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Unternehmensbewertung nach der Entity-Methode

©2012 Bachelorarbeit 70 Seiten

Zusammenfassung

In der Unternehmensbewertung kam im deutschsprachigen Raum in der Vergangenheit primär das traditionelle Ertragswertverfahren zum Einsatz, welches jedoch in jüngster Zeit von dem verstärkt international ausgerichteten angelsächsischen Discounted Cashflow-Verfahren abgelöst wurde. Im Zuge dieser Entwicklung soll dieses Buch einen systematischen Überblick über die Untervarianten des DCF-Ansatzes mit besonderer Betrachtung des Entity-Approach und des Weighted Average Cost of Capital Ansatzes verschaffen. Im Anschluss an die ausführlichen theoretischen Erläuterungen der einzelnen Bewertungsverfahren (APV- und WACC-Ansatz) folgt im Anhang deren Anwendung an Fallbeispielen, welche anhand zugrunde gelegter identischer Finanzierungsprämissen auf ihre Vorteilhaftigkeiten überprüft werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3 Die Entity-Methode

3.1 Grundlagen

Bei den Entity-Ansätzen besteht das Ziel darin, aus zukünftig erzielbaren Zahlungsströmen den Unternehmenswert zu berechnen,[1] welcher sich durch Diskontierung der Cashflows auf den Bewertungszeitraum bestimmt.[2] Hierfür gibt es eine allgemeine Formel, die in Abhängigkeit zum gewählten Ansatz gegebenenfalls zu spezialisieren ist:[3]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

und [4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um den Kapitalisierungszinssatz (k) bestimmen zu können, muss man zunächst die Kapitalkosten des Bewertungsobjektes betrachten, die sich aus gewichteten durchschnittlichen Kosten (WACC)[5] für überlassenes Eigen- und Fremdkapital zusammensetzen und somit die Renditeforderungen der Kapitalgeber[6] spiegeln:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie aus diesen Formeln ersichtlich wird, erfordert die Ermittlung des Diskontierungssatzes die Kenntnisse der Kapitalkosten.

3.2 Bestimmung der Kapitalkosten

Bei der Bestimmung der Kapitalkosten muss grundsätzlich zwischen den Kosten für Eigen- und Fremdkapital differenziert werden.

3.2.1 Eigenkapitalkosten

Die Ermittlung der Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber bzw. Eigenkapitalkosten gestaltet sich oft sehr problematisch.[7] Wenn keine vertraglichen Vereinbarungen über Gegenleistungen vorab getroffen wurden, können aufgrund der Ungewissheit der Zukunft künftige finanzielle Überschüsse nicht mit Sicherheit prognostiziert werden und sind daher risikobehaftet. Die Übernahme für dieses Risiko (Unternehmensrisiko) lassen sich die Eigenkapitalgeber durch Risikoprämien, wobei zukünftige Risiken stärker gewichtet werden als zukünftige Chancen (Risikoaversion) abgelten. Der IDW unterscheidet im Einzelnen zwischen Geschäftsrisiko (operatives Risiko) und Kapitalstrukturrisiko (finanzielles Risiko), welches vom Verschuldungsgrad des zu bewertenden Unternehmens beeinflusst wird.[8]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 : Unternehmensrisiko i.S.d IDW S 1 i.d.F. 2008

Quelle: In Anlehnung an Franken, L./Schulte, J.

Um das Problem der Ermittlung der Eigenkapitalkosten zu lösen, greift man in der Unternehmensbewertung zunehmend auf kapitalmarkttheoretische Modelle zurück. Das klassische Modell in der Praxis ist das Capital Asset Pricing Modell (CAPM), welches jedoch durch einige Einschränkungen gekennzeichnet ist. Bei der Berechnung eines angemessenen Risikozuschlages wird nur das systematische Risiko (β-Faktor) berücksichtigt. Das unsystematische Risiko wird durch Portfoliobildung eliminiert, so dass hierfür keine zusätzliche Risikoprämie für die Anteilseigner gezahlt wird.[9]

Unabhängig voneinander wurde das CAPM Mitte der sechziger Jahre von William F. Sharpe, John Lintner und Jan Mossin auf Basis der Portfoliotheorie von Harry M. Marcowitz entwickelt, um risikobehaftete Anlagemöglichkeiten an einem perfekten Kapitalmarkt[10] bewerten zu können.[11]

Laut dem Capital Asset Pricing Modell lassen sich somit die Eigenkapitalkosten aus einem linearen Zusammenhang zwischen der Rendite risikoloser Kapitalanlagen () und einer Marktrisikoprämie (-) herleiten:[12]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der β-Faktor, Parameter für das individuelle Risiko eines Bewertungsobjektes,[13] ist das Maß der Sensitivität zwischen der erwarteten Rendite des Marktportefeuilles und der Rendite risikofreier Kreditanlagen.[14]

Somit scheint die Berechnung der Eigenkapitalkosten unter Anwendung des CAPM recht einfach zu sein. Der risikolose Zins entspricht ungefähr einer langfristigen risikolosen Anleihe des Staates.[15] Die erwartete Rendite des Marktportefeuilles lässt sich anhand von Indices – z.B. in Deutschland der DAX – bestimmen und der β-Faktor über Rückgriff auf vergangene Betas (in der Praxis meist 5 Jahre).

Hier kommt es allerdings zu grundlegenden Anwendungsproblemen. Bei der Berechnung der zukünftigen β-Faktoren wird sich auf Vergangenheitswerte berufen.[16] Auch erfolgt die Berechnung der Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber (Formel 5) auf der Prämisse eines verschuldeten Unternehmens, da der β-Faktor, wie bereits erwähnt neben dem Geschäftsrisiko auch das Kapitalstrukturrisiko, welches durch den Verschuldungsgrad beeinflusst wird, beinhaltet.

Diesem zweiten Problem gilt es entgegen zu wirken. Wird das Unternehmen vollständig mit eigenem Kapital finanziert, darf das Kapitalstrukturrisiko nicht mit berücksichtigt werden. Der β-Faktor des unverschuldeten Unternehmens, auch unlevered Beta () genannt, entspricht dem Operating Beta (Geschäftsrisiko) und wird wie folgt ermittelt:[17]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wird das Unternehmen hingegen teilweise mit Fremdkapital finanziert, muss bei der Bestimmung der Eigenkapitalkosten das Kapitalstrukturrisiko (Financial Beta) beachtet werden.[18] Unter Berücksichtigung der Steuern und der Annahme risikolosen Fremdkapitals zeigt sich der Einfluss der Verschuldung auf den β-Faktor des verschuldeten Unternehmens, auch Levered Beta () genannt, wie folgt:[19]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier taucht ein weiteres Problem, das Zirkularitätsproblem,[20] auf: zur Berechnung der β-Faktoren müssen die Marktwerte des Eigen- und Fremdkapitals bekannt sein, welche aber eigentlich das Ergebnis der Unternehmensbewertung darstellen sollen. Um dieses Problem rechnerisch zu beheben, kann alternativ auf folgende Verfahren zurückgegriffen werden:[21] Vorgabe einer Zielkapitalstruktur, Iterationsverfahren, Umformulierung der Formeln von bereits bekannter Größen oder rekursive Berechnungsmethoden.[22]

Auch können die β-Faktoren für ein verschuldetes Vergleichsunternehmen aus Veröffentlichungen wie z.B. dem Informationsdienst Bloomberg oder aus dem Handelsblatt entnommen werden.[23]

In der Literatur lassen sich neben dem CAPM auch die Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber anhand der realitätsfernen[24] Annahmen von Franco Modigliani und Merton Miller ableiten. Die Beiden haben im Jahre 1958 unter den Annahmen, dass zukünftige Cashflows ewig fließen (Rentenmodell) und mit einer gleichmäßigen Rate wachsen, nachgewiesen, dass der Marktwert eines unverschuldeten Unternehmens in einer perfekten Volkswirtschaft[25] vergleichbar ist mit dem Marktwert eines risikovergleichbaren, verschuldeten Unternehmens ist (Irrelevanzthese).[26]

Nach den Modigliani/Miller-Thesen (MM-Thesen) steigen folglich mit dem Verschuldungsgrad auch die Eigenkapitalkosten linear an.[27] Daraus lässt sich der Zusammenhang zwischen Verschuldungsgrad und Eigenkapitalrendite für verschuldete Unternehmen darstellen:[28]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wachsen dahingegen die Cashflows nicht konstant an, muss man auf die von James A. Miles und John R. Ezzell im Jahre 1980 entdeckte Anpassung zurückgreifen:[29]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sowohl beim CAPM als auch im Modigliani/Miller Modell steigen die Eigenkapitalkosten linear zum Verschuldungsgrad an. Während der Betrachtungszeitraum beim CAPM zwei Zeitpunkte oder eine Periode beträgt, wird im Modigliani/Miller Modell eine ewige Rente unterstellt. Des Weiteren abstrahiert das CAPM die Steuern, wohingegen das M/M Modell die steuerlichen Unterschiede von Eigen- und Fremdkapital berücksichtigt.[30] Die Anwendung dieser Prämissen ist oft sehr schwer in der Praxis umzusetzen. Zwar ist das größte Problem die richtige Bestimmung des β-Faktors von börsennotierten Unternehmen behoben, jedoch bleibt die Übertragbarkeit des Grundgedanken des CAPM[31] immer noch recht schwierig.[32]

3.2.2 Fremdkapitalkosten

Die Fremdkapitalkosten () des Unternehmens lassen sich meist recht einfach anhand der aktuell zu zahlenden Zinsen des Marktniveaus für die Aufnahme von Fremdkapital ermitteln.[33] Dabei setzen sich die Kosten des Fremdkapitals aus einem risikolosen Zins plus einer Risikoprämie (CS; Credit Spread), aufgrund der Ausfallgefahr der Kreditrückzahlung zusammen. Auch können z.B. notierte Anleihen am Kapitalmarkt direkt aus öffentlichen Kapitalmarktinformationen entnommen werden oder man greift auf die sich aus dem Jahresabschluss ergebenden, durchschnittlichen Fremdkapitalkosten zurück. Zusätzlich kann, soweit das zu bewertende Unternehmen über ein Unternehmensrating verfügt, auf die Fremdkapitalkosten eines anderen Unternehmens mit einem vergleichbaren Rating zurückgegriffen werden.[34]

3.3 Cashflows im Entity-Ansatz

Der Begriff Cashflow wird als Erfolgskennzahl der Bilanzanalyse oder als Zahlungsstromgröße zur Beurteilung der finanzwirtschaftlichen Lage, bzw. zur Ermittlung des Unternehmenswertes genutzt. Es exisitieren zwei Möglichkeiten den Cashflow zu berechnen: die direkte und die indirekte Methode.

Während die direkte Methode zahlungswirksame Einzahlungs- und Auszahlungsströme direkt ermittelt und gegenüberstellt, setzt die indirekte Methode bei Ergebnisgrößen an. Hier werden im ersten Schritt zahlungsunwirksame Erträge[35] subtrahiert und zahlungsunwirksame Aufwendungen[36] addiert. Da die Berechnungen auf der Ausgangsgröße Gewinn- und Verlustrechnung basieren, muss das Ergebnis in einem zweiten Schritt um die erfolgsneutralen aber zahlungswirksamen Vorgänge korrigiert werden, um schließlich als Saldogröße den Cashflow zu erhalten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Direkte und indirekte Ermittlung der Cashflows

Quelle: Seppelfricke, P. (2007), S. 45/ Ballwieser, W. (2011), S.133

Beide Methoden führen zum gleichen Ergebnis, wenn alle zahlungsunwirksamen (z.B. Abschreibung) und alle erfolgsneutralen, zahlungswirksamen Vorgänge (z.B. Auflösung von RST) berücksichtigt werden.

Die direkte Methode ist zwar die bessere Variante, da Zahlungsströme einfacher abgelesen werden können, kommt jedoch auf Grund der mangelnden Aufzeichnung der Cashflows nicht oft in der Praxis zur Anwendung.[37]

Der Entity-Approach arbeitet bei der Unternehmensbewertung mit Cashflows, die alle Zahlungen, auch die der Fremdkapitalgeber, des Unternehmens an seine Umwelt erfassen.

Durch die Berücksichtigung dieser Zahlungen entsteht ein Problem: Der Cashflow zur Unternehmensbewertung ist widersprüchlich, da die in den Cashflow einfließenden Steuern durch die Höhe der Fremdkapitalzinsen, die nicht in den Cashflow eingehen, beeinflusst werden. Daraus folgen zu hohe Unternehmenswerte für hoch verschuldete und zu niedrige für unverschuldete Unternehmen. Dieses Problem kann behoben werden, in dem im Cashflow nur die Steuern auf das Betriebsergebnis vor Zinsen berücksichtigt wird.[38]

Somit lassen sich die Free-Cashflows für die Entity-Methode wie folgt vereinfachend[39] für die direkte und die indirekte Methode auf der oben bereits hergeleiteten CF-Größe bestimmen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5 Ermittlung des Free-Cashflow

Quelle: In Anlehnung an Ernst, D./ Schneider, S./ Thielen, B. (2010) S. 32; Ballwieser, W. (2011), S. 133, Matschke, M.J/ Brösel, G. (2005), S.569

Der Free-Cashflow resultiert dabei nur auf Einzahlungsüberschüssen, die im Leistungsbereich anfallen. Das bedeutet, dass der FCF finanzierungsunabhängig ermittelt wird und dem eines eigenfinanzierten Unternehmens entspricht.[40]

3.4 Ermittlung von Zukunftserfolgen mittels Prognoseverfahren

Um die Zukunftserfolge zu ermitteln, stehen verschiedene Prognoseverfahren beim Entity Approach zur Verfügung. In der Praxis sind weitestgehend die Pauschal- und die Phasenmethode vertreten (eine Kombination aus beiden Verfahren ist auch möglich).

Bei der Pauschalmethode unterstellt man nach dem Bilanzstichtag einen gleichbleibenden Einnahmeüberschuss. Diese auf der Vergangenheit beruhenden Ergebnisse werden um außergewöhnliche und nicht nachhaltige Einflüsse bereinigt. Das Augenmerk wird auf Vergangenheitszahlen gelegt, nicht auf die zukünftigen Ertragschancen eines Unternehmens.

Bei der Phasenmethode, welche in der Praxis häufiger anzutreffen ist, wird der Planungszeitraum in zwei Phasen unterteilt.[41] Die erste Phase (Detailplanungsphase), welche meist einen Zeitraum von 2-5 Jahren umfasst, liegt in absehbarer Entfernung vom Bilanzstichtag und baut damit auf einer plausiblen und detaillierten Cashflow-Rechnung auf. Häufig schwanken die Cashflows in diesen Perioden im Zeitverlauf. In der zweiten Phase (Rentenphase) wird unterstellt, dass sich das zu bewertende Unternehmen in einem konstanten Zustand befindet, d.h. nachhaltig erzielbare Unternehmensergebnisse erwirtschaftet (ewige Rente). Bei dieser Methode steht im Gegensatz zur Anderen die Analyse des Zukunftserfolges im Vordergrund.[42]

3.5 Finanzierungsstrategien

Betrachtet man die Detailplanungsphase mit schwankenden Cashflows, tritt das Problem auf, dass die Kapitalstruktur je nach gewählter Finanzierungsstrategie im Zeitlauf ebenfalls schwankt. Diese Schwankungen hängen zum einen von veränderlichen Kapitalstrukturen und ihren Auswirkungen auf die Renditeforderungen der Kapitalgeber ab, zum anderen aber auch davon, ob trotz schwankendem Unternehmenswert die Kapitalstruktur konstant gehalten wird. Letztendlich ist die vom Unternehmen angestrebte Finanzierungsstrategie entscheidend. Grundsätzlich wird hier zwischen der unternehmensorientierten bzw. atmenden Finanzierungsstrategie und der autonomen Finanzierungsstrategie unterschieden.

Bei der unternehmensorientierten Finanzierungsstrategie wird bei der Festlegung der Fremdkapitalbestände bereits zum Bewertungszeitpunkt ein fester Verschuldungsgrad bestimmt.[43] Die Unternehmensleitung setzt fest, ob es sich um einen konstanten oder variablen Verschuldungsgrad in der Detailplanungsphase handelt. Somit ist der Fremdkapitalbestand abhängig vom Unternehmenswert und wird durch ständige Anpassungen an die feste Kapitalstruktur verändert. Im Hinblick auf die Berücksichtigung der Unternehmenssteuer ergeben sich unsichere Zinszahlungen und steuerliche Vorteile, die dementsprechend angepasst werden müssen.

Bei der autonomen Finanzierungsstrategie, welche unternehmenswertunabhängig ist, werden Fremdkapitalbestände aufgrund vertraglich abgesicherten Vereinbarungen oder Bindungen an bilanzielle Größe von der Unternehmensleitung vorgegeben[44] und stehen ab dem Bewertungszeitpunkt bis in alle Ewigkeit fest.[45] Somit sind die mit der Fremdfinanzierung determinierten Zinszahlungen und Steuervorteile sicher,[46] der Verschuldungsgrad im Bewertungszeitraum jedoch unsicher.[47]

Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der Fremdkapitalbestände, führen die atmende und die autonome Finanzierungsstrategie im Allgemeinen nie zu identischen Unternehmenswerten.[48]

In der Praxis ist es relevant unter welchen Prämissen der Unternehmenswert ermittelt werden kann. Dabei kommt es unter bestimmten Bedingungen zu einem wesentlichen Anwendungsproblem, dem bereits bekannten Zirkularitätsproblem. Allerdings lässt sich dies für alle DCF-Ansätze im Rentenmodell ganz einfach durch Äquivalenzumformungen umgehen, womit der Unternehmenswert problemlos ermittelt werden kann (vgl. Rechenbeispiele im Anhang).[49]

Im Nicht-Rentenfall lässt sich der Unternehmenswert mit den verschiedenen DCF-Ansätzen unter Beachtung der zwei Finanzierungsstrategien nur wie folgt ermitteln:[50]

- Bei der progressiven Berechnung kann das Zirkularitätsproblem nicht durch formale äquivalente Umformungen behoben werden. Dennoch besteht eine Möglichkeit den Unternehmenswert zirkularitätsfrei zu ermitteln, indem beim APV-Ansatz die autonome und beim WACC die unternehmenswertorientierte Finanzierungsstrategie genutzt wird.
- Bei der rekursiven Berechnung wird der Unternehmenswert, ausgehend vom zirkularitätsfrei ermittelten Wert in der ewigen Rente, mit formalen Umformungen der Bewertungsgleichungen, periodenweise rückwärts bis zum Bewertungszeitpunkt bestimmt. Im Gegensatz zur progressiven Berechnung ist es hier möglich, mit beiden Finanzierungsstrategien den Unternehmenswert mit allen DCF-Ansätzen zu ermitteln.

Die Auswirkung des Kapitalstrukturrisikos auf die unterschiedlichen DCF-Ansätze wird mit folgender Annahmen vereinfacht:[51]

- Dem Bewertungskalkül liegt ein stets risikofreier und konstanter Fremdkapitalzinssatz zugrunde, da kein Insolvenzrisiko besteht, und die Fremdkapitalgeber zu jeder Zeit bedient werden.
- Die Unternehmensteuer bleibt im Laufe der Zeit konstant und linear.
- Die künftigen steuerlichen Vorteile aus der Fremdfinanzierung finden stets Berücksichtigung.
- Die Renditeforderungen der Eigentümer (operatives Risiko) des unverschuldeten Unternehmens sind im Zeitverlauf konstant.

4 Berechnung des Unternehmenswertes mit der Entity-Methode

4.1 Weighted Average Cost of Capital

4.1.1 Grundlagen

In der Bewertungspraxis ist das am häufigsten angewendete Verfahren die Methode der gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten,[52] auch Weighted Average Cost of Capital- (WACC-) Ansatz genannt.[53] Hierbei wird der Marktwert des Eigenkapitals (Shareholder Value), wie bei allen Bruttoverfahren mittels eines zweistufigen Berechnungsschemas ermittelt. Im ersten Schritt wird der Marktwert des Gesamtkapitals durch Abzinsung periodenspezifischer Free Cashflows mit einem gewogenen durchschnittlichen Kapitalkostensatz (WACC) bestimmt.[54] Somit ergibt sich der allgemeine Bruttounternehmenswert wie folgt:[55]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei den Entity-Ansätzen stehen die bewertungsrelevanten Cashflows den Eigen- und Fremdkapitalgebern nach Steuern und vor Zinsen zur Verfügung, d.h. die Steuervorteile aus anteiliger Fremdfinanzierung werden nicht im Cashflow sondern im Nenner berücksichtigt. Auch wird an dieser Stelle vorerst die Unternehmensfinanzierungsstrategie ausgeblendet, und die Ermittlung des FCF erfolgt unter der Prämisse der vollständigen Eigenfinanzierung des Unternehmens.[56]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei dem Abzug der Steuern von den Cashflows handelt es sich nicht um die tatsächliche Steuerzahlung, sondern um eine durch die Eigenfinanzierung bereinigte fiktive Steuerbelastung. Infolge der Bemessung an den Free-Cashflows wurde diese allerdings zu hoch geschätzt[57], d.h. die aus anteiliger Fremdfinanzierung resultierenden Steuervorteile (Tax Shield) wird nicht bei der Cashflow Ermittlung bedacht. Die Korrektur des Tax Shield wird im Bewertungskalkül dargestellt, indem die Renditeforderungen der Fremdkapitalgeber bei der Berechnung der gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten um den aus anteiliger Fremdfinanzierung resultierenden Steuervorteil ,gewichtet mit der Fremdkapitalquote zum Marktwert, gemindert wird. Die durchschnittlich gewichteten Kapitalkosten, ergeben sich beim WACC- Ansatz entsprechend folgender Formel:[58]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

An dieser Stelle tritt das Zirkularitätsproblem erneut auf:[59] Der Gesamtkapitalkostensatz lässt sich erst ermitteln, wenn die Marktwerte des Eigenkapitals, das Bewertungsergebnis, bereits vorliegt. Diese Problematik lässt sich leider nur sehr schwer auflösen, weswegen bei dem WACC-Ansatz in der Literatur oftmals empfohlen wird, eine in der Zukunft vom Unternehmen vorgegebene Zielkapitalstruktur festzulegen.[60] Dies entspricht der bereits in Kapitel 3.5 angesprochenen wertorientierten Fremdfinanzierungsstrategie mit einem festgelegten Verschuldungsgrad,[61] welcher aufgrund konstanter Finanzierungsrisiken eine gleichbleibende Kapitalstruktur und somit feste Renditeforderungen der Kapitalgeber verspricht. Somit ist der Fremdkapitalbestand abhängig vom Unternehmenswert und wird durch ständige Anpassungen an die feste Kapitalstruktur verändert. Durch die feste Bindung der Fremdkapitalbestände an die künftigen Entwicklungen des Unternehmenswertes sind daher die auf der Fremdfinanzierung beruhenden Zinszahlungen und steuerlichen Vorteile stochastisch.[62]

In einem zweiten Schritt wird der Marktwert des Fremdkapitals berechnet, der abschließend vom Marktwert des Gesamtkapitals subtrahiert wird, um den Marktwert des Eigenkapitals zu erhalten. Dieser bestimmt sich für das zu bewertende Unternehmen als Barwert der erwarteten Cashflows an seine Fremdkapitalgeber. Der Fremdkapitalkostensatz wird als Kalkulationszinsfuß verwendet, der bei risikoäquivalenten Renditeforderungen denen der Fremdkapitalgeber entspricht:[63]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Somit gilt für die Ermittlung des Marktwertes des Eigenkapitals:[64]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Werden die Free Cashflows im Fall der ewigen Rente ermittelt, gilt für die Ermittlung des Marktwertes des Eigenkapitals:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Unternehmensbewertung mit dem WACC-Ansatz wird der Bewertungszeitraum, wie bereits in Kapitel 3.4 angesprochen, in zwei Phasen unterteilt. Die erste Phase, Detailplanungsphase, geht von einem variablen Ausschüttungsmodell mit regelmäßig schwankenden Cashflows aus. Nach diesen detailliert planbaren Perioden im Fortführungszeitraum ist für die zufließenden Cashflows ein Restwert zu bestimmen. Erfolgt die Schätzung der Free Cashflows unter der Annahme, dass Phase 1 von t=1 bis t andauert, wird der Unternehmenswert wie folgt ermittelt:[65]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der Praxis geht man häufig von einer unendlichen Fortführung des Unternehmens aus (Continuing Value) und plant die Restperioden mit Hilfe des ewigen Rentenmodells, welches konstante Zahlungen in Höhe der letzten Planperiode annimmt.[66]

Der gleichbleibende Fortführungswert kann dementsprechend ab der Planungsperiode T, unter Annahme, dass die Free Cashflows mit einer konstanten Wachstumsrate g sich entwickeln (g<WACC), wie folgt ermittelt werden:[67]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

: Free Cashflow nach dem Planungszeitraum

Eine sorgfältige Bestimmung des Fortführungswertes ist für die Bewertung eines Unternehmens sehr wichtig, da der Continuing Value oft mehr als 50% des Unternehmensgesamtwertes ausmacht.[68]

[...]


[1] Vgl. Pape, U. (1999), S.92

[2] Vgl. Seppelfricke, P. (2007), S.21

[3] Vgl. Hagenloch, T. (2007), S.92

[4] In Anlehnung an Mokler, M. (2005), S.219

[5] Vgl. Ernst, D./ Schneider, S./ Thielen, B. (2010), S.45

[6] Vgl. Mokler, M. (2005), S.219

[7] Vgl. Behringer, S. (2004), S.105

[8] Vgl. Franken, L./Schulte, J. (2012): Erfassung systematischer und unsystematischer Risiken im Bewertungskalkül. In: Bewertungspraktiker 3 - September 2012 S.92

[9] Vgl. Franken, L./Schulte, J. (2012): Erfassung systematischer und unsystematischer Risiken im Bewertungskalkül. In: Bewertungspraktiker 3 - September 2012 S.92

[10] Vgl. Ernst, D./ Schneider, S./ Thielen, B. (2010), S.58

[11] Vgl. Peemöller, V.H. (2001), S.288

[12] Vgl. Ernst, D./ Schneider, S./ Thielen, B. (2010), S.58

[13] Vgl. Franken, L./Schulte, J. (2012): Erfassung systematischer und unsystematischer Risiken im Bewertungskalkül. In: Bewertungspraktiker 3 - September 2012 S.92ff.

[14] Vgl. Behringer, S. (2004), S.105f.

[15] Vgl. Matschke, M. J./ Brösel, G. (2006), S.563; Laufzeit ≥ 10 Jahre

[16] Vgl. Behringer, S. (2004), S.107

[17] Vgl. Ernst, D./ Schneider, S./ Thielen, B. (2010), S.60f.

[18] Vgl. Ernst, D./ Schneider, S./ Thielen, B. (2010), S.61; Die Risikoprämie beim WACC-Ansatz wird immer unter der Verwendung des levered Beta berechnet. Beim APV-Ansatz erfolgt hingegen die Berechnung der Abzinsung der operativen FCF mit den Renditeforderungen der EKG für das unverschuldete U. mit dem unlevered Beta.

[19] Vgl.Hommel, M./ Dehmel, I. (2008), S.267

[20] Vgl. Kruschwitz, L./Löffler, A./ Essler, W. (2009), S.91

[21] Lösungsansätze mittels dieser verschiedenen Lösungsverfahren im Rentenmodell befinden sich im Anhang.

[22] Vgl. Hommel, M./ Dehmel, I. (2007), S.244

[23] Vgl. Ernst, D./ Schneider, S./ Thielen, B. (2010), S.65

[24] Vgl. Matschke, M.J/ Brösel, G. (2005), S.559

[25] Vgl. Matschke, M.J/ Brösel, G. (2005), S.42

[26] Vgl. Seppelfricke, P. (2007), S.62f.; Matschke, M.J/ Brösel, G. (2006), S.559

[27] Vgl. Seppelfricke, P. (2007), S.62f.

[28] Vgl. Ballwieser, W. (2011), S.150; Matschke, M.J/ Brösel, G. (2006), S.559

[29] Vgl. Schultze, W. (2003), S.293

[30] Vgl. Matschke, M.J/ Brösel, G. (2005), S.47

[31] Vgl. Behringer, S. (2004), S.110; Anwendung des CAPM bleibt problematisch aufgrund z.B. keiner Berücksichtigung von Transaktionskosten, schnelle Reaktionen auf Renditeänderungen sind nicht möglich aufgrund von unkündbaren Verträgen und Käufersuche etc.

[32] Vgl. Behringer, S. (2004), S.110

[33] Vgl. Behringer, S. (2004), S.105

[34] Vgl. Schacht, U./ Fackler, M. (2005), S.196

[35] Vgl. www.controllingportal.de Stichwort: Einführung und Überblick über Cashflow-Berechnungsarten; z.B. Zuschreibung, aktivierte Eigenleistung, periodenfremde und außerordentliche Erträge, etc.

[36] Vgl. www.controllingportal.de Stichwort: Einführung und Überblick über Cashflow-Berechnungsarten; z.B. Abschreibung, Einstellung in die Rücklage, periodenfremde und außerordentliche Aufwendungen, etc.

[37] Vgl. Seppelfricke, P. (2007), S.44f.

[38] Vgl. Behringer, S. (2004), S.111

[39] Vgl. Matschke, M.J/ Brösel, G. (2005), S.564; In der Literatur gibt es sehr viele verschiedene Free-Cashflow Ermittlungsschemata.

[40] Vgl. Hagenloch, T. (2007), S. 141

[41] Vgl. Von Ahsen, H.B./ De Witt, B. (2005), S. 142

[42] Vgl. Kruschwitz, L./ Löffler, A./ Essler, W. (2009), S. 95f.

[43] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 302

[44] Vgl. Matschke, J./Brösel, G. (2006), S. 564

[45] Vgl. Kruschwitz, L./Löffler, A./ Essler, W. (2009), S. 81

[46] Vgl. Matschke, J./Brösel, G. (2006), S. 564

[47] Vgl. Kruschwitz, L./Löffler, A./ Essler, W. (2009), S. 81

[48] Vgl. Kruschwitz, L./Löffler, A./ Essler, W. (2009), S. 51

[49] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 302

[50] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 302f.

[51] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 302f.

[52] Vgl. Ernst,D./Schneider,S./Thielen,B. (2010), S. 46; Setzen sich aus risikoäquivalenten Renditeforderungen der Eigentümer und Fremdkapitalgeber zusammen.

[53] Vgl. Kup, A. (2007), S.160

[54] Vgl. Matschke, M.-J./Brösel, G. (2006), S.570

[55] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 273

[56] Vgl. Hommel, M./ Dehmel, I. (2008), S. 231

[57] Vgl. Hommel, M./Dehmel, I. (2008), S. 231

[58] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 273

[59] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 275

[60] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 302f.

[61] Vgl. Kruschwitz, L./Löffler, A./ Essler, W. (2009), S. 82

[62] Vgl. Matschke, M.J./Brösel, G. (2006), S.564

[63] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S. 273

[64] Vgl. Matschke, M.J./Brösel, G. (2006), S.571

[65] Vgl. Matschke, M.J./Brösel, G. (2006), S.571

[66] Vgl. Baetge, J./Niemeyer, K./Kümmel J. (2005), S.273

[67] Vgl. Seppelfricke, P. (2007), S.84

[68] Vgl. Ernst,D./ Schneider,S./Thielen,B. (2010), S.39

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2012
ISBN (PDF)
9783955496357
ISBN (Paperback)
9783955491352
Dateigröße
774 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Worms
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Discounted Cashflow Autonome Finanzierungsstrategie Wertorientierte Finanzierungsstrategie Capital Asset Pricing Model Adjusted Present Value WACC APV

Autor

Velda-Tiffany Keiper wurde 1990 in Bad Kreuznach geboren. Ihr Studium der Steuerlehre an der Fachhochschule in Worms begann sie im Wintersemsester 2010/2011. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Steuerberater-, Wirtschaftsprüfer- und Unternehmensbewertungsbranche. Fasziniert von dem vielfältigen Aufgabenfeld der Unternehmensbewertung widmete sie das vorliegende Buch dieser Thematik.
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