur meritokratischen Elite verleihen.

Wo geherrscht wird, gibt es Elite und da es überall Herrschaft gibt, gibt es überall eine oder mehrere Eliten. Repräsentativ-demokratische Modelle werden ebenso pessimistisch betrachtet, wie auch die gesamte Theorie der frühen Elitetheoretiker pessimistisch ist (Dahl 1972, 30). Lösungen werden kaum angeboten – warum auch? Schließlich sind Eliten, Herrschaft und Ungleichheit, so der Kanon der Theoretiker, naturgegeben und münden zwangsweise in einer Herrschaft der Wenigen, die im Eigeninteresse agiert. Pluralistische Denker erkennen zwar eine Herrschaft der Minderheit in der volksvertretenden Demokratie als notwendig an, allerdings genießen die Regierenden einen hohen Grad demokratischer Legitimität und handeln Sinne des Allgemeinwohls (Bachrach 1970, 17).

1.2 Ursprünge pluralistischer Denkschulen in den USA

Die Theoriegeschichte des amerikanischen Pluralismus begann während der Bildung einer Unionsverfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika 1787. Die Federalist Papers zählen zweifelsohne zu den wichtigsten Aufsätzen klassischer Pluralismustheorie. Daneben gilt das Werk Alexis de Tocquevilles De la Démocratie en Amérique zu den einflussreichsten Abhandlungen der noch jungen Pluralismustheorie in den frühen Vereinigten Staaten.[15]

James Madison schreibt im Federalist No. 10 unter dem Pseudonym „Publius“, dass Personen und Gruppen aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft „notwendigerweise verschiedene Interessengruppen [bilden]“ (Madison 1958, 74). Der Diskurs konkurrierender Interessen fußt auf einem Gruppenpluralismus, der die temporären Partikularinteressen widerspiegelt und gleichzeitig ein Kriterium der Freiheit bildet (Madison 1958, 74). Garantiert und realisiert wird die Freiheit in Form der volksvertretenden Demokratie, die Madison als notwendig erachtet.

Denn „auf diese Art kann es geschehen, dass die Stimme des Volkes dort, wo sie aus dem Munde der Volksvertreter spricht, eher dem Wohl der Allgemeinheit dient als dort, wo das Volk selbst zusammentritt“ (Madison 1958, 77).

Sollte aber, argumentiert Madison, eine organisierte Minderheit[16] die Macht über die Mehrheit erlangen wollen, so „kann die Mehrheit die schädlichen Absichten der Minderheit durch reguläre Abstimmung zu Fall bringen“ (Madison 1958, 75). Mit anderen Worten: eine pluralistische Demokratie muss volksvertretend durch eine offene Funktionselite aufgebaut werden, die nicht im Eigeninteresse handelt, sondern im Allgemeininteresse entscheidet, wobei die Herrschenden mittels elektoraler Mittel der Mehrheit, also der Regierten, kontrolliert werden. Interessenpluralismus wirkt somit nicht nur demokratiefördernd, sondern auch demokratieerhaltend. Je größer das Land sei, desto unterschiedlicher die Interessen, desto höher sei der Grad pluralistischer Realität und desto geringer die Möglichkeit einer Gruppierung, sich zu organisieren und die absolute Mehrheit zu erlangen (Madison 1958, 78-79).[17] Die repräsentative Demokratie ist demnach wehrhaft.

An Madison anknüpfend, ist Tocqueville von der „Gleichheit der Bedingungen als die wirkende Ursache, aus der jede einzelne Tatsache hervorgeht“ regelgerecht beeindruckt.[18] Aus der gegebenen Gleichheit folgert Tocqueville, dass das Volk regiere und beruft sich auf verfassungsgemäß garantierte elektorale Mittel. „In Amerika ernennt das Volk den, der das Gesetz macht, und den, der es ausführt; es selbst bildet das Gericht, das die Gesetzesübertretungen bestraft“ (de Tocqueville 1976, 197). Entscheidende Elemente der pluralistisch geprägten Staatsform der Vereinigten Staaten sind allgemeines Wahlrecht, Konkurrenz der Parteien, Pressefreiheit, unabhängige Gerichtsbarkeit und – besonders daran knüpfen spätere Pluralismustheoretiker an (Bentley 1949, Riesman 1961, Truman 1960) – freie Interessengruppen (de Tocqueville 1976).

Die Ansätze Madisons und Tocquevilles griff Arthur Bentley in seiner 1908 veröffentlichten Studie The Process of Government auf.[19] Auch für Bentley ist der Diskurs unterschiedlicher Interessen das wesentliche Element einer funktionierenden Demokratie. Die repräsentative Regierungsform etikettiert Bentley als Schauplatz verschiedener Interessen. Interessen werden durch Interessengruppen artikuliert und gebündelt, in den politischen Prozess mittels öffentlichen Drucks eingebracht, abgeschwächt wiederum durch Gegendruck von legislativer, exekutiver oder judikativer Seite sowie anderer Interessengruppen und schließlich durchgesetzt im Kompromiss mit konkurrierenden Interessen. Aus diesem Prozess heraus, entsteht eine Balance oder auch ein Gleichgewicht konkurrierender Interessen („balance or equilibrium of pressure groups“) (Bentley 1949, 352 ff.).

Die Grundthesen Bentleys entwickelte Truman in seinem Werk The Governmental Process mit besonderem Augenmerk auf die Balance der Interessen weiter. Um auf Grundlage von Konkurrenz optimale Entscheidungen herbeizuführen, erfordert es einen Ausgleich, garantiert durch die Mehrfachmitgliedschaft in Interessengruppen, was Kompromissbereitschaft fördert. Truman spricht dabei vom „overlapping membership“ (Truman 1960, 159).

David Riesman beschreibt eine fragmentierte Herrschaft in den USA, die sich historisch entwickelte, als sich das Machtgefüge änderte und „an die Stelle einer einzigen Hierarchie mit einer herrschenden Klasse an ihrer Spitze sind Interessenverbände (veto groups) getreten, unter denen die Macht aufgespalten ist (Hervorhebung im Original)“ (Riesman 1961, 220).

Auch wenn Bentley, Truman sowie Riesman eine zeitlich große Distanz von Madison und Tocqueville trennt, so verbindet sie trotz aller grundverschiedenen Rahmenbedingungen das Verständnis pluralistischer Demokratietheorie.[20] Insgesamt lassen sich für repräsentative Demokratien vier ausnahmslos geltende Merkmale isolieren: die Wahl einer Regierung in regelmäßigen Abständen, eine gewisse Unabhängigkeit der Regierenden von den Interessen der Wähler[21], die Möglichkeit zur Interessenartikulation der Regierten ohne Repressionen von oben fürchten zu müssen und die Entscheidungsfindung über öffentliche Diskurse (Manin 2007, 14). Zentral sind Interessengruppen innerhalb eines Nachtwächterstaates.

2. Die Power-Structure-Debatte in den USA

Folgendes Kapitel stellt die Power-Structure-Debatte über die USA dar. In Punkt 2.1 wird das elitistische Verständnis der amerikanischen Machtstruktur dargelegt. Besondere Aufmerksamkeit kommt den Autoren C. Wright Mills, William G. Domhoff und Thomas R. Dye zu. Punkt 2.2 schlüsselt den Herrschaftsprozess aus Sicht moderner Pluralisten wie Robert A. Dahl, Nelson Polsby und Almond Verba auf.

2.1 Kernpunkte des Elitismus

„Eine lebensfähige demokratische Theorie kann kaum auf einen Traum, der nicht die entfernteste Chance auf eine Realisierung hat, gegründet werden“ (Bachrach 1970, 17).

Der „Traum“ finde sich insbesondere bei demokratietheoretischen Pluralisten, die sich trotz eines längst vollzogenen gesellschaftlichen Wandels weiterhin auf klassische Pluralisten wie Tocqueville besinnen. Man müsse sich der Eliten-Massen-Struktur der modernen Industriegesellschaft sowie ihrer Implikationen für die Theorie der Demokratie klar bewusst sein, mahnt Peter Bachrach (1970, 18) in einem Essay. Andere werden da markanter: Schwärmerische Texte, die sich fernab der Realität bewegen und die nicht mehr seien als bloßes Wunschdenken. So stempelt C. Wright Mills die Grundaussagen David Riesmanns schlicht als „romantic pluralism“ ab (Mills 1971, 244). Mills identifiziert in seiner radikalen Gegentheorie The Power Elite eine kohäsive Machtelite bestehend aus einem Geflecht der Politik, der Wirtschaft und des Militärs (Mills 1971, 8).[22] Mills schreibt:

“By the power elite, we refer to those political, economic, and military circles which as an intricate set of overlapping cliques share decisions having at least national consequences. In so far as national events are decided, the power elite are those who decide them” (Mills 1971, 18).

Die Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Militär arbeiteten während des zweiten Welt­kriegs notwendigerweise eng zusammen, weshalb sie sich ideell ähnlicher wurden und äquivalente Interessen entwickelten. Nach 1945 trennte sich die zusammengefundene Elite jedoch nicht, sondern blieb bestehen, besetzte nun auch die Führungspositionen im zivilen Bereich und legitimierte sich im Zeichen permanenter Bedrohungen von außen (Mills 1971, 287).

Demokratiebedrohend bis -zerstörend wirkt, wie Mills betont, das Machtgeflecht, welchem Personen der „top level“ angehören, da sich die Elite von der mittleren und unteren Machtebene abschottet und im Interesse ihrer selbst, nicht aber allgemeinwohlorientiert agiert. Denn die Funktion als gewählte Volksvertreter sei nur eine „rhetorische Formel“, um das Blendwerk der demokratischen Legitimität zu wahren (Mills 1971, 279). Betrachtet man hierbei die klassischen Elitetheoretiker, sind Parallelen bezüglich des Wirklichkeitsverständnisses des repräsentativen Demokratiemodells zu erkennen, da – so das Paradoxon – die volksvertretende Demokratie nicht auf dem Mehrheitswillen basiere (Michels 1970, 371, Mosca 1950, 317).

Im Gegensatz zu den Klassikern elitetheoretischer Ansätze sieht Mills nur eine einzige geschlossene Elite, die sich durch regen personellen Austausch zwischen den Bereichen Politik, Wirtschaft und Militär auszeichnet, wobei der Grad der Geschlossenheit mit der Häufigkeit innerelitärer Transfers steigt (Mills 1971, 288). Mills beschreibt also keine Elitenzirkulation wie Pareto, sondern eine Zirkulation innerhalb der Elite.[23] “Between these higher circles there is an interchangeability of position, based formally upon the supposed transferability of ‘executive ability’, based in the substance upon the co-optation by cliques of insiders” (Mills 1971, 287).

Fortbestand und Sicherung der Machtelite sind auf diesen dauernden Austausch des Führungspersonals zurückzuführen. Die Verknüpfung der „big three“ bildet über den regen Transfer der Personen, die Kommandopositionen besetzen, einerseits den inneren Kern („inner core“) der Machtelite (Mills 1971, 288). Andererseits zählt Mills auch die Personen zum engeren Zirkel, die die Schaltstellen zwischen den Bereichen besetzen („go-between“) wie Spitzenanwälte und Investmentbanker (Mills 1971, 289).

Die Entwicklung einer Massengesellschaft begünstigte den Aufstieg der Machtelite zusätzlich und führte den Abstieg der Demokratie herbei, argumentiert Mills. Die Machtelite sei im Gegensatz zur Massengesellschaft homogen strukturiert, entspringe dem gleichen Milieu und steuere im Eigeninteresse die USA. Der von pluralistischen Denkschulen angepriesene demokratische Diskurs der Interessen existiert nach Mills genauso wenig wie der Volkssouverän. Damit verneint Mills eine real bestehende Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika und wendet sich somit gegen die Pluralisten und damit gegen die vorherrschende Meinung. Mills argumentiert:

“At the top there has emerged an elite of power. The middle levels are a drifting set of stalemated, balancing forces: the middle does not link the bottom with the top. The bottom of this society is politically fragmented, and (…) increasingly powerless” (Mills 1971, 324).

Heftig fällt die Kritik der Pluralisten aus, die sich in fünf Punkte zusammenfassen lässt: a) Mills betone zwar die Kohäsion der Machtelite, weise diese jedoch nicht nach; b) Mills‘ Verständnis von Macht als kumulative Macht sei nicht nachvollziehbar; c) Mills‘ Einordnung politischer Parteien und des Kongresses in die mittlere Machtebene; d) die übertreibende Betonung der Macht der Militärs[24] ; und e) Mills stelle unzulässiger Weise den Reputationsansatz dem Entscheidungsansatz gegenüber (Scimecca 1977, 88).[25] Auch Mills‘ angedeuteter Ausweg, nach welchem die Intellektuellen die Macht übernehmen sollen, ist wenig überzeugend. Schließlich unterliegen auch die Intellektuellen der Macht der Elite. „Mills‘ Glaube, dass diese als ‚freie Intellektuelle‘, ohne materielle Interessen und herrschaftsorientierte Bestrebungen, einen internationalen Konsens erzielen könnten, nimmt sich allzu utopisch aus“, kritisiert Wilfried Röhrich (Röhrich 1991, 78).

Was also bleibt von Mills? Einige Kernaussagen konnten nicht falsifiziert werden, sondern stellten sich als empirisch wahr heraus. Beispielsweise der wachsende Einfluss des Militärs und der Wirtschaft.[26] Aber auch eine ständige Bedrohung von außen, führte zu weitreichenden Dekreten der Machtelite, die eine Verflechtung von Industrie und Militär verschärfte: “The late 1970s (…) saw a great volte-face in domestic opinion and in policy circles on the issue of Soviet power and the need for greater preparedness” (Nathan und Oliver 1994, 243). Am wertvollsten aber ist die Entwicklung eines neuartigen elitentheoretischen Konzepts abseits des „wissenschaftlichen Mainstreams“ (Domhoff 1990, XV), welches – so radikal, so unwissenschaftlich an vielen Stellen, so unvollständig und teils utopisch es auch sein mag (Dahl 1958) – eine Debatte über die Machtstruktur in den USA auslöste. Die pluralistische Denkschule entledigte sich des „romantic pluralism“ und rief führende Denker wie Robert A. Dahl und Nelson Polsby auf den Plan, die zwar Mills stark kritisierten, aber nicht an ihm vorbeikamen. Anknüpfend an Mills entwickelten Thomas R. Dye und Willam Domhoff die Thesen der Machtelite weiter.

Domhoff, beeinflusst von Robert A. Dahl und C. Wright Mills (Domhoff 1967, 1), weist in seinem Buch Who rules America? eine „social upper class“ nach und prüft die Frage, ob diese auch eine „governing class“ ist.

Er schreibt: “The co-optation of bright young men into the American upper class occurs through education at private schools, elite universities, and elite law schools; through success as a cooperation executive; through membership in exclusive gentlemen’s clubs; and through participation in exclusive charities. Is this social upper class (…) also a ‘governing class’?” (Domhoff 1967, 5).

In Abgrenzung zu Mills, der die „power elite“ an den Personen festmacht, die die Kommandoposten besetzen, definiert Domhoff die „governing class“ als „social upper class“, die das Gros des Inlandproduktes kontrolliere, die übermäßig viel verdiene, die durch eine unverhältnismäßig große Zahl ihrer Mitglieder innerhalb der Kontrollinstitutionen und Entscheidungsgruppen ebendiese beeinflusse und so den gesamten Regierungsprozess dominiere (Domhoff 1967, 5, Domhoff 1974, 4). Beeinflussen, nicht aber kontrollieren: Zwar verwendet auch Domhoff die Formel der Machtelite, schwächt ihre tatsächliche Machtposition allerdings ab. “The power elite does not control but merely influences”, relativiert Domhoff (Domhoff 1967, 10 f.).

Mittels einer Methode, die Reputations- und Entscheidungsansatz verbinden soll – „the sociology-of-leadership method“ – will Domhoff beweisen, dass die USA von einer nationalen regierenden Elite beherrscht wird, die sich durch ökonomischen und politischen Besitz auszeichnet und sich durch die „power elite“ manifestiert (Domhoff 1967, 156). Denn die Mitglieder der Machtelite vertreten die Interessen der „American upper class“ (Domhoff 1967, 62).

Daran anknüpfend identifiziert Thomas R. Dye in seiner Studie Who’s running America? eine Elite der “Top Five Thousand”, die dem wirtschaftlichen [3.572], politischen [286] und öffentlichen [1.558] Sektoren entspringen.[27] Zusammenfassend kommt er zum Schluss: “These aggregate figures – roughly 5.000 positions – are themselves important indicators of the concentration of authority and control in American society” (Dye 1976, 15). Erstaunlich ist, welch verschwindend geringe Zahl dem politischen Sektor nachzuweisen ist. Da von den Oberen Fünftausend nur etwa 250 Personen die einflussreichen Posten der Exekutive, Legislative und Judikative besetzen, hat sich Macht dort mehr als im Bereich der Wirtschaft und der Öffentlichkeitsarbeit zentralisiert (Dye 1976, 80 f.). Darüber hinaus spricht er dem Militär eine eher marginale Rolle in den elitären Zirkeln zu. Berufend auf eine Studie von Morris Janowitz[28] und abwendend von Mills schreibt Dye: “In contrast to the corporate and governmental elites, military officers do not come from the ‘upper class’ of society (Hervorhebung im Original)” (Dye 1976, 69).

Auch wenn Domhoff und Dye Mills in einigen Punkten widersprechen – insbesondere bezüglich der Rolle des Militärs – so beschreiben sie dennoch eine Machtelite, die stark von einer wirtschaftlich dominierten Regierung geprägt ist. Daher sind sie ohne jeden Zweifel der elitistischen Denkschule zuzurechnen. Die aufgezeigte Elite des „Big Business“ resultiert aus der elitär-zentralisierten Zusammensetzung, deren Bestehen auf dem innerelitären personellen Austausch („vertical interlocking“) – wie bei Mills – fußt (Domhoff 1967, 37, Dye 1976, 211).

2.2 Kernpunkte des Pluralismus

“If the military alone or the coalition together is a ruling elite, it is either incredibly incompetent in administering its own fundamental affairs or else it is unconcerned with the success of its policies to a degree that I find astounding” (Dahl 1958, 469).

Dahl zählte zu den schärfsten Kritikern der Elitisten. Er gehört dem Flügel pluralistischer Denkschulen an, die einen sogenannten „Laissez-faire-Pluralismus“ vertreten.[29] Grundlegend geht Dahl von einem zweidimensionalen Demokratiegerüst in den USA aus. Erstens konkurrieren mehrere politische Eliten um die Herrschaft und zweitens verhandeln viele Interessengruppen im Diskurs (Kelso 1978, 2). In seiner bekannten Studie Who governs? untersuchte Dahl die Verfassungswirklichkeit auf kommunaler Basis am Beispiel New Havens. Zwar bejaht der Politologe die Existenz von Eliten.[30] Jedoch ist die Macht nicht elitär zentriert, sondern fragmentiert und determiniert wegen eines pluralistischen Aufbaus, was einen demokratischen politischen Prozess garantiert. Er schreibt:

“Party bosses have existed and exist today; the parties tend to be highly disciplined, and nominations are centrally controlled. But (…) today the parties are too competitive and the community too fragmented for a party boss to be a community boss as well” (Dahl 1961, 311).[31]

Deshalb entwickelt Dahl in seiner Studie die These, dass in New Haven nicht eine Elite allein regiert, sondern verschiedene sich gegenseitig beeinflussende Führungsgruppen. Das System New Havens “[is] dominated by many different sets of leaders, each having access to a different combination of political resources. It was, in short a pluralistic system” (Dahl 1961, 86).

Anders als ein Gros der Elitisten betrachtet Dahl den Entscheidungsprozess („decision-making“), identifiziert das Zusammen- und Gegenspiel konkurrierender Gruppen und folgert eine Selbstkontrolle und -regulierung des Prozesses im Diskurs (Kelso 1978, 14). Systemisch betrachtend, nicht soziologisch argumentierend, verläuft Dahls Beweisführung – kurz: er wählt den Entscheidungsansatz, „der Eliten gleichsetzt mit denjenigen Personen, die sich bei wichtigen Entscheidungsprozessen als einflussreich erwiesen haben“ (Schmidt 2004, 37). Beispielsweise betrachtet Dahl New Havens Bürgermeister, der im politischen Prozess weniger hierarchisch führte, sondern vielmehr als verhandelnder „Politikmanager“ auftrat (Dahl 1961, 204).

Daneben verteidigt Dahl die repräsentative Demokratie und fordert nicht mehr Partizipation als nötig. Es reiche aus, wenn der Bürger durch seine Stimme bei Wahlen sein Interesse artikuliere. Er schreibt: “One answer to the question, ‘Who governs?’ is then that competing political parties govern, but they do so with the consent of voters secured by competitive elections” (Dahl 1961, 5).

Ferner unterscheidet Dahl zwischen Machtpotenzial („potential influence“) und tatsächlich ausgeübter Macht („actual influence“) (Dahl 1961, 271), wobei dazwischen eine große Lücke zu beobachten ist, die im „slack in the system“ mündet (Dahl 1961, 305). In A preface to democratic theory äußert sich Dahl präziser:

„Die tatsächlich handelnden politischen Eliten bewegen sich (…) innerhalb von Grenzen, die oft unbestimmt und weit gefasst sind, doch oft auch eng und klar definiert sind und sich danach bestimmen, welche Reaktionen sie von seiten [sic!] der Gruppe politisch aktiver Bürger erwarten, die sich an der Wahl beteiligen“ (Dahl 1976, 68).

Hier wird ein systemisch vorgegebener und gleichzeitig aktuell abhängiger Handlungskorridor beschrieben, der – insbesondere bzgl. der Determinanten – wesentliches Element pluralistischer Theorien ist. Daneben wird den Politikern eine wesentlich wichtigere Rolle als bei den Elitisten zugetragen (Domhoff 1990, XV). Mit diesem Kriterium treten moderne Pluralisten aus dem langen Schatten Tocquevilles. Sie widersprechen Madison und wenden sich vom „romantic pluralism“ ab.

Dahl konstatiert: „Spezifische politische Maßnahmen [sind] nämlich ein Ergebnis von ‚Minderheiten entscheidungen‘. In dem Sinne, wie Madison das sah, ist die Mehrheitsentscheidung zumeist ein Mythos (Hervorhebung im Original)“ (Dahl 1976, 126). Deshalb könne sich wegen dieser Minderheitenpluralität kein Automatismus – wie bei Riesman – einstellen, der ein harmonisches Gleichgewicht bzw. einen Ausgleich durch Interessengruppen herstellt, weshalb ein Nachtwächterstaat zu schwach sei, um die neuzugetragene Aufgabe zu erfüllen; nämlich der Sicherung des gesellschaftlichen Friedens mittels staatlicher Ämter und politischer Parteien, die nicht nur passiv vermitteln, sondern aktiv gestalten (Dahl 1976, 118-142). Daher müsse ein „Gleichgewicht der Kräfte“ vom Staat garantiert werden, wobei es nicht um einen Mehrheitswillen (der ja nicht existiert) geht. Dahl schreibt:

„Es handelt sich nämlich um ein ausgesprochen dezentrales System. Entscheidungen werden nach endlosem Aushandeln von Kompromissen gefällt; in vielleicht keinem anderen nationalen politischen System der Welt sind gegenseitige Zugeständnisse ein so grundlegender Bestandteil des politischen Prozesses“ (Dahl 1976, 141).[32]

Der ehemalige Student Dahls, Nelson Polsby, knüpft daran an. Auch für ihn zählen Eliten zum notwendigen Bestand stabiler Demokratie, wobei die Machtstruktur außerordentlich fragmentiert sei. Denn Entscheidungen müssen einen hohen Grad an Legitimität erreichen, sonst scheitern sie (Polsby 1970, 124).

Insgesamt lässt sich die moderne Pluralismustheorie auf sechs allgemeine Punkte herunterbrechen: a) Individuen nehmen zwar nicht direkt am Entscheidungsprozess teil, können aber Gruppen beitreten, die den Prozess versuchen zu beeinflussen, b) es herrscht Elitenkonkurrenz und somit gegenseitige Kontrolle, c) Individuen können wählen, d) Eliten sind offen, e) Eliten sind keine Machteliten, sondern fragmentierte Funktionseliten für verschiedene Bereiche, f) Entscheidungen stellen in Summe das Gleichgewicht konkurrierender Interessen dar (Dahl 1961, Polsby 1970, Truman 1960). Außerdem gibt es nicht die von der Masse abgeschottete „ruling elite“, sondern die „leader“ werden mittels „subleaders“ mit Parteianhängern und Masse verbunden (Dahl 1961, Dahl 1972, Polsby 1970, Verba 1972).

Mit der Abwendung vom einst geforderten Nachtwächterstaat, hin zu einem stärkeren Staat, entkräftet Dahl wesentliche Kritikpunkte am pluralistischen Demokratieverständnis. Nämlich a) mangelnde Berücksichtigung nicht konfliktfähiger marginaler Gruppeninteressen, b) die Bildung etablierter Interessengruppen, die kleinere und neuere Gruppen monopolistisch schwächen und c) schlechte Handlungsfähigkeit bei extremen sozialen Streitfragen, da der Verhandlungsprozess immens langwierig ist (Kelso 1978). Die Hauptkritikpunkte Kelsos beziehen sich allesamt auf den scheinbaren Automatismus zur Herstellung eines Interessenausgleiches bzw. -gleichgewichts vor dem Hintergrund eines passiven Nachtwächterstaates, den Dahl in seiner Interpretation der Minderheitsregierung ebenfalls ablehnt (Dahl 1976).

Da Dahl eine „ruling elite“ verneint (Dahl 1961, 86), führte Domhoff ebenfalls eine Studie in New Haven durch, in welcher er die Existenz einer „ruling class“, identifiziert. Domhoff kritisiert Dahls Studie als Fehlschluss, da nicht die Regierung, sondern andere Akteure im Entscheidungsprozess bestimmend seien (Dahl 1961). Domhoff argumentiert: “It was clear that the downtown business community and Yale University were the moving forces behind the all-important urban renewal program, not the new Democratic mayor, as Dahl believed” (Domhoff 1990, XV).

Dennoch ist Kritik an Dahls pluralistischen Demokratiemodells eher schwach. Lediglich einzelne Punkte können innerhalb der empirischen Arbeit Dahls kritisiert[33] werden. Die Theorie kann aber nicht als empirisch falsch erwiesen werden.

In der ebengenannten Gegenstudie Domhoffs, Who really rules? zu Dahls Who governs? erweitert Domhoff seine Thesen bezüglich der Elite. Die „American ruling class“ dominiere Regierung und Öffentlichkeit mittels verschiedener „policy-planning organizations“ (Domhoff 1978, 156). Zu den Policy-Organisationen zählt er auch die Experten aus Think Tanks, die die Leitlinien und Programme formulieren, um veränderten wirtschaftlichen und politischen Sachverhalten effektiv begegnen zu können (Domhoff 1978, 157). Im nächsten Kapitel werden Think Tanks zunächst in die beiden konträren Theorien eingebettet, um empirisch zu untersuchen, welche Theorie mehr Erklärungsgehalt bezüglich der Denkfabriken hat.

[...]


[1] Ursprünglich stammt der Begriff „Think Tank“ aus dem Militärjargon während des Zweiten Weltkriegs und bezeichnete einen sicheren Raum, in welchem Pläne und Strategien diskutiert wurden (J. A. Smith 1991, xiii)

[2] Zitate aus dem Englischen werden in englischer Rechtschreibung kenntlich gemacht. Aus dem Englischen übernommene Begriffe werden im Fließtext mit deutscher Rechtschreibung ausgewiesen. Zitate, die über eine Länge von drei Zeilen hinausgehen, werden eingerückt.

[3] Weavers Unterscheidung hat sich in der amerikanischen Forschung durchgesetzt (Denham und Garnett 1996, 44) und als nützlich erwiesen (Gehlen 2005, 22).

[4] Seit konservative Think Tanks in den 1960ern begannen, ihre Ideen aggressiv zu artikulieren, spricht man vom „war of ideas“, der zwischen konservativen und liberalen Kräften ausgetragen wird (J. A. Smith 1991, 182).

[5] Ultrakonservativ wird des Öfteren mit neokonservativ gleichgesetzt. Bei unterschiedlicher Motivlage, gibt es große Schnittmengen hinsichtlich der Ansichten (Homolar-Riechmann 2003, 33 f.). Für eine weiterführende, vor allem historisch erklärende Darstellung des amerikanischen Konservatismus, siehe: Guttmann, Allen. The conservative tradition in America. New York: Oxford University Press, 1967.

[6] Vgl. hierzu: “There is (…) no accepted definition of what think tanks do or should do (Weaver 1989, 564).

[7] Um Unklarheiten vorzubeugen, wird „elitistisch“ dem Adjektiv „elitär“ vorgezogen.

[8] Die aufgeführten Machttheoretiker darf man hierbei nicht als die „Gründerväter“ der Machttheorien verstehen. Wenn man einen „Gründervater“ neuzeitlicher Machttheorie benennen will, dann ist Niccoló Machiavelli zu nennen, der in seiner berühmten Schrift Il Principe über Machtgewinn, Machterhalt und Machtverlust schreibt (Machiavelli 1978).

[9] Vgl. hierzu Robert A. Dahl, der beispielsweise Ortega y Gassets Werk, la rebelión de las masas, als immens einflussreiches Buch beschreibt (Dahl 1961, 6). C. Wright Mills führt Ortega y Gasset während seiner Auseinandersetzung mit der Massengesellschaft an (Mills 1971, 301).

[10] Zwar wird Moscas Werk als Die herrschende Klasse übersetzt. Zentral ist jedoch eine politische Klasse (classe politica), die sich eher auf eine politische Herrschaft, als auf eine ökonomische Herrschaft (Marx 1946) bezieht (Mosca 1950, 53).

[11] Elite wird hier bewusst in den Plural gesetzt, auch wenn die Theoretiker – vor allem Mosca – oft von der Elite im Singular sprechen, jedoch aber mehrere Eliten meinen (Albertoni 1987, 110).

[12] Diese Definition von Herrschaft, nämlich geistige Macht und Macht über Ideen, ist im späteren Teil (Kapitel 3) von besonderer Bedeutung, da sich Think Tanks im Krieg der Ideen befinden und um die Deutungshoheit kämpfen (Rich 2011, 191).

[13] Dennoch darf nicht der Verdacht aufkommen, Pareto sei Pluralist. Keineswegs: das Prinzip der Elitenzirkulation fußt auf einer ständigen Konkurrenz von Elite und Gegenelite also, die eben nicht im pluralistischen Sinne über Verhandlungen zwischen Interessengruppen interagieren, sondern sich „gegenüberstehen wie zwei fremde Nationen“ (Pareto 1962, § 2226). Die herrschende Elite kann nur durch „Infiltration (Zirkulation der Elite) [oder] (…) stoßweise durch Revolution“ ausgewechselt werden. Dieser Austauschprozess von Elite und Gegenelite umfasst nicht etwa die gesamte Gesellschaft, was schließlich bedeuten würde, jeder hätte Zugang zur Elite. Sondern beschreibt der Prozess nur den Kampf zweier organisierter Minderheiten um die Herrschaft (Röhrich 1991, 62). Die Masse bleibt unberücksichtigt (Ebd.).

[14] Pareto weist jedem einen Index zwischen 0 und 10 zu. „Dem überragenden Anwalt wird man beispielsweise eine 10 zubilligen, demjenigen dem es nicht gelingt, auch nur einen einzigen Klienten zu bekommen, eine 1, um eine Null demjenigen vorzubehalten, der ein richtiger Idiot ist. Dem Mann, der recht oder schlecht Millionen zu ver­die­nen wusste, werden wir eine 10 geben, demjenigen, der Zehntausende verdient, eine 6 [etc.]“ (Pareto 1962, § 2027).

[15] Vgl. hierzu Robert A. Dahls Einleitung in Who governs?, in welchem er Tocqueville beschreibt: “An amaizing and gifted observer” (Dahl 1961, 2). Weiter bewertet Dahl Tocquevilles Abhandlung De la Démocratie en Amérique: “Probably the most profound analysis of American democracy ever written” (Ebd.).

[16] Organisierte Minderheit im Sinne der in Punkt 2.1 aufgeführten klassischen Elitetheoretiker (Michels 1970, Mosca 1950, Pareto 1962).

[17] Vgl. hierzu auch Alexis de Tocqueville, der die „Allmacht der Mehrheit“ als die größte Gefahr der amerikanischen Demokratie identifiziert, die die Minorität (die Regierenden) verzweifeln lasse und sie zur Anwendung von Gewalt treibe. Das Ergebnis werde Anarchie sein, hervorgerufen durch die Masse (de Tocqueville 1976, 300). Aber auch er sieht die Möglichkeit einer Mehrheitstyrannei nicht gegeben: es fehle eine „Verwaltungszentralisation“ als Mittel der Tyrannei, es herrsche ein ausgeprägter „Geist der Rechtsgelehrsamkeit“, der die Mängel der Volksregierung aufzuheben vermag und es existiere ein „Geschworenengericht(…) als kraftvolles Mittel, das Volk regieren zu lassen“ (de Tocqueville 1976, 302-319).

[18] Schwärmerische Formulierungen der Pluralisten sind deshalb bemerkenswert, da sie mitunter die Kritiker – moderne Elitisten – auf den Plan riefen. So wandte sich C. Wright Mills radikal gegen den „romantic pluralism“ David Riesmans (Mills 1971, 244).

[19] Mit Arthur Bentley bewegt man sich eigentlich schon in der modernen Pluralismustheorie. Allerdings kann man Bentley erstens als Schaltstelle zwischen klassischen und modernen Theoretikern klassifizieren. Zweitens ist es die Absicht, einen Zugang zur Power-Structure-Debatte zwischen Elitisten und Pluralisten zu finden, welche erst Ende der 1950er Jahre begann, weshalb Arthur Bentley, genauso wie David Truman, bereits in diesem Kapitel aufgeführt werden.

[20] Tocqueville und Madison befanden sich noch nicht im vollindustrialisierten Zeitalter. Mehr zu den unterschiedlichen Rahmenbedingungen: Connolly, William E. „The Challange to Pluralist Theory.“ In The Bias of Pluralism, Herausgeber: William E. Connolly, 3-34. New York: Atherton Press, 1969.

[21] Um das langfristige Gemeinwohl zu erreichen und sich nicht von kurzweiligen Wünschen der Bevölkerung leiten zu lassen (Madison 1958). Mit anderen Worten: langfristig vernünftige, nicht kurzfristig populistische Politik.

[22] Wegen des Militärs, zieht der Soziologe Mills den Begriff Machtelite gegenüber einer politisch herrschenden ökonomischen Klasse vor, da gerade das Militär im Zuge der Aufrüstung während des Zweiten Weltkriegs enorm an Einfluss gewonnen habe (Mills 1971, 277). Dazu Mills: “’Ruling class’ is a badly loaded phrase. ‘Class’ is an economic term; ‘rule’ a political one. (…) Specifically, the phrase ‘ruling class’ (…) says nothing about the military as such. (…) We prefer ‘power elite’ to ‘ruling class’ as characterizing phrase for the higher circles when we consider them in terms of power” (Mills 1971, 277). Trotz der begrifflichen Abgrenzung wendet sich C. Wright Mills nicht von Karl Marx ab, schließlich gilt Mills‘ The Power Elite als marxistisch beeinflusst (Bottomore 1966).

[23] Was Mills zusätzlich von den klassischen Elitetheoretikern unterscheidet, ist die Verurteilung der Elite, während die Klassiker „diese entweder rühmten oder ernüchtert hinnahmen“ (Bottomore 1966, 37).

[24] Erstens ist „die militärische Führung (…) der zivilen Führung streng untergeordnet“ und zweitens „zeigt die historische Erfahrung, dass zumindest die Gefahr einer unmittelbaren Einflussnahme der Militärs eher gering einzuschätzen ist. Interessanterweise waren es die Militärs selbst, die sich eines zu häufigen und starken Einsatzes militärischer Machtmittel widersetzten“, was auf die „misslichen Erfahrungen in Vietnam“ zurückzuführen ist (Schweigler 2004, 482 f.).

[25] Der Reputationsansatz identifiziert Eliten „als diejenigen Personen, denen Macht bzw. Reputation zugeschrieben wird“, der Entscheidungsansatz, setzt Eliten gleich „mit denjenigen Personen, die sich bei

wichtigen Entscheidungsprozessen als einflussreich erwiesen haben“ (Schmidt 2004, 37).

[26] US-Präsident Dwight D. Eisenhower, warnte 1961 in seiner Abschiedsrede vor einer „neuartigen Verbindung eines immensen Militärestablishments und einer riesigen Rüstungsindustrie".

[27] Die Oberen Fünftausend kontrollieren Medien, etwa 40 Prozent des Vermögens privater Foundations und die Hälfte aller universitären Stiftungen, sie leiten die renommiertesten Anwaltskanzleien New Yorks und Washingtons, genauso wie die großen kulturellen und öffentlichen Organisationen. Außerdem besetzen sie die Spitzenpositionen der Legislative, Exekutive und Judikative sowie des Militärs (Dye 1976, 14 f.).

[28] Vgl. hierzu: Morris Janowitz, The Professional Soldier (New York: Free Press, 1960, 87)

[29] Laissez-faire-Pluralismus „geht von der These aus, dass das Prinzip des freien Marktwettbewerbs sowohl für den Wahlkampf der Parteien und Kandidaten um öffentliche Ämter als auch für den Verhandlungs- und Konkurrenzprozess zwischen den Interessengruppen gelten müsse. Der Staat ist weitgehend auf die Rolle der Sicherung und Ordnung beschränkt“ (Steffani 1980, 27).

[30] Zentrales Element der Debatte zwischen Elitisten und Pluralisten ist nicht die Existenz einer Elite oder die Herrschaft einer Minderheit über eine Mehrheit. Entscheidend ist die normative Beurteilung der Elite, die Legitimität der Elite innerhalb einer Demokratie, das Verständnis über die regierte Masse und das Verständnis über die real-existierende Demokratie (Bachrach 1970, 12 f.). “In the City of New Haven, with which I have some acquaintance, I do not doubt that the leading business figures together with the leaders of both political parties have a high potential for control. But a potential for control is not, except in a peculiarly Hobbesian world, equivalent to actual control” (Dahl 1958, 465).

[31] Hier stimmt Dahl Michels ehernem Gesetz der Oligarchie innerhalb von Parteien (indirekt) zu (Michels 1970).

[32] Dahl prägt hierbei den Begriff Polyarchie, in welchem der Wettbewerb politischer Eliten zentral ist (Kelso 1978, Steffani 1980, 26), der aber nicht weiter erläutert wird.

[33] Beispielsweise lässt sich kritisieren, dass Dahl nur New Haven untersucht hat. Möglicherweise wäre er in anderen, evtl. industriell ausgeprägteren Städten (z.B. Detroit) zu völlig anderen Ergebnissen gekommen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955496180
ISBN (Paperback)
9783955491185
Dateigröße
284 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Pluralismus Elitismus Macht Elite Demokratie

Autor

Tobias Betz studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Danach entschied sich der Autor für ein Masterstudium im Journalismus an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Während seines Studiums galt den Elitetheorien besonderes Interesse. Dazu besuchte er zahlreiche Seminare und Kurse. Think Tanks sind weiterhin ein wichtiger Untersuchungsgegenstand seiner Arbeit. Betz ist auch journalistisch aktiv wie zum Beispiel beim Bayerischen Fernsehen.
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Titel: Die Rolle der Think Tanks innerhalb der Power-Structure-Debatte in den USA: Eine elitentheoretische Einordnung unter besonderer Berücksichtigung der Advocacy Think Tanks
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